Zum zweiten Punkt Ihres Einwurfes: Dieses Land leidet nicht darunter, dass es kein Rechtsstaat wäre und dass es rechtsstaatswidrige Asylverfahren hat. Dieses Land leidet eher darunter, dass es Schlepperbanden gibt, die Menschen in Not ausbeuten, mit dem Ziel und dem Versprechen, ihnen hier eine andere Zukunft zu geben.
Dagegen müssen wir uns wehren. Das können wir nicht, indem wir die wenigen rechtsstaatlichen Mittel einer Rückführung beseitigen und damit im Grunde auch die von Ihnen beklagte Not bei der Unterbringung verschärfen. Wir müssen vielmehr den Tatsachen ernst ins Auge sehen und nach rechtsstaatlichen Mitteln suchen, auch eine Rückführung, eine menschenwürdige Rückführung zu organisieren. Die ist dann auch geboten, und daran kann kein Zweifel sein. – Vielen Dank!
Herr Dregger! Sie haben schon einige Reden gehalten, für die man sich schämen musste, aber heute haben Sie sich wieder selbst übertroffen.
Hier als Biedermann im Anzug aufzutreten und dann das Angstszenario der Afrikaner, die wahrscheinlich alle nach Reinickendorf kommen, aufzubauen, ist wirklich an Absurdität kaum zu überbieten. Und dafür noch irgend so eine Pseudomitteilung anzuführen – ein mit einer Afrikanerin verheirateter Mann –: Ich frage mich wirklich, in welcher Parallelgesellschaft Sie leben. Aber Sie spiegeln es ja selbst: kaum Frauen in den eigenen Reihen, keine Migrantinnen – da verkümmert dann wahrscheinlich die eigene Wahrnehmung.
Sie haben auch Ihrer Partei wirklich wieder alle Ehre erwiesen, indem Sie die Migrantinnen und Migranten unter den Generalverdacht der Kriminalität gesetzt haben – die Schlepperbanden als das größte Problem überhaupt. Lösen Sie doch mal die alltäglichen Probleme der Leute bei dem Thema im Innenausschuss! Hören Sie doch mal, was da für ein Versagen an den Tag gelegt wird!
Herr Dregger! Sie haben auch gesagt, Sie hätten einmal mit Flüchtlingen geredet. Ich frage alle Kolleginnen und Kollegen hier im Raum: Wer von Ihnen ist eigentlich sicher, dass seine Vorfahren nicht auch einmal Flüchtlinge waren? Deutschland hatte auch eine Zeit, in der viele Menschen flüchten mussten und darauf angewiesen waren, irgendwo gut untergebracht zu werden. Dieses Land sollte mit dieser Geschichte wirklich eine andere Kultur in Bezug auf Flüchtlinge pflegen als die, die Sie hier vorne vorgeschlagen haben.
Aber entlarvend war Ihre Rede schon: Indirekt nämlich haben Sie, Frau Radziwill wie Herr Dregger, für die Koalitionsfraktionen, die diesen Senat tragen, deutlich gemacht, dass alles supi sei und Sie nicht mehr machen. Das ist uns zu wenig, und deswegen unterstützt meine Fraktion sowohl den Antrag der Piraten als auch den Antrag der Linksfraktion, weil diese Menschen sich ein paar Gedanken mehr gemacht haben, sich nicht ausruhen und nach außen durch den eigenen Senator vorgeben, sich um das Thema zu kümmern, und durch die eigenen Abgeordneten und die Bezirksgruppen nicht gegen Asylsuchende hetzen. Das ist keine Politik, die wir für menschenwürdig erachten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dregger! In Ihrem Redebeitrag ging es um allerlei: Da wurden Zahlen genannt; da wurde ein bisschen hier geplappert; da wurde ein bisschen da erzählt. Sie haben nicht mit einem Wort irgendetwas zu den Anträgen gesagt, die Ihnen vorliegen – außer dass Sie behauptet haben, wir würden alle aus einem Paralleluniversum kommen. Aber wenn Sie hier sitzen, dann finde ich, sollten Sie sich mit konkreter Politik beschäftigen, weil Sie ansonsten in dem Paralleluniversum bleiben, in dem Sie leben.
