Hierzu erzähle ich Ihnen eine Geschichte, die der eine oder an dere vielleicht kennt. Kommunen übertragen Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung an Dritte, beispielsweise Abfallentsorgung, Rettungsdienst usw.
Diese Aufgaben werden erledigt und entziehen sich der Kont rolle durch die Kommunalvertretung. Dann allerdings gab es die Information von einem Mitarbeiter eines Privatunterneh mens, dass der Landkreis in Millionenhöhe betrogen wird. Da mit hat sich der- oder diejenige zum Whistleblower gemacht. Es bedarf einer sehr sensiblen und langfristigen Arbeit, um ge nau herauszufinden, ob ein Landkreis durch ein Privatunter nehmen, das eine Aufgabe im Bereich der kommunalen Da seinsvorsorge erledigt, tatsächlich in Millionenhöhe geschädigt
wurde. Es stellte sich heraus: Ja, er wurde geschädigt, und ja, der Schaden war in Millionenhöhe. Es gab aber noch etwas: Die Mitarbeiter wurden entlassen. Nichts und niemand hat sie geschützt und schützen können, weil die Weitergabe der Infor mation zum Nachteil des Arbeitgebers und somit nicht rechtens war. Dass das Loyalitätsgebot nicht befolgt wurde, ist vom Ar beitsgericht bestätigt worden. Dabei spielte es keine Rolle, dass die Kommunen und die gesamte Gesellschaft durch die Vorkommnisse geschädigt wurden.
Genau deshalb sprechen wir uns für einen besseren Schutz von Whistleblowern aus, die Angst vor dem Verlust des Arbeits platzes, vor einer Klage auf Schadensersatz oder vor Repressa lien in ihrem Unternehmen haben und ihr Wissen daher für sich behalten.
Die Erfahrung hat leider gezeigt, dass die bestehenden Kont rollsysteme nur unzureichend funktionieren. Es gibt einen handfesten Bedarf an Zivilcourage in Wirtschaft und Gesell schaft. Zivilcourage ist ein hohes Gut - da sind wir uns sicher lich alle einig. Eine partizipatorische demokratische Gesell schaft braucht eine Kultur des Hinschauens, des Sich-Einmischens. Für die Entwicklung und Unterstützung einer sol chen Kultur steht die Linke ohne Zweifel auf allen Politikfel dern gleichermaßen.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch deutlich sagen: Informa tion ist nicht Denunziation. Da bin ich wieder mit Ihnen einig. Es erfordert ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein, das eine vom anderen zu unterscheiden. Wenn nun aber, wie schon ausgeführt, die Justizministerinnen und Justizminister der Län der der Auffassung sind, dass Regelungsbedarf gegeben ist, dann sollten wir ihnen diesen überlassen. Denn - das ist der große Nachteil Ihres Antrages, Herr Vogel - es betrifft mehrere Rechtsgebiete, die auf Landesebene in keiner Weise zu regeln sind: Weder das Arbeitsrecht - Kollege Stohn hatte es schon gesagt - noch das Zivilrecht noch das Strafrecht noch das Me dienrecht oder das Beamtenrecht eröffnen dem Land die Chan ce, zu reagieren.
Nun könnten wir sagen: Wir können doch hier eine Einzelrege lung schaffen, weil wir einmal die Ersten sein wollen. Ich glau be nicht, dass es wichtig ist, der Erste zu sein. Was für mich wichtiger wäre, ist, dass wir landes- und bundesweit einheitli che Regelungen haben.
Eines möchte ich auch deutlich sagen: Was ich mir wünsche, ist, dass es nicht nur einen erhöhten Schutz im öffentlichen Dienst, sondern gleiche Bedingungen für alle gibt. - Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Nicht erst seit der Verfolgung des berühmtesten Whistleblowers Edward Snowden, nicht erst seit den TTIPLeaks oder der Flucht von Julian Assange nach seinen Enthül lungen sind Whistleblower in unseren Fokus gerückt. Wir als
Die Enthüllungen, die dort stattgefunden haben, sind auch für diesen Prozess sehr wichtig. Es hätte uns als AfD gefreut, wenn man Edward Snowden damals in Deutschland Asyl gegeben hätte. Er hätte es wirklich verdient.
Wo Unrecht und Korruption blühen, muss der Missstand ent sprechend aufgedeckt werden. Wir haben aber - das ist schon angesprochen worden - gesehen, dass der Antrag der Grünen, der durchaus in eine Richtung geht, die wir begrüßen, insoweit problematisch ist, als er nicht in die Landesgesetzgebung hineinpasst. Das Anliegen müsste letztendlich im Bundestag und dort in den verschiedenen Bereichen - Beamtenrecht, Arbeits recht etc. - behandelt werden, um letztendlich Änderungen her beizuführen.
