Ich glaube, wir sprechen von einem gesamtstädtisch bedeutsamen Thema. Es gilt, Formate zu finden und zu definieren, die die Akteure der gesamten Stadtgesellschaft einbeziehen. Unsere Erwartung ist aber gleichermaßen, dass auch umgekehrt nicht versucht wird, vollendete Tatsachen zu schaffen. Denn so, wie es dem Senat einerseits unterstellt wird durch Aufstellungsbeschlüsse zu Bebauungsplänen, kann man auch den Initiatoren des Volksbegehrens vorhalten, dass dieses nicht ergebnisoffen ist. Wenn nun beide Seiten respektvoll aufeinander zugehen – das ist meine Hoffnung und Erwartung an die anstehenden Schritte von Werkstattverfahren und Standortkonferenzen –, bin ich durchaus zuversichtlich, dass es gelingen wird – dafür bedarf es keines Mediationsverfahrens, ich halte die Verfahren in sich für geeignet –, dass man hier zu einem breiten stadtgesellschaftlichen Konsens finden wird, finden muss, wie mit dem Tempelhofer Feld umgegangen wird. Nicht umsonst nennen wir es Tempelhofer Freiheit. Das Letzte, was wir wollen, ist, diesen Begriff infrage zu stellen. Wir glauben, es ist ein Areal von zukunftsweisender Bedeutung, über das nicht etwa hinter verschlossenen Türen zu verhandeln ist, sondern miteinander in der gesamten Stadt. Ich danke dem Senat dafür, dass die vorbereiteten Schritte aus unserer Sicht dafür auch geeignet sind. – Vielen Dank!
Herr Evers! Brauchen Sie vielleicht ein internes Mediationsverfahren angesichts der Tatsache, dass beim Neujahrsempfang der Tempelhof-Schöneberger CDU, immerhin dem Kreisverband vom Fraktionsvorsitzenden Graf, Unterschriften für das Volksbegehren gesammelt worden und das offensichtlich auch auf viel Sympathie der anwesenden CDU-Mitglieder gestoßen ist?
Lieber Herr Birk! Ich weiß, Sie hören mir immer ganz genau zu und werden deshalb auch vernommen haben, dass ich eben angesichts der Komplexität dieses Themas von Ergebnisoffenheit gesprochen habe. Auch wir werden uns in einen ergebnisoffenen Dialog darüber einbringen, wie wir mit dem Tempelhofer Feld umgehen. Insofern können Sie davon ausgehen, dass wir das durchaus kontrovers in unserer Fraktion diskutieren werden. Wie es unsere Art ist als moderne Großstadtpartei, stehen wir nicht als monolithischer Block da, sondern sind diskussionsfreudig. Wir laden Sie dazu herzlich ein.
Vielen Dank, Kollege Evers! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Kollege Prieß das Wort. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Zuerst eine kurze Bemerkung zu Herrn Evers. Er hat eben ein positives Beispiel für den Umgang mit direkter Demokratie genannt – das Energiethema. Ich habe hier aber auch ein Negativbeispiel zu vermelden, und zwar ist das der Umgang mit der Initiative „Die Berliner wollen ihr Wasser zurück“. Dabei hat das nicht ganz so gut funktioniert.
Die Bürger organisieren sich, die Bürger sammeln Unterschriften, und in das Thema Nachnutzung Flughafen Tempelhof kommt langsam immer mehr Bewegung. Das ist auch gut so. Ein Prestigeobjekt des Senats, der Neubau einer Wowereit-Gedenkbibliothek, möglicherweise das nächste Berliner Millionengrab, steht damit zur Disposition, so wie auch weitere auf dem Areal geplante Bauvorhaben. Man denke an Ideen wie das Gesundheitszentrum am Columbiadamm oder Wohnungsneubau für ein gehobenes Klientel am Rand des Schillerkiezes und weitere Bauabsichten. Zu kurz kommen dabei allerdings die vielen Berliner
und Berlinerinnen, danke! –, die die Chancen dieser für eine Großstadt von der Lage her einmaligen offenen Fläche erhalten wollen, und keine schrittweise Einschränkung dieser sogenannten Tempelhofer Freiheit ohne eine Beteiligung der Bürger wünschen. Unterschiedliche Nutzungsansprüche an ein innerstädtisches Areal dieser Größenordnung sind nicht mit Senatsbeschlüssen zu befriedigen, denen eine Alibibürgerbeteiligung hinterhergeschoben wird, sondern das ist eine Pseudodemokratie. Der Senat entscheidet, und der Bürger nimmt mehr oder weniger wohlwollend zur Kenntnis oder auch nicht. Das ist ein Umgang nach Gutsherrenart mit einer Fläche von dieser Bedeutung, und das fordert den Bürgerprotest geradezu heraus.
Herr Kollege! Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie die von der Verfassung des Landes Berlin festgelegten Verfahren aus Exekutive und Legislative, aus Senatsbeschlüssen und Beschlüssen des Abgeordnetenhauses soeben als Scheindemokratie deklariert haben?
