Wir kommen zu den Abstimmungen. Die CDU-Fraktion bean tragt die Überweisung des Antrags der Fraktionen SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Aktionsplan für Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, für Selbstbestimmung und gegen Homo- und Transphobie in Bran denburg“, Drucksache 6/4295 - Neudruck - an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Wer möchte dem Überweisungsantrag zustimmen? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt.
Ich rufe den genannten Antrag in Drucksache 6/4295 zur Ab stimmung auf. Ich darf Sie fragen: Wer möchte dem Antrag zu stimmen? - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist der Antrag bei zahlreichen Gegenstimmen und eini gen Enthaltungen mehrheitlich angenommen.
Spielräume auf Landesebene für den Schutz von Hin weisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower) nutzen
Die Aussprache wird vom Kollegen Raschke für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eröffnet. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolle ginnen und Kollegen, ich möchte Sie bitten, sich für einen kur zen - vielleicht schönen, vielleicht schmerzhaften - Moment vorzustellen, Sie säßen nicht als Abgeordnete hier im Landtag, sondern wären angestellt oder verbeamtet beim Land Branden burg, bei einer Kommune oder einem öffentlichen Unterneh men. Und da stimmt alles: Sie haben ein schönes Büro mit schönen Grünpflanzen, die Tätigkeit ist anspruchsvoll, ordent lich bezahlt, die Kantine hat gutes Essen und die Kolleginnen und Kollegen sind sehr nett - kurz: Sie gehen jeden Morgen gern zur Arbeit.
Aber eines Tages stellen Sie gewisse Unregelmäßigkeiten fest. Sie können es gar nicht glauben und überprüfen es nochmal und nochmal, aber die Unregelmäßigkeiten bleiben. Zum Bei spiel arbeiten Sie in einer Gemeindeverwaltung und stellen fest: Der Kitaträger erschleicht viel zu hohe Zuschüsse von der Gemeinde - so geschehen in Königs Wusterhausen in Branden burg. Oder Sie arbeiten bei einem landesweiten Klinikkonzern und haben den begründeten Verdacht, dass die alten Menschen dort nicht ordentlich gepflegt werden, aus Profitstreben wird an der Pflege eingespart - so geschehen im Nachbarland Ber lin. Dieser Whistleblower-Fall hat extrem große Wellen ge schlagen und hat es bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geschafft.
Oder - das ist ein fiktiver Fall - Sie arbeiten in der Abfallbehör de und haben den begründeten Verdacht, dass es viel mehr als die 108 - legalen - Mülldeponien in Brandenburg gibt und da auch gar nicht so genau hingeschaut wird. Oder Sie arbeiten im Innenministerium und haben das Gefühl: Irgendetwas mit den Dienstwagen ist doch nicht in Ordnung. Oder - leider ein völlig fiktiver Fall - Sie arbeiten an einem Großflughafen und haben den begründeten Verdacht, dass der vorgeschlagene Eröff nungstermin nicht zu halten ist und das Land sich total blamie ren wird.
Kurzum: Sie sind in einer schwierigen Situation und müssen ei ne sehr schwere Entscheidung fällen. Bringen Sie diesen Miss stand jetzt öffentlich zur Sprache? Sie gehen damit ein großes Risiko ein. Für die Gesellschaft wäre es gut, wenn der Missstand abgestellt würde, aber Sie allein müssen mit den Konsequenzen leben. Schließlich können Sie verklagt werden. Sie haben als normaler Arbeitnehmer eine Treuepflicht gegenüber dem Arbeit geber, Sie müssen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse schüt zen. Als Beamter haben Sie sogar noch eine Verschwiegenheits- und eine Treuepflicht. Wenn Sie solche Missstände öffentlich machen, kann das schnell ein Dienstvergehen sein.
