Margitta Mächtig

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Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Auch nach 27 Jahren deutscher Einheit ist das Thema „Bodenreform und ihre Folgen“ noch nicht abge schlossen. Wir alle wissen: Es geht dabei um einen über 70 Jah re zurückliegenden, aber wichtigen Akt deutscher Nachkriegs geschichte. 1945 führte die sowjetische Militäradministration Deutschlands in der Sowjetischen Besatzungszone eine Boden reform durch, mit der Großbauern und Großgrundbesitzer, die mehr als 100 Hektar besaßen, entschädigungslos enteignet wur den.
Die Neustrukturierung des Eigentums nach dem Einigungsver trag vom August 1990 gehörte - und gehört, wie wir wissen, immer noch - zu einer der größten Herausforderungen der deut schen Einheit. Ich darf daran erinnern, dass die Vergabe der Bodenreformgrundstücke nach Beendigung des Zweiten Welt kriegs in der Sowjetischen Besatzungszone als vererbliches Ei gentum erfolgte. Und da es nicht nur eine politische, sondern zugleich eine soziale und wirtschaftliche Entscheidung war, die den Menschen die Möglichkeit gab, Land- und Viehwirtschaft zu betreiben, war die Übergabe an die persönliche Bewirtschaf tung des Grund und Bodens gebunden.
Mit den Modrow-Gesetzen vom 6. März 1990 über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform sollten alle Verfügungsbeschränkungen bei Bodenreformland sowie die bisher geltenden Besitzerwechselvorschriften aufgehoben und sollte Bodenreformeigentum künftig als vollwertiges Ei gentum anerkannt werden. Zugleich regelte - meine Kollegen sagten es - das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom Juli 1992, dass nur diejenigen Erben das Land er- bzw. behal ten, die es am 15. März 1990 selbst bewirtschafteten oder die Hofstelle bewohnten. Die damit zugleich geschaffene Rege lung der sogenannten Besserberechtigung gehörte zu den um strittensten Regelungen der Vergangenheit, und so war und ist diese Debatte bis heute auch in höchstem Maße emotional gela den.
In Brandenburg gab es mehr als 82 000 Bodenreformgrundstü cke, und nach dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz mussten die Länder ihre Ansprüche auf Übertragung ehemali ger Bodenreformflächen bis zum 2. Oktober 2000 gegenüber nicht zuteilungsfähigen Neubauernerben geltend machen. Und wie jede Verjährungsvorschrift sollte auch diese dazu dienen, Rechtsfrieden herzustellen - nicht zuletzt, um Investitionsent scheidungen zu befördern und Investitionssicherheit zu ge währleisten. Wer also bis dahin nicht zur Auflassung aufgefor dert wurde, sollte Eigentümer bleiben.
Anfang 1996 hatte die Landesregierung beschlossen, flächen deckend klären zu lassen, inwieweit das Land auf Grundstücke, die im Grundbuch als Bodenreformland eingetragen waren, Auflassungsansprüche hat. Es ging um die Zuführung der dem Land aus der Bodenreform zufallenden Grundstücke zu dem Sondervermögen „Bodenfonds“. Die Bestimmungen über die Abwicklung der Bodenreform nach Artikel 233 EGBGB wur den vom Bundesgesetzgeber geschaffen, um die Verkehrsfähig keit von Bodenreformflächen auf einem einfacheren, schnelle ren Weg herzustellen als bei einem Vorgehen nach den hergebrachten Verfahren, wie es zum Beispiel das Aufgebots verfahren ist. Letztlich sah sich das Land auch gehalten, seine Ansprüche vor ihrer Verjährung am 02.10.2000 durchzusetzen,
weil der Bundesgesetzgeber noch über die endgültige Auftei lung seines Vermögens zwischen Bund und Ländern zu ent scheiden hatte.