Die Diskussion heute geht eigentlich um die dramatische Wohnungssituation von Flüchtlingen, aber auch von Wohnungslosen, die auf Wohnungen aus einem geschützten Marktsegment angewiesen sind. Aber in Berlin stehen schlicht und ergreifend nicht ausreichend Wohnungen zur Verfügung. Das Bezirksamt Lichtenberg hat in einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion gesagt, dass derzeit im Bezirk nicht eine Wohnung aus dem geschützten Marktsegment zur Verfügung steht. Dieses Bezirksamt spricht sogar von einer angespannten Wohnungslage, was der Senat bis zum heutigen Tage leugnet, was wiederum dazu führt, dass der Senat sich eben nicht dafür einsetzt, dass es genügend Wohnungen gibt.
Jetzt komme ich zu berlinovo/BIH. – Lieber Herr Czaja! Sie haben gesagt, dass nach Prüfung deutlich geworden sei, dass es keine Objekte von berlinovo gebe, die im Sinne der AV Wohnen gepasst hätten. – Diese Antwort, die Sie vor wenigen Wochen gegeben haben, hat uns sehr überrascht. Wenn Sie sich eine Kleine Anfrage von Herrn Otto aus dem Jahr 2010 angucken, dann finden Sie dort in der Antwort eine Auflistung aller Wohnungen und
Apartments – das sind über 20 000. Der Leerstand bei den möblierten Apartments liegt heute noch, unserer Information nach, bei etwa 20 Prozent.
Er ist übrigens im Winter höher, weil die Bauarbeiter auf Montage ausbleiben. – Herr Czaja! Sie können grinsen! Aber vielleicht schaffen Sie irgendwann einmal, Zahlen vorzulegen! Das haben Sie bis zum heutigen Tag nicht hingekriegt. Super-Mario lässt es immer laufen!
Carola Bluhm wollte, dass Flüchtlinge und Wohnungslose in diese leerstehenden Wohnungen kommen, für die der Senat bis zum heutigen Tag bezahlt. Es gab ganz lange Verhandlungen, und letztlich, Herr Czaja, wurden dem LAGeSo 1 179 Wohnungen angeboten. Sicherlich waren nicht alle Wohnungen geeignet. Aber wenn Sie sagen, es habe gar keine geeigneten Wohnungen gegeben, möchte ich, dass Sie irgendwann Fakten auf den Tisch bringen und uns sagen, was mit diesen Wohnungen passiert ist.
Der Weg von Frau Bluhm war sinnvoll, und Sie wären gut beraten, wenn Sie diesen Weg zu Ende gehen würden, und zwar erfolgreich. Deshalb unterstützen wir den Antrag der Piraten.
Was die Vereinbarung mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften über Wohnungen für Flüchtlinge angeht, so haben wir hierüber ganz oft gesprochen. Auch hier hat der Senat ganz lange tatenlos zugesehen, und die Herren Senatoren Czaja und Müller wurden genau in dem Moment aktiv, als hier dieses Thema immer wieder angesprochen wurde. Der Vereinbarung ist trotzdem noch nicht umgesetzt. Deshalb liegen Ihnen hier Anträge vor, sowohl einer von den Piraten als auch einer von uns, die aufzeigen, wie sich hier Lösungen herbeiführen lassen könnten – durch Controlling, aber auch durch Steuerung.
Wir tragen alle die Verantwortung, dass sich die Situation für die Menschen, die auf diesen Wohnraum angewiesen sind, verbessert. Wenn dieser Senat nichts macht, kann ich Sie nur auffordern, dass Sie allen Anträgen, die heute vorliegen, zustimmen. Vielleicht ändert sich dann ja einmal etwas. – Vielen Dank!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, und wir kommen zu den Überweisungen. Zu den Anträgen der Piratenfraktion wird die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0680 wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt 2.0“ (ISV 2.0)
Hierzu ist heute die Vertagung beantragt worden. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
An vielen Hauptverkehrsstraßen in Berlin sind die Belastungen für die Anwohner durch den Autoverkehr sehr hoch. Bezogen auf die im Antrag genannten Straßen im Osten Berlins ist auch dort zeitweilig ein hohes bis sehr hohes Verkehrsaufkommen vorhanden, das zu erheblichen Belastungen und Belästigungen der Anlieger führt. Die rot-schwarze Koalition hat beschlossen, auf diese Situation mit dem Bau der seit vielen Jahrzehnten angedachten Tangential-Verbindung Ost – TVO – zu reagieren. Allerdings haben die bisher veröffentlichten Voruntersuchungen aufgezeigt, dass die TVO auf diese NordSüd-Straßenzüge sehr unterschiedliche Wirkung zeigt. So besagt die Verkehrsprognose, dass durch den Bau der TVO der Verkehr aus der Köpenicker Straße deutlich verlagert werden kann. Allerdings ist der Verlagerungsef
fekt bei den anderen Straßenzüge nur gering oder gar nicht vorhanden. Voraussetzung für die deutliche Verlagerung des Verkehrs aus der Köpenicker Straße ist allerdings, dass die durchgängige Trassenvariante Ost mit Straßenanbindungen im Siedlungsgebiet gewählt wird. Diese wird aber von den Anwohnern abgelehnt. Bisher ungenügend betrachtet wurde die Abwicklung des Verkehrs am neuen Knoten zwischen B 1/B 5 und der TVO sowie die Wirkung auf den bestehenden Abschnitt der TVO in Treptow-Köpenick.
