Es liegt zunächst die Dringliche Anfrage 66 (Altanschließer) vor. Sie wird vom Abgeordneten Dr. Scharfenberg von der Fraktion DIE LINKE gestellt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat in einer Entscheidung vom 21. September 2012 festgestellt, dass die sogenannten Altanschließer zur Erhebung von Herstellungsbeiträgen herangezogen werden können. Damit bestätigt das Gericht frühere Entscheidungen brandenburgischer Verwaltungsgerichte.
Ich frage die Landesregierung: Welche Schlussfolgerungen zieht sie aus der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts zur Problematik der Altanschließer?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Scharfenberg, es geht bei diesem Urteil im Wesentlichen um vier Punkte, die für uns durchaus von hoher Relevanz sind.
Erstens hat das Gericht festgestellt, dass unsere Landesverfassung keine Differenzierung zwischen Neuanschließern und Altanschließern vorschreibt. Andersherum gesagt: Die gesetzliche Regelung im Kommunalabgabengesetz, die eine Gleichbehandlung von Alt- und Neuanschließern ermöglicht, ist mit der Verfassung vereinbar. Die kommunalen Aufgabenträger sind nicht verpflichtet, eine Privilegierung der Altanschließer vorzunehmen.
Zweitens hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass es nicht um die Wiederbelebung verjährter Ansprüche geht. Die immer wieder vorgetragene Argumentation, die Forderungen gegen Altanschließer seien generell verjährt, ist damit gegenstandslos.
Drittens hat das Gericht festgestellt, dass seit dem 3. Oktober 1990 damit zu rechnen gewesen sei, dass Grundstückseigentümer für künftige Investitionen in Kläranlagen, Leitungsnetze, Pumpwerke, Sammelbecken usw. herangezogen werden können und - ich sage dazu - auch herangezogen werden müssen. Deshalb konnten Grundstückseigentümer kein schutzwürdiges Vertrauen darauf entwickeln, dauerhaft von dieser Abgabenerhebung zur Refinanzierung der Nachwendeinvestitionen verschont zu bleiben. Damit ist abschließend geklärt, dass die Gesetzesänderung vom 1. Februar 2004, wonach die Festsetzungsverjährung erst mit Inkrafttreten einer wirksamen Satzung beginnt, eben keine unzulässige Rückwirkung darstellt. Das Verfassungsgericht hat damit die seit 2001 ergangenen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts bestätigt.
Viertens hat das Verfassungsgericht nochmals betont, dass es sich nur um Investitionen nach dem 3. Oktober 1990 handelt. In der Urteilsbegründung sind die historischen Veränderungen 1990 sehr lesenswert dargestellt. Die damaligen Anlagen zur Abwasserentsorgung und Wasserversorgung standen nicht wie heute im Eigentum der Kommunen, sondern sie standen im Volkseigentum. Es gab nämlich damals diesen Begriff der eigenständigen Kommune nicht. Das Gericht hat daher klargestellt, dass die Zahlung von staatlich festgelegten Entgelten für die Abwasserentsorgung zu DDR-Zeiten nicht zu einer unzulässigen Doppelerhebung führt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass mit dieser Entscheidung die Rechtssicherheit für die kommunalen Aufgabenträger verbessert wird, denn diese haben die schwierige Aufgabe, das Kommunalabgabengesetz anzuwenden, rechtmäßige Satzungen zu erlassen und auch ihre Entscheidungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären. - Danke schön.
Es besteht Fragebedarf beim Fragesteller. Bitte, Herr Abgeordneter Scharfenberg, Sie haben das Wort.
Herr Minister, in Brandenburg ist mit der KAG-Änderung 2009 die Option differenzierter Herstellungsbeiträge in das Gesetz aufgenommen worden. Ergeben sich aus Ihrer Sicht aus der Entscheidung des Verfassungsgerichts Auswirkungen oder Schlussfolgerungen für diese differenzierten Herstellungsbeiträge?
