Dabei sind fast alle rechtlichen, organisatorischen und sicherheitsrelevanten Fragen noch ungelöst. Doch der Senat sichert dem Projekt im neuen Doppelhaushalt Mittel im Wert von 20 Bürgeramtsstellen.
Schon in der Vergangenheit führten Personalabbau und Aufgabenzuwachs zum Terminchaos in den Bürgerämtern. Terminstau, Personalmangel, hohe Krankenstände: Das sind die aktuellen Probleme der Bürgerämter, die angegangen werden müssen. Das Meldegesetz kann im Rahmen der vorgegeben Frist von den Bürgerämtern in der Regel immer noch nicht umgesetzt werden. Das führt dazu, dass Bürgerinnen und Bürger ohne eigenes schuldhaftes Handeln noch immer zu Ordnungswidrigkeiten genötigt werden. – Ja, Herr Karge, jetzt soll endlich Personal eingestellt werden. Aber das braucht bekannter
maßen seine Zeit – Ausschreibungen, Bewerbungen, Einstellungen und Schulungen, wir haben von dem Zeitrahmen gehört –, wenigstens bis zum Sommer.
Und es gibt in dieser Phase wieder einen Aufgabenzuwachs. Das eigentliche Problem wird von der Koalition auch mit diesem Antrag ausgeblendet: Es sind die veralteten, dezentralen Strukturen. Notwendig ist eine zentrale IT-Zuständigkeit sowie überbezirkliche Vernetzung. Der Antrag von SPD und CDU benennt dieses Problem, klammert aber die Lösung auf Kosten der bezirklichen Bürgerämter aus.
Abschließend möchte ich mich der Frage des Kollegen Birk anschließen. Nehmen wir einmal den Fall an, dass in einem Bürgeramt eine Beschäftigte, ein Beschäftigter feststellt: Es sitzt mir ein Kunde gegenüber, der mit gefälschten Dokumenten arbeitet. – Was macht derjenige in dieser Situation? Darauf geben Sie keine Antwort.
Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Es ist ja vielleicht im Durcheinander mit der Tagesordnung etwas untergegangen, aber wir reden gerade zur Priorität der CDU-Fraktion, also angeblich einem der wichtigsten Tagesordnungspunkte der heutigen Sitzung. Mich hat es etwas gewundert, denn wir könnten zu diesem Zeitpunkt zum Beispiel auch über das Strafvollzugsgesetz reden. Das finde ich auch sehr wichtig. Aber ich rede auch gerne über einen eher kleinteiligen Antrag.
Es wurde schon mehrfach erwähnt: Während die Antragsbegründung sowohl schriftlich als auch mündlich nur auf die angeblich erfolgreichen Erfahrungen aus dem Bezirk Neukölln eingeht, geht sie nicht auf die Erfahrungen in den anderen Bezirken, in denen diese Geräte pilotiert wurden, ein. Das ist nicht nur FriedrichshainKreuzberg, sondern auch Treptow-Köpenick. Diese Be
zirke haben die Verwendung wieder eingestellt, weil sie – das wurde auch schon erwähnt – keinen Nutzen in der Praxis gesehen haben. Die Geräte wurden auch schon im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf eingesetzt, und – auch das wurde schon erwähnt – dort wieder abgeschafft, weil die Fehlerquote zu hoch ist. Wir können uns im Rahmen der Beratung auch gerne noch andere Bezirke anschauen, falls es dort Erfahrungen gibt, aber der Bezirk Neukölln scheint in diesem Fall mit den positiven Erfahrungen, von denen berichtet wird, eher aus der Reihe zu fallen. Das muss man doch berücksichtigen, wenn man jetzt darüber redet, ob es auf alle Bezirke ausgedehnt werden soll.
In der Tat stellt sich die Frage, wie sinnvoll und zuverlässig diese Geräte eigentlich sind. Bei den Prüfungen, die der Kollege Dregger soeben erwähnt hat und zu denen er statistische Zahlen genannt hat, muss gesagt werden, dass das LKA selbst diese Geräte nicht verwendet. Es verwendet andere, zuverlässigere Methoden. Das geht übrigens auch auf die Antwort auf die Anfrage des Kollegen Dregger hervor. Die Fehlerquote bei diesen Geräten ist laut Angaben der Bundesdruckerei – zumindest wie sie vom Senat zitiert wird – eine Falsch-positiv-Quote von 5 Prozent.
Das bedeutet, dass von 20 Pässen, die mit diesem Gerät ausgelesen werden, bei einem fälschlicherweise angezeigt wird, er wäre gefälscht.
