2. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, die Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben in Berlin zu vereinfachen und ggf. auch zeitlich zu verkürzen?
Danke schön, Herr Dr. Arndt. – Der Senator für Stadtentwicklung, Herr Strieder, hat das Wort zur Beantwortung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Arndt! Uns liegt nur eine Statistik für den Zeitraum vom 1. Juli 1999 bis zum 30. November 1999 vor. In diesem Zeitraum hat eine entsprechende Untersuchung stattgefunden. Es sind etwas mehr 1 500 Vorhaben genehmigt worden. 92 % der Anträge sind innerhalb von 6 Monaten abgearbeitet worden. Weitere 7 % haben bis zu 12 Monate benötigt. 99 % der Anträge sind demnach innerhalb eines Jahres abgearbeitet worden. Erkenntnisse aus anderen Großstädten liegen uns nicht vor.
Zu 2: Wir sind gerade dabei, die Bauordnung zu novellieren. Es geht uns darum, zu vereinfachen und preiswerter zu werden sowie um Beschleunigung. Wir müssen dann allerdings auch deutlich machen, dass nicht mehr
Herr Senator! Sie haben einige Grundzüge der Novellierung vorgestellt. Gehen Ihre Vorstellungen in die Richtung, dass eine Neuaufteilung der Aufgaben der Bezirke und Hauptverwaltung in der Form vorgenommen werden soll, dass stadtentwicklungspolitische Fragestellungen, Genehmigungen und Abläufe mehr auf die Hauptverwaltung übertragen werden und die Objektbetreuung, die Betreuung des Kunden oder des Unternehmens vor Ort, in den Bezirken verbleibt? Ist eine derartige Differenzierung vorgesehen, oder ist ein grundsätzlicher Systemwandel der Genehmigungsfreiheit und Privatisierung für bestimmte Bauvorhaben geplant?
Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass es dazu eine kritische Debatte in den Bezirken gibt. Ich bin fest davon überzeugt, dass ein großes Gemeinwesen wie Berlin mit 3,5 Millionen Einwohnern dezentral organisiert sein und dezentrale Genehmigungsbehörden haben muss. Es gilt aber auch, dass der Senat und das Abgeordnetenhaus in der Öffentlichkeit für eine bestimmte Investitionspolitik verantwortlich gemacht werden. Wenn der Eindruck entsteht, die Stadt habe es nicht nötig, Investoren mit offenen Armen zu empfangen, muss es für den Senat eine Möglichkeit des Eingreifens geben. Es kann nicht so sein, dass die Vorlieben einzelner in den Bezirken das Image, die Arbeitsplätze und die Wirtschaftskraft von Berlin beeinträchtigen.
Das möchte ich einmal anhand des fürchterlichen Unfalls, den wir bei dem Karneval der Kulturen erlebt haben, verdeutlichen, bei dem das Gerüst zusammengebrochen ist und drei Menschen schwer verletzt hat. Die erste Frage von vielen war, wer das genehmigt hat. Das ist nicht mehr zu genehmigen. Das ist genehmigungsfrei. Wenn wir deregulieren wollen, wenn wir weniger Genehmigungen haben wollen, wenn wir weniger Bürokratie haben wollen, müssen diejenigen, die solche Dinge aufbauen, auch die Verantwortung dafür tragen. Das muss klar sein.
Es kann nicht so sein, dass sich die Behörden zurückziehen, deregulieren, mehr Freiheit geben und am Ende doch für alles verantwortlich sind, was schiefläuft. Mehr Freiheit heißt auch mehr Verantwortung für den Einzelnen.
Herr Senator! In den letzten Tagen war Zeitungsmeldungen zu entnehmen, dass Baugenehmigungen in einigen Bezirken über fünf Jahre benötigen, bis sie nun langsam zur Entscheidungsreife gelangen. Es gibt Fälle, dass Baugenehmigungen nicht erteilt wurden.
Worauf führen Sie die langen Bearbeitungszeiten zurück? Gibt es Fehler im System, die zu den verlängerten Bearbeitungszeiten geführt haben, oder handelt es sich um Einzelfälle, über die man hinweg zur Tagesordnung übergehen muss?
Herr Abgeordneter Dr. Arndt! Ich habe auch von dem Verfahren gelesen, das nun schon fünf Jahre dauert. Es soll im Bezirk Reinickendorf der Fall sein. Dabei geht es nach meiner Kenntnis aber nicht um eine Baugenehmigung, sondern um einen Bebauungsplan, um das behördliche Verfahren der Schaffung von Baurechten. Aber auch dabei sind fünf Jahre natürlich völlig inakzeptabel. Das kann so nicht sein. Mich wundert der Langmut des Investors bei einer fünfjährigen Planungsdauer. Vielleicht will er aber auch gar nicht mehr bauen. Deswegen konnte der Fall vielleicht auch liegen bleiben.