Aber nicht nur rechtliche Konsequenzen drohen, sondern vor allem gesellschaftliche. Viele der Whistleblower, die Dinge an die Öffentlichkeit bringen, verlieren ihren Job, die Karriere ist zu Ende. Wo es um viel Profit geht, wird mit harten Bandagen gekämpft. Dann ist nicht nur die Karriere beendet, sondern man ist oft der Nestbeschmutzer oder die Verräterin. Das müssen Sie also in solcher Situation abwägen und sozusagen Karriere gegen gutes Gewissen stellen.
Angenommen, Sie sind jetzt in dieser Situation und schauen: Was macht die Politik? Können wir uns nicht Hilfe holen? - Sie
werden erstens sehen: Der brandenburgische Justizminister hat zusammen mit der grünen Justizministerin aus Niedersachsen eine gute Initiative auf Bundesebene gestartet, nämlich dass Whistleblower mehr Rechte bekommen sollen. Das ist ein gu tes Signal für einen Justizminister, der im angesprochenen Fall von Königs Wusterhausen involviert ist, nach vorne zu gehen und sich nicht bremsen zu lassen. Es ist auch ein gutes Signal, dass Herr Ludwig sagt: Ich bin Justizminister, ich möchte hier etwas gestalten.
Aber das reicht natürlich nicht. Man muss nicht darauf warten, dass auf Bundesebene etwas geschieht. Wir können hier im Land etwas tun. Was schlagen wir als Grüne Ihnen vor? Wir sagen: Ja, man sollte als Hinweisgeberin oder Hinweisgeber, als Whistleblower das Recht bekommen, Dinge öffentlich an zusprechen. Was müsste man dafür tun? Wir sagen: Sie sollten, wenn Sie in einer solch schweren Entscheidung stecken, in drei Stufen vorgehen. Erstens: Sie reden erst einmal mit Ihrer Ar beitgeberin oder Arbeitgeber, Ihrer oder Ihrem direkten Vorge setzten. Vielleicht ist das Problem dann schon aus der Welt zu schaffen.
Wenn Sie so nicht weiterkommen, wenn - wie zum Beispiel bei dem Fall in Königs Wusterhausen - der Vorgesetzte bremst und Sie nicht gewähren lässt oder es unzumutbar ist, sich damit an den direkten Vorgesetzten zu wenden, weil zum Beispiel akut Leib und Leben von Menschen in Gefahr sind, dann sollten Sie sich an eine außerbetriebliche Stelle wenden - das ist die zwei te Stufe. Gehen Sie zur Polizei oder wenden Sie sich an die Landesdatenschutzbeauftragte.
Wenn auch das nichts bringt - wenn das unzumutbar ist oder Sie nicht weiterbringt -, dann sollen Sie das Recht haben, an die Öffentlichkeit zu gehen, ohne dass Sie hinterher mit den Konsequenzen nicht leben können. Dann sollen Sie das publik machen können, ohne dass es strafrechtlich belangt oder - wenn Sie verbeamtet sind - als Dienstvergehen behandelt wird.
Mit diesem einfachen Vorschlag, liebe Kolleginnen und Kolle gen, machen wir auch einen Vorschlag für gesellschaftliche Spielregeln. Denn damit wollen wir nicht nur die Whistleblower - die Leute, von denen die Hinweise kommen - schüt zen, sondern wir wollen uns allen einen Orientierungsrahmen geben: Ist da jetzt jemand, der ein ernsthaftes Anliegen hat, oder nur jemand, der etwas Ruhm in der „Bild“-Zeitung genie ßen möchte?
Liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir können froh sein, dass es immer wieder sehr couragierte Menschen gibt, die sich trau en, Missstände an die Öffentlichkeit zu bringen. Das ist bisher sehr schwer. Selbst nach Edward Snowden und der WikileaksGeschichte ist es öffentlich sehr hart, wenn man das durchste hen muss. Deswegen lassen Sie uns diese Menschen schützen und unterstützen! Und machen wir das heute und warten nicht darauf, dass diese sehr gute links-grüne Initiative auf Bundes ebene irgendwann Früchte trägt, sondern helfen wir dem neuen Justizminister, jetzt schon zu beweisen, dass wir auch in Bran denburg diese Rechte stärken können. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ja, Hinweisschutz ist richtig und wichtig. Wir reden nicht erst seit Edward Snowden darüber, es gibt auch die kleinen Beispiele, von denen auch Herr Raschke sprach, wo couragierte Mitarbeiter auf Missstände hinweisen - nicht nur in öffentlichen Unternehmen, sondern auch im privaten Bereich. Deswegen ist es wichtig und richtig, einen umfassen den Hinweisgeberschutz zu schaffen.
