Danke schön, Kollege Dregger! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält jetzt das Wort der Kollege Birk. – Bitte sehr!
Tja, Herr Dregger, da haben Sie so ein schönes CDUThema auf die Tagesordnung gesetzt, und Ihre Reihen sind so leer. Das scheint nicht der Brüller zu sein. Die Koalitionskrise ist offensichtlich interessanter, und die Gespräche werden draußen geführt.
Eine flächendeckende Einführung von Dokumentenprüfgeräte in allen Bürgerämtern – als ob die im Moment keine anderen Probleme hätten.
Aber es klingt erst einmal logisch und einfach: Die Kundin oder der Klient kommt ins Amt, legt sein Ausweisdokument vor, das auf ein Gerät gelegt und kurz auf seine Echtheit geprüft wird – fertig. Bei erwiesener Fälschung spart die öffentliche Hand vielleicht wirklich einige Euro und deckt sogar kriminelle Machenschaften auf. Wir Grüne stehen der Idee auch nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Die Schwierigkeiten liegen aber im Detail, und da lohnt es sich dann doch schon, genauer hinzuschauen.
Worum geht es? – Seit dem Jahr 2012 bietet die Bundesdruckerei Dokumentenprüfgeräte an, die seit 2013 in Berlin im Prüfeinsatz sind. Ich habe dazu im September 2013 bereits eine Kleine Anfrage gestellt, denn es ergaben sich für uns einige Ungereimtheiten. Zunächst sollten eine ganze Reihe von Bezirken und die Ausländerbehörde die Geräte in der Praxis testen. Nach und nach stiegen aber die Bezirke und die Ausländerbehörde aus. Am Schluss blieb nur noch Neukölln übrig. Woran lag das?
Erstens: Die Geräte scheinen nichts zu taugen. Charlottenburg-Wilmersdorf – immerhin mit einer CDU-Stadträtin für Bürgerdienste – meldete eine 90-prozentige Fehlerquote. Frau Langeheine sagte uns bei einem Besuch in der Ausländerbehörde 2014, man habe die Geräte aus dem Einsatz genommen, die Fehlerquote sei zu hoch gewesen. Es fiel das Wort Schrott. Auch FriedrichshainKreuzberg und Treptow-Köpenick stiegen aus, nur Neukölln blieb dabei.
Zweitens: Nach welchen Kriterien sollten die Klientinnen und Klienten eigentlich überprüft werden? Ich habe danach gefragt, Regeln dazu gibt es nicht. Geprüft werde nach Aussage der Verwaltung bei allen Erstkontakten. Da kann ich nur feststellen, dass ein Gerät pro Bürgeramt zu wenig sein dürfte, wenn nicht unnötig Zeit und Wege vergeudet werden sollten. Und ich bin doch sehr skeptisch, ob in der Praxis nicht doch das Kriterium Racial Profiling zum Tragen kommen könnte, und das wollen wir nicht zulassen.
Drittens: Der entscheidende Punkt für uns liegt aber in der Frage, was passiert, wenn sich ein Dokument tatsächlich als mögliche Fälschung erweist. In den Antworten zu allen Anfragen von mir und den Kollegen/Kolleginnen heißt es dazu, es müsste eine Zweitüberprüfung durch Experten des LKA geben. Was machen aber die Bürgeramtsmitarbeiter/-innen solange mit dem Klienten? Welche Befugnisse haben sie, die Menschen gegen ihren Willen im Bürgeramt festzuhalten oder die Dokumente zur weiteren Überprüfung einzuziehen? Meine Fragen dazu blieben schlichtweg unbeantwortet. Ich halte sie aber für ganz wesentlich. Bürgeramtsmitarbeiter/-innen sind keine Polizeibeamten/Polizeibeamtinnen, wie dies früher bei den polizeilichen Meldestellen der Fall gewesen ist. Bei der Aufdeckung gefälschter Dokumente ist durchaus mit gefährlichen Reaktionen der Überführten zu rechnen. Auf solche Situationen sind die Bürgerämter sicherlich kaum eingestellt.
Wir haben auch erhebliche Zweifel, ob dies durch die geltende Rechtslage gedeckt ist. Als die Ordnungsämter eingeführt wurden, wurden die Befugnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch das Gesetz zur Errichtung der Ordnungsämter klar geregelt. Dies muss unseres Erachtens vor der flächendeckenden Einführung dieser Geräte mindestens geprüft werden.
