Protocol of the Session on February 20, 2003

Ich lasse nun über die Überweisung an den Innenausschuss abstimmen. Wer dies so zu überweisen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltung? – Damit haben wir die Anträge so überwiesen.

Ich lasse über den Antrag Drucksache 15/1348 abstimmen: Opernkonzept. Wer diesem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen! – Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Zum letzten Antrag über den Buchstaben x) in der Drucksache 15/1349 unter dem Stichwort One-StopAgency wird von der Koalition die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie empfohlen. Ich lasse zuerst über den Antrag der CDU – dem Wunsch auf Überweisung an den Hauptausschuss und die Fachausschüsse – abstimmen. Wer diese Überweisung wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Wer die Überweisung an den Wirtschaftsausschuss wünscht, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen! – Danke schön! – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen! – Damit haben wir diese Überweisung beschlossen und die Abstimmungsrunde absolviert.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 3:

II. Lesung

Gesetz über die Versorgung der Steuerberaterinnen, Steuerberater und der Steuerbevollmächtigten im Land Berlin

Beschlussempfehlung Haupt Drs 15/1212 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/781

Wir haben lange die Frage des Versorgungswerkes für Anwältinnen und Anwälte diskutiert. Die Anwaltschaft hat 10 Jahre gebraucht, um die – wie wir es genannt haben – Spitzweg-Einrede aus dem Weg zu schaffen, die bedeutete: Ich habe auch das Recht, arm zu sterben, ich habe auch das Recht, mich gar nicht zu versichern, ich bin schließlich in einem freien Beruf, mich zwingt niemand zu einer Mitgliedschaft einer solchen Versicherung. – Die Anwälte haben immerhin gemerkt, dass heute die Bedingungen ihrer Berufsausübung andere sind, dass das Armwerden im Alter tatsächlich auch für sie eine reale Bedrohung ist. So haben sie ein solches Versorgungswerk geschaffen – im Übrigen im Jahre 1998 unter Beteiligung aller hier Anwesenden. Nun fragt man sich natürlich: Was den Anwältinnen und Anwälten recht war, soll den Steuerberaterinnen und Steuerberatern nicht billig sein?

Ja, wenn Sie sie nicht mögen, habe ich dafür ja in gewisser Weise Verständnis, Sie brauchen vielleicht keinen Steuerberater, Herr Gaebler. – Diese sinnlose Ungleichbehandlung kann aber doch nicht der rechte Weg sein, erklären Sie das, wem Sie wollen.

Ein solches berufsständisches Versorgungswerk hat auch Solidarbestandteile, verkennen Sie das nicht! Es erfordert keinen staatlichen Zuschuss, auch das soll man nicht verkennen! Es zeugt nicht von einer verständigen Politik, den Berufsstand – im Hinblick auf eine irgendwann einmal zu erreichende Bürgerversicherung, die wir ja nicht haben – hier in Berlin weitermachen zu lassen wie bisher. Gerade Selbständige haben nicht die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie in die BfA eintreten – da kommen sie überhaupt nicht rein –, für sie bleibt die HamburgMannheimer oder gar nichts. Die private Altersvorsorge oder gar keine Altersvorsorge – was soll daran denn besser sein als ein solches berufsständisches Versorgungswerk?

Der Vorgang wurde bereits auf unserer letzten Sitzung am 30. Januar vertagt. Auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist eine Beratung vorgesehen, für die pro Fraktion eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung steht. Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der 20 Paragraphen miteinander zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch und erteile zunächst dem Abgeordneten Wieland für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Bitte sehr!