Wir sehen eine gewisse Gefahr, dass es zu Beschwerdelawinen kommen könnte. Es ist schon angesprochen worden, dass sich fast alle Unternehmen gesetzestreu verhalten und an die Re geln halten. Sie halten sich letztendlich auch an Selbstver pflichtungen, die von ihren Organisationen aufgestellt bzw. in tern in den Unternehmen gefunden werden. Das ist auch gut so. Wir wollen letztendlich bei dem Ganzen natürlich auch nicht, dass solche Beschwerdelawinen ausgelöst werden. Hier sehen wir die Gefahr bei dem Grünen-Antrag, denn er läuft darauf hinaus. Auch im Hinblick darauf, dass bei diesen Whistleblo wern immer die Gefahr besteht, dass sich eine gewisse Denun ziantenkultur breitmacht, haben wir echte Probleme mit Ihrem Antrag.
Wir werden uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten und hoffen im Grunde genommen, dass Sie diesen Antrag über Ihre Bundestagsfraktion in den Bundestag einbringen und dort letztendlich gewisse Änderungen herbeiführen. Rein von der Sache her bestehen diese Bedenken bei Ihrem Antrag, und Sie konnten sie bisher nicht ausräumen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Ab geordnete! In der Tat gibt es Fälle, in denen man Personen, die mit Hinweisen an die Öffentlichkeit gehen oder durch Strafan zeigen schwere Missstände aufdecken, dankbar sein muss. Das Problem ist, dass Behörden, öffentliche Einrichtungen und auch die Privatwirtschaft ein im Prinzip legitimes Interesse da ran haben, dass nicht alles unkontrolliert an die Öffentlichkeit gelangt. Deshalb gibt es in Tarifverträgen arbeitsrechtliche Re gelungen und in den Beamtengesetzen beamtenrechtliche Re gelungen, die zur Verschwiegenheit verpflichten.
Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ver langt nun von der Landesregierung Maßnahmen zum besseren Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern. Konkret
soll die Landesregierung, bezogen auf Arbeitnehmer, auf eine Änderung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst hinwir ken. Zum anderen soll, bezogen auf Beamte, das Landesdiszip linargesetz geändert werden.
Ich bitte um Ihr Verständnis, wenn ich an dieser Stelle nicht auf die recht komplizierten rechtlichen Fragen eingehe, die in die sem Antrag stecken, auch nicht auf die scheinbare juristische Lösung, die er enthält. Wichtiger erscheint mir an dieser Stelle folgende Fragestellung:
Ob der rechtliche Schutz für Hinweisgeberinnen und Hinweis geber, die Missstände in Behörden und öffentlichen Einrich tungen aufdecken wollen, verbessert werden muss, und, wenn ja, wie er verbessert werden kann, ist zunächst eine Frage, die die Bundesregierung, der Bundesgesetzgeber, gegebenenfalls auch die Tarifgemeinschaft deutscher Länder und die Gewerk schaften beantworten müssen. Denn es geht in erster Linie nicht um Landesrecht - jetzt wiederhole ich, was bereits gesagt wurde -, sondern um Arbeitsrecht, um Zivilrecht, um Straf recht, um Medienrecht und um sogenanntes Beamtenstatus recht - alles Rechtsgebiete, meine sehr verehrten Damen und Herren, für die der Bund die Gesetzgebungszuständigkeit hat.
Deshalb ist es naheliegend, dass sich die Justizministerkonfe renz in Nauen dieses Themas angenommen hat. In deren Be schluss, der im Übrigen einstimmig gefasst wurde, heißt es - ich zitiere :
„Die Justizministerinnen und Justizminister sind der Auf fassung, dass die bestehenden Möglichkeiten zum Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern einer Über prüfung bedürfen. Der deutsche Whistleblower-Schutz beschränkt sich auf vereinzelte Vorschriften und Einzel fallentscheidungen von Gerichten. Angesichts der gesell schaftlichen Bedeutung von frühzeitigen Hinweisen auf Missstände in Unternehmen, Behörden und Organisatio nen und im Hinblick auf internationale Vorgaben bitten die Justizministerinnen und Justizminister die Bundesre gierung um Prüfung, ob der Schutz von Hinweisgeberin nen und Hinweisgebern einer gesetzlichen Regelung be darf.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist genau der richtige Ansatz. Nunmehr hektisch eine komplizierte Regelung in das Landesdisziplinarrecht einzufügen, die quasi das Ergeb nis des Auftrags an den Bundesjustizminister vorwegnehmen soll, hieße, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Ich empfehle deshalb, heute den Antrag abzulehnen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Debatte. Herr Eichelbaum, herzlichen Dank für die breite Darlegung der Rechtslage. Dem meisten habe ich nichts hinzuzufügen. Ich möchte nur noch einmal deutlich machen: In unserem Antrag ging es nicht hauptsächlich um Unternehmen,
sondern um öffentliche Verwaltungen. Ich glaube, bei den ge nannten Beispielen - BER, Dienstwagen usw. - können wir da rin übereinstimmen, dass hier einiges zu tun wäre.