Mit dieser Frage hat sich das Verfassungsgericht nicht befasst, und ich möchte jetzt nicht darüber spekulieren. Ich denke aber, dass auch diese rechtliche Regelung, sollte sie beklagt werden, verfassungsrechtlichen Bestand haben wird.
Vielen Dank, Herr Minister. - Wir setzen die Fragestunde mit der Frage 1075 (Finanzamtskonzept im Bereich Fürstenwalde und Frankfurt [Oder]), gestellt von der Abgeordneten Geywitz, fort.
Der Presse war zu entnehmen, dass es im Finanzamt Frankfurt (Oder) aufgrund eines hohen Krankenstandes immer wieder zu längeren Bearbeitungszeiten gekommen ist - das ist zum Beispiel gerade für Pendler besonders misslich, die dann länger auf ihre Nachzahlung warten müssen.
Ich frage die Landesregierung: Sind strukturelle Änderungen in diesem Bereich geplant, und was wird getan, um die Bearbeitungszeiten zu verkürzen?
Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Geywitz, Ihre Frage umfasst ja mehrere Aspekte. Erstens: Ja, es ist richtig, dass der Krankenstand im Finanzamt Frankfurt (Oder) im Vergleich zu dem anderer Finanzämter signifikant höher ist. Als Reaktion auf diesen hohen Krankenstand wird zurzeit eine Gefährdungsanalyse „psychische Belastung am Arbeitsplatz“ durch den AMD TÜV Berlin durchgeführt. Dazu hat es in der Zwischenzeit - im Juni - zwei Veranstaltungen gegeben, und wir befinden uns gegenwärtig in der Auswertung. Möglicherweise werden sich daraus auch Maßnahmen ergeben, die sich insbesondere mit Folgendem befassen: Verbesserung der Arbeitsplatzausstattung, Verbesserung des Gesundheitsmanagements, arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung etc. pp.
Es ist nicht so, dass dieser Krankenstand primär etwas damit zu tun hätte, dass das Finanzamt Frankfurt (Oder) im Verhältnis zu anderen signifikant stärker unterbesetzt ist. Deswegen haben wir auch diese Untersuchungen veranlasst, um uns über die vielfältigen Ursachen ein besseres Bild machen zu können.
Zweitens laut Projekt „Perspektive Finanzamt 2020“sollen Finanzämter mit etwa 200 bis 280 Personen ausgerüstet sein, damit man flexibel ist und bestimmte Dinge weiter bearbeiten kann, wenn jemand durch Krankheit ausgefallen ist. Das ist in Frankfurt (Oder) von der Anzahl der dort Beschäftigten her nicht so. Natürlich ist die Fallzahlentwicklung das Entscheidende; die können Sie aber immer nur für die Vergangenheit feststellen, für die Zukunft wissen Sie es ja noch nicht - da behilft man sich mit dem Instrumentarium der demografischen Entwicklung. Wenn vorhersehbar ist, dass sich die demografische Entwicklung negativ gestalten wird, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch die Fallzahlen sinken, weil es zwangsläufig weniger Steuerzahler gibt.
Die Landesregierung und in diesem Fall auch das MdF sind im Rahmen des Projekts „Perspektive Finanzamt 2020“ und auch im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung gehalten, permanent zu überprüfen, ob die Einrichtungen über die ausreichende Flexibilität verfügen, ob das Reagieren auf den jeweiligen Arbeitsanfall nach wie vor möglich ist. Das prüfen wir auch gegenwärtig bei verschiedenen Finanzämtern im Land Brandenburg, nämlich bei den Ämtern in Frankfurt (Oder), Fürstenwalde, Angermünde und Eberswalde. Wir führen die Gespräche sowohl mit den Bürgermeistern als auch - wo es sich um keine kreisfreie Stadt handelt - mit den Landräten sowie in den Finanzämtern selbst.