So, ich warte noch, bis Herr Stölz Platz genommen hat. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde so schön gesagt: Auf Wunsch der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beraten wir dieses Gesetz. – Dazu sei gesagt: Es drängt uns nicht dazu, aber wir haben ja die Besonderheit, dass der Senat ein Gesetz vorgelegt hat, die Opposition ihm zustimmen will und die Regierungsfraktionen dagegen stimmen wollen. Da sehen wir dann doch einen gewissen Begründungszwang.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Ich zitiere einmal den Senat, damit Sie auch wissen, worum es geht, wenn Sie nachher Ihre Hand heben – man verliert ja manchmal die Orientierung bei diesem Abstimmungsmarathon. Der Senat schreibt im Vorblatt unter A, Problem:

In Berlin soll – wie in anderen Bundesländern bereits geschehen – ein Versorgungswerk für die Mitglieder der Steuerberaterkammer Berlin errichtet werden.

Nun kann man sich fragen, wo da das Problem ist. Wir sehen eigentlich keines, aber es steht hier so als Problem. Dann kommt die Lösung, Herr Sarrazin: Das Abgeordnetenhaus beschließt das Gesetz über die Versorgung der Steuerberaterinnen, Steuerberater – schön geschlechtsneutral formuliert – und der Steuerbevollmächtigten im Land Berlin. Und dann kommt die Frage nach der Alternative, die aber nicht geboten wird. Offenbar haben Sie von der Koalitionsfraktion eine Alternative gefunden, nämlich gar nichts zu tun, also die Alternative: untätig bleiben. Sie müssen uns aber doch bitte schön sagen, warum in sämtlichen Bundesländern inzwischen eine gesetzliche Grundlage existiert – im Übrigen auch im Lande Brandenburg, soweit ist das Vorblatt hier nicht ganz korrekt, Herr Finanzsenator. Die Versorgungswerke sind dort bereits errichtet bzw. werden errichtet. Sie wollen in der kleinen gallischen Metropole Berlin davon Abstand nehmen und offenbar mit diesem Schritt grundsätzlich das Sozialversicherungssystem retten. Was Sie hier vorschlagen, meine Damen und Herren von SPD und PDS, das ist die Reise nach Absurdistan, und wir sollten Sie nicht antreten!

[Beifall bei den Grünen]

Sie hätte ja darauf hinweisen können, dass nur 54 % der Betroffenen sich für dieses Versorgungswerk ausgesprochen haben. Wenn also fast die Hälfte der Steuerberaterinnen und Steuerberater das nicht will, dann machen wir es nicht. Aber das war ja nicht Ihre Begründung!

[Gaebler (SPD): Das ist der Mentalitätswechsel!]

Die SPD hat für ihren Parteitag im Mai in ihrem Leitantrag formuliert: Berlin wird der privaten Initiative wieder mehr Raum geben. Dazu haben Sie jetzt die Gelegenheit, denn das ist eine private Initiative aus der Steuerberaterkammer hinaus. Seien Sie so mutig und kommen Sie nach. Es ist wohl einmalig, dass ich hier appelliere: Folgen Sie diesem Senat, stimmen Sie dem Gesetz zu!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Wieland! – Bevor wir in der Rednerliste fortfahren, hat Herr Senator Sarrazin das Wort erbeten und erhält es. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat etwas ungewöhnlich, dass ein Gesetz, das wir eingebracht haben, jetzt von der Regierungsmehrheit abgelehnt wird. Wir haben das natürlich vorher diskutiert. Es geht hierbei um eine typische Abwägungsfrage, bei der man an die Grenze dessen kommt, was man wissenschaftlich belegen kann.

Vielen Dank, Herr Kollege Wieland! – Bevor wir fortfahren eine Information: Die FDP-Fraktion hat hierzu die namentliche Abstimmung beantragt. – Nun haben Sie das Wort, Herr Hoffmann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 1998 hat die Steuerberaterkammer Berlin mit der Entwicklung des Versorgungswerks begonnen. Der Gesetzentwurf enthält das Datum September 2002. In Brandenburg ist ein entsprechendes Gesetz bereits zum 1. Januar 2002 in Kraft getreten.

