Fragt man einen Bürgermeister, ob er die Kinder und Jugendlichen seiner Gemeinde angemessen beteilige, so wird er im Zweifel doch nie antworten: Ich mache das nicht. Ich will das nicht. - Er wird in aller Regel sagen: Ich versuche alles, was möglich ist. Ich möchte sie beteiligen. Ich - als Schulträger möchte die Schulsprecher ins Rathaus holen, damit sie ihre Probleme anbringen können. Ich möchte zum Beispiel über Spielplätze, über öffentlichen Personennahverkehr, der Kinder und Jugendliche betrifft, oder über die Errichtung einer Halfpipe mit ihnen sprechen. - Gerade Letzteres darf natürlich nicht Jahre dauern, denn dann sind diejenigen, die die Halfpipe nutzen wollten, aus dem Alter herausgewachsen und frustriert. An
solchen Beispielen zeigen sich Probleme bei der Umsetzung dessen, was gegenwärtig eigentlich schon möglich ist.
Frau von Halem, Sie haben gesagt, Kommunen sollten die Freiheit haben, den für sie richtigen Weg zu finden. Sie haben völlig Recht. Das Problem ist nur: Die Freiheit haben die Kommunen eigentlich jetzt schon. Insofern kann ich den Kollegen Richter, der sagt, er sei skeptisch, dass der Antrag wirklich die Lösung und den großen Wurf bringe, ein wenig verstehen.
Ich nehme die Kritik an meinen Ausführungen zur Kenntnis. Sie können ihnen nicht folgen; das ist eben so.
Ich frage Sie, ob es für Sie im thematischen Zusammenhang nachvollziehbar ist, dass wir einen Diskussionsprozess mit den Kindern und Jugendlichen haben möchten, um zu erfahren, welche Lösungen sie sich vorstellen können, anstatt ihnen eine Lösung vorzulegen und zu sagen: Jetzt könnt ihr euch dazu äußern. - Können Sie nachvollziehen, dass wir diesen Beteiligungsprozess erst brauchen?
Vielen Dank, Herr Krause, für die Frage. Meine Erfahrung ist, dass es sinnvoll ist, eine Vorlage auf dem Tisch zu haben. Schöner ist es, wenn sie von den Kindern und Jugendlichen kommt. Dann hat man ein Papier, mit dem man arbeiten kann. Am sinnvollsten wäre es gewesen, den Antrag an den zuständigen Ausschuss zu verweisen und eine Anhörung mit Kindern und Jugendlichen sowie deren Vertretern durchzuführen. Diese Anhörung verhindern Sie, wenn Sie die Überweisung blockieren. Das wäre eine Möglichkeit der Beteiligung und eine gute Variante. Die schönste Variante wäre, die Kinder und Jugendlichen legten einen Vorschlag auf den Tisch und wir setzten ihn um. Das ist jedoch sehr schwierig. Meine Erfahrung ist: Für eine konkrete Ansprache braucht man erst einmal etwas in der Hand; dann kommt man weiter. Mit der angekündigten Ablehnung des Überweisungsantrags wird eine Möglichkeit der Beteiligung vertan.
Zurück zum Thema. Über ein Problem sind wir uns alle im Klaren. Wir wissen, dass Generationen nachwachsen, wir wissen, wie hoch die Wahlbeteiligung ist, wir wissen, dass die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre nicht zu einer höheren Wahlbeteiligung führen wird, sondern nur zu einer höheren absoluten Zahl, weil einige derjenigen, die dann die Möglichkeit haben, sich an Wahlen zu beteiligen, das tun werden; viele werden es nicht tun. Ein 16- oder 17-Jähriger ist nicht potenziell wahlbereiter oder diskussionsfreudiger als ein 25-Jähriger, 50
Jähriger oder 70-Jähriger. Nur die Heranführung an dieses Thema, die Verdeutlichung der eigenen Möglichkeiten, die jeder hat, ist schon ganz maßgeblich, um auch den 16-Jährigen, selbst wenn er später 60 ist, bei der Demokratie zu halten und ihm zu zeigen, dass die gegenwärtige Staatsform vielleicht zwar nicht perfekt, aber eben doch die beste ist, die bisher jemandem eingefallen ist.
