Protocol of the Session on December 17, 2015

Der Innenausschuss hat sich mit den vom Städte- und Gemein debund vorgetragenen Bedenken auseinandergesetzt, folgt ih nen im Ergebnis jedoch nicht. Ich bitte daher um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, vereinzelt DIE LINKE sowie der Abgeord neten Nonnemacher [B90/GRÜNE])

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht nun der Abgeord nete Petke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lie be Kolleginnen und Kollegen! Jede Altersgrenze ist zu hinter fragen und ist immer auch willkürlich. Dem vorliegenden Ge setzentwurf wird die CDU-Fraktion zustimmen - wir gehen kein Risiko ein, wenn wir die Grenzen wie vorgeschlagen nach oben bzw. nach unten korrigieren.

Aber man kann hinterfragen, warum dieser Gesetzentwurf ge rade jetzt vorgelegt wird. Bei den letzten Wahlen hatten wir re gelmäßig - außer bei der Bundestagswahl - Diskussionen über die Wahlbeteiligung. Ich möchte daran erinnern, dass diese Diskussionen von allen geführt wurden - nicht nur von den Parteien, sondern auch von den Medien und anderen Interes sierten. Damals haben wir gesagt: Jawohl, wir werden vor den nächsten Wahlen darüber beraten, wie wir die Politik so inte ressant machen können, dass mehr Menschen zum Beispiel an einer Kommunalwahl oder Landtagswahl teilnehmen. Ingo Senftleben hat damals für die CDU-Fraktion sehr weitrei chende Vorschläge in die Diskussion eingebracht, die natürlich Pro und Kontra provoziert haben. Allerdings ist diese Diskussi on relativ schnell wieder eingeschlafen.

Ich würde mir wünschen, dass wir nicht nur über Altersgrenzen reden, sondern mit Blick auf die nächsten Kommunal- und Landtagswahlen in Brandenburg in eine Diskussion darüber

eintreten, wie wir möglicherweise die Umstände der Wahl, die gesetzlichen Rahmenbedingungen, so verändern, dass die Wahlbeteiligung steigt, dass die Teilnahme an den Wahlen für Brandenburgerinnen und Brandenburger interessanter wird.

Für diejenigen, die schon länger im Parlament sind, gibt es möglicherweise einen weiteren Grund für diesen Gesetzent wurf. Ich erinnere mich noch an die gemeinsame Zeit mit der SPD und die Vorlage der ersten Kommunalverfassung. Es gab einen sehr erfolgreichen Bürgermeister in Stahnsdorf, Herrn Gerhard Enser. Er hatte die Absicht, erneut für das Amt des Bürgermeisters in Stahnsdorf zu kandidieren. Die damalige Al tersgrenze stand dem entgegen. Der Kollege Ness - ich glaube, in der Funktion des Generalsekretärs der SPD - hat sich damals vehement gegen die von der CDU vorgeschlagene Erhöhung der Altersgrenze ausgesprochen. Er hat immer betont, dass es dabei nicht um Herrn Enser gehe, sondern es allgemeine Grün de dafür gebe usw. Das wurde in Koalitionsausschüssen und an anderen Stellen diskutiert.

Heute, wenige Jahre danach, ist die SPD offensichtlich weiter.

(Zuruf von der Regierungsbank: Älter!)

Man kann darüber spekulieren, ob es dabei um den Oberbür germeister der Landeshauptstadt Potsdam oder um andere geht. Ich will mich an den Spekulationen nicht beteiligen; aber das Offensichtliche ist für jeden, der sich dafür interessiert, sichtbar.

Wie gesagt: Die CDU-Fraktion trägt die Verschiebung der Grenzen nach oben und nach unten mit. Ich stimme dem Kolle gen der SPD ausdrücklich zu: Die Menschen in Brandenburg sollen entscheiden, wer der Stadt oder dem Landkreis vorsteht. Daher kann man diesem Gesetzentwurf guten Gewissens zu stimmen. Wir sollten allerdings versuchen, in Zukunft die Rah menbedingungen so zu verändern, dass Wahlen attraktiver werden.

Ich bitte die Koalition außerdem um eine erneute Diskussion über die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre.

Sie hatten damals hehre Ziele formuliert. Nach den Wahlen, die dann mit dem Wahlalter 16 durchgeführt worden sind, ist das einmal im Bildungsausschuss diskutiert und danach nie mehr aufgerufen worden. Ich denke, es wäre an der Zeit, darüber noch einmal zu diskutieren, zum Beispiel unter dem Gesichts punkt, ob die damaligen Erwartungen, was Wahlbeteiligung, Einbindung junger Menschen im Alter von 16 bis 18 Jahren betrifft, erfüllt worden sind. - Ich danke für Ihre Aufmerksam keit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abge ordnete Dr. Scharfenberg. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Petke vergisst nichts, nur das, was er selbst einmal gesagt hat.