Ich glaube, Ihr Beitrag hat aber auch gezeigt, warum es so not wendig ist, dass wir in Brandenburg etwas tun. Das richtet sich jetzt an Herrn Stohn, Frau Mächtig und Herrn Schröter: Wenn wir mit voller Kraft versuchen, dies auf Bundesebene durchzu setzen, und die CDU da steht, wo sie jetzt steht - die CDU hatte bei der letzten Sonntagsumfrage 30,5 %, die SPD 19,5 % -, dann können wir nicht warten, bis der Bund irgendetwas macht, sondern müssen wir auf Brandenburger Ebene vorange hen.
Ich glaube, insgesamt war es eine gute Debatte. Sie soll ja auch ein Beitrag dazu sein, das gesellschaftliche Klima zu verbes sern: Es geht nicht um Denunziantentum, sondern um den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern. Die einzi ge Ausnahme war - aber das ist wenig überraschend - die AfD. Herr Jung macht sich deutlich Sorgen um das Denunzianten tum. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wundert mich über haupt nicht. Wir wissen, was dabei herauskommt, wenn es bei der AfD Denunziantentum gibt. Ich sage nur: Bild-Zeitungsin terview, Herr Wiese. - Vielen Dank.
Damit sind wir am Ende der Aussprache und kommen zur Ab stimmung. Wir stimmen über den Antrag der Fraktion BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 6/4298, „Spielräume auf Landesebene für den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hin weisgebern nutzen“ ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimm enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag abgelehnt worden.
Bevor ich die Aussprache eröffne, begrüße ich herzlich zahlrei che Gäste, und zwar ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Eisenhüttenkombinats Ost bzw. von ArcelorMittal Eisenhüttenstadt sowie Senioren und Seniorinnen aus Forst. Herzlich willkommen!
Wir beginnen die Aussprache. Es spricht der Abgeordnete Lütt mann für die Fraktionen SPD und DIE LINKE.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegin nen und Kollegen! Liebe Gäste! Im vorliegenden Organstreit
verfahren klagt der Abgeordnete Dierk Homeyer, CDU-Fraktion, ihm sei die Einsicht in Akten der Mindestlohnkommission verwehrt worden. Es geht dabei vor allem um die Frage, ob die Mindestlohnkommission in Form einer Behörde oder einer Dienststelle der Landesregierung Akteneinsicht nach § 56 der Landesverfassung zu gewähren hat.
Der Parlamentarische Beratungsdienst des Landtags ist in ei nem Gutachten vom Februar dieses Jahres bereits zu der Ein schätzung gelangt, dass dies nicht der Fall ist. Er kommt zu dem klaren Schluss: Ein Akteneinsichtsanspruch gegen die Mindest lohnkommission selbst bzw. gegen das für die Kommission zu ständige Ministerium besteht nicht. Der Parlamentarische Bera tungsdienst kommt vielmehr zu der Einschätzung, dass die Auf gabe der Mindestlohnkommission eher den Aufgaben von be auftragten Sachverständigen oder Gutachtern ähnelt.
Auch in den zwei weiteren Fragen des Abgeordneten Homeyer, nämlich nach Akteneinsicht im laufenden Meinungsbildungs prozess der Regierung oder nach der Aktenführungspflicht der Mindestlohnkommission, folgt das Gutachten des Beratungs dienstes der Argumentation der Landeregierung.
Sehr geehrter Herr Homeyer, Sie haben dennoch Anfang Mai das Organstreitverfahren gegen die Landesregierung eröffnet. Dies zu tun ist Ihr und unser aller gutes Recht, und wir sehen der Entscheidung des Verfassungsgerichts mit Spannung ent gegen.
Wir diskutieren heute nicht über die Erfolgsaussichten Ihrer Klage; dies ist Aufgabe des Gerichts. Wir diskutieren heute im Plenum, weil Sie der Ansicht sind, der Landtag hätte eine Stel lungnahme zum vorliegenden Organstreitverfahren abgeben müssen. Das sehen die Fraktionen von SPD und die Linke an ders. Aus unserer Sicht ist es nicht geboten, dass der Landtag eine Stellungnahme abgibt, und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens hat sich der Landtag auch in der Vergangenheit bei der Kommentierung von Verfassungsbeschwerden sehr zurückge halten. Von 143 Verfassungsbeschwerden wurden lediglich 23 mit Stellungnahmen des Landtages versehen. Dabei handelte es sich in der Regel um existentielle Themen wie die Gemein degebietsreform 2003 oder die Frage des Abbaggerns der Ge meinde Horno. Darüber hinaus wurde Stellung genommen, wenn der Landtag selbst beklagt wurde; das ist hier nicht der Fall. Diese Zurückhaltung bei der Kommentierung von Organ klagen scheint auch geboten, um das Risiko zu begrenzen, dass die gerichtliche Auseinandersetzung zum Gegenstand politi scher Mehrheiten im Landtag wird.