Insofern bin ich nicht wirklich überzeugt, dass wir damit den Stein der Weisen gefunden haben; das haben wir tatsächlich nicht. Ich freue mich aber darauf, wenn die Grünen in den Ausschüssen die Möglichkeit haben werden, weitere Überzeugungsarbeit zu leisten und dann möglicherweise auch noch den einen oder anderen Nachsatz zu bringen, wie man dies praktisch umsetzen will. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Dr. Woidke ergreift das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihr Anliegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, kann ich durchaus nachvollziehen. So sollen nach Ihrem Antrag unsere Kommunen in wichtigen Gemeindeangelegenheiten Kinder und Jugendliche, gerade wenn es um sie geht, beteiligen müssen. Eine Gesetzesänderung ist hierfür jedoch nicht erforderlich.
Bereits jetzt gibt es in der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg für alle Kommunen die Möglichkeit, Beteiligungsformen für Kinder und Jugendliche vorzusehen. Das war auch der Wille des Gesetzgebers bei der Novellierung zur neuen Brandenburger Kommunalverfassung. So ist eine Beschränkung der Beteiligung auf Teile der Einwohnerschaft ausdrücklich zulässig.
Mit der Formulierung „betroffene Einwohner“ in § 13 der Kommunalverfassung wollte der Gesetzgeber eben auch die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, zum Beispiel in Form von Kinder- und Jugendparlamenten, ermöglichen. Zum Vergleich: Im alten Gemeinderecht war das noch unklar. Dort gab es zwar die Möglichkeit, Kindern und Jugendlichen das Rederecht im Rahmen einer Einwohnerfragestunde einzuräumen, aber weitergehende Möglichkeiten fehlten damals. Daraus ließ sich folgern, dass sie von sonstigen Formen der Einwohnerbeteiligung ausgeschlossen waren. Der jetzt geltende § 13 trägt dem Bedürfnis der Kommunen Rechnung, etwa durch die Einrichtung der von Herrn Wichmann genannten Kinder- und Jugendparlamente die jüngsten Einwohner in die gemeindliche Entscheidungsfindung einzubeziehen.
Der jeweiligen Vertretungskörperschaft ist es - Stichwort kommunale Selbstverwaltung - selbst überlassen zu entscheiden, welche Beteiligungsform für welche Einwohnergruppen sie zulässt. Die vorhandenen gesetzlichen Regelungen reichen für eine Einwohnerbeteiligung von Kindern und Jugendlichen aus. Das zeigt auch die Beantwortung der Großen Anfrage zur Kinder- und Jugendbeteiligung als aktiver Beitrag zur Gestaltung
des Landes Brandenburg, die die vielfältigen Beteiligungsformen für Kinder und Jugendliche in den Brandenburger Kommunen dokumentiert hat. Angeführt sind dort eben nicht nur Kinder- und Jugendparlamente, sondern auch Kinder- und Jugendbeauftragte, Kinder- und Jugendbeiräte, Kinder- und Jugendbüros, Kinderkoordinatoren sowie Ansprechpartner für die Belange der Kinder und Jugendlichen.
Das zeigt: Es gibt in den brandenburgischen Kommunen bereits heute eine breite Palette an gewachsenen und gelebten Formen der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Wichtigste dabei ist nicht die rechtliche Regelung. Das Wichtigste ist die Bereitschaft der kommunalen Vertreter in den kommunalen Körperschaften, sich dieser Interessen anzunehmen. Es geht hier um die Gemeindevertreter, es geht um die Stadtverordneten, es geht um die Kreistagsabgeordneten. Sie müssen bereit sein, diese Belange aufzunehmen. Da nutzt die beste rechtliche Regelung nichts. Man kann es formal abhandeln, aber der Formalismus hilft uns nicht weiter. Ich habe großes Vertrauen in die gewählten Körperschaften.
(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE - Frau Alter [SPD]: Dann haben auch die Kinder und Jugendlichen et- was davon!)
Deshalb sollte es aus meiner Sicht auch weiterhin den Kommunen überlassen bleiben, die Formen der Einwohnerbeteiligung nach der Kommunalverfassung gleichermaßen allen Interessengruppen entsprechend den gemeindlichen Gegebenheiten anzubieten. Ich sehe - das können Sie daraus ablesen - keine Notwendigkeit, die Kommunalverfassung in diesem Punkt zu ändern. - Danke.
