Erstens hat sich der Landtag auch in der Vergangenheit bei der Kommentierung von Verfassungsbeschwerden sehr zurückge halten. Von 143 Verfassungsbeschwerden wurden lediglich 23 mit Stellungnahmen des Landtages versehen. Dabei handelte es sich in der Regel um existentielle Themen wie die Gemein degebietsreform 2003 oder die Frage des Abbaggerns der Ge meinde Horno. Darüber hinaus wurde Stellung genommen, wenn der Landtag selbst beklagt wurde; das ist hier nicht der Fall. Diese Zurückhaltung bei der Kommentierung von Organ klagen scheint auch geboten, um das Risiko zu begrenzen, dass die gerichtliche Auseinandersetzung zum Gegenstand politi scher Mehrheiten im Landtag wird.
Zweitens ist das Akteneinsichtsrecht ein Einzelrecht jedes Ab geordneten, kein Recht des Landtages als Verfassungsorgan. Auch in dieser Perspektive wäre es für Ihr Organstreitverfah ren keine Hilfe, wenn die rot-rote Koalition mit Mehrheit Stel lung nehmen würde.
Drittens ist das Ergebnis der Begutachtung durch den Parlamen tarischen Beratungsdienst eindeutig: Die Mindestlohnkommis sion ist keine Behörde, sondern als unabhängiges Beratungsgre mium ähnlich einem Sachverständigengremium zu werten. Sie, Herr Homeyer, waren es, der diese Unabhängigkeit der Kom mission in der Vergangenheit wiederholt eingefordert hat.
Deshalb stelle ich abschließend fest: Eine Stellungnahme des Landtages zum vorliegenden Organstreitverfahren halten wir für nicht geboten. Wir vertrauen dem Landesverfassungsge richt, in dem vorliegenden Organstreitverfahren richtig und auch für künftige Fälle wegweisend zu entscheiden.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Es spricht der Abgeordnete Homeyer für die CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal herzlichen Dank an die Kollegen und Fraktionen, die es durch ihr Votum möglich gemacht haben, dass wir heute über das Organstreitverfahren sprechen können.
- Es ist nicht selbstverständlich. Im Hauptausschuss wurde es abgelehnt, dass wir heute darüber debattieren können, wie Sie wissen, Herr Domres. Oppositionspolitiker haben es möglich gemacht.
Es geht hier im Wesentlichen auch gar nicht darum, dass Herr Homeyer klagt, sondern um unsere Rechte als Abgeordnete ge genüber der Landesregierung und der Verfassung. Ich glaube, es ist eine wichtige Debatte zum Selbstverständnis unseres Landtages.
Meine Damen und Herren von den Linken, dass Sie es noch nicht einmal für nötig halten, heute dazu zu sprechen! Ich kann mich an Zeiten erinnern, Kollege Domres, da hat ein Heinz Vietze für dieses Parlament, für unsere Rechte gestritten. Er ist mehrfach vor das Verfassungsgericht gezogen, hat übrigens das eine oder andere Mal obsiegt.
Ich habe das immer respektiert und gesagt: À la bonne heure, er kämpft um seine Rechte! - Er hat auch manches Mal verloren, gar keine Frage. Meine Damen und Herren von den Linken, ich muss wirklich sagen: Dass Sie heute hier nicht das Wort ergrei fen - ich glaube, das würde Heinz Vietze nicht gefallen.
Seitdem Sie regieren, scheint das in Vergessenheit geraten zu sein. Es gilt der Satz von Karl Marx: Das Sein bestimmt das Bewusstsein.
Zur Sache: Das brandenburgische Vergabegesetz trat 2012 in Kraft. Anfangs lag der Vergabemindestlohn bei 8 Euro. Im Februar 2014 wurde die erste Erhöhung um 50 Cent beschlos sen. Der Landtag folgte übrigens der Empfehlung der Mindest lohnkommission. Im Juni 2015 empfahl die Mindestlohnkom mission eine erneute Erhöhung. Vorangegangen war, dass die Bundesregierung am 01.01.2015 den bundeseinheitlichen Min destlohn von 8,50 Euro eingeführt hatte.
Mich als Abgeordneten haben die Gründe für die Entschei dung der Regierung interessiert, so kurz nach Einführung des bundeseinheitlichen Mindestlohnes den selbigen hier in Bran denburg nochmals zu erhöhen: auf 9 Euro. Ich habe deshalb, Herr Kollege Lüttmann, Einsicht in die Unterlagen zum Vo tum der Mindestlohnkommission und seiner Begründung ver langt und beantragt. Das habe ich mehrfach getan, mit insge samt drei Anträgen; vorangegangen ist eine schriftliche Anfra ge. Mit immer neuen Begründungen wurde mein Antrag abge lehnt. Erst am Ende der ganzen Prozedur, nach fast einem Jahr, bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass das Lan desverfassungsgericht klären solle, was die Landesregierung in ihrer Mitteilung an mich festgestellt hat: dass mir das nicht zustehe.
Meine Damen und Herren, das Arbeitsministerium hat, wie ge sagt, meinen Antrag auf Akteneinsicht mehrfach abgelehnt. Ich stelle hier nochmals fest: Ich kann das überhaupt nicht nach vollziehen. Die Mindestlohnkommission - Herr Lüttmann, da haben Sie völlig Recht - ist nicht Teil der Regierung, kein Re ferat des Ministeriums, sondern eine unabhängige Kommission. Zwei Drittel der Kommission sind ehrenamtlich besetzt, gehören der Regierung nicht an. Die Landesregierung muss sich übrigens auch nicht an das Votum halten. Insofern bin ich fest davon überzeugt, dass wir als Abgeordnete genauso ein Recht haben, in das Votum und die Begründung der Kommission hineinzuschauen, wie die Landesregierung - die es übri gens auch getan hat.
