2. Welche Einflussmöglichkeiten gibt es, um auf eine möglichst einheitliche Umsetzung in den einzelnen Jobcentern hinzuwirken?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Breitenbach! Gestatten Sie mir drei Vorbemerkungen zur allgemeinen Verständlichkeit dieses Themas. Deutlich muss noch einmal werden, dass der Senat sich darauf verständigt hat, in Berlin einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor einzurichten und damit Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose zu schaffen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kaum Chancen haben und sich deshalb häufig mit kurzfristigen Maßnahmen abfinden müssen. Der Senat verbindet mit dem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor vor allem zwei Ziele: Es ging uns darum, zu teilweise kurzatmigen Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik eine Alternative zu schaffen. Aus unserer Sicht sollen im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor Langzeitarbeitslose durch langfristige Beschäftigung eine Perspektive bekommen, mit einem Lohn, von dem sie wirklich leben können.
Das zweite Argument: Diese Langzeitarbeitslosen übernehmen gesellschaftlich sinnvolle Aufgaben, die die sozialen Angebote in unserer Stadt ergänzen und vielfältiger machen. Ich denke, auch das ist ein wichtiges Anliegen. Wir nutzen dazu die arbeitsmarktpolitischen Instrumente der Bundesregierung wie z. B. den Beschäftigungszuschuss nach dem SGB II, § 16a. Und – das ist das Wichtige – wir stocken die Bundesmittel durch Mittel im Landeshaushalt auf. Die Landesmittel stehen bis zum Jahr 2010 zur Verfügung, und aktuell sind im Bereich des öf
fentlich geförderten Beschäftigungssektors 2 600 Maßnahmen und Stellen bewilligt. Das ist genau die Aufgabe des Senats, die Mittel zur Verfügung zu stellen und die Maßnahmen und Projekte zu bewilligen.
Aufgabe der Jobcenter ist es allerdings, die Langzeitarbeitslosen auf diese Stellen zu vermitteln. Das sind aktuell 1 711 Stellen, die besetzt sind, immerhin eine positive Veränderung. Vor zwei Wochen waren es 200 Stellen weniger. Ich denke, diese Zahl kann sich durchaus sehen lassen angesichts dessen, was wir bundesweit auf dieser Ebene registrieren müssen. Dennoch – das sage ich auch sehr klar – ist die offensichtliche Lücke zwischen bewilligten und besetzten Arbeitsplätzen immer noch zu groß und so nicht hinnehmbar.
Das hat u. a. damit zu tun, dass einige Projekte erst Mitte August anlaufen sollen. Aber darüber hinaus tun sich die Jobcenter mit der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber ziemlich schwer. Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass die durch den Bund vorgegebenen Auswahlkriterien ausgesprochen schwierig sind. Aber sie werden auch ausgesprochen streng und unkreativ ausgelegt. Ausnahmetatbestände werden z. B. kaum genutzt. Ich finde, das geht so nicht, das muss sich unbedingt ändern.
Bei 43 000 langzeitarbeitslosen Menschen in Berlin, die laut Regionaldirektion für dieses arbeitsmarktpolitische Instrument infrage kommen, ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass es so schwer sein soll, die bewilligten Stellen mit den passenden Langzeitarbeitslosen zu besetzen. Da muss noch eine Menge passieren. Wir wünschen, dass aus Planung und Beschaffung von Beschäftigungsangeboten auch tatsächliche Beschäftigung wird, und darauf werden wir auch in den nächsten Wochen drängen.
Zu Frage 2: Ich will zunächst klarstellen, dass es ein gemeinsames Interesse der Koalition, des Senats und aller anderen beteiligten Akteure ist, die zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel für den Beschäftigungszuschuss möglichst vollständig zu nutzen. Hierfür werden wir die von unserer Seite zur Verfügung gestellte Kofinanzierung einsetzen. Wir haben sehr gute Rahmenbedingungen und Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor in Berlin funktionieren kann. Die Einflussnahme des Senats auf die Förderpraxis ist, wie Sie alle wissen, sehr beschränkt. Die Verantwortung für die Arbeitsmarktförderung liegt bei den Arbeitsagenturen. Unsere Möglichkeiten – und die nutzen wir selbstverständlich – bestehen darin, dass wir in den regelmäßigen Gesprächsrunden mit den Geschäftsführern der Jobcenter, mit den Arbeitsagenturen, mit der Regionaldirektion immer wieder unsere Forderungen formulieren und gemeinsam über Lösungsmöglichkeiten sprechen. Das gilt auch für die bezirklichen Vertreter in den Trägerversammlungen der Jobcenter.