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Woidke. - Wir kommen noch einmal zum Beitrag der einbringenden Fraktion. Frau Abgeordnete von Halem hat das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde das eine sehr interessante Debatte zum Thema „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“. Ich bin etwas erschüttert darüber, von der SPD in Redebeiträgen zu hören, es gebe Defizite in der kommunalen Beteiligung, aber die rechtlichen Regelungen seien schon ausreichend. Denn wir wissen alle: Wenn das Gesetz tatsächlich so geändert würde, wie wir das beantragen, hätten die Kommunen nicht mehr nur die Freiheit, Kinder und Jugendliche einzubeziehen, sondern sie müssten es tun. Wie sie es tun, bliebe ihnen überlassen. Aber sie müssten darüber nachdenken.
Das heißt, es gäbe einen Anstoß und eine gesetzliche Änderung, die natürlich in der Folge auch das Bewusstsein beeinflussen würde. Machen wir uns doch nichts vor: Selbst wenn Sie sagen, es gebe hier und da schon diverse Regelungen, die das vorsehen - dass das noch nicht ausreicht und dass wir Kinder und Jugendliche besser an unser demokratisches System heranführen wollen, ist uns doch eigentlich klar.
Ich habe auch vonseiten der SPD kein Argument gehört, das wirklich gegen diese Gesetzesänderung spräche. Ich habe nur gehört, es gebe schon ausreichende Regelungen.
- Ja, Aktionismus, der aber in der Folge bewusstseinsbestimmend sein wird, weil er letztendlich dazu führen wird, dass auf verschiedenen Ebenen Dinge diskutiert werden, die jetzt nicht diskutiert werden müssen.
Was die Diskussion hier im Landtag angeht: Wir haben ja im Nachgang der Großen Anfrage tatsächlich diese Diskussion geführt. Wir hatten auch eine kleine Anhörung im Bildungsausschuss. Diejenigen, die daran beteiligt waren, wissen es genau die anderen können es sich von den Bildungsausschussmitgliedern erzählen lassen -: Die Vertreter der Kinder- und Jugendverbände, die dort anwesend waren, haben einhellig genau diese Änderung der Kommunalverfassung gewollt. Das ist das Ergebnis dieser Diskussion gewesen.
Ich hätte es ausgesprochen begrüßt, wenn wir die Möglichkeit hätten, diese Diskussion im Rahmen einer größeren Anhörung gerne auch mit dem Innenausschuss - noch einmal gemeinsam zu führen. Das ist das, was wir wollen. Ich sehe es ähnlich wie der Kollege von der CDU: Warum man ein Wahlalter von 16 befürwortet, aber nicht die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in sie betreffende Themen, erschließt sich mir auch nicht. Auch über die Frage, was denn die Themen sind, die Kinder und Jugendliche betreffen, hätte ich gerne genauer diskutiert.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Wir sind damit am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung.
Es geht zunächst um den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Es wird die Überweisung des Ersten Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung - Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, Drucksache 5/4166 - an den Ausschuss für Inneres - federführend - und an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport beantragt. Wer dieser Überweisung Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen?
Das sieht nach Auszählen aus. Das machen wir jetzt: Ich bitte um Unterstützung der Geschäftsführer; wir hier oben zählen ebenfalls. - Nochmals: Wer stimmt dem Überweisungsantrag zu? - Wir müssen nochmals zählen. Ich bitte die Parlamentari
schen Geschäftsführer, uns bei der Auszählung zu unterstützen. Wer möchte dieser Überweisung Folge leisten? -
Wer ist gegen die Überweisung des Antrags? - Enthaltungen? Jetzt war die Mehrheit in diesem Prozedere gegen die Überweisung.
Frau Vizepräsidentin, Sie haben gerade gesagt: Jetzt ist die Mehrheit gegen die Überweisung. Genau das beschreibt ein Problem. Sie haben jetzt dreimal zu einer Abstimmung aufgerufen, wo sich offensichtlich die Anwesenheiten verändert haben.
Ich würde dringend darum bitten, weil das nicht der erste Vorfall dieser Art ist, dass wir eine Regelung für zukünftige Abstimmungen schaffen, damit, wenn zu einer Abstimmung aufgerufen worden ist, die anwesenden Personen auch zur Abstimmung dabei sein können und man nicht so oft abstimmt, bis das Ergebnis stimmt.