Protocol of the Session on November 9, 2011

Darauf möchte ich deutlich hingewiesen haben.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Senftleben. Das war nicht wirklich ein Antrag zur Geschäftsordnung, es war ein berechtigter Hinweis. Dieser bezieht sich allerdings auf alle Fraktionen. Es sind auch von Ihrer Fraktion noch Abgeordnete dazugekommen. Es war kein eindeutiges Ergebnis auszumachen. Deswegen haben wir ausgezählt. Im Laufe dieser Auszählung, die wirklich etwas unübersichtlich war, sind dann Abgeordnete dazugekommen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an die Disziplin in Bezug auf die Anwesenheit hier in diesem Raum appellieren. Es ist der Tagesordnung zu entnehmen, wann Abstimmungen zu einem Tagesordnungspunkt stattfinden. Ich verweise darauf, dass es Ihre Pflicht ist, an diesen Abstimmungen teilzunehmen.

(Bischoff [SPD]: Bitte vorher klingeln! Das wäre schön!)

- Das wäre die Kür, dass wir klingeln, wir müssen es nicht. Aber wir werden es tun.

(Bischoff [SPD]: Wir bitten darum!)

Jetzt sind wir in der Situation, dass diesem Überweisungsantrag nicht Folge geleistet wurde. Insofern kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf, Drucksache 5/4166, eingebracht durch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, „Erstes Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg - Beteiligung von Kindern und Jugendlichen“. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Bei einigen Enthaltungen haben wir eine Mehrheit derer, die das Gesetz abgelehnt haben.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Hochschulgesetz - BbgHG)

Gesetzentwurf der Fraktion der FDP

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einbringenden Fraktion, der FDP. Herr Abgeordneter Lipsdorf hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum 9. November also noch einmal ein Antrag, der die Freiheit des Einzelnen behandelt, in dem Fall die Freiheit der Studierenden.

Jeder Studierende an einer Hochschule in Brandenburg ist ab seiner Immatrikulation automatisch Mitglied in der Studierendenschaft. Alle Studierenden sind demnach Zwangsmitglieder. Diese Mitgliedschaft in der verfassten Studierendenschaft hat zur Folge, dass jeder Student pro Semester einen Beitrag in Höhe von 10 Euro an seinen Allgemeinen Studienausschuss zahlen muss. Diese Beiträge, die von gewählten Vertretern der Studierenden bewirtschaftet werden, sind in Brandenburg bis zu 800 000 Euro hoch. Es ist also eine große Verantwortung, die die gewählten Vertreter hier übernehmen.

Schaut man sich aber einmal die Wahlbeteiligung zu den letzten Studierendenschaften an, könnten Zweifel daran aufkommen, dass sich wirklich alle Studierenden vom Studierendenparlament vertreten fühlen. An der Universität Potsdam lag zwischen 2009 und 2011 die Wahlbeteiligung bei gut 11 %, in Eberswalde immerhin bei rund 20 %, an der Hochschule Wildau gerade einmal bei 6,2 %. Das heißt, alle Studierenden müssen vom ersten Semester an einen Beitrag zahlen, obwohl im Schnitt nur 10 % dieser Studenten zur Wahl gehen und sich offensichtlich auch vertreten fühlen.

Studentische Mitbestimmung ist uns Liberalen sehr wichtig. Daher befürworten wir auch die verfassten Studierendenschaften. Dennoch sind wir der Meinung, dass eine Zwangsmitgliedschaft aller Studierenden nicht der richtige Weg ist. Hier stimmen uns übrigens auch Landeshochschulgruppen zu. Aus diesem Grund haben wir Liberalen den Gesetzentwurf eingebracht und bitten um Änderung in § 15 Abs. 1. Wir möchten,

dass Studierende nach einem Semester die Möglichkeit bekommen, selbst darüber zu entscheiden, ob sie künftig mit einem Beitrag die Interessen der Studierendenschaft unterstützen oder ihre Mitgliedschaft und somit auch die finanzielle Unterstützung beenden und sich vielleicht anderweitig, in einem anderen Rahmen an der Universität engagieren. Das setzt jedoch voraus, dass sie sich mit der Frage der Mitgliedschaft und der Tätigkeit der Studierendenschaften beschäftigen müssen. Jeder Einzelne muss sich also damit beschäftigen, bevor er überhaupt darüber urteilen kann, ob er austritt oder dabei bleibt und sich dann eventuell aktiv beteiligt. Denn darum geht es: um eine aktive Beteiligung der Studierenden. Wer von diesem Austrittsrecht Gebrauch macht, weil es eben sein Recht ist, austreten zu dürfen, kann es - wie gesagt - entsprechend der jeweiligen Satzung der Studierendenschaft, die sich dann aus der Mitgliedschaft selbst durch zum Beispiel aktives oder passives Wahlrecht ergibt, dann auch wahrnehmen - oder eben nicht wahrnehmen.

