Protocol of the Session on September 28, 2016

Antrag der BVB/FREIE WÄHLER Gruppe

Drucksache 6/5113

Die Aussprache ist eröffnet. Zu uns spricht der Abgeordnete Schulze für die Gruppe BVB/FREIE WÄHLER.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann es relativ kurz machen: Der Antrag bringt es auf den Punkt. Wir möchten schlicht und einfach, dass der Ministerpräsident uns in diesem Hause erklärt, wer entsprechend der Landesver fassung die Richtlinienkompetenz hat und wie es nun mit dem Projekt weitergeht - dass also endlich reiner Wein eingeschenkt und reiner Tisch gemacht wird.

Meine Damen und Herren, ich darf daran erinnern: Am 5. Sep tember 2006 war Spatenstich, und dann gab es unzählige Verta gungen. Erst vor wenigen Tagen mussten wir wieder von der nächsten Vertagung hören. Ursprünglich sollten am 7. Oktober beim Aufsichtsrat endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Das ist auch wieder vom Tisch - so sieht es jedenfalls aus.

Fakt ist: Uns als Land Brandenburg kostet die Nichteröffnung dieses Flughafens jeden Tag geschätzt 150 000 bis 300 000 Eu ro. Zwischen 15 und 30 Millionen Euro kostet die Nichteröff nung pro Monat. Das sind Zahlen, die im BER-Sonderaus schuss, in der Presse und selbst von Regierungsverantwortli chen genannt wurden. Genau weiß es keiner. Es ist aber im

Grunde genommen egal, ob es nun 15 oder 30 Millionen Euro pro Monat sind, die hineingepumpt werden, um den Schaden wiedergutzumachen bzw. das Projekt über Wasser zu halten. Fakt ist: Unser Anteil daran beträgt mindestens 5 Millionen Euro pro Monat.

Wenn man es sich überlegt: Zu Beginn der Wahlperiode hat sich der Ministerpräsident hingestellt und vollmundig 10 Millionen Euro für Schulvertretung propagiert und das als großen politischen Erfolg gewertet. Da sage ich: Hallo? Dieses Geld verschlingt der Flughafen bei Stillstand in ein bis zwei Mona ten. Deswegen können wir als Haushaltsgesetzgeber auch im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen erwarten und verlangen, dass sich der Ministerpräsident erklärt und hier end lich reiner Tisch gemacht wird.

Dass das nicht heute erfolgen kann und soll, geht aus dem An trag hervor. Wir erwarten das für die Novembersitzung und sind gespannt, wie Sie sich dazu positionieren. Ich glaube, die Bevölkerung, aber insbesondere auch die Wirtschaft erwartet hier endlich klare Ansagen. - Vielen Dank!

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe und des Abge ordneten Kalbitz [AfD])

Vielen Dank. - Zu uns spricht nun der Abgeordnete Barthel für die SPD-Fraktion und die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäs te! Der vorliegende Antrag fordert den Ministerpräsidenten auf, eine Regierungserklärung zu den Spekulationen über den Eröffnungstermin des BER abzugeben. Das ist in vielerlei Hin sicht eine bemerkenswerte Idee. Zum einen sollten öffentliche Spekulationen meines Erachtens nicht Anlass für Regierungs erklärungen sein, denn dann bekämen wir sie in inflationärem Ausmaß. Die Presse hat nun einmal eine andere Rolle, aber das nur am Rande.

Entscheidender ist: Zu Recht - das möchte ich betonen - nimmt kein anderes Projekt im Land Brandenburg einen derart breiten Raum in der öffentlichen Darstellung, aber auch der parlamen tarischen Behandlung ein wie der Flughafen BER: in den Print medien - man konnte es heute wieder im Pressespiegel nach verfolgen -, in Funk und Fernsehen, im Sonderausschuss, in den Fachausschüssen des Landtages wie etwa im Infrastruktur ausschuss oder im Ausschuss für Haushalt und Finanzen, schließlich hier im Parlament in Form von Anfragen und An trägen. Was also soll eine Regierungserklärung des Minister präsidenten zu den Spekulationen über einen Eröffnungstermin bringen?

