Protocol of the Session on May 4, 2017

Die im Juni 2016 verabschiedete EU-Städteagenda war ein wichtiger Schritt, und Berlin ist dabei. Wir arbeiten aktiv an der Partnerschaft „Integration von Migranten und Flüchtlingen“ mit. Wünschenswert wäre aus meiner Sicht auch eine weitere Aufwertung innerhalb der Europäischen Kommission durch Koordinierung des Ersten Vizepräsidenten, Herrn Timmermans.

Nicht zuletzt: Die europäische Einigung lebt auch von guten nachbarschaftlichen Beziehungen. Für Berlin sind lebendige Beziehungen zu unserem Nachbarland Polen zentral. Eine gute Kooperation auf lokaler und regionaler Ebene ist gerade in Zeiten lauter Töne auf anderen Ebenen unabdingbar.

Es muss ehrlicher über die EU informiert werden. Das machen wir durch die Stärkung der Europakompetenz in der Verwaltung und durch Partnerschaften mit Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft. Wenn nicht alle, denen Europa wichtig ist oder die von der europäischen Einigung profitieren, aktiver werden und dies auch laut und offen kundtun, droht die Europäische Union, in Kürze zu zerfallen.

Die Europäische Union ist kein Selbstzweck. Europa muss erhalten werden, damit wir es gemeinsam reformieren können. Für Europa geht es jetzt, in diesen Tagen,

(Bürgermeister Dr. Klaus Lederer)

Wochen und Monaten um alles. Die in den kommenden Tagen beginnende Europawoche ist eine gute Gelegenheit, um diese Diskussion zu führen. Nutzen Sie diese Angebote! Tragen Sie sie weiter! Ich möchte mich hier auch herzlich bei allen Beteiligten dafür bedanken, dass sie diese Europawoche möglich machen und den Berlinerinnen und Berlinern sagen: Wir brauchen Ihr Engagement! Denn ein Haus nach unseren Wünschen und Vorstellungen lebt davon, dass sich alle Bewohnerinnen und Bewohner für diese Gemeinsamkeit engagieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen Drucksache 18/0304, dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0304-1, dem Änderungsantrag der AfDFraktion Drucksache 18/0304-2 sowie dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/0304-3 wird die Überweisung an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten und Medien empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 2:

Fragestunde

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Zur Erläuterung: Nun können mündliche Anfragen an den Senat gerichtet werden. Die Fragen müssen ohne Begründung, kurz gefasst und von allgemeinem Interesse sein sowie eine kurze Beantwortung ermöglichen. Sie dürfen nicht in Unterfragen gegliedert sein. Ansonsten werden wir die Fragen zurückweisen.

Zuerst erfolgen die Wortmeldungen in einer Runde nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung. Nach der Beantwortung steht mindestens eine Zusatzfrage dem anfragenden Mitglied zu. Eine weitere Zusatzfrage kann auch von einem anderen Mitglied des Hauses gestellt werden. Für die erste Frage rufe ich ein Mitglied der Fraktion der SPD auf und bitte, an das Redepult zu treten. Nachfragen werden dann vom Sitzplatz aus gestellt. – Herr Kollege Zimmermann, Sie haben das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Ich frage den Senat: Wie bewertet der Senat die Bilanz und den Verlauf des diesjährigen 1. Mai

insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung, eine nicht angemeldete Demonstration zu tolerieren?

Herr Senator Geisel, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Herr Zimmermann! Der diesjährige 1. Mai war vor allem ein fröhliches, buntes Fest von vielen Hunderttausenden Berlinerinnen und Berlinern, das sich dadurch auszeichnete, dass es eine Vielzahl von Veranstaltungen, beginnend mit den Demonstrationen und Kundgebungen des DGB, gab. Das ist auch das eigentliche Thema des 1. Mai, nämlich einen politischen Tag zu feiern, einzutreten für Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte. All die Dinge, die uns heute vielleicht schon selbstverständlich erscheinen, beispielsweise die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bis hin zu der vor einigen Jahren getroffenen Entscheidung für einen Mindestlohn, mussten erkämpft werden. Das ist das eigentliche Thema des 1. Mai.

