Ich habe spontan eine ganz staatstragende Frage an den Senator für Wirtschaft, Technologie und Frauen.
Wie schätzt der Senat von Berlin die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein, wonach die Postmindestlohnverordnung rechtswidrig ist? Was bedeutet das für die Positionierung des Senats von Berlin hinsichtlich eines gesetzlichen Mindestlohns?
Herr Abgeordneter Liebich! Meine Damen und Herren! Sie wissen, dass das Bundesarbeitsministerium gegen dieses Urteil Berufung eingelegt hat. Ich glaube, dass diese Berufung große Aussichten auf Erfolg hat, denn wenn man sich diesen Urteilsspruch des Verwaltungsgerichts in Berlin ansieht, könnte man daraus den Schluss ziehen, dass sich jemand im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit
auf einen Tarifvertrag in Rumänien oder Slowenien berufen kann, dieser dann hier Gültigkeit hat und damit jeder Tariflohn hier unterlaufen werden kann. Das kann nicht der Sinn sein. Das widerspricht auch dem, was bislang vonseiten der Europäischen Kommission und auch vom Europäischen Gerichtshof zu den Mindestbedingungen und zum Mindestlohn formuliert worden ist. Insofern gehe ich davon aus, dass die Erfolgsaussichten der Revision, die das Bundesarbeitsministerium eingelegt hat, gut sind.
Ansonsten bedeutete dieser Urteilsspruch auch, dass jeder Arbeitgeber, so, wie es bei den neuen Postdienstleistern der Fall gewesen ist, eine Scheingewerkschaft, eine – wie man es klassisch nennt –gelbe Gewerkschaft bilden kann, mit der er einen separaten Tarifvertrag abschließt und darüber auch jeden Branchentarifvertrag aushöhlen kann.
Für mich ist die Konsequenz daraus, dass wir dringend einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen, weil dieser die Frage grundsätzlich klärt und damit auch das Verwaltungsgerichtsurteil nicht berührt wäre, weil hiermit eine klare gesetzliche Grundlage geschaffen und nicht auf dem Verordnungsweg eingegriffen würde.
Es ist immer wieder die Frage gestellt worden – weil es auch nachher noch einmal diskutiert wird –, welche Auswirkungen das für unser Berliner Vergabegesetz hat. Ich habe der Presse entnommen, dass der UVB und die IHK überlegen, ob sie nach diesem Verwaltungsgerichtsurteil nicht auch das hoffentlich heute verabschiedete Vergabegesetz Berlins mit der Mindestentgeltregelung von 7,50 € angreifen. Dazu kann ich nur sagen, dass sie sich keine Hoffnungen zu machen brauchen, weil das Verwaltungsgerichtsurteil keinerlei Auswirkungen auf unser Vergabegesetz haben kann, da wir nicht in Tarifverträge eingreifen und auch keine allgemeine Regelung für Tarifverträge in diesem Vergabegesetz erlassen. Es wird vielmehr eine Auftragsbedingung formuliert, die bedeutet, dass bei der Erfüllung dieses Auftrags mindestens 7,50 € bezahlt werden müssen. Wir greifen damit nicht in generell bestehende andere Tarifverträge ein. Insofern muss man sich an dieser Stelle keine Sorge machen.
Zunächst bleibt abzuwarten, wie der Rechtsweg mit dem Postmindestlohn beschritten wird. Ich sage an dieser Stelle deutlich: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Postmindestlohn gilt weiterhin. Insofern kann man auch nur allen Unternehmen, die im Land Berlin Postdienstleistungen erbringen, anraten, sich an diese Rechtslage zu halten. Der Postmindestlohn ist nach wie vor rechtskräftig. Ich gehe davon aus, dass er nach der Revision auch weiter rechtskräftig sein wird.
Ich frage den Senator für Frauen, Herrn Wolf, wie Sie als Frauensenator von Berlin die Aussage der familienpolitischen Sprecherin der saarländischen Linkspartei und Ehefrau von Oskar Lafontaine, Christa Müller, beurteilen, dass Kinderbetreuung bei Kindern solche schlimme oder gar schlimmere Verletzungen als Genitalverstümmelungen verursachen würde.
die unverhältnismäßig und eine Verhöhnung der Opfer von Genitalverstümmelung sowie eine Verhöhnung derjenigen darstellt, die ihre Kinder in eine Kindertagesstätte bringen, weil sie meinen, dass die Kinder dort eine vernünftige Erziehung bekommen.
Kann man also sagen, dass Sie als Berliner Frauensenator Frau von der Leyen näher sind als einer möglichen saarländischen Familienministerin Christa Müller?
Frau Pop! Ich bin Positionen näher, die der Auffassung sind, dass es eine staatliche Aufgabe ist, für eine ausreichende und qualitätsvolle Kinderbetreuung zu sorgen und damit für die Voraussetzungen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet ist. Ich stehe Positionen fern, die das als Fremdbetreuung diffamieren, geschweige denn den Vergleichen, die Sie soeben zitiert haben. Ich stehe also inhaltlichen Positionen nahe bzw. fern und nicht Personen.