Mit Blick auf die andere Seite sind die Studierendenschaften und ASten dazu angehalten, ihre Interessenpolitik genau auf die Studierenden auszurichten. Dadurch ist es möglich, die Wahlbeteiligung zum Studierendenparlament zu erhöhen; denn sie ist ein Indikator für die Zufriedenheit der Studenten mit ihren Studierendenschaften und auch mit den Studierendenschaften an der Universität; sie unterstützt also die Studierendenschaften und überhaupt die Universität im Handeln.

Letztendlich wird die studentische Selbstverwaltung und Mitbestimmung durch dieses Wahlrecht gestärkt. Bereits jetzt gibt es allerlei positive Beispiele für Studierendenschaften und für die Aktivität. Beispiele dafür, dass das auch funktioniert: An der Fachhochschule Brandenburg an der Havel oder der Europa-Universität Frankfurt (Oder) hat der AStA ein Semesterticket verhandelt, das eine hervorragende Preis-Leistungs-Qualität beinhaltet. An der Viadrina gibt es zahlreiche Serviceangebote des AStA für Studierende. Genau diese Erfolge müssen ausgebaut werden. Dafür bedarf es aber einer handelnden Studierendenschaft.

Das aktive und passive Wahlrecht für akademische Gremien der jeweiligen Hochschulen bleibt von der Mitgliedschaft in Studierendenschaften jedoch völlig unberührt. Das heißt, jeder immatrikulierte Studierende hat die Möglichkeit, unabhängig von der Mitgliedschaft in der Studierendenschaft von seinem Wahlrecht zu den akademischen Gremien, zum Beispiel zum Fakultätsrat etc., Gebrauch zu machen.

Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Lösung wird bereits in Sachsen-Anhalt praktiziert und zeigt, das die studentische Mitbestimmung auch ohne automatische Mitgliedschaft erfolgreich ist. Gleichzeitig wird die verfasste Studierendenschaft aufrechterhalten. Der Unterschied ist nur, dass den Studierenden die Entscheidungsfreiheit gegeben wird. Ich glaube, das ist auch das, was wir unseren jungen Mitbürgern mit auf den Weg geben müssen: dass sie die Freiheit zur Entscheidung und zur Mitbestimmung haben. Das wird eben nicht gemacht.

Meine Damen und Herren, gerade weil wir Liberale die studentische Selbstverwaltung als ein so wichtiges Element ansehen und schließlich auch mit eingeführt haben, ist es unsere Pflicht, deren Probleme anzusprechen. Mit diesem Gesetzentwurf bringen wir die ASten wieder näher an die Studierenden, indem sie transparent aufzeigen müssen, warum diese studenti

sche Selbstverwaltung gute Arbeit leistet und wie sie diese leistet. Wir wollen, dass sich nicht nur einige wenige Studierende engagieren, sondern eine moderne Hochschule soll von Lehrenden und Lernenden gemeinsam gestaltet werden.

Wir können also im Ausschuss - deshalb bitten wir um Überweisung - darüber gerne debattieren, und zwar auch mit Studenten, Studentenschaften, liberalen Hochschulgruppen sowie anderen Hochschulgruppen, die dort entsprechende Argumente vorbringen. Dann können wir vielleicht zu einem gemeinsamen Entschluss oder Beschluss kommen.

(Beifall FDP)

Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Melior hat das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen! Wir können natürlich alles Mögliche machen, Herr Lipsdorf. Wir reden aber im Übrigen mit unseren Besucher-, Schul- und Hochschulgruppen auch außerhalb von öffentlichen oder nicht öffentlichen Sitzungen. Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf die Zwangsmitgliedschaft für Studierende in Brandenburg beenden. Ich finde, das ist falsch verstandene Liberalität. Darauf komme ich noch zurück.

Ende 2009 - es ist noch gar nicht so lange her - haben deutschlandweit und auch hier in Brandenburg die Studierenden zu Tausenden protestiert. Sie haben ihre ureigensten Interessen vertreten und ihre Forderungen für die Fortführung des Bologna-Prozesses formuliert. Sie wollten, dass diejenigen, die es betrifft, ebenfalls beteiligt werden. Sie waren sich dabei ihrer Stärke und Geschlossenheit bewusst.

Sie wurden gehört. Sie wollten mehr Demokratie an den Hochschulen und keine Abschaffung von Stupas und ASten. Demzufolge können wir feststellen, dass Studierende gemeinsame Interessen haben und dass Studierende wissen, dass sich diese Interessen am Besten auch gemeinsam durchsetzen lassen.

Wir Sozialdemokraten wollen mehr Demokratie an den Hochschulen. Wir wollen eine breite Beteiligung von Studierenden. Das Hochschulrahmengesetz des Bundes gestattet dem Landesrecht ausdrücklich die Beteiligung und die Bildung von Studentenschaften, um so als rechtsfähige Teile der Hochschulen agieren zu können.

Bayern und Baden-Württemberg haben hier einen anderen Weg beschritten und sich dagegen entschieden. Dort gibt es die sogenannten „UASten“, die unabhängigen ASten, denn freiwillige Zusammenschlüsse können auch dort nicht verhindert werden. Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg beabsichtigt im Übrigen, gemeinsam mit der SPD die verfassten Studierendenschaften wieder einzuführen. Ich finde, das macht er richtig.