Sie können in dem einen oder anderen Facebook-Eintrag nach lesen, dass Sie sich in Arbeitskreisen der Regierung und Ihrer Fraktionen mit dem Gesetz beschäftigt haben. Es gilt Waffen gleichheit. Ich möchte das gleiche Recht für mich in Anspruch nehmen, mich in meiner Aufgabe und Funktion als wirtschafts politischem Sprecher auf diese Debatte vorzubereiten. Also ging es mir darum, in das Votum und seine Begründung zu schauen, aber nicht am Kabinettstisch zu sitzen. Ich wollte nicht wissen, was die Referate gemacht haben, was intern be sprochen wurde. Ich wollte auch keine Leitungsvorlage lesen. Ich wollte das Votum und seine Begründung lesen - nicht mehr und nicht weniger.
Ich wollte auch nicht in den Kernbereich der exekutiven Ei genverantwortung der Landesregierung eingreifen - mitnich ten wollte ich das! Ich wollte nichts anderes, als in ein Bera tungsgremium, das zu zwei Dritteln nicht durch die Regierung besetzt ist - dort finden sich Expertise, Arbeitgeber, Arbeitneh mer und andere -, hineinschauen. Ich kann nicht nachvollzie hen, warum Frau Ministerin Golze und ihre Juristen mit im mer neuen Argumenten einen solchen Aufstand veranstalten, mir dieses Recht zu entziehen. Was ist denn da eigentlich be sprochen worden?! Was ist so geheim an dieser Mindestlohn kommission? Haben wir es dort mit Staatsgeheimnissen zu
Herr Kollege, Sie müssten jetzt einen geeigneten Schlusssatz finden. Die Weisheit müsste jetzt der Schlusssatz sein.
Der Schlusssatz? Dass Sie die Größe haben und sagen: Daran kann der, daran können die Abgeordneten selbstverständlich partizipieren und dort hineinschauen. Dann ist Waffengleich heit hergestellt.
Nun muss es das Landesverfassungsgericht klären. Ich bin gu ter Dinge, Herr Lüttmann, dass wir zu einem positiven Ende kommen. Wir werden es sehen. - Ich danke Ihnen, Frau Präsi dentin, für Ihre Großmut und Ihre Einsicht, mir noch ein paar Worte zu gewähren.
So bin ich. Aber Kollege Domres hat eine Zwischenfrage ange zeigt. Sie können noch länger sprechen, wenn Sie die Frage zulassen. Möchten Sie auf diese Frage antworten?
Danke, Herr Kollege Homeyer, für die Möglichkeit, Ihnen eine Frage zu stellen. Würden Sie mir Recht geben, dass Sie jetzt, nachdem der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Landes regierung abgeschlossen ist, Einsicht nehmen können?
Vielen Dank, Kollege Domres. Wie gesagt, ich habe drei An träge an die Landesregierung gestellt. Sie sind alle abgelehnt worden. Ich habe bis heute …
- Mir ist mitgeteilt worden … Frau Ministerin, es wäre schön, wenn Sie hier Stellung nähmen. Auch Sie als Landesregierung haben darauf verzichtet.
Ich bin bis jetzt noch nicht befugt, Akteneinsicht zu nehmen in das, worin ich Einsicht nehmen möchte: das Votum der Min
destlohnkommission bei ihrer Empfehlung an die Landesregie rung und dessen Begründung. Darum geht es. Bis heute hat die Landesregierung mir nicht mitgeteilt, dass ich das darf. Das Einzige, was ich jetzt bekommen habe, ist der Gesetzentwurf mit einer Begründung. Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass diese gefilterte Begründung mein Akteneinsichtsbegehren ersetzt, Herr Kollege Domres.
Wenn mir die Ministerin jetzt einen freundlichen Brief schreibt, worin steht: „Herr Homeyer, Sie können Einsicht nehmen“, dann marschiere ich ins MASGF. Aber das ist nicht geschehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her ren! Liebe Gäste! Bei der Einführung des Mindestlohns war ein entscheidendes Kriterium, dass dessen Festsetzung nicht von der politischen Willkür erfasst wird. Es sollte eine unab hängige Kommission gebildet werden, die den Mindestlohn festsetzt und sich dabei keinem politischen Überbietungswett bewerb ausgesetzt sieht. Wir von der Alternative für Deutsch land begrüßen diese Kommissionsarbeit. Wir von der Alterna tive für Deutschland stehen zu diesem Mindestlohn. Wir wür den jeden Eingriff in diese Lohnfestsetzung zu verhindern ver suchen. Wir fänden es nicht richtig, wenn der Mindestlohn in Abrede gestellt würde.
Ich kann verstehen, dass die CDU da ihre Probleme hat. Aber von der Sache her wollen wir nicht, dass der Mindestlohn poli tisch instrumentalisiert wird. Bei der Lohnfindung in einer Kommission geht es sicherlich um 3, 5 oder 10 Cent. Die eine oder andere herangezogene Studie ist letztendlich Entschei dungskriterium bei der Findung der entsprechenden Höhe.
Wir stehen Ihrem Antrag, Herr Homeyer, ablehnend gegen über. Wir wollen, dass das Gericht darüber entscheidet. Die Lohnfestsetzung soll frei erfolgen und keinen politischen Vor gaben unterliegen. - Vielen Dank.