An dieser Stelle soll auch nicht verschwiegen werden, dass wir der TVO mehr als kritisch gegenüberstehen, weil sie neben den finanziellen Fragen und der begrenzten Wirkung im Zusammenspiel mit der Ortsumfahrung Ahrensfelde zu einer neuen mautfreien Transitstrecke durch Berlin, von der A 1 – AD Schwanebeck – zur A 113 und zum BER, führen wird. Dies lässt sich zum Teil auch aus der Verkehrsprognose zur TVO ableiten.
Angesichts dieser Situation – die Entlastungseffekte sind nur örtlich begrenzt, die Vorzugsvariante wird von den Betroffenen abgelehnt, andererseits sind weder Planung, Finanzierung noch Fertigstellungszeitpunkt geklärt – sollte nach kurzfristigen und kostengünstigeren Lösungen gesucht werden. Ein Gutachten, das untersucht, inwieweit und durch welche intelligenten Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen Lärm- und Luftschadstoffbelastungen sowie der Stau aus sensiblen Wohnbereichen dieser Straßen herausgehalten werden können, stellt einen ersten Schritt auf diesem Weg dar. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz hat durch die Mitarbeit am Forschungsprojekt „iQ mobility“ Erfahrungen in diesem Feld gesammelt. Dieses Forschungsprojekt hat sich in verschiedenen Feldversuchen in Berlin und Potsdam mit diesen Fragen beschäftigt. In Potsdam wurde inzwischen mit dem Einsatz von intelligenten Ampelsteuerungen mit „Pförtnerampeleffekt“ begonnen, um die Innenstadt zu entlasten.
Wir erwarten uns von diesem Gutachten konkrete Vorschläge, mit welchen technischen und organisatorischen Mitteln Entlastungen für die Anlieger an diesen Straßenzügen möglich werden und wie der Nord-Süd-Verkehr besser abgewickelt werden kann. Das schließt natürlich auch konkrete Vorschläge zur Verbesserung des ÖPNV in dieser Relation ein. Nach Vorlage der Ergebnisse sollte durch Pilotprojekte die praktische Wirkung der vorgeschlagenen Maßnahmen erprobt und dann entgültig die Phase der Umsetzung eingeleitet werden. Die Ergebnisse des Gutachtens können mit Sicherheit auch unabhängig vom Bau der TVO für die Straßen in der Nord-SüdRichtung dauerhafte Lösungsansätze bieten. Ich freue mich auf eine konstruktive Beratung unseres Antrages im Ausschuss.
Die Tangentiale Verbindung Ost – TVO – ist wohl neben der Verlängerung der A 100 und dem Ausbau des Flughafens BER eines der wichtigsten Verkehrsprojekte im östlichen Stadtraum Berlins. Es ist durch Verkehrszählungen im Gutachten der Vössing Vepro GmbH, aber auch durch eigenständige Verkehrszählungen der Anwohner nachgewiesen, dass die Belastungen in der Treskowallee, in der Köpenicker Straße und auf weiteren Nord-Süd-Verbindungen wie dem Hultschiner Damm auf hohem Niveau liegen Damit werden Anwohner mit Lärm und Abgasen belastet. Diese Straßen durchschneiden lebenswerte Wohngebiete und erschweren Schulwege. So wird die Treskowallee/Straße am Tierpark mit durchschnittlich mit 38 000 Fahrzeugen täglich belastet, in der zweispurigen Köpenicker Straße sind es nach Zählungen etwa 22 000 Fahrzeuge.