Ein Großteil dieser Fälle bewegt Menschen noch heute. Der Bundesgerichtshof hatte in seinem Urteil vom Dezember 2007 die Verfahrensweise des Landes im Umgang mit unbekannten Eigentümern von Bodenreformgrundstücken außergewöhnlich scharf - und aus meiner Sicht gerechtfertigt - kritisiert. Nach Auffassung des höchsten deutschen Zivilgerichts ist „die Erklä rung eines nach Art. 233 Abs. 3 EGBGB zum Vertreter des un bekannten Eigentümers eines Grundstücks aus der Bodenre form bestellten Landes, das Grundstück an sich selbst aufzulassen, wegen Missbrauchs der verliehenen Vertretungs macht sittenwidrig und nichtig“ - meine Vorredner gingen dar auf ein.
Das Land hatte sich in einer Vielzahl von Fällen also fehlerhaft verhalten und dadurch das Vertrauen in den Rechtsstaat er schüttert. Wir wissen, dass das für die betroffenen Menschen sehr nervenaufreibend war und ist. Der Landtag hatte sich in einem Untersuchungsausschuss in der 5. Wahlperiode sehr in tensiv mit dem Umgang mit Bodenreformland befasst. Die Landesregierung hat Konsequenzen gezogen, die uns allen be kannt sind. Unter anderem wurden nicht vollzogene Grund bucheintragungsanträge zurückgenommen, und die bereits im Grundbuch vorgenommenen Eintragungen wurden, wenn sich Erben meldeten, gelöscht. Zugleich hatte das Land in regiona len und überregionalen Presseaufrufen nach Erben gesucht. Und wir erinnern uns, dass das Land nach dem Urteil alle noch nicht erledigten Vertreterbestellungsanträge sowie die Anträge auf Genehmigung von Auflassungsbeurkundungen zurück nahm.
Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt uns den aktuellen Stand der Bearbeitung. Wir können feststellen: Das Land Bran denburg ist auf dem Weg, den rechtmäßigen Zustand und den Rechtsfrieden herzustellen - und ich will auch hier an die Aus führungen meines Vorredners anschließen: soweit dies über haupt möglich ist. Nicht immer schafft Recht auch Gerechtig keit. - Vielen Dank.
Herr Wichmann, ist Ihnen bekannt, dass der Begriff „Dorf“ im Zusammenhang mit der auch von Ihrer Fraktion vehement be triebenen Gemeindegebietsreform 2003 aus den Geschichtsbü chern dieses Landes gestrichen wurde?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Liebe Schülerinnen und Schüler vom PraetoriusGymnasium Bernau! Als Barnimerin darf ich diesen Gästen auch einmal gesondert zuwinken. Herzlich willkommen zu dieser interessanten Debatte über den Landeshaushalt!
Man sagt, der Haushalt sei in Zahlen gegossene Politik. Nach dem meine Kollegen heute schon einige Aspekte des Haushalts beleuchtet haben, will ich die Möglichkeit nutzen, um auf wei tere Aspekte unseres Haushalts aufmerksam zu machen. Wie könnte es anders sein: Natürlich rede ich über den Bereich Jus tiz.
Meist ist es so, dass die Justiz eher ein Schattendasein führt, außer, es gab einen Ausbruch oder vermeintliche Skandale in Gerichtssälen. Im Moment aber reden wir über den Haushalt, der nicht nur die Fürsorgeleistungen und Mittel für arbeitsme dizinische und sicherheitstechnische Betreuungspflichten des Landes gegenüber seinen Bediensteten darstellt. Natürlich re den wir über die allgemeinen Sachausgaben des Ministeriums und seiner Gliederungen, über Einnahmen und Ausgaben der automatisierten Datenverarbeitung für Gerichte, Behörden und Einrichtungen und natürlich auch über anteilige Mittel des Landes Brandenburg am Gemeinsamen Juristischen Prüfungs amt der Länder Berlin und Brandenburg, an unserem gemein samen Oberverwaltungsgericht, dem Landesarbeitsgericht so wie dem Zentralen Mahngericht Berlin-Brandenburg. - Wenn ihr mitgeschrieben hättet, dann wüsstet ihr jetzt die Namen der Gerichtsbarkeiten in Brandenburg.
Wir reden aber auch über unseren Beitrag für die Deutsche Richterakademie, die in unserem Land befindliche Tagungs stätte Wustrau, die von Bund und Ländern gemeinsam getra gen wird - sie ist übrigens für die überregionale Fortbildung der Richterinnen und Richter, aber auch der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zuständig.