Jetzt geht es weiter mit einer Anfrage der Frau Kollegin Senftleben von der Fraktion der FDP. – Bitte schön, Frau Senftleben, Sie haben das Wort!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator Zöllner! Die heutige Sitzung ist die vierte im Jahr 2008. Ich stelle Ihnen bereits zum dritten Mal eine Frage, die mir in der Tat im Magen liegt. Es ist die Frage zum Thema Schulessen. Profitieren inzwischen die Schülerinnen und Schülern an den Ganztagsgrundschulen vom reduzierten Essensbeitrag von 23 €, den das Abgeordnetenhaus im Dezember 2007 nicht nur beschlossen, sondern gleichzeitig dafür auch die Gelder zur Verfügung gestellt hat?
Sie profitieren noch nicht. Die Schwierigkeiten, auf die ich in den anderen Fragen von Ihnen verwiesen habe, sind auch noch nicht vollständig überwunden. Wir arbeiten unverdrossen daran.
Diese Antwort höre ich zum dritten Mal. Ich frage Sie, wie oft ich Ihnen diese Frage noch stellen muss.
Die erste Runde nach der Stärke der Fraktionen ist damit beendet. Nun können wir die weiteren Meldungen im freien Zugriff berücksichtigen. Ich eröffne die Runde wie immer mit einem Gongzeichen.
Schon mit Ertönen des Gonges haben Sie die Möglichkeit wahrgenommen, sich anzumelden. Es geht los mit dem Kollegen Steuer. Ihm folgt der Kollege Zillich. – Bitte schön, Herr Steuer, Sie haben das Wort!
Ich habe eine Frage an den Bildungssenator. – Herr Prof. Zöllner! Wie wollen Sie auch vor dem Hintergrund des aktuellen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin dafür Sorge tragen, dass die Berliner Schulen ein Ort der Neutralität bleiben? Wollen Sie beispielsweise dem Vorschlag des Innenministers Schäuble folgen, Islamunterricht als staatlichen Unterricht anzubieten, und damit endlich den Berliner Sonderweg von Islamgruppen und Religionsgemeinschaften, die unkontrolliert Unterricht in der Berliner Schule anbieten, aufgeben?
Die Aufgabe von Schule ist Bildung und Erziehung. Dies hat nach meiner festen Überzeugung in einem weltanschaulichen und religiös neutralen Rahmen stattzufinden.
Ich halte es für meine ganz zentrale und sehr wichtige Aufgabe, dafür zu sorgen, dieses zu gewährleisten. Die jetzige einstweilige Verfügung macht mir dahin gehend Sorgen. Wir werden mit der Zielrichtung diese Eingangsposition in den Berliner Schulen sicherstellen, alle Möglichkeiten sehr sorgfältig prüfen und alle Schritte sehr sorgfältig vorbereiten, damit dieses erfolgreich ist und im Hauptsacheverfahren die eigentliche Entscheidung bringt und dieses gewährleisten. Gerade weil mir dieses so wichtig ist, will ich mich hier auf einzelne Argumentationslinien und ähnliches noch nicht festlegen lassen, weil es eine so wichtige Sache ist, die reiflich und sorgfältig überlegt werden muss.
Ich weise darauf hin, dass zumindest nach den mir bekannten Pressemitteilungen Herr Schäuble auch nur die Forderung gestellt hat und gleichzeitig offensichtlich auch von ihm selbst den zentralen Ansatzpunkt, wer diesen Unterricht machen solle, nicht beantwortet und gesagt hat, dass dieses ungeklärt sei. Eine realistische Diskussion dieser Frage lässt sich nur in einem Gesamtpaket führen.
Herr Senator! Sie wissen sicherlich, dass es eine Sonderregelung ist, nach der das Land Berlin überhaupt Religi
onsgemeinschaften die Schule öffnen kann, während beispielsweise in Nordrhein-Westfalen ein staatlicher Islamunterricht sehr erfolgreich angeboten wird und dort zu mehr Integration führt, während wir hier das Gegenteil an den Schulen erleben, an denen islamische Föderation –
insofern ist es das, was Herr Schäuble gemeint hat. Ich frage Sie noch einmal, ob Sie diese erfolgreichen Modelle anderer Bundesländer auch für Berlin prüfen wollen.
Ich habe überhaupt keine Probleme, erfolgreiche Modelle anderer Bundesländer unabhängig von der politischen Verantwortung zu prüfen. Das Interessante und Charmante ist nur die Einschätzung, was als erfolgreich anzusehen ist. Nach meinen Informationen – ich weiß nicht, ob sie zutreffen – wäre aber beispielsweise ein Ansatz, der in Nordrhein-Westfalen beabsichtigt oder gefahren wird, beispielsweise im Ramadan entsprechende Vergünstigungen für Schülerinnen und Schüler islamischen Glaubens anzubieten, nicht zwangsläufig ein solches erfolgreiches Herangehen an das Problem, um die offensichtlich auch von Ihnen geteilte Neutralitätspflicht in Bezug auf Weltanschauungen und Religionen im Unterricht zu gewährleisten.