Protocol of the Session on June 9, 2016

Was soll man dazu eigentlich noch sagen?

(Lachen bei der CDU, SPD, der Fraktion DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Wenn ich mich recht erinnere, hat die Kollegin Schade vor zwei Monaten hier den Antrag eingebracht, das Vergabegesetz

in Gänze abzuschaffen. Das Vergabegesetz beinhaltet aber den Mindestlohn, Frau Schade.

(Lachen bei der CDU, SPD, der Fraktion DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielleicht sollten Sie sich einmal mit Ihrem Kollegen Jung ab stimmen.

Im Übrigen habe ich hier auch keinen Antrag gestellt, Herr Kollege - Sie sind ja, glaube ich, Rechtsexperte -, sondern es geht lediglich um die Frage einer verfassungsgerichtlichen Auseinandersetzung, eines Organstreitverfahrens: Abgeordne ter Dierk Homeyer vs. Landesregierung und ob das Parlament dazu Stellung nimmt - ja oder nein. Ich bin der Meinung, es wäre gut, wenn das Parlament dazu Stellung nähme, aber die Mehrheit wird wahrscheinlich dagegen sein. Und mitnichten habe ich einen Antrag gestellt, Kollege Jung.

(Beifall CDU)

Kollege Jung, Sie haben die Gelegenheit zu reagieren.

Herr Kollege Homeyer, bei dem Antrag, den die AfD-Fraktion eingebracht hat, ging es um Bürokratieabbau. Man kann darü ber streiten, ob das Brandenburger Mindestlohngesetz seine Basis hat oder nicht - da bin ich ja noch bei Ihnen. Aber es geht um die von der Kommission vorgenommene Festsetzung. Ihr wollen wir die Entscheidungsprärogative lassen. Sie soll den Betrag festsetzen. Wir haben keinen Grund, Kritik zu üben bzw. anzuzweifeln, dass diese Kommission ihre Arbeit ordent lich macht. - Vielen Dank.

Nein, Frau Schade, es ist nicht möglich, mit einer Kurzinter vention auf eine Kurzintervention zu antworten. - Damit kom men wir zum nächsten Redner, zum Abgeordneten Vogel für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäs te! Wir reden hier nicht über den Mindestlohn, weil es darum überhaupt nicht geht.

(Beifall DIE LINKE)

Ich und Herr Homeyer haben durchaus unterschiedliche Auf fassungen, was den Mindestlohn betrifft. Trotzdem habe ich beantragt, dass wir heute diese Debatte führen, weil der Abge ordnete Homeyer ein Akteneinsichtsrecht für sich beansprucht hat und die Landesregierung nicht bereit war, ihm dies zu ge währen. Das ist heute das Thema.

(Bischoff [SPD]: Der Antrag wurde abgewiesen!)

- Moment. - Weil Herr Homeyer das nicht akzeptiert hat, hat er Verfassungsklage eingereicht.

Dann hatte der Hauptausschuss die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. Der Hauptausschuss hat sich inhaltlich nicht damit auseinandergesetzt,

(Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

sondern hat in einem Umlaufverfahren, lieber Herr Bischoff - als Vorsitzender des Hauptausschusses wissen Sie das -, wegen angeblich drängender Fristen die Entscheidung getroffen, kei ne Stellungnahme abzugeben. Was Herr Lüttmann hier heute als Begründung angeführt hat, halte ich, mit Verlaub, für pein liche Ausflüchte.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Erstens haben Sie, Herr Lüttmann, auf die bisherige Zurück haltung des Landtages bzw. des Hauptausschusses bezüglich verfassungsgerichtlicher Verfahren überhaupt verwiesen. Das mag zwar so sein, ist aber kein Grund, denn hier geht es um Rechte, die die Abgeordneten unmittelbar betreffen.