Nicht zuletzt reden wir natürlich über die Ausstattung der or dentlichen Gerichte und Staatsanwaltschaften, also über unser Oberlandesgericht in Brandenburg an der Havel, unsere vier Landgerichte in Potsdam, Cottbus, Frankfurt (Oder) und Neu ruppin sowie die 24 Amtsgerichte in den Städten unseres Lan des.
Natürlich reden wir auch über den Justizvollzug und über die Sicherungsverwahrung, Frau Kollegin, über unseren Anteil an der Jugendarrestanstalt Berlin-Brandenburg und nicht zuletzt über die notwendige Anzahl von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern in unserem Land. Das alles meistert der Haushalt im Einzelplan 04 allein im Bereich der Justiz.
Ich rufe Ihnen all das deshalb ins Gedächtnis, weil in der Öf fentlichkeit manchmal der Eindruck entsteht, es ginge lediglich um die Frage, ob hier und da ein Richter mehr oder weniger oder soundso viele Strafvollzugsbedienstete mehr oder weni ger erforderlich seien. Nein, dieser Haushalt hat mehr zu ver antworten und mehr zu richten.
Nun sollen die Haushaltsberatungen angeblich auch ein Zei chen dafür sein, ob und inwieweit sich die einzelnen Minister im Kabinett und im Finanzministerium durchsetzen konnten bzw. können. Bei der Justiz kann man - ich glaube, sogar län derübergreifend - sagen, dass das Ergebnis im Hinblick auf die Personalausstattung regelmäßig sehr ernüchternd ausfällt. Selbst Finanzkrösusse aus Bayern und Baden-Württemberg ge raten wegen der Ausstattung an den Gerichten in ihren Ländern regelmäßig in die Kritik.
Auch in Brandenburg gab und gibt es in regelmäßigen Abstän den die größten Auseinandersetzungen um die Zahl der Be diensteten im Bereich der Justiz, sei es bei den einzelnen Ge richten oder im Strafvollzug. Die Regierungen haben das The ma in letzter Zeit mit dem Hinweis auf die PEBB§YFortschreibung nicht geblockt; man sollte erst einmal abwar ten, was dabei herauskommt. PEBB§Y ist die Methode, mit der der Arbeitsumfang eines Richters in einem Monat bemessen wird. Sie wissen, die ersten Ergebnisse liegen nun vor und zei gen Nachsteuerungsbedarf.
Es ist unbestritten, dass sich die Herausforderungen an die Jus tiz in den vergangenen Jahren und Monaten verändert haben
und das Ermittlungsverfahren komplexer und internationaler geworden ist. Diesen Herausforderungen gilt es sich natürlich zu stellen - sowohl in der Politik als auch bei den Staatsanwalt schaften und Gerichten selbst.
In diesem Prozess muss auch die Frage erlaubt sein, ob und wie die Justiz auf diese Entwicklungen möglicherweise selbst zügiger reagieren kann und muss, denn sie selbst kann einen erheblichen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen von heute und morgen leisten.
Zugleich können Sie in der Justiz - ich behaupte, sogar in der gesamten Landesverwaltung - jeden fragen: Alle klagen über zu wenig Personal. Deswegen haben wir als Koalition uns ent schieden, in folgenden Bereichen der Justiz gegenüber dem Haushaltsentwurf deutliche Veränderungen vorzunehmen: Wir wollen drei zusätzliche Proberichterstellen schaffen, die nach dem bisher bewährten System auch an den Sozialgerichten zum Einsatz kommen sollen. Ich darf darauf hinweisen, dass heute die Meldung über die Vereinbarung, bundesweit die Be dingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Bereich der Richterschaft zu verbessern, und zwar durch eine weitere Möglichkeit der Teilzeitarbeit, kam. Wir wollen aber auch ins gesamt 31 Personalstellen im Justizvollzug schaffen und damit
die Umsetzung der hohen Ansprüche unserer Brandenburger Justizvollzugsgesetze sichern.