(Beifall SPD und GRÜNE/B90)

Sachsen-Anhalt hat die Regelung, dass Studierende zu Beginn des Studiums Mitglied der Studierendenschaft sind, sich aber

nach einem Semester abmelden können. So ähnlich ist auch der vorliegende Gesetzentwurf konzipiert. Ich fürchte, dass auch hier der falsch verstandene Freiheitsbegriff der FDP Pate gestanden hat.

Nach einer Aussage der Berliner FDP haben davon übrigens geschätzte 10 % Gebrauch gemacht. Also: Was soll diese Phantomdiskussion? - Ich habe mich sehr bemüht, bin aber aus Ihrer Begründung nicht schlauer geworden. Sie führen darin nämlich aus, dass ein Grund für die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft die geringe Wahlbeteiligung sei; das haben Sie soeben auch hier vertreten. Folgerichtig müssten dann aber auch das Europaparlament und die Bürgermeister abgeschafft werden, denn in Bezug auf die Europa- und die Kommunalwahlen haben wir eine ebenfalls eher geringe Wahlbeteiligung.

Ich will Ihnen als Beispiel zudem Folgendes entgegenhalten: Wenn Studierende über ihre eigenen Interessen abstimmen, dann ist das gut. An der Humboldt-Universität haben die Studierenden zum Beispiel über das Semesterticket abgestimmt. Da lag die Wahlbeteiligung durchaus höher; 30 % waren es. Dieses Semesterticket ist ein gutes Beispiel für Errungenschaften der verfassten Studierendenschaften; denn es waren Studierende, die aus ökologischen Gründen den ÖPNV attraktiver gestalten wollten, und zwar im Verhältnis zur individuellen Autofahrt. Das haben sie gut verhandelt. Kein Student möchte das Semesterticket mehr missen.

Die Zahlungen können auch nicht der Grund sein. An der Universität Potsdam zahlen Studierende pro Semester 10 Euro. Das ist eher ein geringer Betrag. Sollen die jungen Leute tatsächlich wegen 10 Euro auf ihre demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten verzichten? - Ich denke, eher nicht. Im Übrigen werden die eingenommenen Gelder durch die Landesrechnungshöfe kontrolliert und sind mitnichten politische Spielmasse.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP, da ist doch die Freiheit einmal mehr mit Ihnen durchgegangen. Ihre Freiheit ist vor allem die Freiheit zur Entsolidarisierung. Das werden wir bestimmt nicht mittragen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Sie wollen Ihre Sicht von Freiheit jetzt unbedingt als große Tat für die Hochschulen verkaufen, und zwar als Freiheit für die Studenten. Es gibt aber Bereiche, die Ihnen vertrauter sind und näher stehen. Wie wäre es, wenn Sie dort beginnen und Pflichtmitgliedschaften für Gewerbetreibende in Industrie- und Handelskammern sowie für Handwerksbetriebe in Handwerkskammern und Zwangsmitgliedschaften in Apothekerkammern, Architektenkammern, Ärztekammern, Notarkammern, Rechtsanwaltskammern, Steuerberater- und Landwirtschaftskammern sowie für Wirtschaftsprüfer usw. beendeten? Die Liste ist sehr lang. Das sind alles Zwangsmitgliedschaften. Das ist zum großen Teil Klientel - falls es die noch gibt - der FDP.

(Frau Stark [SPD]: So viel haben die doch gar nicht mehr!)

Es gibt gute Gründe dafür, werden Sie hoffentlich sagen. Ja, die gibt es: Es geht nämlich um die gemeinsame Interessenvertretung. Genau die sollen auch die Studierenden in Brandenburg wahrnehmen können, und zwar uneingeschränkt und ohne

Abmelderecht. Eine Entsolidarisierung der Studierenden werden wir nicht mitmachen. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Frau Abgeordnete Melior, ich muss mich entschuldigen. Noch gerade zur richtigen Zeit hatte Herr Abgeordneter Goetz den Wunsch nach einer Zwischenfrage signalisiert. Möchten Sie diese beantworten?

Sehr gerne.

Bitte, Herr Abgeordneter Goetz.

Frau Kollegin Melior, ist Ihnen bekannt, dass zum Beispiel die Rechtsanwaltskammer gerade keine Interessenvertretung ist, sondern eine berufsständische Organisation? - Die Interessenvertretung der Anwälte erfolgt durch Anwaltsvereine, in denen man freiwillig Mitglied ist. Ist Ihnen das bekannt?

Ich habe das soeben als Beispiel für Mitgliedschaften aufgezählt, die das unterstützen. Sie werden aber sicherlich nicht abstreiten, dass auch Rechtsanwälte Interessen haben, die sie dort gemeinsam besprechen und formulieren.

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Melior. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Prof. Dr. Schierack hat das Wort.