Es hat um 18.00 Uhr auch eine Demonstration gegeben, die nicht angemeldet und durchaus von einem nicht unerheblichen Gewaltpotenzial gekennzeichnet war. Zu dieser Demonstration ist zu sagen, dass in der Spitze etwa 10 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezählt wurden. Von diesen schätzt die Polizei etwa 1 000 als gewaltbereit ein. Tatsächlich sind nach der Zählung der Polizei etwa 300 gewalttätig geworden. Das sagt uns: Über 90 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Demonstration haben sich friedlich verhalten und sind für politische Argumente auf die Straße gegangen.

Die Thematik, die angesprochen wurde, nämlich die Gentrifizierung, die Mietentwicklung in unserer Stadt, die soziale Gerechtigkeit, die Solidarität, bewegt viele Berlinerinnen und Berliner. Die Antworten, die darauf zu geben sind, liegen im Wohnungsbau, in Gesetzen zum Schutz von Mieterinnen und Mietern, in einer anderen Liegenschaftspolitik. Keine Antwort sind das Einschmeißen von Fenstern, das Verletzen von Polizisten, das Anzünden von Autos oder Pyrotechnik.

Die Entscheidung, diese Demonstration laufen zu lassen, ist von der Rechtslage gedeckt. Das ist eindeutig: Artikel 8 des Grundgesetzes sagt, dass jeder das Recht hat, sich frei zu versammeln, und das ist höher zu bewerten als die Frage einer Nichtanmeldung, obwohl die Nichtanmeldung selbstverständlich eine Straftat ist und als Straftat verfolgt wird – ganz selbstverständlich.

Aber es gibt auch den anderen Aspekt, dass auf dem Myfest viele Tausende Menschen gefeiert haben. Bis zu 200 000 Menschen waren in der Spitze auf dem Myfest

(Bürgermeister Dr. Klaus Lederer)

anwesend und haben gefeiert, und es war ein fröhliches Familienfest. Ein Eingreifen an dieser Stelle hätte eine deutliche Eskalation der Gewalt zur Folge gehabt. Deshalb war die Entscheidung der Polizei, dieses nicht zu tun, eindeutig richtig – deeskalierend. Aber die Strategie der Polizei war wie angekündigt nicht nur deeskalierend, sondern auch hart gegenüber Straftätern. Deshalb war es ebenso richtig, die Demonstration, nachdem sie das Myfest verlassen hatte, in der Spitze, in der der Schwarze Block marschierte, von dem Gewalttätigkeiten gegen Polizistinnen und Polizisten ausgingen, dann auch hart zu begleiten und Straftäterinnen und Straftäter zu verhaften – aus der Demonstration heraus bzw. am Endplatz der Demonstration.

Der Unterschied zu 2016 liegt darin, dass die Zahl der verhafteten Straftäter im Vergleich zu 2016 insgesamt etwa doppelt so hoch war. Wir haben wieder 32 verletzte Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Es sind zum Glück nur leicht verletzte, und es sind weniger als im vergangenen Jahr, aber jeder verletzte Polizist ist einer zu viel, und ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen an dieser Stelle gute Besserung.

Insgesamt ist zu sagen, dass die Strategie der Polizei dort an der Stelle voll aufgegangen ist. Wenn wir die Entwicklung des 1. Mai über die Jahre hinweg betrachten, wird es eine immer friedlichere Veranstaltung, und das ist eine gute Entwicklung. Wenn wir den 30. April, die Walpurgisnacht, betrachten, muss man sagen, dass es inzwischen eine friedliche, bunte Großveranstaltung ist, die überhaupt kein Gewaltpotenzial mehr in dem Sinne, wie es in den vergangenen Jahren war, in sich birgt. Deshalb werden wir im nächsten Jahr die Walpurgisnacht zwar schon mit dem entsprechenden Polizeiaufwand, aber nicht mehr mit dieser Sicherheitseinstufung versehen, wie das in den vergangenen Jahren immer der Fall sein musste. Das heißt also, dass sich die Walpurgisnacht schon normalisiert hat. Am 1. Mai haben wir bei dieser einen Demonstration immer noch ein gewisses Gewaltpotenzial, und wir werden – das lässt sich jetzt schon sagen – auch 2018 mit den entsprechenden Polizeikräften dann wieder vor Ort sein, um wieder für einen friedlichen 1. Mai zu sorgen. Ich hoffe, dass sich diese Entwicklung der Normalisierung und auch der friedlichen Politisierung des 1. Mai weiter fortsetzt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Herr Kollege Zimmermann! Wünschen Sie, eine Nachfrage zu stellen? – Bitte schön, dann haben Sie das Wort!