Ja, es ist sicher eine Minderausstattung, aber die zusätzlichen Stellen - zwölf Stellen im nächsten Jahr und 21 Stellen im Jahr 2018 - sind eine deutliche Veränderung gegenüber dem Ent wurf.
Nicht zuletzt wollen wir fünf zusätzliche Gerichtsvollzieher stellen in diesen Haushalt einstellen und mit diesem Haushalt sichern, denn wir erhalten von den Gerichtsvollziehern zahlrei che Überlastungsanzeigen, und eine solche Sache nehmen wir ernst. Eine nicht unwesentliche Ursache hierfür liegt darin, dass es seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Sachauf klärung in der Zwangsvollstreckung keine wirklich belastbaren Grundlagen mehr für die Bemessung der Arbeit eines Gerichts vollziehers gibt.
Zwar besteht im Bund und in den Ländern Einvernehmen darü ber, dass die Gesetzesänderung einen ganz erheblichen perso nellen Mehrbedarf mit sich gebracht hat, aber eine Änderung der Berechnungsgrundlagen erfolgte bisher eben nicht. So müssen Bürgerinnen und Bürger, die nach langen Gerichtsver fahren endlich einen Titel erstritten haben, mit welchem sie nun eigentlich ihre Forderungen eintreiben könnten, lange war ten, ehe sie die Hilfe eines Gerichtsvollziehers in Anspruch nehmen können und der Titel zur Vollstreckung kommt. Nein, dies wollen wir ändern und werden deshalb auch hier Verände rungen vornehmen.
Natürlich, meine Damen und Herren von der Opposition, sehr geehrter Herr Eichelbaum, ist es das Recht der Opposition, hier weitergehende Forderungen zu stellen. Es heißt nicht umsonst: Die Pflicht der Opposition besteht darin, das Wünschenswerte zu fordern, die Pflicht der Regierung besteht darin, das Mach bare zu gestalten.
Gestatten Sie mir zum Schluss, darauf aufmerksam zu machen, dass wir sicherlich gemeinsam zur Kenntnis nehmen können, dass das Justizministerium Einstellungskorridore vorgesehen hat, die den notwendigen Verjüngungsprozess in allen Berei chen der Justiz in Gang setzen, so zum Beispiel auch im Rich terbereich mit jährlich acht Stellen.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion DIE LINKE be grüßt die Bemühungen des Justizministeriums, den Strafvoll zug auch und besonders durch die Anpassungen und strukturel len Veränderungen den aktuellen Bedingungen anzupassen, ausdrücklich. Dazu gehört auch, der abnehmenden Zahl der Gefängnisinsassen Rechnung zu tragen.
Zum Abschluss möchte ich klar und deutlich sagen: Auch der Justizhaushalt ist klarer Ausdruck der politischen Schwer punktsetzung der Linken in der Koalition. - Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Herr Eichelbaum, wo haben Sie sich beim Verfas sen Ihrer Rede beraten lassen? Sie war so staatstragend und hatte gar nichts mit dem zu tun, was ich sonst von Ihnen ge wohnt bin.
- Selbstverständlich bekommt er auch einmal ein Lob, Herr Homeyer, wenn er es verdient hat.
Die Linke fordert für Whistleblower ein Gesetz, das ihnen Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung ebenso ermöglicht wie den medienrechtlichen Schutz. Ich glaube, wir reden hier von unterschiedlichen Dingen. Ich möchte Ihnen sagen, warum wir den Antrag der Grünen ablehnen:
Hierzu erzähle ich Ihnen eine Geschichte, die der eine oder an dere vielleicht kennt. Kommunen übertragen Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung an Dritte, beispielsweise Abfallentsorgung, Rettungsdienst usw.
- Ja, bei der Übertragung von kommunalen Aufgaben an Dritte geht eine ganze Menge.