Wir wissen außerdem alle, wie überlastet die Bürgerämter heute schon sind. An der Wartezeit von zwei Monaten auf einen Termin hat sich nichts geändert; wir haben das Problem vorhin noch mal dargelegt. Bevor wir die Bürgerämter einer neuen Belastung unterziehen, sollten wir Kosten und Nutzen einer solchen Maßnahme genau abwägen.
Schlussendlich haben wir es bei diesem Thema wieder mit einer dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung zu tun, genau wie bei den Geräten für mobile Bürgerämter, die aus Senatsmitteln beschafft wurden und jetzt aus verschiedenen Gründen zum Großteil ungenutzt bleiben. Sie werden die Bezirke nicht zwingen können, die Dokumentenprüfgeräte einzusetzen, andernfalls müssten Sie ihnen die Aufgabe der Bürgerdienste entziehen. Dass es solche Pläne in der Innenverwaltung gibt, ist kein Geheimnis, auch wenn Innensenator Henkel das in der letzten Sitzung des Ausschusses für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit, bei der er zum ersten Mal anwesend gewesen ist, leugnete. Eins ist klar: Wir werden nicht zulassen, dass die Bürgerämter erst durch die Vorgaben der Koalition kaputtgespart und dann wegen angeblicher Unfähigkeit vom Senat übernommen werden. Eine Aufschichtung, nur um aus ihnen eine Ordnungsbehörde zu machen, kommt mit uns erst recht nicht infrage.
Allerdings ist auch eins klar: Der Einsatz dieser Geräte ist überhaupt nur flächendeckend sinnvoll, denn die Bürgerämter haben eine Zuständigkeit für alle Bezirke. Sollten nur einige Bezirke die Geräte einführen, spricht sich das unter Betrügern herum, und sie gehen in ein Bürgeramt eines anderen Bezirks. Das wäre dann allerdings wieder eine typische Berliner Lachnummer.
Ich bin gespannt auf die Beratung all dieser offenen Fragen, auch jener zum Datenschutz, denn schließlich werden auf der Festplatte dieser Geräte einige Daten gesammelt oder webbasiert an die Bundesdruckerei überführt. – Vielen Dank!
Nur nicht zu früh freuen, dass es dem Ende entgegengehe, mal abwarten! – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ja, da haben Sie recht, die geht zu Ende, aber ob sie insgesamt zu Ende geht, das warten wir doch mal ab. – Herr Birk! Ich finde, Sie haben vieles sachlich richtig angemerkt, keine Frage. Was Sie allerdings zu den Bürgerämtern gesagt haben, dass es dort Probleme gibt, man das über diese Frage darstellen müsse und die Bürgerämter nicht wieder mit Neuem belasten könne, greift aus
meiner Sicht zu kurz. Das würde bedeuten, dass wir gar nichts mehr verändern können, dass wir keinerlei Verbesserung einführen können, dass wir immer erst warten müssen, dass ein Problem nach dem anderen abgearbeitet worden ist. Hier kann man ohne Weiteres zu der Überzeugung gelangen, dass es richtig ist, an der Stelle etwas zu verändern.
Ich habe doch noch gar nichts gesagt, Herr Dr. Albers. Hören Sie doch erst einmal zu, dann können Sie eine Zwischenfrage stellen!
[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Ich wollte wissen, warum nur elf Leute aus Ihrer Koalition bei der Priorität Ihres Koalitionspartners anwesend sind!]
Danke schön! – Die Frage erübrigt sich; ich bin kein Gedankenleser! – Es geht heute um die sinnvolle Erweiterung der Möglichkeiten, in den bezirklichen Bürgerämtern gefälschte Personaldokumente zu erkennen. Um diese Fragestellung geht es im zentralen Punkt, und da müssen wir uns alle einig sein, dass wir hierzu Lösungen finden wollen.
Es geht daneben natürlich auch um die Erbringung von Dienstleistungen für den Bürger, die den Sicherheitsgedanken in unserer Gesellschaft stärken sollen. Bisher ist es so, dass Dokumente durch die Inaugenscheinnahme bei den Bürgerämtern überprüft werden. Mittlerweile, das wissen wir alle, sind die Pässe und Ausweise größtenteils maschinenlesbar und teilweise mit Chips zur Speicherung von Daten ausgestattet. Um hierbei – neben den Sicherheitsaspekten – eine effizientere Arbeit zu ermöglichen, helfen elektronische Verfahren durchaus. Wir dürfen nicht vergessen: Es wird geschätzt, dass mit Hilfe von gefälschten Personaldokumenten ein Schaden im Rahmen von Sozialleistungsbetrug pro Fall in Höhe von 20 000 bis 40 000 Euro entstehen kann. Die Möglichkeit des Aufbaus einer Scheinexistenz durch islamistische Extremisten, die über gefälschte Dokumente eine Aufnahme in das deutsche Meldewesen erreichen, ist nicht zu un
terschätzen. Kriminelle oder terroristische Aktivitäten können damit leichter durchgeführt werden. Das sind keine Peanuts-Argumente, sondern wichtige Entscheidungsgrundlagen für die Einführung dieser Technik.