Wir haben in Brandenburg Erfahrungen mit politisch motivier ten oder determinierten Eröffnungsterminen. Daraus haben wir gelernt. Deshalb gibt es eine klar geregelte und in diesem Haus oft diskutierte Zuständigkeit in Sachen Flughafen BER. Politik ist für strukturelle und finanzielle Rahmenbedingungen zustän dig, für die Leitung der Geschäfte gibt es eine qualifizierte und hochdotierte Geschäftsführung, für deren Kontrolle haben wir einen fachkompetenten Aufsichtsrat. Letzterer wurde auf drin

genden Wunsch auch von Ihnen, sehr geehrter Herr Schulze, von Brandenburger Seite gerade nicht mit dem Ministerpräsi denten oder Ministern besetzt.

Der Aufsichtsrat der FBB wird am 7. Oktober tagen, also in gut einer Woche. Dort wird der Geschäftsführer einen detaillierten Bericht zum Stand des Bauens, der Genehmigungsverfahren und der Erkenntnisse der Berater abgeben. Herr Dr. Mühlen feld wird diese Aufgabe faktenbasiert mit großer Akribie erfül len, dessen bin ich gewiss. Die Informationspolitik hat eine andere Qualität als in der Vergangenheit. Danach wird es eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen geben. Sie liegt aber allein in den Händen von Geschäftsführer und Aufsichtsrat. Ei ne Diskussion im Ausschuss am 10. Oktober wird es dazu sicher geben. Bei dieser Verfahrensweise sollten wir bleiben, eine Regierungserklärung ist nicht notwendig. Wir lehnen des halb den vorliegenden Antrag ab. - Vielen Dank für Ihre Auf merksamkeit!

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Zu uns spricht der Abgeordnete Genilke für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Wahlkampf hat Bürgermeister Michael Müller die Meinung vertreten - vielleicht hat es der eine oder die andere gesehen; er ist immerhin Aufsichtsratsvorsitzender -, dass am Flughafen baulich im Grunde nichts mehr gemacht werden müsse. Eine ähnliche Diskussion hatten wir in diesen Räumen auch schon.

(Zurufe und Heiterkeit CDU und AfD)

Dennoch diskutieren wir gerade über den Abgabetermin des 5. Bauantrages. Ich möchte an die Adressen der Handelnden sagen, dass man generell davon ausgehen kann, dass Bauanträ ge immer dann gestellt werden, wenn etwas gebaut wird. Da von sollte ein Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender in Berlin Kenntnis haben.

Laut „PNN“ vom Dienstag sind die Unterlagen des besagten 5. Bauantrages nach wir vor nicht vollständig bei der Bauauf sicht des Landkreises eingegangen. Erst nach deren Genehmi gung des 5. Nachtrages kann der 6. Nachtrag überhaupt einge reicht werden. Damit ist das Szenario der Bauantragseinrei chung, gemessen am Eröffnungstermin 2017, bereits 12 Mona te im Verzug. Es gibt, zumindest für mich, de facto keinen Hinweis darauf, dass der Flughafen noch im Jahr 2017 eine Chance hat zu eröffnen, zumindest nicht, wenn ich davon aus gehe, dass man die Szenarien, die letztlich einen Eröffnungs termin 2017 nahegelegt haben, ernst nehmen kann.

Stattdessen diskutieren wir, in wie vielen Stunden der gesamte Flughafen von Tegel nach Schönefeld im Falle eines Eröff nungstermins umziehen kann. Diese Diskussion, meine sehr verehrten Damen und Herren, erinnert mich an das Jahr 2012. Die Projektüberwachung des Flughafens kam übereinstim mend zu der Erkenntnis, die Eröffnung des Flughafens sei illu sorisch. Immerhin, die Objektüberwacher!

Das wurde in den Wind geschrieben, es war angeblich keine verifizierte Angabe der Objektüberwachung. Das impliziert die Frage: Wofür bezahlen wir Objektüberwacher, wenn deren Er kenntnisse nicht in die Flughafenplanung einbezogen werden?

Hinzu kommt, dass der Ministerpräsident über das Gutachten aufklären muss, mit dem der Flughafen Netherlands Airport Consultants beauftragt hat. Das wäre für mich viel interessan ter. Wir haben es auf die Tagesordnung setzen lassen, denn es ist offensichtlich so geheim, dass der Geschäftsführer in perso na nach Holland fahren muss, um Einsicht zu nehmen.