Zweitens haben Sie gesagt, es sei ein Recht des einzelnen Ab geordneten und betreffe nicht die Rechte des Landtages insge samt, und damit gäbe es keinen Anlass, sich hier besonders zu engagieren. Aber woraus besteht denn dieser Landtag? Ich glaube, aus 88 Abgeordneten.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Es geht hier um die Rechte jedes einzelnen Abgeordneten, und zwar völlig unabhängig davon, ob aus der Opposition oder der Koalition. Es spielt auch gar keine Rolle, dass sie gegenwärtig in der Regierung sind

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

und vielleicht in vier Jahren in der Opposition - was weiß denn ich? -, sondern es geht darum: Wenn die Landesregierung Akteneinsicht verweigert, berührt das die Rechte aller Abgeordne ten.

(Beifall B90/GRÜNE)

Soll es denn wirklich so sein, dass immer einzelne Abgeordne te die Rechte für uns alle erkämpfen müssen?

Es gibt - als kleiner Hinweis - eine Broschüre, die der Landtag herausgegeben hat: Festschrift 20 Jahre Landesverfassung. - Darin hat sich die ehemalige Präsidentin des Verfassungsge richts, Monika Weisberg-Schwarz, aus den besonderen Ent scheidungen des Verfassungsgerichts Brandenburg in den ers ten 15 Jahren drei Themen herausgegriffen, die sie als beson ders wichtig ansieht. Das erste ist übrigens die Kreisgebietsreform, das zweite die Vereinigung Berlin-Brandenburg. Das dritte ist, dass das Landesverfassungsgericht mehrfach Ent scheidungen zu dem Recht der Abgeordneten auf Aktenein sicht nach Artikel 56 Abs. 3 Landesverfassung Brandenburg getroffen hat.

Man muss sich immer in Erinnerung rufen, dass das ein Recht ist, das bundesweit einmalig war. Bisher hat sich lediglich Ber

lin bereiterklärt, eine ähnliche Regelung in die Verfassung auf zunehmen. Ansonsten sind die Rechte deutscher Abgeordneter nicht so stark ausgeprägt. Aber als Lehre aus der DDR hat sich das Land Brandenburg eine Verfassung gegeben, die gesagt hat: Wir wollen unseren Abgeordneten verbesserte Kontroll möglichkeiten geben. - Deswegen muss man sich an der bran denburgischen Verfassung ausrichten bzw. messen lassen und nicht an irgendetwas, was in anderen Bundesländern eine Rolle spielt.

Die Richterin hat ausgeführt, dass es das Begehren eines Abge ordneten der PKK, der Parlamentarischen Kontrollkommissi on, Einsicht in Akten des Verfassungsschutzes zu nehmen, gab, dass das zwar in einer Kampfabstimmung - fünf zu vier Stim men - entschieden wurde, aber das Verfassungsgericht eindeu tig gesagt hat, dass hier den einzelnen Abgeordneten gegen über der Landesregierung eine herausgehobene Kontrollbefug nis zur Seite steht und dieser größtmögliche Effizienz zu ver leihen ist. Was in anderen Bundesländern von den dortigen Verfassungsgerichten vielleicht nicht genehmigt bzw. abge lehnt worden wäre, ist vom brandenburgischen Verfassungsge richt ausdrücklich bejaht worden.

Ich denke, Herr Homeyer ist gut beraten, vor das Verfassungs gericht zu gehen und stellvertretend für uns alle - weil hier die Verweigerungshaltung zu groß ist - eine Ausweitung unserer Akteneinsichtsrechte zu erkämpfen. Dafür danke ich Ihnen, Herr Homeyer, ausdrücklich. Ich hätte es besser gefunden, der Landtag in seiner Gesamtheit hätte sich Ihnen zur Seite ge stellt. Das geschieht nun leider nicht. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Vielen Dank. - Die Landesregierung hat Redeverzicht ange zeigt. Ich frage die SPD-Fraktion, ob sie noch einmal das Wort wünscht. - Da das nicht der Fall ist, sind wir am Ende der Aus sprache und kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen über die Beschlussempfehlung in Drucksa che 6/4316 des Hauptausschusses - Organstreitverfahren des Abgeordneten Dierk Homeyer zum Thema Akteneinsicht - ab. Wer der Beschlussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung mehrheitlich gefolgt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungs punkt 6 auf:

