Protocol of the Session on September 10, 2015

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

die seit einigen Jahren läuft, dass sie auch das Selbstbewusstsein der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärkt und sich insofern positiv auf das Unternehmen auswirkt. Insofern will ich diese Kampagne nicht kritisieren.

Unser Schwerpunkt ist die Ausweitung des öffentlichen Personennahverkehrs. Die wachsende Stadt Berlin braucht ein entsprechendes Verkehrsangebot, und das steht für uns im Mittelpunkt, beispielsweise im Sommer die Verlängerung der Straßenbahnlinie vom Nordbahnhof bis zum Hauptbahnhof, die E-Buslinie vom Bahnhof Zoo zum Südkreuz usw. Das sollte im Mittelpunkt stehen und nicht so sehr diese Marketingaktivitäten. Aber wenn sie dazu beitragen, das Selbstbewusstsein des Unternehmens und der Mitarbeiter zu stärken, Kunden zu binden und gegebenenfalls neue Fahrgäste zu finden, dann unterstützen wir das.

[Beifall bei der SPD]

Die zweite Nachfrage geht an Herrn Lauer von der Piratenfraktion. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Geisel! Könnten Sie sich vorstellen, dass das Selbstbewusstsein der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BVG zum Beispiel auch dadurch gesteigert werden könnte, dass man ihre Löhne einfach erhöht, anstatt als Monopolist für den öffentlichen Personennahverkehr in Berlin eine Imagekampagne zu starten?

[Daniel Buchholz (SPD): Wissen Sie, was private Busunternehmer zahlen?]

Der Senator Geisel antwortet, Herr Kollege Buchholz. Da müssen Sie schon Senator werden.

[Allgemeine Heiterkeit]

Herr Senator Geisel, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Lauer! Ja, das kann ich mir vorstellen. Deswegen haben wir ja gerade bei der letzten Tariferhöhung auch die Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BVG erhöht. Es war übrigens ein größerer Betrag, der dabei fällig geworden ist, als die angesprochenen 320 000 Euro. Das führt aber in der Folge dazu, dass wir gelegentlich auch Fahrpreisanpassungen haben. Diese Diskussion wird ja ebenfalls in Berlin geführt. Auch das ist eine Folge, die wir mittragen. Aber wir wollen leistungsfähige Verkehrsbetriebe, leistungsfähige öffentliche Unternehmen in Berlin haben. Dazu gehören nicht nur hohe Fahrgastzahlen, sondern auch motivierte und leistungsfähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Vielen Dank!

Dann können wir zu Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Bayram, bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Bezirksbürgermeister Christian Hanke – wohlbekannt als SPD-Mitglied – wirft dem Sozialsenator Czaja absolutes Versagen in der Flüchtlingsunterbringung und der gesamten Politik vor. Wie sieht der Gesamtsenat das? Teilt er die Einschätzung des Bezirksbürgermeisters von Mitte?

Herr Regierender Bürgermeister, bitte schön!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Bayram! Ich teile diese Grundsatzkritik so nicht. Ich glaube, Senator Czaja hat eben für den Senat in seiner Beantwortung in der Aktuellen Stunde deutlich gemacht, dass der Senat hier an einem Strang zieht und dass wir in den vergangenen Monaten sehr viel in der Flüchtlingsunterbringung erreichen konnten.

Wir haben das nicht erst in den letzten Wochen nachgebessert. Es ist mir an der Stelle noch einmal wichtig, das zu betonen. Wir haben am 8. Januar in ressortübergreifenden Arbeitsgruppen angefangen, die Aufnahmesituation und die Sprachschulung vor Ort zu verbessern, Arbeitsmarktangebote und Integrationsangebote zu unterbreiten sowie Schritt für Schritt Liegenschaften zu ertüchtigen.

Wir haben das entsprechend ergänzt und mit dem vor rund vier oder sechs Wochen eingerichteten Koordinierungskreis auf die aktuelle Situation reagiert. Wir haben danach laufend reagiert und bis zur letzten Woche angepasst, indem wir weitere Immobilien ertüchtigt und die Erstaufnahmesituation mit der Bundesallee sowie der personellen Situation mit dem Durchgriffsrecht auch des Koordinierungsstabes, der in einem 24-Stunden-Modus arbeitet, verbessert haben.

Insofern will ich ganz klar sagen: Es ist mit Sicherheit so, dass man manche Dinge vielleicht besser oder früher, schneller hätte machen können. Das räume ich gern ein. Ich glaube aber, dass wir uns in einer Situation befinden, in der sich die Zahlen so dramatisch entwickelt haben, dass man sich in der Verwaltung nicht präventiv über Jahre darauf hätte vorbereiten können. Man kann die Verwaltung nicht drei, vier oder fünf Jahre im Vorgriff auf einen möglichen Fall aufbauen, in dem nicht mehr als 6 000 oder 12 000 Flüchtlinge kommen, wie in den Jahren 2012 und 2013, sondern in dem es wie in diesem Jahr vielleicht bis zu 70 000 sind. Das ist eine Situation, auf die eben auch laufend reagiert werden muss. Das tun wir.