(Beifall der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Ich freue mich, dass es eine große Übereinstimmung zu diesem Thema gibt. Wir reden über etwas, was bundesweit im Trend ist. Selbst auf Bundesebene wird ernsthaft über die Verschie bung oder Aufhebung der Altersgrenzen diskutiert. Wir als Land Brandenburg sind mit dem Wahlalter 16 einen mutigen Schritt gegangen. Ich denke, wir sollten auch weiterhin bei sol chen Entwicklungen nicht die Letzten sein.

Bei den Diskussionen - der Städte- und Gemeindebund ist hier ins Feld geführt worden - hatte man ein bisschen den Eindruck, man müsse die Sorge haben, dass mit diesem Gesetz im Land Brandenburg künftig nur noch 80-Jährige Bürgermeister wer den bzw. 18-Jährige massenhaft die Leitung großer Städte oder vielleicht sogar von Kreisen übernehmen. Es ist wichtig zu sa gen: Wir vergrößern den Spielraum, der an der kommunalen Basis vorhanden ist. Natürlich werden letztlich die Wähle rinnen und Wähler die Entscheidung treffen.

Weil es insbesondere um die Frage ging, ob das Alter so weit gesenkt werden sollte: Natürlich gibt es Beispiele dafür, dass auch 18-Jährige große Verantwortung übernehmen können. Aber es wird nicht massenhaft 18-jährige Bürgermeister geben.

Ich bin gespannt, welche praktischen Wirkungen sich entfalten werden. Das werden wir aber nur sehen, wenn wir dieses Ge setz beschließen. Das sollten wir auch tun. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und der Abgeordneten Kurth und Bischoff [SPD])

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Königer.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Unsere Fraktion lehnt dieses Gesetz ab, insbeson dere die Absenkung der Altersgrenze. Ich werde Ihnen gern be schreiben, warum.

Ich gebe es gerne zu: Ich bin konservativ. Dazu stehe ich. Kon servativ heißt für mich, erst einmal zu bewahren, was sich be währt hat. Genau das sagt die lateinische Wurzel des Begriffes konservativ aus. Conservare heißt bewahren oder erhalten.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

- Kleiner Unterricht für Sie, vielleicht lernen Sie etwas dazu.

Vieles, was wir heute als selbstverständlich in der Politik, in der Demokratie und in der Staatsverwaltung ansehen, geht auf die Römer zurück. Für sie war es offensichtlich, dass jemand nicht schon in jungen Jahren das höchste Staatsamt bekleiden konnte. Er musste den sogenannten Cursus honorum durchlau fen. Man musste sich einfach hochdienen. Nach dem 10-jäh rigen Militärdienst konnte man Quästor werden, dann Ädiles und danach erst Konsul und damit das höchste Staatsamt be kleiden. Somit haben die alten Römer zum einen erreicht, dass kein jungscher Grünschnabel über sie herrscht, und zum ande ren, dass der höchste Mann auch eine gewisse Erfahrung in der Staatsverwaltung hatte.

Ich bin ein Konservativer mit einer liberalen Ader. Ich bin so liberal, dass ich weiß, dass wir heute von keinem Landrat oder

Bürgermeister mehr fordern können, zehn Jahre als Soldat ge dient zu haben. Diesen Zug, der bis vor wenigen Jahrzehnten auch hier in diesem Teil Deutschlands en vogue war, habe ich immer abgelehnt. Aber ich finde, dass wir die Idee des Cursus honorum nicht zu schnell im Orkus der Geschichte verschwin den lassen sollten. Die Idee, dass Frauen und Männer, die ein hohes Amt bekleiden, ein gewisses Alter und eine gewisse Er fahrung haben sollten, halten wir von der AfD für sehr sinnvoll und bewahrenswert.

(Domres [DIE LINKE]: Nachvollziehbar!)

Reminiszenzen der Idee des Cursus honorum der römischen res publica finden wir noch immer überall in unserem politi schen System und in unserer Verwaltung. Ich nenne nur das Mindestalter für das Amt des Bundespräsidenten. Jeder Deut sche, der das vierzigste Lebensjahr vollendet hat, darf Bundes präsident werden - also ich zum Beispiel.

(Beifall AfD - Gelächter bei SPD und DIE LINKE)

Die Väter unseres Grundgesetzes haben sich sicherlich bei der Regel etwas gedacht. Offensichtlich wird für das Amt eine ge wisse Lebenserfahrung und Reife des Kandidaten vorausge setzt.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Jetzt sind Sie wieder raus!)

Die Idee des Cursus honorum finden wir auch noch in den be stehenden Reglungen für das Mindestalter für die Wahl von Landräten und Bürgermeistern in Brandenburg. Diese eta blierte und in unseren Augen äußerst sinnvolle Regelung wol len Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, jetzt kippen?