Die Berlin-Wahl ist seit über einer Woche Geschichte. Es ist Zeit, sich über die terminlichen Szenarien klar zu werden. Aber ich glaube, dass es statt einer Regierungserklärung für notwen diger erachtet werden könnte, einen anderen Weg zu gehen, nämlich dass der Ministerpräsident am 10. Oktober den Parla mentariern im Sonderausschuss die notwendigen Dinge mittei len kann. Es ist paradox, dass wir uns nicht mehr auf die Ter minfindung zur Bekanntgabe eines möglichen Eröffnungster mins einigen können. Wir halten es für dringend nötig, uns im SBER darüber zu unterhalten. Christoph Schulze, es wäre nicht das erste Mal, dass wir den Ministerpräsidenten in den Sonder ausschuss zitieren, damit er uns die nötigen Ausweisungen und Einlassungen gibt. Ich denke, angesichts der Situation wäre der erste zielführende Schritt, uns mit dem Ministerpräsidenten zu unterhalten.

Wenn die Presse davon berichtet, dass die Bauarbeiten im Üb rigen erst 2017 fertig sind - ursprünglich war diskutiert wor den, dass sie 2016 fertig sein müssen, damit 2017 eröffnet wer den kann - und wir derzeit sehen, wie der Ministerpräsident seine Rolle des Akteurs gegen die eines Zuschauers in der ers ten Reihe eingetauscht hat und die Akteure unten spielen sieht - was mittlerweile ein mieses Spiel ist -, ist wohl jedem von uns, die wir vielleicht in der zweiten und dritten Reihe stehen, klar, dass wir nicht applaudieren, sondern uns die Haare zu Berge stehen. Insoweit ist - zumindest am heutigen Tag - der gradlinigere Weg, im Sonderausschuss die notwendigen Vor aussetzungen und Antworten für bzw. auf das zu finden, was der Intention nach sicherlich richtig ist, um die Bürger des Lan des aufzuklären. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Kalbitz für die AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäs te! Vielen Dank, lieber Kollege Schulze, Sie bringen ein The ma ins Rennen, das wegen der überraschenden mutmaßlichen Terminverschiebung der BER-Eröffnung im Oktober initiiert oder - wie man leider sagen muss - fortgesetzt wurde. Seit Jah ren gibt es Spekulationen zu den Eröffnungsabsichten des Nichtflughafens. Ich möchte im Folgenden keine leidige Chro nik der Pleiten-Pech-und-Pannen-Historie des BER vortragen; sie ist allen bekannt.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an Regierungserklärungen zu erinnern, die an Aktualität nichts eingebüßt haben. Drei gab es zum Thema BER, die erste im Mai 2012, also vor vier

Jahren, in der 56. (Sonder-)Sitzung der 5. Legislaturperiode zum Thema „Aktueller Stand zur Eröffnung des Flughafens Berlin-Brandenburg“. Ministerpräsident Platzeck sprach da von, „dass die gemachten Fehler erneut auf die Tagesordnung kommen und genau aufgearbeitet werden. Aus dieser Aufarbei tung werden dann gegebenenfalls Schlussfolgerungen zu zie hen sein.“ Übrigens hat er auch geäußert, dass bei der Eröff nung nicht auf Übergangslösungen zurückgegriffen würde. Herr Dombrowski erwiderte:

„Im Herzen Brandenburgs entsteht ein Flughafen, der nicht über die notwendigen Kapazitäten verfügt, der mehr Geld kostet, als eigentlich vorhanden ist, und die Bürger weit stärker als versprochen mit Lärm belasten wird.“

An der von Herrn Vogel kritisierten Tatsache, dass es bis dahin - wohlgemerkt Mai 2012 - nicht nachvollziehbar war, welche Berichte in den Aufsichtsratssitzungen vorgelegt und welche Tätigkeit und Fragen die Aufsichtsratsmitglieder überhaupt an den Tag gelegt hatten, hat sich bis heute - vier Jahre danach - nichts geändert.