Es gibt - bezogen auf das Finanzamt Frankfurt (Oder) - keinerlei Vorentscheidungen, sondern wir befinden uns im Prozess der Abwägung, der Abfrage der unterschiedlichsten Dinge. Natürlich - das wissen Sie auch aus der Vergangenheit - spielen bei solchen Betrachtungen auch folgende Fragen eine Rolle: Sind Landesliegenschaften vorhanden, sind sie ausreichend vorhanden? Wie verhält sich die dann notwendige Transferierung? Können wir zusätzliche Servicepunkte in den anderen Gegenden belassen? Es gibt gegenwärtig keinerlei Vorentscheidungen, aber der Prozess der Abstimmung läuft.
Danke, Herr Minister, für die Antwort. Dass die Gespräche geführt werden, kann ich im Zusammenhang mit Herrn Bürgermeister Hengst in Fürstenwalde bestätigen. Meine Frage ist: Können Sie etwas über den Zeithorizont dieser Gespräche, dieses Abwägungsprozesses sagen, den Sie gerade beschrieben haben?
Das ist ja immer das Problem: Es besteht nicht sofort die Notwendigkeit - Sie fragen ja wahrscheinlich wegen Fürstenwalde -, Fürstenwalde und Frankfurt (Oder) zu fusionieren. Aber wenn man sich die Fallzahlen anschaut, wenn man sich die demografische Entwicklung anschaut, stellt man eine Abnahme fest. Das Projekt heißt „Perspektive Finanzamt 2020“ - deswegen sollte man sehr wohl langfristig nachschauen und auf eine Lösung hinarbeiten. Man muss auch mit den Kollegen reden, man muss möglicherweise gewisse Strukturen verändern - deswegen befassen wir uns jetzt schon damit. Ich kann Ihnen nicht sagen,
dass in fünf Monaten oder in einem Jahr eine Entscheidung fällt, nein. Aber wir machen uns jetzt auf den Weg der Betrachtung.
Vielen Dank, Herr Minister. - Wir setzen mit der Frage 1076 (Statistische Erhebungen bei Gartenbaubetrieben) , gestellt vom Abgeordneten Dr. Luthardt, fort.
Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg fordert jährlich von Landwirtschaftsbetrieben Daten beispielsweise zum Anbau verschiedener Kulturen ein. Von Gartenbaubetrieben wird problematisiert, dass diese recht aufwendige Datenlieferung ausgerechnet während der Hauptarbeitsspitzen im Gartenbau - im April - anfällt. Das gilt übrigens auch für alle anderen landwirtschaftlichen Betriebe.
Ich frage die Landesregierung: Sieht sie Möglichkeiten, die Betriebe durch eine andere zeitliche Gestaltung zu entlasten?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Luthardt, ich möchte zunächst eine gewisse Solidarität mit Ihnen und den Fragestellern in Bezug auf die zugrunde liegende Problematik zum Ausdruck bringen. Es ist in der Tat so, dass Statistiken auf der einen Seite von der Wirtschaft und vom Berufsstand, aber auch von der Politik und der Verwaltung dringend gebraucht werden. Auf der anderen Seite sind sie mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden.
Hier geht es um das Bundesgesetz über die Agrarstatistiken vom 15. März 1989. Da wird in der Tat eine Fülle von Daten erhoben: über Strukturen landwirtschaftlicher Betriebe, Bodennutzung, Ernte, genutzte Flächen, Ackerland nach Hauptpfluggruppen, Fruchtarten, Gemüsebauerhebung, Baumobsterhebung, Baumschulbetriebe, Baumschulflächen, Zierpflanzen, Viehbestand usw. usf.
Es geht jetzt darum, dieses System, das in ein bundesweit gleiches Zeitszenario eingetaktet ist, so hinzubekommen, dass dem Berufsstand und der Wirtschaft die geringsten Aufwendungen entstehen. Es ist im Moment offensichtlich so, dass gerade die Gartenbaubetriebe hier ihre Schwierigkeiten haben. Wir sind dabei, herauszubekommen, ob man mit diesem abgestimmten Zeitszenario etwas machen kann, aber ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Vor dem Hintergrund, dass alle statistischen Erhebungen in einem bundesweit abgestimmten Zeitrahmen erfolgen, bin ich relativ skeptisch. Gleichwohl werden wir Ihre Anregungen aufgreifen und noch einmal detailliert nachfragen.