Brandenburgisches Gesetz über Mindestanforderun gen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen (Bran denburgisches Vergabegesetz - BbgVergG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

1. Lesung

Die Debatte wird von der Landesregierung eröffnet. Herr Mi nister Gerber, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehr te Gäste aus Forst und von EKO aus Eisenhüttenstadt. Am 11. April 2016 waren Ihre aktiven Kollegen und ich beim „Ak tionstag Stahl“ in Berlin. Das war eine gute Veranstaltung und hat viel Druck gemacht.

Meine Damen und Herren! Bereits im Jahr 2011, als das bran denburgische Vergabegesetz geschaffen wurde, hatten wir den Anspruch, dass Brandenburg kein Billiglohnland ist. Das gilt nach wie vor. Unser Ziel sind eine gute Arbeit und eine anstän dige Bezahlung, wie es auch im Koalitionsvertrag steht. Die sem Anspruch wollen und müssen wir auch weiterhin gerecht werden. In Bezug auf den bundesweiten Mindestlohn gab es Auseinandersetzungen über die monatlich-anteilige Auszah lung des Weihnachtsgeldes. Wir werden Druck machen, dass es auf der Bundesebene schnell zu einer gerechten Lösung kommt.

Heute liegt Ihnen der Entwurf zur Neufassung des brandenbur gischen Vergabegesetzes vor. Das Kernstück der Novelle, der vergaberechtliche Mindestlohn für öffentliche Aufträge, soll von 8,50 Euro auf 9 Euro erhöht werden. Die Landesregierung folgt mit diesem Vorschlag dem Vorschlag der Brandenburger Mindestlohnkommission für einen fairen und sozialen Mindest lohn. Ja, dieser Wert liegt über dem bundeseinheitlichen Min destlohn nach dem Mindestlohngesetz, und ja, es gibt Gründe, die dagegen sprechen. Aber ich sage Ihnen, es gibt viel mehr gute Gründe, die dafür sprechen: Als soziales Land dürfen wir als Auftraggeber keinen Profit aus einem Wettbewerb schlagen, der auf dem Rücken der Menschen ausgetragen wird.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Fair und sozial bedeutet dabei: Man muss von seinem Lohn, den man für gute Arbeit erhält, angemessen leben können. 4 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland, davon 130 000 in Brandenburg, erhalten seit der Einführung des Bundesmindest lohnes endlich einen einigermaßen anständigen Lohn für ihre Arbeit. Wir reden hier von Leistungen, meine Damen und Her ren, die die Basis unserer Gesellschaft sind - Arbeiten, ohne die andere ihre Arbeit nicht verrichten können. Wir reden beim Vergabegesetz von Gebäudereinigung, Wäschereidienstleistun gen und Zustelldiensten. Wir alle sind angewiesen auf die Ar beitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Branchen, und die Arbeitnehmer sind angewiesen auf unser Verantwortungs bewusstsein.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Die soziale Verantwortung liegt bei den öffentlichen Auftrag gebern, um die es geht, denn sie generieren einen großen Anteil von Aufträgen in diesem Bereich. Meine Damen und Herren, setzen wir also das richtige Signal für die Zukunft der Erwerbs tätigen in diesen Branchen und für Brandenburg!

Mit dieser Erhöhung erhält zum Beispiel die Frau in der Wä scherei 20 Euro pro Woche mehr Lohn. Damit bricht kein Lu xus aus - das ist wohl jedem klar -, und ich bin ziemlich sicher, meine Damen und Herren, dass manch ein Superreicher in Deutschland für diese Summe nicht einmal den kleinen Finger krummmachen würde.

Natürlich ist uns bewusst, dass es eine Wechselbeziehung zwi schen dem Vergabegesetz und dem bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn gibt.