Wenn man jetzt diese Methode flächendeckend verwendet, also jeden Pass und nicht nur solche, die aus irgendwelchen spezifischen Gründen verdächtig sind, damit kontrolliert, wird es dazu führen, dass die meisten Alarme Fehlalarme sind. Das ist genau das, was das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf aus der Praxis berichtet. Insofern frage ich mich, wie man auf die Idee kommt, dass dies eine zuverlässige Methode ist, die flächendeckend eingesetzt werden sollte. Ich kann das an der Stelle nicht nachvollziehen. – Ich sehe, es gibt eine Zwischenfrage.
Herr Kollege Dr. Weiß! Ich will meine Frage von vorhin wiederholen. Angesichts der vielen Fehlalarme und der anderen Probleme, die Sie gerade geschildert haben: Halten Sie den konkreten Einsatz für einen Mehr- oder einen Minderaufwand für die Mitarbeiter in den Bürgerämtern?
Kollege Dr. Weiß! Können Sie sich nach dem, was Sie gerade ausgeführt haben, möglicherweise zusammenfassend dazu hinreißen lassen, dass sowohl der Antrag als auch das Vorhaben des Kollegen Dregger Quatsch ist?
In der Tat stellt sich doch die Frage: Wenn man das tut und wenn man dann eine so hohe Quote von Fehlalarmen hat – das heißt, da sitzt dann eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Bezirksamtes, kontrolliert das und sieht, dass da ein Fehler ist, weiß aber aus Erfahrung, dass da irgendetwas mit dem Chip nicht stimmen wird oder die Karte gerade schmutzig ist oder es läuft gerade einfach nicht –, was soll man da in der Praxis machen? Jedes Mal das LKA anrufen? Das führt dann in der Tat zu großem Mehraufwand.
Es ist eigentlich überflüssig zu erwähnen, aber gerade im Moment sollten wir uns sehr davor hüten, irgendetwas zu tun, was nicht dringend notwendig ist und was den bezirklichen Bürgerämtern mehr Aufwand auflastet.
Wenn derartig unklar ist, ob damit irgendein Nutzen verbunden ist, sollte man sich das wirklich gründlich überlegen. Wir können uns das aber gerne noch mal in den Ausschussberatungen näher angucken, noch mal ganz konkret gucken, welche Erfahrungen die Bezirke da gemacht haben, wie die Fehlerquoten bei den Geräten eigentlich sind und welche Überlegungen der Senat zu organisatorischen Einsatzfragen hat. Da gibt es Fragen wie: Was wird eigentlich getestet? Was passiert eigent
lich, wenn das Gerät anzeigt, dass etwas nicht stimmt? –, die ganz zentral sind. Da bin ich gespannt, ob es eine Möglichkeit gibt, es so zu machen, dass es effizient einsetzbar ist. Im Moment sehe ich das nicht. Mehr lässt sich zu dem Antrag auch nicht sagen.
Danke schön, Kollege Dr. Weiß! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und mitberatend an den Ausschuss für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit sowie an den Hauptausschuss empfohlen. Widerspruch höre ich nicht – dann verfahren wir so.
In der Beratung beginnt Bündnis 90/Die Grünen, und das Wort hat die Kollegin Dr. Kahlefeld. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei den „Späti“-Betreibern geht es um die Existenz. Und um es gleich vorweg zu sagen: Um Grundsatzfragen wie den Schutz der Sonntagsruhe oder nächtlichen Lärm zu diskutieren, sind die „Spätis“ der falsche Anlass.
Das durchschnittliche Monatseinkommen eines „Späti“Betreibers liegt bei ca. 1 050 Euro – und das bei einer Öffnungszeit von 24 Stunden von Montag bis Samstag. Wahrscheinlich kennen Sie die „Späti“-Betreiber in Ihrer Nähe. Anja Kofbinger und ich kennen im Norden Neuköllns mittlerweile alle. Wir haben sie mehrfach persönlich zu unseren „Späti“-Dialogen eingeladen und mit ihnen über ihre Situation diskutiert. Klar ist: Diese Leute wollen alle nicht zum Amt gehen. Sie haben Berufsausbildungen und Abschlüsse, die hier nichts wert sind, oder sie konnten nie irgendwelche Abschlüsse machen. Aber sie können alle rechnen. In jedem „Späti“ wird mit dem ganz spitzen Bleistift gerechnet, damit am Ende des Monats genug Geld da ist, um die Familien zu ernähren. Im Schnitt, wie gesagt, liegt das Monatseinkommen bei 1 050 Euro.