Frau Senatorin! Sie haben gesagt, die vom Bund festgelegten Kriterien würden streng ausgelegt. Haben Sie den Eindruck, dass die Regionaldirektion bzw. die einzelnen Jobcenter dazu bereit sind, auf eine andere Auslegung hinzuwirken und diese anzuwenden?
Erst einmal müssen sie das Recht anwenden. Das ist klar. Das Problem ist nur, dass Vorgaben häufig interpretationsfähig sind. Wenn die Jobcenter die Vorgabe haben, Sie sollen prüfen, bevor sie jemanden auswählen, ob er in den nächsten 24 Monaten die Chance hat, eine Stelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden, dann ist es sehr schwierig zu entscheiden, denn solche Prognosenentscheidungen sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine große Herausforderung. Ich denke, es gibt da immer auch Spielräume, wie mit solchen Vorgaben umzugehen ist. Es ist auch unterschiedlich in den Jobcentern. Wir stellen fest, dass bei einer Reihe von Jobcentern Bewilligung und Besetzung relativ gut zusammenpassen, und dann gibt es andere, wo die Lücken groß sind. Ich habe dem Arbeitsminister schon vor vielen Wochen geschrieben, dass ich bitte, die Vorgaben zu § 16a noch einmal in der Hinsicht zu prüfen, ob dieses Instrument mit diesen Vorgaben so funktionieren kann. Wenn man es sich bundesweit anschaut, scheint es schwierig zu sein. Auch bei uns ist es ein zähes Geschäft. Es wäre gut – weil das Instrument an sich vernünftig ist –, wenn es zu einer Veränderung von der Bundesebene her käme.
Ich frage jetzt lieber nicht, weshalb Sie vollmundig einen öffentlichen Beschäftigungssektor versprochen haben, obwohl Sie einräumen, nicht zuständig zu sein. Meine Frage lautet, ob die Jobcenter wirklich allein daran schuld sind, dass so wenig Stellen besetzt sind, oder vielmehr ihre hohen Hürden – nur werthaltige Tätigkeiten, obwohl die Zielgruppe sehr schwierig ist, und mindestens ein Bruttolohn von 1 300 € – daran schuld sind, dass das Programm so schlecht angenommen wird?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Frau Pop! Es geht hier überhaupt nicht um Schuldfragen. Erst einmal geht es vor allem um Fakten. Die Fakten zeigen, dass es offensichtlich schwierig ist, mit den Instrumenten, die uns zur Verfügung stehen, ein sinnvolles Projekt auszufüllen. Ich will nicht bestreiten, dass sich alle große Mühe geben, das auch hinzukriegen. Ich bin davon überzeugt, dass die Jobcenter in ihrer Mehrheit sicherlich auch interessiert sind, die zur Verfügung gestellten Mittel auszuschöpfen. Schließlich hat ihnen der Bund zusätzlich Gelder für dieses Instrument zur Verfügung gestellt, und Berlin hat noch etwas draufgelegt. Aber was ist bei Ihnen politisch gewollt? Auf der einen Seite beklagen Sie sich darüber, dass wir nicht alle Ein-Euro-Jobs mit diesem Instrument ersetzen, was schon blauäugig hoch drei ist, wenn man weiß, dass wir in Berlin fast 200 000 Langzeitarbeitslose haben.
Wir haben im Höchstfall überhaupt 10 000 Plätze im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, aber 30 000 Ein-Euro-Jobs – –
Entschuldigen Sie bitte, Herr Abgeordneter, Sie müssen mir schon einräumen, dass ich die Frage so beantworte, wie ich es für richtig halte! Ich glaube, das ist hier bislang auch so üblich.
Insofern ist diese Möglichkeit keineswegs gegeben. Auf der anderen Seite finden Sie den ÖBS zu teuer. Ich erwarte selbstverständlich, wenn wir sagen: Unsere Alternative bedeutet, Menschen mit einer Entlohnung in Arbeit zu bringen, die dem Mindestlohn entspricht, weil wir wollen, dass sie davon leben können und von zusätzlichen Sozialleistungen unabhängig werden, das ist keine Anforderung, die man in Berlin nicht erfüllen kann. Die vielen Projekte, die inzwischen zustande gekommen sind, zeigen das im Übrigen.
1. Ist dem Senat bekannt, dass die SiemensKonzernleitung einen massiven Stellenabbau in Deutschland plant und davon auch der Standort Berlin-Spandau mit über 340 Beschäftigten betroffen sein wird?
