Weiter zu meinen Ausführungen. Bis zum August dieses Jahres haben bundesweit etwas mehr als 38 000 Menschen eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach Altfallregelung erhalten
davon allerdings 31 000 nur auf Probe, da sie kein entsprechendes ausreichendes Einkommen nachweisen konnten. 31 000 sind bundesweit 80 % der Menschen, die diese Voraussetzung der rechtlichen Regelung nicht erfüllen können. Deutlicher kann eine solche Regelung nicht danebengehen. Für uns geht sie schon dann daneben, wenn nur so ein kleiner Teil davon erfasst werden kann. Das war aber auch nicht anders vorauszusehen, da viele von Anfang an von den Bleiberechtsregelungen ausgeschlossen waren. Das betrifft nicht nur das Verbot, zu arbeiten, sondern das betrifft auch das Problem der beruflichen Ausbildung, die so nicht aufgenommen werden konnte. Die Folge davon ist, dass Menschen mit geringer Qualifizierung in unsichere Beschäftigungsverhältnisse kommen. Dort erscheint gleich das nächste Problem, nämlich das der Lebensunterhaltsicherung.
Darüber hinaus leben in Deutschland 60 000 Menschen ungeachtet zweier Bleiberechtsregelungen seit über sechs Jahren lediglich geduldet - 903 davon in Brandenburg. So ist es nicht verwunderlich, dass das UN-Flüchtlingswerk UNHCR eine Verlängerung der Fristen zum Nachweis der eigenständigen Unterhaltsicherung und die Aufhebung der Stichtagsregelung gefordert hat. Ebenso mahnte es die Schaffung großzügiger Ausnahmeregelungen zugunsten humanitärer Härtefälle an. Eine solche wirksame Bleiberechtsregelung wird seit Jahren von Flüchtlingsgruppen und selbst Organisationen unterschiedlicher gesellschaftlicher Initiativen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Gewerkschaften, kommunalen politischen Vertretungen mit Nachdruck gefordert. Auch die evangelische Kirche und die Deutsche Bischofskonferenz sind im Mai dieses Jahres an die Öffentlichkeit getreten und haben erklärt, dass sie besorgt seien, dass die beiden Bleiberechtsregelungen ihr Ziel verfehlen.
Am 17.11. fand in Potsdam eine Vollversammlung des Brandenburgischen Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit statt. Diese Vollversammlung richtete sich mit folgendem Appell an die Landesregierung:
„Wir fordern die Landesregierung auf, alles zu tun, um die bestehende Bleiberechtsregelung zu verlängern. Wir erwarten, dass die Stichtagsregelung aufgehoben wird. Wir bitten die Landesregierung, ein deutliches Zeichen für die Menschen zu setzen, die in unserem Land Schutz suchen.“
Sehr geehrte Damen und Herren! Das von politischen Akteuren mit der gesellschaftlichen Altfallregelung verfolgte Ziel, bis zu 60 000 Menschen eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu verschaffen, wurde deutlich verfehlt.
Damit diese Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland und Brandenburg mitten unter uns leben, auch bei uns eine Zukunft haben, brauchen wir eine veränderte Regelung, die zuerst eine Fristenverlängerung beinhaltet, die Aufforderung an die eigenständige Lebensunterhaltsicherung absenkt und die Stichtagsregelung aufhebt. Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Gottfried Mahrenholz wies darauf hin, „dass der Wunsch des Staates, Sozialkosten zu sparen, nicht gegen den Schutz der Menschenwürde ausgespielt werden darf“. Im Konfliktfall rangiere „immer die Achtung der Menschenwürde an erster Stelle“. Nachzulesen in der „Hannoverschen Zeitung“ vom 18.02.2009.
Ich würde mir wünschen, dass unser Innenminister heute vom Landtag ein klares Votum bekommt, das er zur Innenministerkonferenz am 4. und 5. Dezember nach Bremen mitnehmen kann.