Deswegen begrüße ich die Initiative unserer Landesregierung, hier auf Bundesebene Druck zu machen. Dieser Druck kam an, eigene Handlung wird dort jetzt vollzogen. Denn es ist eben nicht nur der Bereich, den wir hier regeln können, sondern es bedarf eines umfassenden Schutzes. Dazu gehört das Arbeits recht - Bundesebene, zivilrechtliche Regeln - Bundesebene, Strafrecht - Bundesebene, und wenn wir im öffentlichen Be reich bleiben: Beamtenstatusgesetz - Bundesebene. Wir müs sen hier also dringend tätig werden.
Ziel war aber auch, eine einheitliche Regelung zu finden, Ver lässlichkeit, Rechtssicherheit - und keine Rechtszersplitterung, wenn wir alleine starten. Deswegen unser Petitum: Wir starten im Bund stark durch, regeln das umfassend und machen nicht den zweiten Schritt vor dem ersten, sondern klären das effizient und umfassend. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über ein wichtiges Thema. Den noch möchte ich zur Vorsicht mahnen und davor warnen, die ses Thema zu überhöhen. Es wird in der Öffentlichkeit manch mal der Eindruck erweckt, dass die hier in Rede stehenden Fälle tausendfach vorkommen und dass Beschäftigte und Be amte in Deutschland schutzlos seien. Das ist mitnichten der Fall.
Und wenn davon die Rede ist, den Schutz von Hinweisgebern in Unternehmen zu verbessern, so möchte ich deutlich feststel len, dass 99 % der Unternehmerinnen und Unternehmer geset zestreu sind und jeden Tag einen unverzichtbaren Beitrag für Wachstum, Beschäftigung und Innovation in unserem Land leisten. Auch das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden.
Wir sind der Auffassung, dass die bisherigen Regelungen zum Schutz von Arbeitnehmern und Beschäftigten in den Unterneh men und Verwaltungen ausreichend sind. Ich darf daran erin nern, dass in vielen Verwaltungen in Brandenburg Antikorrup tionsbeauftragte eingesetzt sind, an die sich Arbeitnehmer und Beamte ohne Einhaltung des Dienstwegs in Fällen von rechts widrigem Verhalten wenden können. Diese sind verpflichtet, sensibel und verantwortungsvoll mit den Hinweisen umzuge
hen. Für die Landesverwaltung hat die Landesregierung bereits eine entsprechende Richtlinie erlassen.
Auch in der Wirtschaft haben viele Unternehmen Ethikrichtli nien oder entsprechende Betriebsvereinbarungen mit ihren Be triebsräten geschlossen. Sinn und Zweck ist es, im Einklang mit der Rechtsprechung zunächst einmal zu versuchen, be triebsinterne Fragen intern zu klären, um damit den Betriebs frieden zu sichern. Das ist auch richtig so, denn ungerechtfer tigte Anzeigen haben finanzielle und existenzielle Folgen für den gesamten Betrieb und dessen Arbeitsplätze. Solche be trieblichen Regelungen gibt es beispielsweise bei der Deut schen Bahn, bei Daimler, Rolls-Royce oder Vattenfall. Genau auf diese freiwilligen Selbstverpflichtungen in Unternehmen und Verwaltungen setzen wir und lehnen eine Überregulierung in diesem Bereich ab.
Keine Frage: Ein Mitarbeiter - egal ob in einer Verwaltung oder einem Unternehmen - kann sich nicht damit einverstanden erklären, dass rechtswidrige oder strafbare Handlungen began gen werden. Es braucht - da sind wir uns einig - mutige Mitar beiter zur Aufklärung solcher Fälle. Und diese Hinweisgeber müssen vor Nachteilen geschützt werden.