Ich will die Situation nutzen, um auch noch einmal etwas zu sagen, was soeben in einigen Reden eine Rolle gespielt hat: Wenn es so wäre, dass nur dieser Senat auf eine Situation nicht rechtzeitig reagiert hätte oder dass es nur hier große Versäumnisse gegeben hätte, müssten wir doch bundesweit eine ganz andere Situation haben. Wenn man sich aber umschaut, egal, ob bei den Kollegen Ramelow oder Seehofer oder Kraft oder Kretschmann, ist es dort nicht anders. Heute Nacht hat es am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz eine Rolle gespielt. Alle Ministerpräsidenten, alle Bundesländer haben die gleichen Probleme. Wir überlegen im Moment bundesweit, woher

wir Toilettencontainer bekommen, woher wir Matratzen und Betten herbekommen, wie wir das Ehrenamt koordinieren und wie wir Erstaufnahmesituationen einrichten können.

Insofern bitte ich um Verständnis. Kritik ist sicherlich im Einzelfall berechtigt, ob Bezirksbürgermeister Hanke oder Sie als Opposition sagen – mitunter auch zu Recht –, dass das eine oder andere anders hätte organisiert werden müssen. Unter dem Strich bleibe ich dabei, dass wir – die Berliner Verwaltung, die Kolleginnen und Kollegen, das Ehrenamt, Politik, helfende Institutionen, die Berliner Wirtschaft – gemeinsam in den letzten Monaten eine sehr gute Unterbringung und Erstaufnahme unter diesen schwierigen Verhältnissen organisieren konnten. Dafür bedanke ich mich auch im Namen des Berliner Senats insgesamt ganz herzlich. Wir arbeiten weiter daran, die Situation Schritt für Schritt zu verbessern. Beinahe jeden Tag gibt es Veränderungen, auf die wir reagieren und die wir entsprechend umsetzen werden. So wird es auch in Zukunft sein. Für die Probleme, vor denen wir stehen, hat niemand einen Königsweg. Keine Maßnahme kann bei den Problemen, vor denen wir stehen, von heute auf morgen perfekt funktionieren. Unter dem Strich bin ich froh darüber, dass wir in Berlin so vielen Menschen so gut helfen konnten. Das ist auch für die Zukunft mein Anspruch.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Frau Bayram für die erste Nachfrage!

Ich habe die Einladung zum nächsten Runden Tisch bekommen, Herr Regierender Bürgermeister, der bei Ihnen im Roten Rathaus stattfinden soll. Werden Sie sich mehr bei dem Thema einbringen? Wird es einen flüchtlingspolitischen Gipfel von dem Regierenden Bürgermeister in Berlin geben?

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Bayram! Ich glaube es deutlich gemacht zu haben, dass mir sehr wichtig ist, ressortübergreifend zu arbeiten und mit dieser Flüchtlingsproblematik umzugehen, jeder in seiner Verantwortung. Wir haben gewählte Senatoren, die auch für ihre Fachbereiche stehen und die entsprechenden Schritte, die wir miteinander verabreden, auch in eigener Verantwortung umsetzen müssen. Es muss aber koordiniert und ressortübergreifend abgestimmt werden. Ich habe auch deutlich gemacht, dass ich natürlich auch den Regieren

den Bürgermeister in einer Verantwortung sehe und diese Verantwortung auch wahrnehme.

Deswegen hat es diese Situation gegeben, in der wir den Koordinierungsstab eingesetzt haben. Es gibt natürlich auch Schnittstellen zum Roten Rathaus. Ich habe inzwischen zweimal mit dem Beirat für Flüchtlingsfragen getagt, der eine große Hilfe ist und parteiübergreifend organisiert und eine große Hilfe auch in der Kommunikation mit betroffenen Einrichtungen und vielen Ehrenamtlichen ist. Ich werde den nächsten Runden Tisch selbst gemeinsam mit Wolfgang Wieland, der diesen Tisch moderiert, leiten.

Wir werden aus dieser Situation heraus sehen, ob es weitere Gremien oder Anlässe gibt, wo ich direkt Dinge leite oder direkt Dinge begleite. Mir ist, Frau Bayram, mit neuen und zusätzlichen Showveranstaltungen nicht ganz wohl. Wir haben so viele Gremien und Runden, in denen die Verantwortlichen zusammenkommen. Es wäre mir lieber, wenn wir die Gremien anpassten und ertüchtigten, veränderten und neu organisierten, so, dass wir gemeinsam noch schneller, noch besser, noch direkter reagieren können. Ob wir wirklich neue Gipfelrunden brauchen, sehr ich skeptisch. Lassen Sie uns bitte erst einmal die vorhandenen Runden nutzen und sehen, was daraus folgt und dann entscheiden, was nötig ist.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Danke schön! – Die zweite Nachfrage hat der Kollege Reinhardt von der Piratenfraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben viel zu dem Thema zu sagen und klargemacht, dass es Ihnen sehr wichtig ist und Berlin sich in einer außergewöhnlichen Situation befindet. Insofern habe ich die Nachfrage, warum Sie heute nicht die Gelegenheit genutzt haben, hier eine Regierungserklärung zu diesem wichtigen Thema abzugeben, um damit auch öffentlich klar Stellung zu beziehen.

Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Reinhardt! Das hätte man so machen können. Ich glaube, dass es völlig in Ordnung ist, wie ich es eben gesagt habe, dass auch aus der fachlichen Zuständigkeit heraus Herr Senator Czaja die Beantwortung vorgenommen hat. Wir befinden uns im Moment auch wirklich immer noch in einer Situation – zumindest ordne ich es für mich persönlich so ein –, in

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

der wir eine wirklich schwierige Aufgabe zu meistern haben. Ich will das auch vor dem Hintergrund der Situation sagen, die wir ohnehin in Berlin haben. Ich möchte daran erinnern, weil das mitunter aus meiner Sicht in den letzten Wochen ein bisschen zu kurz gekommen ist, dass wir vor drei, vier Monaten noch gemeinsam über schwierige und soziale Fragen in unserer Stadt ganz unabhängig von den Flüchtlingen diskutiert haben. Es gibt eine hohe Arbeitslosigkeit. Es sind 200 000 Menschen, die keine Arbeit haben. Es gibt in unserer Stadt Integrationsprobleme ganz unabhängig von der aktuellen Situation. Es gibt schwierige soziale Probleme in einigen Kiezen. Wir haben die Mietfrage diskutiert, den Wohnungsbau. Das sind alles Dinge in einer sich verändernden, wachsenden Stadt, die von uns gemeinsam als Probleme identifiziert wurden und denen wir uns politisch widmen wollen und müssen.

Das ist alles nicht weg. Wir müssen uns weiterhin um die 200 000 Menschen kümmern, die keine Arbeit haben. Wir müssen weiterhin um jeden Arbeitsplatz und weiter um die Verbesserung der sozialen Situation in unseren Kiezen kämpfen, um Menschen eine Perspektive für die nächsten Jahrzehnte zu bieten, den Menschen, die schon seit Jahrzehnten in unserer Stadt leben. Jetzt kommt dieses Thema noch obendrauf. Wir sind in einer schwierigen Situation. Ich behaupte aber nach wie vor, dass wir weit entfernt von einer Krise oder gar Katastrophe sind. Wir befinden uns in einer Situation, aus der heraus Berlin immer noch gut helfen kann, sicherlich mit anderen Vorzeichen, als wir es noch vor einigen Monaten diskutiert haben, mit anderen Standards, auch einmal von einem Tag auf den anderen spontan zu reagieren, auch vielleicht einmal etwas holprig. Das kann alles sein. Wir können Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen, die traumatisiert und verletzt sind, die vor vierzehn Tagen ihre Angehörigen bestattet haben, immer noch gut helfen.

Vor diesem Hintergrund sage ich: Es ist richtig, dass die Senatoren weiterhin ihre Arbeit in ihrer Verantwortung in Bezug auf Flüchtlinge sowie die anderen in der Stadt vorhandenen Situationen haben, die weiterhin geregelt werden müssen. Das wird im Rahmen einer Aktuellen Stunde von dem zuständigen Fachsenator beantwortet.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank!

Die nächste Frage geht an die Fraktion Die Linke. – Frau Breitenbach, bitte schön!

Ich frage den Senat: Ist Ihnen diese Einsatzordnung für die polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der

Unterbringung von Flüchtlingen vom 8. September bekannt, in der die Kennzeichnung erkrankter Flüchtlinge durch Armbinden steht und angeordnet wurde? Ist Ihnen das bekannt? Meine zweite Frage ist: Was gedenkt der Senat zu tun, damit diese Kennzeichnung erkrankter Menschen verhindert wird und sie stattdessen unverzüglich gesundheitlich versorgt werden?

[Beifall von Björn Eggert (SPD)]

Für den Senat Herr Senator Henkel, bitte schön!

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin! Mir ist durch Ihre Presseerklärung gestern, in der Sie von einer Anweisung des Polizeipräsidenten in Bezug auf an Krätze erkrankte Menschen gesprochen haben, in der Nachfrage bekannt geworden, dass es in der Tat eine VS-Information gab, eine Führungsinformation der Bundespolizei, in der geschrieben wurde, wie mit erkrankten Menschen, die in einem Zug nach Eisenhüttenstadt waren, umgegangen wurde. Das war eine Anweisung der Bundespolizeidirektion. Sie galt dem Ziel, dass erkrankte Menschen unmittelbar, wenn sie ankommen, in ein Krankenhaus eingeliefert werden.

[Zuruf von Elke Breitenbach (LINKE)]

Für eine Nachfrage, bitte schön, Frau Breitenbach!

Herr Henkel! Dieses Papier hier ist von der Berliner Polizei, da steht es drin. Das können Sie hier sehen. Sie müssten jetzt mal erklären, wie die Bundespolizei solche Anweisungen in Einsatzanordnungen für Maßnahmen der Berliner Polizei einfügen kann.

[Beifall bei der LINKEN]