Vielen Dank! – Gibt es denn einen Spielraum, Konsequenzen gegenüber den Veranstaltern oder Initiatoren dieser nicht angemeldeten Demo zu ergreifen oder zu prüfen? Wird da gegenwärtig etwas geprüft?

Herr Senator – bitte schön!

Herr Abgeordneter Zimmermann! Ja, selbstverständlich! Die Polizei hat aus der Nichtanmeldung die Schlussfolgerung ziehen müssen, von Anfang an – also auch im Vorfeld schon – sehr genau zu dokumentieren, wer dort Organisationsanstrengungen unternimmt und wer die Führung dieses Zuges übernimmt, und sie hat auch Straftaten, die aus dem Zug heraus begangen wurden, sehr genau dokumentiert, um dann eine Strafverfolgung möglich zu machen. Eine Person ist als möglicher Organisator identifiziert worden. Im Vorfeld dieser 18-Uhr-Demonstration hat es auch noch mal einen Versuch gegeben, genau diese Person anzusprechen und zur Kooperation aufzufordern. Das ist leider abgelehnt worden. Insofern gab es dann das geschilderte Verhalten der Polizei. Selbstverständlich werden diese gesammelten Beweise jetzt dazu genutzt, ein entsprechendes Strafverfahren einzuleiten.

Danke schön! – Die zweite Nachfrage geht an Herrn Kollegen Lenz von der CDU-Fraktion. – Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank! – Das schließt direkt an die Frage des Kollegen Zimmermann an, denn es ist für uns als Parlament – –

Herr Lenz! Einen kleinen Moment! Der Ton ist sehr schlecht. Haben Sie vielleicht ein Handy zu nahe am Mikrofon liegen?

[Zurufe]

Ah, es war der Laptop. – Bitte schön!

(Senator Andreas Geisel)

Es ist für uns sehr wichtig, hier mit einem guten Gefühl herauszugehen. Wir tragen die einsatztaktische Entscheidung der Polizei mit, die Demonstration nicht aufzulösen, wobei man geteilter Meinung sein kann, ob eine Demonstration unter Missachtung des Grundsatzes der Anmeldung wirklich von Artikel 8 gedeckt ist. Aber egal! Meine Frage an den Senator: Wir können also sicher sein, dass die Deeskalationstaktik jetzt nicht etwa mit einem Verzicht auf Strafverfolgung fortgesetzt wird? Es wird vielmehr eine Strafverfolgung geben, die Ermittlungsmaßnahmen laufen, und die Erkenntnisse werden weitergegeben? – Wenn das der Fall ist – das würde ich gern hören –: Wann können wir mit Ergebnissen rechnen? – Wenn wir es auf Wiedervorlage in einem halben Jahr legen, wäre es schön, wenn wir dann hören, dass diesen Ankündigungen Taten gefolgt sind, und wir dann vielleicht auch schon erste Verurteilungen haben, denn die Erkenntnislage – Kollege Zimmermann hat es angedeutet – ist ja so, dass das möglich sein dürfte?