Bevor wir zur nächsten Frage kommen, begrüße ich ganz herzlich die durch Stau verspäteten Schülerinnen und Schüler vom Friedrich-Engels-Gymnasium in Senftenberg. Seien Sie herzlich willkommen!
Wir kommen zur Frage 1077 (WIN-Teilprojekt Ruppiner Ge- wässer), gestellt vom Abgeordneten Bommert von der CDUFraktion. Herr Bommert, bitte.
Das Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz hat in einem Schreiben an den Wasser- und Bodenverband „Rhin/Havelluch“ eine Streichung der Wasserbaumaßnahmen in den Ruppiner Gewässern angeordnet. Die Maßnahmenstreichung betrifft auch das Teilprojekt 3 der Wassertourismus Initiative Nordbrandenburg. Auf den Ruppiner Gewässern ist eine Befahrbarkeit ohne diese Baumaßnahmen nicht mehr gesichert.
Ich frage deshalb die Landesregierung: Wie bewertet sie die Streichung der Baumaßnahmen im Hinblick auf deren Bedeutung für das WIN-Projekt in Nordbrandenburg?
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bommert. - Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Tack für das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz zu uns.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bommert, zwei Dinge müssen wir auseinanderhalten: Das Teilprojekt 3 der Wassertourismus Initiative Nordbrandenburg sieht die Schaffung einer Bootspassage in den Oranienburger Gewässern an der ehemaligen Schleuse Friedrichsthal vor. Damit soll unter anderem die wassertouristische Erschließung der Ruppiner Gewässer von Oranienburg aus verbessert werden. Die Instandsetzungsmaßnahmen an den Ruppiner und Fehrbelliner Gewässern, die Sie angesprochen haben, sind dagegen nicht Bestandteil, also nicht Inhalt der Wassertourismus Initiative Nordbrandenburg.
Der Ruppiner Kanal, die Ruppiner sowie die Fehrbelliner Wasserstraße und der Amtmannkanal sind gemäß Landesschifffahrtsverordnung als schiffbare Landesgewässer gewidmet. Es handelt sich also um Landesgewässer I. Ordnung, und dass die Unterhaltung dieser Gewässer Landesaufgabe ist, ist bekannt.
Für Ausbaumaßnahmen an den Gewässern sowie für Maßnahmen an den wasserwirtschaftlichen Anlagen - soweit sie dem Land unterstehen - ist das Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz zuständig. Dem Landesamt obliegt die landesweite Investitionsplanung der wasserwirtschaftlichen Maßnahmen an den Gewässern und Anlagen des Landes und die damit verbundene Prioritätensetzung beim Einsatz verfügbarer Haushaltsmittel.
Die Notwendigkeit weiterer Baumaßnahmen zur Sanierung des Gewässerbetts und der wasserwirtschaftlichen Anlagen an der Fehrbelliner-Ruppiner Wasserstraße steht außer Frage - da sind
Allerdings müssen bei der Planung und Durchführung selbstverständlich neue Erkenntnisse, die sich im Umsetzungsprozess der EG-Wasserrahmenrichtlinie WRRL ergeben - und die haben sich eingestellt -, beachtet werden.
Der notwendigen Neubewertung ist ein Prüf- und Abwägungsprozess vorangestellt; die Alternativvarianten hierzu werden auch einbezogen. Unter vorgegebenen Rahmenbedingungen müssen die Auswirkungen verschiedener Szenarien auf die komplexen wasserwirtschaftlichen Verhältnisse im Oberen Rhinluch sowie auf Nutzungsansprüche und Zielstellungen sowohl des Naturschutzes wie auch des Tourismus, der Landwirtschaft und der Fischerei bewertet werden - das ist die derzeitige Aufgabenstellung.
Das LUGV wird bis zur Entscheidung über den weiteren Ausbau der Gewässer und die Umsetzung der daraus resultierenden Maßnahmen die notwendigen Unterhaltungsmaßnahmen an der Wasserstraße - das ist hier zugesichert - festlegen und durchführen lassen, sodass die Befahrbarkeit der Wasserstraße weiterhin gewährleistet ist.