Brandenburg – immerhin der geplante Fusionspartner – hat uns zwischenzeitlich in der Errichtung eines solchen Gesetzes faktisch überholt. Warum konnte das Brandenburger Gesetz nicht abgeschrieben werden? – Dann hätten wir bezüglich der Fusion schon einmal gleichlautende Texte. Man hätte sich darüber auch abstimmen können. Warum ist Berlin nicht in der Lage, schneller und effizienter zu handeln? Wieso konnten die Fragen, die wir im Ausschuss gestellt haben, nicht zügig beantwortet werden? Wieso hat der Senat nicht zusammen mit Brandenburg eine Initiative ergriffen?

Der bei den Anwälten vorhandene Notstand – dass man vor dem Berufseintritt noch gar nicht rentenversichert war und sich nun nicht versichern kann – existiert hier nicht. Der Steuerberater war regelmäßig zuvor unselbständig beschäftigt und hatte die Möglichkeit, sich in der Rentenversicherung weiterzuversichern. Für mich wäre es allerdings auch denkbar gewesen – im Sinne der Gleichbehandlung unterschiedlicher Versorgungswerke –, dieses noch mit einzubeziehen. Gleichwohl war am Ende auch die Abwägung maßgebend – so dass auch ich mich an diesem Punkt nicht weiter gewehrt habe –, dass man irgendwo damit anfangen musste, eine einheitliche Basis zu schaffen, und nicht – was hier zwar auch geschieht, wenngleich in unbedeutendem Maße – fortwährend gute Risiken aus den Rentenversicherungen herausnimmt. – Vielen Dank!

Vielen Dank, Herr Senator Sarrazin! – Die Geschäftsordnung gibt Herrn Wieland von den Grünen am Schluss der Redeliste Gelegenheit, darauf zu erwidern. Jetzt geht es mit Herrn Wieland von der SPD-Fraktion weiter. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Wieland! Im Kern gibt es nur ein Argument, warum wir den vorgelegten Gesetzentwurf ablehnen. Ginge es nur um die Altersversorgung von Freiberuflern, dann könnten wir Ihrer Argumentation folgen. Sie haben auch so gesprochen, als ginge es um die Altersversorgung von Freiberuflern. Von den rd. 3 000 Betroffenen, die es in Berlin geben soll, sind – das sagt die Kammer selbst – knapp ein Drittel Angestellte.

[Wieland (Grüne): Das ist kein Widerspruch!]

Das ist der entscheidende Punkt. Herr Sarrazin hat selbst gesagt, dass man sich in diesem Fall nach einer Abwägung auch für ein Nein entscheiden kann.

Man hätte in der Tat darauf Bezug nehmen können, dass der Bundesgesetzgeber eine sog. Friedensgrenze mit dem Stichtag 1. Januar 1995 beschlossen hat. Danach wäre das für alle Kammern, die sich noch bilden würden, nicht möglich. Ich persönlich finde diese Behandlung ungerecht, weil es viele andere Berufe gibt, wo man, ähnlich wie bei Steuerberatern, in den ersten Jahren seines Berufslebens als Angestellter tätig sein muss, bevor man die notwendigen Mittel angespart hat, um sich selbständig zu machen. Diese Leute werden vom Gesetz aber alle gleich behandelt und müssen in die gesetzliche Krankenversicherung einbezahlen.

Der Kern unserer ablehnenden Haltung ist, dass in diesem Fall ein Drittel derer, die dort Zwangsmitglied werden sollen, aus der gesetzlichen Altersvorsorge herausgenommen werden sollen. Angesichts der bundesweiten Debatte über die Zukunft der Sozialversicherungssysteme werden wir vielleicht in den nächsten Monaten über viel weitgehendere Punkte zu diskutieren und entscheiden haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Wieland (Grüne): Das hat der Senat nicht gemerkt!]

[Klemm (PDS): Fragen über Fragen!]

Weshalb wurde nicht in Übereinstimmung mit der berufsspezifischen Kammer gehandelt? – All das bleibt offen. So gewinnt man keinen Wettbewerb. Das lässt leider für den Standort Berlin tief blicken.