Ich darf Sie vielleicht kurz daran erinnern, welche zentrale Stellung ein Landrat in Deutschland, insbesondere in der tradi tionellen „Landräterepublik“ Brandenburg hat: Er ist Haupt verwaltungsbeamter und oberster Kommunalbeamter eines Kreises und zugleich der oberste Beamte der untersten staatli chen Verwaltungsbehörde und auch noch der Vertreter des Kreises nach außen. Wollen Sie allen Ernstes einen solchen Posten mit einem 18-jährigen Mann oder einer 18-jährigen Frau besetzen? Wollen Sie wirklich einem blutjungen Men schen, der von seinem Alter her gerade seine Lehre abgeschlos sen oder gerade erst das Abitur gemacht haben kann, eine sol che Aufgabe anvertrauen?

(Zuruf des Abgeordneten Petke [CDU])

Herr Minister Schröter, Sie waren als 40-Jähriger Landrat ge worden. Hätten Sie es sich als 18-Jähriger zugetraut, eine sol che Stellung auszufüllen? - Ich glaube nicht.

(Frau Große [DIE LINKE]: Er war jünger als 40 Jahre!)

Noch einmal zur Verdeutlichung: Die höheren Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst, die der Landrat führen soll, brauchen ein abgeschlossenes Studium, die gehobenen ein Fachhochschulstudium. Für all diese Abschlüsse gibt es Regel studienzeiten, sodass man normalerweise erst im höheren Ju gendalter fertig ist. Der Landrat kann und darf nach Ihren Vor stellungen aber ein 18-Jähriger sein, der gerade allein Auto fahren darf?

Dann haben Sie, liebe Landesregierung, auch noch vor, aus den 14 Landkreisen und vier kreisfreien Städten zehn, acht oder sogar noch weniger Großkreise zu machen. Großkreise, die größer sind als ganz Mallorca, sollen dann von einem 18-jährigen Jüngling oder Fräulein geführt werden. Da kann ich nur in Anlehnung an Asterix und Obelix sagen: Die spin nen, die Roten.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Ab geordnete Nonnemacher. Bitte.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! In meiner Rede zur 1. Lesung des Ge setzentwurfes habe ich schon zum Ausdruck gebracht, dass wir den Wegfall der Altersgrenzen und Altersbeschränkungen im Kommunalwahlgesetz sehr befürworten.

Ich kann dem Kollegen Petke erinnerungsmäßig ein bisschen auf die Sprünge helfen - er hört nicht zu -: Ausgangspunkt dieser Gesetzesänderung waren weniger Bestrebungen, die Wahlbeteiligung in die Höhe zu treiben, obwohl solche Über legungen sicherlich auch sinnvoll sind, sondern die Umset zung einer Maßnahme aus dem Seniorenpolitischen Maßnah menpaket der letzten Wahlperiode, uns ressortübergreifend sämtliche Regelungen auf altersdiskriminierende Vorschrif ten anzusehen. Das war die eigentliche Ausgangslage. In der letzten Wahlperiode haben viele Ausschüsse gute Arbeit ge leistet und alle Dinge überprüft, die geändert werden könnten und sollten.

Die bisherige Regelung, wonach in Brandenburg als kommu nale Wahlbeamtin oder kommunaler Wahlbeamter nur kandi dieren kann, wer das 62. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in der Tat absolut unzeitgemäß, und es ist gut, dass wir diese Einschränkung heute aufheben. Entsprechendes gilt für die Aufhebung des Mindestalters von 25 Jahren für die Wählbar keit zum hauptamtlichen Bürgermeister oder Landrat.

Wir sind der Meinung, dass durch den Wegfall der Altersbe schränkungen die Entscheidungen der Wählerinnen und Wäh ler über die ihrer Meinung nach besten Kandidatinnen und Kandidaten stärker ins Zentrum gerückt werden. Bewerbe rinnen und Bewerber für diese Ämter müssen durch ihre fach liche Eignung, ihre Durchsetzungsfähigkeit und ihre Dialogfä higkeit überzeugen. Das Alter wird weiterhin ein wichtiges Kriterium für Wahlentscheidungen bleiben. Die Wählerinnen und Wähler können aber selbst entscheiden, ob sie einer oder einem 18-Jährigen zutrauen, ein wichtiges Amt auszufüllen, oder ob sie Zweifel an der Leistungsfähigkeit älterer Bewerbe rinnen und Bewerber haben.

Die Unsinnigkeit von Altersgrenzen wird auch dadurch doku mentiert, dass sich Herr Königer für die Aufgabe des Bundes präsidenten für geeignet hält und sich ins Gespräch bringt, al lein, weil er die Altersvoraussetzung erfüllt.

(Heiterkeit und Beifall bei B90/GRÜNE, DIE LINKE und SPD)