Dass Friedrichshain-Kreuzberg den Versuch wieder eingestellt hat, mag mich nicht wirklich verwundern.
In Neukölln wurde der Versuch jedoch erfolgreich ausgeweitet. Allein im Jahr 2014 wurden dort über 50 gefälschte Dokumente entdeckt; in den ersten beiden Monaten des Jahres 2015 über 20. Aber es stimmt auch: In Neukölln gehen die Fallzahlen aktuell zurück. Es wäre jedoch sicherlich falsch anzunehmen, dass dies mit der Abnahme von krimineller Energie einhergeht. Vielmehr ist es doch wohl so, dass sich eine Seitwärtsbewegung eingestellt hat, dass sich herumgesprochen hat, dass Neukölln der einzige Bezirk ist, in dem diese Art der Prüfung von Personaldokumenten stattfindet. Wenn man dieses Argument als gegeben und richtig einschätzt, wird man kaum an einer flächendeckenden und landesweiten Lösung vorbeikommen; die Mittel dafür sind im Haushalt eingestellt. Sollte eine Direktvergabe erfolgen können, ist das Projekt zeitnah noch in diesem Jahr durchführbar. Sollte man dafür eine europaweite Ausschreibung benötigen, wird man als Zieljahr wahrscheinlich erst das Jahr 2017 erreichen. Bei einer flächendeckenden Einführung wird sich der Preis durch die Anzahl der anzuschaffenden Geräte sicherlich reduzieren.
Der Senat hat den Bezirken im Übrigen Hilfestellungen angeboten. Dazu zählt u. a. das Angebot der Polizei und des Bezirks Neukölln, einen Leitfaden für eine Standardschulung zu entwickeln, um einen professionellen, sicheren und für die betroffenen Mitarbeiter guten Weg der Nutzung der Geräte zu ermöglichen. Auch die teilweise kritischen Fragen aus einzelnen Bezirken – organisatorischer und rechtlicher Natur – sind bei gutem Willen lösbar. Insofern bitte ich Sie darum: Lassen Sie uns dieses wichtige Projekt gemeinsam auf einen guten Weg bringen.
Der Senat wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass in allen bezirklichen Bürgerämtern ein elektronisches Dokumentenprüfgerät eingeführt und eingesetzt wird.
Die Mittel sind eingestellt, das ist berichtet worden. Vielleicht gibt es aber ja Probleme bei der Umsetzung dieses Vorhabens – dann sollten diese benannt werden. Welche Probleme sind das? Es ist jedenfalls wieder einmal ein Antrag, der an den derzeitigen Problemen der Bürgerämter vorbeigeht; dazu hat Kollege Birk schon einiges ausgeführt.
Es wurde auch schon darüber berichtet und hier dargelegt, dass in der Ausländerbehörde und einigen Bezirken in den Jahren 2012/2013 Pilotversuche mit den Dokumentenprüfgeräten durchgeführt wurden. Ausländerbehörde und Bezirke – bis auf Neukölln – sind wieder aus diesem Projekt ausgestiegen. Begründung: geringer Nutzen in der Praxis. Geringer Nutzen in der Praxis war die Begründung für den Ausstieg einiger Bezirke. Und ich meine, der Einsatz von Dokumentenprüfgeräten ist derzeit wirklich das kleinste Problem der Bürgerämter.
Die derzeitigen Probleme – sollte man meinen – der bezirklichen Bürgerämter sind doch bekannt. So wird in einer Presseerklärung des Bezirksamtes Mitte – um auch einmal ein anderes Bezirksamt zu nennen – vom November 2015 mitgeteilt, dass aus Sicht des Bezirksamtes der Senat in Sachen Bürgerämter auf Nebenschauplätzen unterwegs ist. Und damit meinten sie die Dokumentenprüfgeräte. Fast nichts ist geklärt. Zitat vom Bezirksamt Mitte:
Für fast 1 Million Euro pro Jahr sollen alle Bürgerämter mit Dokumentenprüfgeräten ausgestattet werden. Die Beschäftigten sollen zukünftig mit Hilfe dieser Geräte jedes Ausweisdokument auf seine Echtheit überprüfen.