Diese Aufgaben werden erledigt und entziehen sich der Kont rolle durch die Kommunalvertretung. Dann allerdings gab es die Information von einem Mitarbeiter eines Privatunterneh mens, dass der Landkreis in Millionenhöhe betrogen wird. Da mit hat sich der- oder diejenige zum Whistleblower gemacht. Es bedarf einer sehr sensiblen und langfristigen Arbeit, um ge nau herauszufinden, ob ein Landkreis durch ein Privatunter nehmen, das eine Aufgabe im Bereich der kommunalen Da seinsvorsorge erledigt, tatsächlich in Millionenhöhe geschädigt
wurde. Es stellte sich heraus: Ja, er wurde geschädigt, und ja, der Schaden war in Millionenhöhe. Es gab aber noch etwas: Die Mitarbeiter wurden entlassen. Nichts und niemand hat sie geschützt und schützen können, weil die Weitergabe der Infor mation zum Nachteil des Arbeitgebers und somit nicht rechtens war. Dass das Loyalitätsgebot nicht befolgt wurde, ist vom Ar beitsgericht bestätigt worden. Dabei spielte es keine Rolle, dass die Kommunen und die gesamte Gesellschaft durch die Vorkommnisse geschädigt wurden.
Genau deshalb sprechen wir uns für einen besseren Schutz von Whistleblowern aus, die Angst vor dem Verlust des Arbeits platzes, vor einer Klage auf Schadensersatz oder vor Repressa lien in ihrem Unternehmen haben und ihr Wissen daher für sich behalten.
Die Erfahrung hat leider gezeigt, dass die bestehenden Kont rollsysteme nur unzureichend funktionieren. Es gibt einen handfesten Bedarf an Zivilcourage in Wirtschaft und Gesell schaft. Zivilcourage ist ein hohes Gut - da sind wir uns sicher lich alle einig. Eine partizipatorische demokratische Gesell schaft braucht eine Kultur des Hinschauens, des Sich-Einmischens. Für die Entwicklung und Unterstützung einer sol chen Kultur steht die Linke ohne Zweifel auf allen Politikfel dern gleichermaßen.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch deutlich sagen: Informa tion ist nicht Denunziation. Da bin ich wieder mit Ihnen einig. Es erfordert ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein, das eine vom anderen zu unterscheiden. Wenn nun aber, wie schon ausgeführt, die Justizministerinnen und Justizminister der Län der der Auffassung sind, dass Regelungsbedarf gegeben ist, dann sollten wir ihnen diesen überlassen. Denn - das ist der große Nachteil Ihres Antrages, Herr Vogel - es betrifft mehrere Rechtsgebiete, die auf Landesebene in keiner Weise zu regeln sind: Weder das Arbeitsrecht - Kollege Stohn hatte es schon gesagt - noch das Zivilrecht noch das Strafrecht noch das Me dienrecht oder das Beamtenrecht eröffnen dem Land die Chan ce, zu reagieren.
Nun könnten wir sagen: Wir können doch hier eine Einzelrege lung schaffen, weil wir einmal die Ersten sein wollen. Ich glau be nicht, dass es wichtig ist, der Erste zu sein. Was für mich wichtiger wäre, ist, dass wir landes- und bundesweit einheitli che Regelungen haben.
Eines möchte ich auch deutlich sagen: Was ich mir wünsche, ist, dass es nicht nur einen erhöhten Schutz im öffentlichen Dienst, sondern gleiche Bedingungen für alle gibt. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste - man sieht Sie sonst gar nicht, wenn man hinten sitzt!
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unternimmt nun den zweiten Anlauf, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, welches bereits am 21. November 2013 keine Mehrheit im Landtag fand. Ich finde es bemerkenswert, Herr Dombrowski, mit welcher Leidenschaft Sie heute für Recht und Gesetz ein treten und dabei völlig außer Acht lassen, zu welcher Zeit die ser - übrigens damals schon von der PDS so bezeichnete - Rechtsbruch begangen wurde. Die historische Verantwortung bzw. der daraus entstandene Schaden soll möglicherweise da mit wiedergutgemacht werden, dass Sie sagen: Wir müssen schauen. - Sie wissen zugleich, dass politische Entscheidungen Rechtsprechung nicht ersetzen dürfen. Von dieser Gesell schaftsform haben wir alle uns entfernt.
Nein, danach bitte. - Es ist legitim, dass wir uns heute noch einmal mit dieser Frage beschäftigen, weil sich die Zusammen setzung des Landtages geändert hat und einige Kolleginnen und Kollegen den Hintergrund nicht kennen.