Als „eine“ Nachfrage war das sehr großzügig. – Herr Senator – bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lenz! Zunächst einmal: Wir haben selbstverständlich sehr sorgfältig geprüft, ob dieser Aufzug verboten werden kann oder nicht, und die Prüfung hat ergeben, dass ein Stattfinden der Veranstaltung von der Rechtslage gedeckt ist, ja sogar der Rechtsprechung entspricht. Die Sachlage ist so, dass Artikel 8 Grundgesetz – ich sagte es schon – jedermann Versammlungsfreiheit zusichert und dann im zweiten Satz sagt: Näheres regelt das Versammlungsgesetz. – Das Versammlungsgesetz schreibt selbstverständlich eine Anmeldung vor, und eine Nichtanmeldung ist strafbewehrt. Das ist eine Straftat, die mit einer Geldstrafe oder mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden kann.

Die Anmeldung selbst dient aber nur dem Zweck, den Staat vorzubereiten, damit die Polizei von einer solchen Demonstration nicht überrascht werden kann. Man muss ganz klar sagen, dass wir nicht überrascht und nicht unvorbereitet waren, und die Rechtsprechung sagt an der Stelle ganz eindeutig, dass ein Verbot eines solchen Aufzuges dann von der Rechtslage nicht gedeckt ist. Es ist übrigens auch kein Einzelfall. Ich habe das schon mehrfach ausgeführt. Wir haben im Durchschnitt etwa 5 000 Demonstrationen im Jahr in Berlin, und davon sind jedes Jahr 20 bis 30 Demonstrationen aus den verschiedensten Gründen nicht angemeldet. Manchmal beruht es auf Nichtwissen, manchmal geschieht es auch als Provokation, und selbstverständlich erfolgt dann eine Strafverfol

gung. Die Polizei schätzt ein, dass die gesammelten Beweise gegen die betreffende Person bzw. gegen die betreffenden Personen sehr stichhaltig sind und dann ein entsprechendes Verfahren zeitnah eingeleitet wird. Wie das ausgeht, ist Sache der Justiz. Dem hat die Polizei nicht vorzugreifen. Ich bin da aber optimistisch, um das auch zu sagen.

Was die Strategie der Deeskalation betrifft, muss man deutlich sagen: Ja, die Polizei ist Garantin der Versammlungsfreiheit, und deswegen war die polizeitaktische Entscheidung an der Stelle richtig. Aber genauso richtig war das harte Eingreifen gegen Straftäter und das Durchsetzen des Vermummungsverbots. Wenn Sie den Zug beobachtet haben, konnten Sie sehen, dass die Polizei auch schon während des Zuges Straftäter herausgenommen hat, die mit Flaschenwürfen oder mit umgedrehten Fahnenstöcken Polizisten angegriffen haben oder die sich vermummt hatten, und dass sie am Endpunkt der Demonstration weitere Verhaftungen vorgenommen hat. Insgesamt hat es am 1. Mai 114 Freiheitsentziehungen gegeben, davon 72 bei der 18-Uhr-Demonstration.

Dass am Ende der Demonstration kein Steinhagel erfolgte, wie das 2016 der Fall war – wir hatten 2016 im Ergebnis über 50 verletzte Polizeibeamte –, war auch kein Zufall, sondern der Tatsache geschuldet, dass die Polizei mit starken Kräften auch am Endpunkt der Veranstaltung stand und durch die starke Kräftekonzentration Gewalttaten verhindert hat. Enttäuschte potenzielle Gewalttäter, die dann gedacht haben: Na, dann machen wir es nicht am Endpunkt der Demonstration, sondern gehen eine Straßenecke weiter! –, mussten feststellen, dass die Polizei mit starken Kräften auch in der Tiefe des Raums stand. Dass es am Ende – ich sage mal vorsichtig – glimpflich ausgegangen ist – denn Gewalt hat stattgefunden, das Gewaltpotenzial war hoch –, hat etwas mit der Stärke der Polizei zu tun – nicht mit der Schwäche des Rechtsstaates, sondern mit der Stärke der Polizei. Beides gehört zur Polizeitaktik, beides gehört zur Strategie, die wir da verfolgen, und das ist ein bewährtes Rezept. Ohne der Lage 2018 vorzugreifen, denke ich, dass wir 2018 wahrscheinlich wieder ähnlich verfahren werden.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank!

Jetzt kommen wir zur Frage der CDU-Fraktion. Herr Kollege Rissmann – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Hat der Senat gegen das nunmehr vorliegende