Ich sage, dass die Bürgerbeteiligung bei Bauvorhaben sehr schwach ausgebildet ist und dass es für ein demokratisches Prinzip eigentlich unwürdig ist. Ja!
[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – (Wolfram Prieß) Canan Bayram (GRÜNE): Er hat den Scheibenwischer gemacht!]
Ich kann da gleich anfügen: Vielleicht ist es ja eine heimliche Idee des Senats: Erst mal hochfliegende Pläne, dann Bürgerprotest, und dann gibt es ein langsames Zurückrudern auf ein etwas reduziertes Konzept, um das dann als Kompromiss zu verkaufen.
Herr Kollege Oberg! Ich möchte kurz sagen: Bewegungen, die an einen Scheibenwischer erinnern, sind unparlamentarisch. Ich ermahne Sie hiermit.
Wir Berliner Piraten stellen uns Bürgerbeteiligung etwas anders vor – auch anders als dieser Senat. Bürgerbeteiligung beginnt nach Auffassung der Piraten mit dem Sammeln von Ideen – auch von verrückten und utopischen Ideen – aus der Breite der Bürgerschaft. In einem zweiten Schritt wollen wir mit den Bürgern und nicht gegen sie diskutieren, welche Vor- und Nachteile die einzelnen Ideen haben, welche realisierbar sind und welche Fragen die jeweilige Realisierung aufwirft.
Vielen Dank, lieber Herr Kollege! – Sind Sie sich denn bewusst, dass so, wie gerade von Ihnen beschrieben, und nicht anders hinsichtlich der Parkplanung verfahren wurde? Es wurden sehr viele Bürgerideen gesammelt. Sie gingen in die Tausende. Und sind Sie sich außerdem bewusst, dass viele davon Eingang in den heutigen Planungsstand erfahren haben? Wie bewerten Sie das, und wie bewerten Sie gleichzeitig Ihr Misstrauen, dass ähnlich nicht auch bei den weiteren Verfahrens- und Planungsschritten verfahren wird?
Ich sehe natürlich, dass es dort schon Bürgerbeteiligung versuchsweise gegeben hat. Allerdings zeigt jetzt gerade die Initiative „100 Prozent Tempelhof“, dass man dort offensichtlich die Bürger nicht im erforderlichen Maß mitgenommen hat und dass man dort nicht alle Vorschläge auch so aufgenommen hat, dass man zu einem Kompromiss kommen kann, der von allen getragen wird.
Hierbei legen wir insbesondere, wenn man Großprojekte mit ins Auge fasst, Wert auf realistische Annahmen, um spätere Kostenexplosionen wie früher z. B. beim Kammermusiksaal oder jetzt beim Flughafen BER oder auch bei der Staatsoper schon im Vorfeld zu vermeiden. Bei einer Bürgerbeteiligung wünschen wir uns den Einsatz moderner elektronischer Medien, um eine möglichst breite Beteiligung zu ermöglichen, wie es z. B. in Hamburg bei dem Projekt „Living Bridge“ schon vorbildlich vorgeführt wurde. Berlin versucht sich inzwischen schon an weiteren Formen der Bürgerbeteiligung wie z. B. dem Portal „leises.berlin.de“, was aber noch ausbaufähig ist. Da geht sicherlich noch mehr.
Nun zu den Anträgen: Das ist im Grunde schon diskutiert worden. Meine Zeit ist auch etwas knapp, sodass ich das etwas kürzen muss. Im Grunde sind die Sachen natürlich vollkommen zustimmungsfähig. Solange dort die Prozesse der direkten Demokratie noch zu keinem Abschluss gekommen sind, dürfen dort keine Fakten geschaffen werden. Wichtig ist auch, dass kein Verkauf von Flächen auf dem Flughafenareal vorgenommen wird, weil dadurch nicht rückholbare Fakten geschaffen werden. Die Piraten sind dafür, in diesem Bereich die Kontrolle der Stadt Berlin aufrechtzuerhalten.
Wir sind dafür, dort mit Erbbaupacht oder mit Pachtmodellen vorzugehen, um dort unter Umständen, wenn es denn die Bürgerbeteiligung wünscht, Projekte zu realisieren. – Ich bedanke mich!
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung der Anträge an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
b) Moratorium: Aussetzen der Wohnaufwendungenverordnung – WAV – im Bereich des sozialen Wohnungsbaus
Auch hier beträgt die Redezeit wieder fünf Minuten pro Fraktion. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Kollegin Breitenbach hat das Wort. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Unsere Kritik an den Regelungen der Kosten der Unterkunft für die Transferleistungsbeziehenden ist bekannt. Der alte Konflikt aus den Zeiten von Rot-Rot wurde durch Rot-Schwarz relativ schnell gelöst. Es wurde nämlich einfach die Vorstellung des Finanzsenators umgesetzt. Das hat allerdings auch eine Konsequenz, Herr Czaja. Die Berechnungsgrundlagen für die Richtwerte sind realitätsfern, und deshalb sind auch diese Richtwerte, die es jetzt gibt, realitätsfern.