Insofern sei der eine oder andere noch einmal daran erinnert, worum es eigentlich geht: Nach dem Zweiten Weltkrieg wur de in der sowjetischen Besatzungszone der landwirtschaft liche Grundbesitz von Kriegsverbrechern und Nationalsozia listen, aber auch der gesamte private Großgrundbesitz von mehr als 100 ha Größe entschädigungslos enteignet und an landlose und landarme Bauern, Landarbeiter, Flüchtlinge und Umsiedler verteilt. Durch sogenannte Besitzwechselverord nungen wurden im Einzelnen die Fälle geregelt, in denen Land in den Bodenfonds zurückgegeben werden musste oder Bodenreformgrundstücke an Dritte übertragen werden durf ten. Voraussetzung für die Übertragung dieses Eigentums war dabei stets, dass der neue Eigentümer die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen sicher stellt.
Als einzige Partei hat meine Partei - als PDS oder DIE LIN KE - von Anfang an gegen die Abwicklung der Bodenreform - wie in Artikel 233 § 11 ff. des Einführungsgesetzes des Bürger lichen Gesetzbuches bestimmt - gestritten. Dies belegen mehr als 30 Initiativen der PDS und der Linken im Bundestag und in den ostdeutschen Landtagen.
Union und FDP haben 1992 das DDR-Bodenreformgesetz vom 6. März 1990 geändert - hier ging es um die sogenannten Mo drow-Gesetze. Dabei wurde festgelegt, dass in Fällen, in denen Erben nicht in der Landwirtschaft tätig waren, das Land nach der Besitzwechselverordnung in den Bodenfonds zurückzufüh ren ist. In der Folge mussten rund 20 % der Bodenreformerben ihre Grundstücke zugunsten des Landesfiskus auflassen. Das haben wir Linken niemals akzeptiert, das wissen Sie.
Hier wird so getan, als hätte Rot-Rot nur darüber geredet und nichts getan - nein, das stimmt nicht. Seit 2009, seit Rot-Rot die Landesregierung stellt, nehmen wir dieses Problem sehr ernst. 2010, 2012 und 2013 - Sie wissen es - hat unser Finanz minister in Zeitungen und Amtsblättern Aufrufe zur Suche nach Erben sowie die Einzelgrundstücke, für die diese Rückga be erfolgen sollte, veröffentlichen lassen.
5 300 Grundstücksrückgabeanträge sind bis 2013 eingegangen. Der Versuch des Landes Brandenburg, 2014 eine gemeinsame Bundesratsinitiative auszulösen und das Recht wiederherzu stellen, ist an dem Desinteresse der anderen Ost-Bundesländer gescheitert. Vom BGH-Urteil vom 07.12.2007 waren 8 745 Er ben betroffen. Bis 2015 waren ca. 3 400 Fälle erledigt, das darf man bitte nicht vergessen - Ergebnis der Arbeit von Rot-Rot. Bei rund 5 600 Fällen waren die Erben noch unbekannt. Bis 2015 wurden 1 100 Fälle recherchiert, 20 % der Erben bereits gefunden. Ja, es sind noch 4 574 Erbrecherchen erforderlich; diese sollen bis 2019 erfolgen. Ich glaube, damit hat Rot-Rot bewiesen, dass es sich nicht nur dieser Aufgabe stellt, sondern zugleich erkannt hat, welche Herausforderungen gerade in Fra gen der Gerechtigkeit bestehen.
Ich hatte es schon bei meiner Rede 2013 gesagt: Hochge schätzte Kollegen der Grünen, als es im Bundestag die parla mentarische Chance gab, genau dieses Gesetz nicht zuzulas sen, haben Sie und Ihre Genossen versagt. Und das werden wir hier nicht ändern können -
das ist das Problem -, das tut mir außerordentlich leid.