Das Konzept der Union, nämlich die Stärkung des freiwilligen Engagements, die Verteilung der sozialen Lasten, Herr Strieder, der Erhalt und Ausbau der Trägervielfalt, die Überprüfung der Verfahrensschritte – Stichwort Verwaltungsreform –, die Einführung eines Bürokratie-TÜV usw., ist zwingend angesagt. Denn natürlich ist die Dauer von Verwaltungsabläufen und Entscheidungen ein Standortfaktor für Berlin. Deshalb ist dieses Hickhack, das Sie von Rot-Rot veranstalten, bei dieser Vorgeschichte peinlich.

Wir haben nun zusätzlich die Situation, dass Sie als Regierungsfraktionen einen Entwurf ablehnen, den der Senat einbringt. Wie wollen Sie Politik machen? Wollen Sie weitere vier Jahre warten, um einen so einfachen Gesetzentwurf voranzubringen?

Versorgungswerke sind Bestandteil des sozialen Systems. Weshalb es nicht gelungen ist, es gemeinsam mit Brandenburg einzurichten, ist schleierhaft. Es ist Fakt, dass es nicht jedem vergönnt ist, das Glück des Tüchtigen zu haben. Deswegen ist die Einrichtung eines Versorgungswerks ein Stück soziale Aufgabe.

Der Ruck, der durch Deutschland gehen muss, fängt nicht irgendwo an. Er muss insbesondere in Berlin beginnen, und zwar im Interesse der Berlinerinnen und Berliner. – Vielen Dank!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Wieland von den Grünen dankbar dafür, dass wir heute noch über den Gesetzentwurf debattieren. Denn das Geeiere, das die Koalition hier hingelegt hat, war noch ein bisschen krasser, als Sie es geschildert haben. Zuerst ist der Vorgang, nachdem er in

den Hauptausschuss kam, vertagt worden. Dann hat man angekündigt, eine Anhörung zu machen. Diese Anhörung hat nicht stattgefunden, und stattdessen hat man sofort darüber abgestimmt, und zwar ablehnend. Anschließend wollten Sie eine Rücküberweisung in die Ausschüsse, weil Sie es sich offensichtlich noch einmal überlegen wollten, und jetzt wird der Gesetzentwurf hier doch noch abgewürgt – und das in einer merkwürdigen Art der Kommunikation.

Die Betroffenen sind in keiner Phase des parlamentarischen Verfahrens gehört worden. Gestern konnte ich den Präsidenten der Steuerberaterkammer mit der Nachricht überraschen, dass Sie das heute ablehnen wollen. Sie hielten es noch nicht einmal für nötig, die Betroffenen über Ihr Vorhaben zu unterrichten. Das ist ein bemerkenswertes Vorge

Sie haben uns leider durch Ihr Vorgehen nicht die Gelegenheit gegeben, durch Änderungsanträge diesen Entwurf zu verbessern.

Wir hätten nämlich sehr wohl das Erfordernis gesehen, den Selbständigen hier mehr Wahlfreiheit einzuräumen, und zwar aus folgendem Grund: weil die selbständigen Steuerberaterinnen und Steuerberater, sofern sie eine andere Altersvorsorge längst schon betreiben oder wünschen, nicht in dieses Werk hineingezwängt werden müssen. Das Einzige, was man von jemandem verlangen sollte, ist, dass er eine Altersvorsorge betreibt und dass man deswegen auch sicher sein kann, dass er zum Schluss nicht beispielsweise irgendwann in den Sozialsystemen ist, wenn er das Rentenalter erreicht hat. Aber für den Fall zumindest, dass jemand eine Altersvorsorge hat, ist es auch nicht notwendig, Zwang auszuüben. Nein, aber Sie haben sich in Ihrer Ablehnung sowieso an einem anderen Punkt aufgehängt, zu dem ich noch ein paar Worte sagen will.