2. Was unternimmt der Senat, damit dem Stellenabbau am Standort Berlin aktiv entgegengewirkt werden kann?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Senat ist bekannt, dass Siemens nicht nur deutschlandweit, Frau Paus, sondern weltweit Stellenabbau plant und dass davon auch der Standort Berlin in der Größenordnung der genannten 340 Arbeitsplätze betroffen sein soll. Ich habe in der letzten Woche zwei Gespräche mit dem Standortbeauftragten von Siemens und einem Mitglied des Zentralvorstands geführt und kann sagen, dass eine Entscheidung, die bei Siemens im Schwange war, jetzt so nicht getroffen wird. Ansonsten wurde mir versichert, dass es nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommen soll. Außerdem ist dem Senat bekannt, dass Siemens zurzeit 250 offene Stellen hat, die besetzt werden sollen. Der Senat ist im Übrigen auch mit Siemens im Gespräch über andere Stellen in Berlin, an denen Arbeitsplätze aufgebaut werden. Wenn man sich die Gesamtdimension anguckt, ist der Standort Berlin im Gesamtensemble des Konzerns mit diesen 340 relativ gut weggekommen. Andere Standorte sind wesentlich stärker betroffen. Nichtsdestotrotz versuchen wir in den Gesprächen dafür zu sorgen, dass diese Zahlen weiter reduziert werden und das Versprechen der Sozialverträglichkeit eingehalten wird.
Ihre Antwort hat wirklich neugierig gemacht. Auch wenn Sie es nicht konkret sagen können, könnten Sie vielleicht die Richtung angeben, welche Konsequenzen die Entscheidung, die im Schwange gewesen ist und nicht getroffen wurde, hinsichtlich der Arbeitsplätze gehabt hätte und über welche Bereiche wir reden, wenn wir über den Auf
Vor allem wollte ich aber fragen: Wir haben der Zeitung entnehmen können, dass sich auch der Bundesminister für Verkehr und Aufbau Ost, Herr Tiefensee, in die Debatte um Siemens eingemischt und aktiv für den Standort Berlin eingesetzt hat. Wie bewerten Sie das? Sind Sie daraufhin bereits in Gespräche mit Herrn Tiefensee eingetreten, was man darüber hinaus noch tun kann?
Frau Paus! Ich begrüße immer sehr, wenn sich der ehemalige Leipziger Oberbürgermeister aktiv für den Standort Berlin einsetzt. Ich verstehe zwar Ihr Interesse an den anderen Fragen die Sie gestellt haben, aber Sie wissen, dass ich auf diese Fragen nicht öffentlich antworten kann.
Danke schön! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Melzer von der Fraktion der CDU. – Bitte schön, Herr Melzer!
Vielen Dank! – Herr Senator! Können Sie bestätigen, dass die Siemens AG trotz der jetzt angekündigten Stellenstreichungen auch in Berlin in diesem Jahr voraussichtlich netto mehr Personen in Berlin beschäftigen wird als im letzten Jahr, und wie werden Sie die Siemens AG und andere Unternehmen dabei unterstützen, bei den offenen Stellen den Fachkräftemangel in Berlin nicht weiter als Einstellungshindernis geltend zu machen?
Herr Melzer! Ich habe in meiner Antwort auf Frau Paus’ Fragen bereits gesagt, dass Siemens zurzeit 250 offene Stellen hat, die das Unternehmen zu besetzen versucht. Das ist mittlerweile nicht mehr ganz einfach, wenn es sich um Fachkräfte handelt. Der Standort Berlin hat allerdings hierbei immer noch einen Vorteil gegenüber anderen Standorten. Am Standort Stuttgart bekommt man derzeit überhaupt keine Ingenieure mehr, während man in Berlin noch eine Chance hat, vor allem Großunternehmen wie Siemens.
Wir sind nicht nur mit Siemens, sondern mit allen Industrieunternehmen im Rahmen des Industriedialogs über die Frage, wie wir auch in Zukunft ausreichend Fachkräfte sichern können, in der Diskussion. Hinsichtlich der Facharbeiter bezieht sich das zum einen ganz zentral auf die Ausbildungsleistungen der Unternehmen. Da ist in der Vergangenheit von zahlreichen Unternehmen viel vernachlässigt worden, weil man nicht antizyklisch, sondern prozyklisch ausgebildet hat. Dann steht man vor dem Problem, dass man nicht die entsprechenden Fachkräfte hat, wenn die Auftragsbücher wieder voll sind. Ich hoffe, dass hieraus gelernt wird, dass man antizyklisch ausbilden und Vorsorge treffen muss, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten an die Zeit danach zu denken.