Lassen Sie mich abschließend sagen, vor allem für die vielen Gäste hier im Saal: Eine Rückabwicklung ist aus unserer Sicht tatsächlich nicht möglich. Es gibt für eine rechtliche Entschei dung keinen politischen Beschluss, sie aufzuheben. Einigen ha be ich in persönlichen Gesprächen bereits gesagt, dass wir der Auffassung sind: Es gibt immer nur dann, wenn es neue recht liche Beweggründe gibt, noch einmal die Chance einer Recht sprechung. Es geht meiner Meinung nach eben nur dann,...
... wenn neue Tatsachen durch Sie beigebracht werden, die die damaligen Entscheidungen revidieren können. Es tut mir leid, ich kann Ihnen keine andere Hoffnung machen.
Von wem denn?
Ach, Herr Dombrowski. Ich hatte es nicht gesehen, ich bitte um Entschuldigung.
Herr Dombrowski, seit 2009 machen wir nichts anderes, als genau die Fehler zu korrigieren, die Sie gemacht haben - was ich anstrengend genug finde, nicht nur im Bereich der Boden reformgrundstücke.
- Darf ich jetzt zum eigentlichen Problem kommen? Gehen Sie sich umziehen, dann haben Sie zu tun. - Das Hauptproblem ist, dass von diesem Urteil vom 07.12.2007, das Sie erwähnten, genau die Fälle, über die wir immer wieder miteinander reden, eben nicht betroffen sind. Sondern es geht um die Fälle, die Herr Vogel sehr exakt beschrieben hat: Waren sie in der Land wirtschaft tätig oder nicht? - Es ist beschlossen worden, dass sie in der Landwirtschaft hätten tätig sein müssen, wenn eine Erbfolge eintreten soll. Die Linke hat von Anfang an gesagt, dass sie das für falsch hält. Aber Recht sprechen darf die Linke nicht, das muss ein Gericht tun.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Eichel baum, manchmal wecken Sie ja mein altes Lehrerherz. Früher habe ich mich immer gefragt, wenn die Kinder es nicht ver
standen haben: Was habe ich bloß falsch gemacht? - Die Frage brauche ich mir jetzt nicht zu stellen, weil wir gemeinsam im Rechtsausschuss saßen.
Ich habe überlegt: Wir hatten eine Situation, die selten war in diesem Hause. Sie haben auf ein Problem aufmerksam gemacht, wollten es auf die Tagesordnung gesetzt haben. Binnen weniger Stunden haben wir reagiert und eine Sondersitzung des Rechts ausschusses durchgeführt. Sie wurden informiert. Im Wissen darum, dass Sie nie mit Informationen zufrieden sind, haben wir eine zweite, ordentliche Rechtsausschusssitzung im Januar genutzt, um weitere Fragen tiefgreifend zu erörtern. Trotzdem setzen Sie das Thema auf die Tagesordnung des Landtages. Nun sind nicht einmal Gäste da. Selbst die Presse fehlt. Das ist doch grausam. Aber Sie können wieder eine Pressemitteilung heraus geben. Dafür eignet sich das vielleicht.
- Natürlich, es geht immer um die Sache, Herr Bretz!
Was ist eigentlich der Grund, warum Sie dieses Thema noch einmal auf die Tagesordnung setzen? Der Grund ist ein ein facher: Entweder haben die Kollegen Eichelbaum und Wich mann - beide Mitglieder des Rechtsausschusses und körperlich anwesend - ihre geistige Anwesenheit in den Sitzungen des Rechtsausschusses versäumt, oder aber es bedarf einer Wieder holung, weil Sie die Fakten einfach nicht akzeptieren wollen.
Ich mache es ganz deutlich: Sie haben vorhin hier behauptet, der Minister habe sein Bedauern zu diesem Fakt nicht ausge drückt. Damit hat er seine Rede im Rechtsausschuss begonnen! Lesen Sie bitte im Protokoll nach! Dieses Problem haben wir permanent: Behauptungen aufstellen, die nicht richtig sind, ge gen die falsche Behauptung agitieren und den Pappkameraden erschießen, obwohl es überhaupt nicht das Problem in dieser Gesellschaft ist.
Natürlich hat der Minister seine Rede mit dem Ausdruck des Bedauerns begonnen. Natürlich hat der Minister im Rechtsaus schuss den Vorgang nunmehr zweimal erläutert und erklärt, warum es im Landgericht Cottbus trotz ausreichender Ausstat tung nicht gelungen ist, die Hauptverhandlung innerhalb der erforderlichen Fristen anzuberaumen.