Herr Schulze hatte eine Bitte an die damalige Landesregierung:

„[…] mein Plädoyer, aus dieser Situation heraus einen Neuanfang zu wagen und zu erkennen: Okay, wir haben einen Fehler gemacht, […] auch im Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern.“

Die zweite Regierungserklärung mit dem Thema „Den Flugha fen Berlin Brandenburg Willy Brandt betriebsbereit machen - Neues Vertrauen in den BER schaffen!“ in Verbindung mit „BER-Desaster die Vierte: […] Dauerlast für den Haushalt“ […] - Sie werden sich besser daran erinnern als ich, weil ich da noch nicht Mitglied des Hohen Hauses war -, kam im Januar 2013.

Die von Herrn Dombrowski, Herrn Vogel und Herrn Schulze gehaltenen Reden waren kritisch und haben den Finger in die Wunde gelegt. Schon damals wurde auf eine sich anbahnende Vertrauenskrise in der Politik hingewiesen, die ja unweigerlich mit dem ganzen Desaster verbunden ist.

Bei der dritten Regierungserklärung vom April 2014 „zu den Verhandlungen über das Volksbegehren zum Nachtflug am Flughafen Berlin Brandenburg“ stand die Frage im Raum: Wie viel Flughafen soll man den Anwohnern zumuten? - Schall schutzmaßnahmen könnten viel kompensieren.

Die Bürger hatten vom Modus Operandi der Politik endgültig die Nase voll und wollten ein Nachtflugverbot. Die damalige Politik war überrascht. Schallschutz würde das Problem bis zur Eröffnung schon lösen. Das wird aber - wie wir aus dem Aus schuss alle wissen - ein Thema bleiben.

Was hat sich geändert? Nichts hat sich geändert. Die Baustelle BER wird auch nach einer Eröffnung Baustelle bleiben - Stich wort Kapazitätserweiterung. Das finanzielle Risiko bleibt bestehen. Da kann man noch so oft - gebetsmühlenartig - von der Goldgrube BER sprechen. Das ist sie allerdings irgendwie: Der BER ist eine Grube für Steuermittel, die dort versenkt wer den, und nicht für Gold, das dort zu schürfen wäre.

(Beifall AfD und des Abgeordneten Schulze [BVB/ FREIE WÄHLER Gruppe])

Die Bestätigung dafür wird hin und wieder in Gutachten be schrieben. Es wurde bereits angesprochen: Neulich flog Herr Dr. Mühlenfeld höchstselbst als Geschäftsführer zur Abholung eines Gutachtens. Ich bin sehr gespannt auf den Inhalt dieses Gutachtens, weil der hochrangige Transporteur das ja nicht oh ne Grund gemacht haben wird.

Eine Eröffnung 2017 sei aus Sicht der Gutachter nicht möglich, entnimmt man der Presse und wieder nicht den Informationen im Ausschuss. Die Mitglieder des Sonderausschusses sind davon nicht wirklich überrascht. Verbindliche Aussagen über angebliche Pufferzeiten beim Baufortschritt kann man glauben oder auch nicht.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Genau!)

Überprüfen - etwa aufgrund transparenter Informationspolitik vonseiten der FBB - lassen sie sich nicht. Fakt ist: Es ist Zeit ins Land gegangen, es wurden Milliarden Euro verbrannt. - Kollege Schulze hat hinsichtlich finanzieller Größenordnungen anderer Projekte, über die wir sprechen - wie in der Bildungs politik -, klargemacht, dass das hier schon längst kein normaler Vorgang mehr ist. Es ist ein Skandal - vollumfänglich. Der Flughafen ist immer noch nicht eröffnet. Die Verkündung einer erneuten Eröffnungsterminverschiebung steht bevor.

Natürlich vermissen die Bürgerinnen und Bürger eine von Ministerpräsident Platzeck seinerzeit angesprochene Aufarbei tung der Fehler - Stichwort aktuell folgenloser Untersuchungs bericht des Abgeordnetenhauses Berlin.

Zum Schluss nochmals ein Zitat vom damaligen Ministerpräsi dent Platzeck:

„Aber was wäre die Alternative? Die einzige Alternative hieße doch, ganz auf den Flughafen zu verzichten; und das erklärt sich von selbst und wäre im Übrigen eine Fehlkalkulation von historischem Ausmaß.“

Ja, das ist der BER schon jetzt. Und ich kann dem nur entgeg nen: Wer in der Politik immer noch die Parole der Alternativlo sigkeit ausgibt, dem wünsche ich erstens alles Gute beim Auf schlag auf dem harten Boden der Tatsachen bei kommenden Wahlen.