Grundsätzlich gilt – das müssen wir schon sagen –, dass es gerade bei den großen Bauvorhaben einen großen Dank an die Berliner Behörden von den Investoren gibt, weil es in Berlin unkompliziert, schnell und sehr koopera
tiv geht, entsprechende Genehmigungen zu erhalten, ob es nun der Potsdamer Platz oder das Beisheim-Center ist.
Danke schön, Herr Senator! – Es gibt eine Nachfrage der Frau Abgeordneten Oesterheld. – Bitte, Frau Oesterheld!
Ist die neue Bauordnung so zu verstehen, dass die Investoren von Ihnen abhängig sein sollten? Enthält der Entwurf Regelungen, dass Sie für alle Sonderbauten zuständig sind und damit die Bezirke total entmachten?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Strieder! Sie hatten auf den tragischen Vorfall beim des Karneval der Kulturen hingewiesen. Das verdeutlicht, dass es weiterhin notwendig ist, die entsprechende Sorgfalt und Qualität abzusichern.
1. Wie schätzt der Senat die Auswirkungen des geplanten Mega-Einkaufszentrums an der Landsberger Allee 358 auf die Nahversorgung im Bezirk Lichtenberg sowie die in den letzten Jahren neu entstandenen Nahversorgungszentren in den angrenzenden Bezirken und insbesondere das jahrelang im Vordergrund des stadtplanerischen Interesses stehende Zentrum Marzahner Tor ein, für das nur nach großen Mühen ein Investor gefunden wurde?
Danke schön, Herr Kollege Tromp! – Damit hat Frau Abgeordnete Hämmerling von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit ihrer Anfrage über
Sind Sie nicht auch mit mir der Meinung, dass das, was derzeit bei den Genehmigungsverfahren für Bauten existiert, nämlich das Bauaufsichtsamt so etwas wie eine OneStop-Agency für das Prüfverfahren eines Baus ist und dass die Aufhebung dessen bedeuten würde, dass die Investoren zukünftig die Prüfung von allen möglichen Einzelämtern abholen müssen? Ist das nicht eher kontraproduktiv und nicht im Sinne der Wirtschaft und von Investoren?
Frau Abgeordnete! Wir sind in einem anderen Stadium der Diskussion angelangt. Es geht darum, weniger Genehmigungen zu erteilen. Es geht darum, Verantwortung denen zu übertragen, die auch die Freiheit für die Investition haben wollen. Es gibt Systeme in anderen Ländern, auch in Europa, wo die statische Prüfung eines Gebäudes der Versicherung übertragen wird, indem diese prüft, ob sie ein bestimmtes Bauwerk überhaupt in ihre Versicherung aufnimmt, und auf diese Art und Weise über einen ökonomischen Anreiz sicherstellt, dass alle Vorschriften eingehalten werden.
Es wird nicht möglich sein, auf der einen Seite weiterhin fest zu kontrollieren und in staatlicher Hand zu behalten und auf der anderen Seite mehr Freiheit für Investitionen zu geben. Da müssen wir uns schon entscheiden. Wir wären gut beraten, uns für die Freiheit zu entscheiden.
Danke schön! – Es gibt keine weiteren Nachfragen. Bevor ich den Kollegen Tromp zu der Frage Nr. 2 aufrufe, möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, dass wir wegen des Sachzusammenhangs die Fragen 2 und 5 sowie die Fragen 6 und 15 miteinander verbinden, diese also nacheinander vortragen.
Bei den zusammengezogenen Fragen stehen jeweils sechs Nachfragen zur Verfügung, je zwei für die Fragesteller sowie zwei weitere. Wenn ich dazu keinen Widerspruch höre – und den höre ich nicht –, dann verfahren wir so.
Auswirkungen des geplanten Mega-Einkaufstempels an der Landsberger Allee 358 auf Stadtstruktur, Wirtschaft und Finanzen
2. Warum verfolgt der Senat die Politik, an den Ausfallstraßen Berlins großflächigen Einzelhandel zu genehmigen, um angeblich Kaufkraft in Berlin zu halten, obwohl dieser Politikansatz seit fast 20 Jahren im übrigen Bundesgebiet als gescheitert angesehen wird, weil diese Politik dort die innerstädtischen Zentren geschwächt und die so genannte „grüne Wiese“ vor und nach der Stadtgrenze gestärkt hat und in Berlin außerdem Immobilien wie dem Entwicklungsgebiet „Alter Schlachthof“ schadet, die der Risikoabschirmung unterliegen?
Auswirkungen des geplanten Mega-Einkaufstempels an der Landsberger Allee 358 auf Stadtstruktur, Wirtschaft und Finanzen