Was ich nun wirklich gräulich finde, ist: Herr Eichelbaum, wenn es Ihnen, weil im Gericht zweimal Besetzungsfehler be gangen worden sind, die unweigerlich zur Aufhebung eines eventuellen Urteils geführt hätten, wirklich um die Qualifizie rung der Arbeit des Gerichtes und damit um die ordentliche Verurteilung der Täter gehen würde, wäre der Adressat Ihrer Kritik das Gericht und nicht der Minister. Das trauen Sie sich nicht! Das ist das Problem.
- Nein! Die Unabhängigkeit der Justiz halten Sie immer hoch, wenn es Ihnen wichtig ist. Heute aber sagen Sie an der Stelle - ich will ja meinen Kolleginnen und Kollegen nicht auf den Fuß treten -, der Minister sei schuld und solle sich reinhängen. Ihre Forderung ist, alle Einmischung in die Unabhängigkeit der Ju stiz zu unterlassen, haben Sie vorhin hier vorgetragen. Lesen Sie Ihre eigene Rede durch!
Für diejenigen, die bei der Diskussion im Rechtsausschuss nicht dabei waren, möchte ich sagen, dass wir vor folgender Situation stehen: Ein Gericht ist ausreichend mit Richterinnen und Richtern ausgestattet. Das Gericht begeht Organisations fehler. Nun benutzt man aus politischen Gründen diesen Fakt eines Fehlers, um wieder die große Keule der Haushaltsdiskus sion herauszuholen und zu behaupten - das finde ich mittler weile gräulich -, dass dieses Gericht nicht ausreichend ausge stattet sei. Das ist falsch! Wenn Sie mit Falschaussagen arbei ten, Herr Eichelbaum, sage ich: Ich streite gern mit Ihnen, aber bitte qualifiziert und nicht auf dieser Ebene.
Ich darf daran erinnern, dass der Minister zugleich festgestellt hat, dass die Entscheidung der Freilassung unter Abwägung der Verhältnismäßigkeit und natürlich in Selbstverantwortung der Justiz gefällt wurde. Auch das, meine Damen und Herren von der Opposition, macht eben nicht der Minister.
Außerdem wurden wir darüber informiert, dass das Verfahren gegen einen der Täter bereits am 11.01. begonnen hat und die ser auch zu den Verhandlungen erscheint. Es gab eine Gefähr deransprache durch die Polizei. Eine zweite Person befindet sich in einem anderen Bundesland. Das Bundesland ist infor miert. Was also bitte wollen Sie?
Meine Herren, Sie sind beide Juristen. Sie wissen um die Ge waltenteilung. Auch - das wurde uns erläutert - kann es vielfäl tige Gründe geben, warum manche Verfahren nicht fristgemäß beginnen, die aber nicht mit den strukturellen und personellen Mängeln, die Sie immer wieder herbeizureden versuchen, zu sammenhängen, sondern lediglich mit einer einzigen Proble matik: Ja, es gab hier ein Organisationsversagen. Das ist zu analysieren, und das ist zu verändern.
In diesem Sinne, Herr Eichelbaum, habe ich eine Bitte: Wenn Sie das nächste Mal einen Antrag stellen, schauen und lesen Sie vielleicht erst einmal nach, welche Aussagen bereits ge macht wurden. Belasten Sie das Haus nicht permanent mit Wiederholungen, die Sie möglicherweise benötigen.
Frau Präsidentin! Herr Vizepräsident - um korrekt zu bleiben, Herr Eichelbaum! Ich bitte darum, die Aufnahme dieses Tages ordnungspunktes abzulehnen. Ich denke, dass die richtigen Orte für diese auf der Grundlage einer sachlichen Berichter stattung seitens des zuständigen Gerichts zu führenden Diskus sion das Ministerium und der Rechtsausschuss sind. Dies sollte kein Thema für die populistische Weihnachtsfete der CDU sein. Ich bitte, diesen Antrag abzulehnen.