Diese Mitarbeiter sind durch eine Vielzahl von spezialgesetzli chen Anzeigerechten, zum Beispiel § 17 Abs. 2 Arbeitsschutz gesetz, § 4g Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz oder § 84 Be triebsverfassungsgesetz, ausreichend geschützt. Selbst wenn ein spezielles Schutzgesetz nicht existiert, stellen wir bei sorg fältiger Prüfung und genauer Betrachtung fest, dass die gelten de Rechtslage den Schutz bereits gewährleistet. Dazu gibt es § 612a BGB, das sogenannte Maßregelungsverbot. Danach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, wenn der Arbeitnehmer seine Rechte in zulässiger Weise nutzt.
Darüber hinaus werden die Arbeitsnehmer und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes durch die Rechtsprechung geschützt. Demnach können sich Arbeitnehmer an öffentliche Stellen wenden, wenn sie sich vorher ernsthaft um eine innerbetriebli che Klärung bemüht haben und ihre Anzeigen nicht leichtfertig erfolgen. Bei Straftaten mit schwereren Folgen für die Kolle gen oder die Allgemeinheit kann sogar auf die innerbetriebli che Klärung verzichtet werden.
Die Rechtsprechung berücksichtigt also die Interessen von Ar beitnehmern und Arbeitgebern im öffentlichen Dienst ausge wogen. Sie schützt auf der einen Seite das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und sichert auf der anderen Seite die inner betriebliche vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Auch für Beamte gibt es gesetzliche Schutzregelungen. So wurde beispielsweise im Bundesbeamtengesetz und im Beam tenstatusgesetz die Verschwiegenheitspflicht bei Korruptions straftaten aufgehoben.
Die Bürger haben einen Anspruch auf eine funktionierende, bürgernahe und rechtmäßig handelnde Verwaltung. Die Bürger haben jedoch auch das Recht darauf, dass die Verwaltung mit ihren Daten vertrauensvoll umgeht. Deshalb muss auch der Be amte außerhalb von Korruptionsfällen zunächst innerdienstliche Abhilfemöglichkeiten wie den Dienstweg oder das Re monstrationsrecht ausschöpfen.
Das in Deutschland bestehende Recht geht also insgesamt ei nen gesunden Mittelweg, ohne das Denunziantentum zu för dern. Bedienstete des Verfassungsschutzes können sich übri gens bereits nach geltendem Recht unmittelbar an die Parla mentarische Kontrollkommission wenden; Herr Snowden hätte es also in Deutschland einfacher gehabt.
Auch internationale Vereinbarungen begründen keinen gesetz lichen Handlungsbedarf. Sowohl die Beschlüsse der G20-Staa ten als auch des Europarates beinhalten keine Pflicht, deutsche Gesetze zu verändern oder neue zu erlassen. Dies wurde auch in der öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag am 5. März 2012 bestätigt. Die bisherige Rechtslage gewährleistet den Schutz von Hinweisgebern, so die einhellige Meinung. An dieser Situation hat sich bis heute nichts geändert. Handlungs bedarf besteht also nicht. Ihren Antrag müssen wir deshalb lei der ablehnen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Herr Eichelbaum, wo haben Sie sich beim Verfas sen Ihrer Rede beraten lassen? Sie war so staatstragend und hatte gar nichts mit dem zu tun, was ich sonst von Ihnen ge wohnt bin.
Die Linke fordert für Whistleblower ein Gesetz, das ihnen Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung ebenso ermöglicht wie den medienrechtlichen Schutz. Ich glaube, wir reden hier von unterschiedlichen Dingen. Ich möchte Ihnen sagen, warum wir den Antrag der Grünen ablehnen:
Hierzu erzähle ich Ihnen eine Geschichte, die der eine oder an dere vielleicht kennt. Kommunen übertragen Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung an Dritte, beispielsweise Abfallentsorgung, Rettungsdienst usw.