Noch eine persönliche Bemerkung: Die Familie Fortunato ist eine Familie mit Migrationshintergrund, die sich seit 26 Jahren integriert. Wir haben ein Motto: Alle unsere Nachbarn sind unsere Mitbürger, egal, in welchem Land der Erde sie geboren wurden. Wir handeln danach.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt mehrere Aspekte, die bei der Betrachtung des Ausländerrechts in Bezug auf Personen, die in Deutschland leben oder hierherkommen, eine Rolle spielen. Das eine ist das humanitäre Ansinnen, das wir damit verfolgen. Das Zweite ist ein rein pragmatisches und volkswirtschaftliches. Meine grundsätzliche Haltung dazu ist, dass es im Sinne der Weiterentwicklung in diesem Land ist, wenn wir die Integrationsbereitschaft und die Integrationsleistung in dieser Gesellschaft erhöhen, und zwar merklich, weil wir sonst angesichts der geringen Geburtenzahlen offensichtlich scheitern werden.
Ich provoziere an der Stelle bewusst ein bisschen, weil wir uns zum Beispiel mit Sprüchen wie „Kinder statt Inder“ auseinandersetzen müssen. Dies spielt in der Gesellschaft eine Rolle. Deswegen sprach ich von der Integrationsbereitschaft und der Integrationsleistung. Beides hängt ein Stück weit zusammen.
Ich kenne auch den Bezirksbürgermeister Buschkowski, der noch besser als Sarrazin Bescheid weiß, zu welchen Auswirkungen die fehlende Integrationsleistung dieser Gesellschaft führen kann.
Hier haben wir ein Problem, das enger zu fassen ist, nämlich die Altfallregelung. Sie sprachen eben davon, dass Sie froh sind, dass die CDU bei der Innenministerkonferenz die Mehrheit hält. Das Problem, das wir jetzt haben, dass es keine Regelung gibt, geht auf deren Konto, auf das Konto dieser Mehrheit.
Wir haben kaum noch die Chance, dies bis zum Jahresende gesetzlich zu regeln. Deshalb werden wir uns in der übernächsten Woche in Bremen darüber unterhalten müssen, wie wir mit der Gesetzeslücke, die sich ab 1. Januar auftut, umgehen, und dann einen pragmatischen Weg finden. Für das Anliegen, das auch von den Kollegen geteilt wird, bei dem sie aber nicht über ihren Schatten springen können, muss eine vernünftige Lösung gefunden werden. Das wird dazu führen, dass wir Übergangsregelungen sozusagen qua eigener Anstrengungen und Auslegungen bis zu einer endgültigen Regelung, die die FDP in den Bundestag eingebracht hat, die aber bis heute ungehört in den Ausschüssen liegen geblieben ist, finden.
Es gibt die Bereitschaft der Innenminister, sich des Themas anzunehmen, und ich werde zusammen mit den Kollegen der SPD-geführten Länder dafür werben.
- Es sind nicht viele, aber Sie müssen sich darauf auch nicht so viel einbilden, denn Sie sitzen hier in diesem Haus in einer kleinen Gruppe und sollten nicht ständig darauf Bezug nehmen, dass Sie anderswo in der Bundesrepublik stärker sind als in Brandenburg. Das nützt Ihnen nämlich in diesem Haus und in diesem Land gar nichts.
Wir haben die Aufgabe, eine pragmatische Lösung zu finden, die nicht durch zu viele Formalismen belastet ist. Diese sprechen aber aus dem Antrag. Dann beißt sich Katze wieder in den Schwanz. Diejenigen, die Anträge stellen, müssen nämlich etwas nachweisen, was sie erst nachweisen können, wenn sie den Schein haben, den sie beantragen wollen. Das ist das Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen. Missbrauch muss verhindert werden. Aber an dieser Stelle muss eine pragmatische Lösung gefunden werden, die im Sinne derjenigen ist, die ihren Aufenthalt hier verlängern wollen, die hier auch arbeiten und Bestandteil dieser Gesellschaft sind. Denen müssen wir helfen. In diesem Sinne wird sich die Landesregierung einsetzen. Vielen Dank.
Herzlichen Dank. - Ich beende die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung. Ihnen liegt der Antrag in der Drucksache 5/37, eingebracht von der SPD-Fraktion, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion GRÜNE/B90, vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Mit großer Mehrheit ist dieser Antrag angenommen.
Ich stelle zweitens den Entschließungsantrag in der Drucksache 5/58, eingebracht von der CDU-Fraktion, zur Abstimmung. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Entschließungsantrag? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei einigen Stimmenthaltungen ist mehrheitlich dagegen gestimmt worden. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Arbeitsfähigkeit des Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur gewährleisten
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr verehrte Kollegen! Dass Aufarbeitungsbedarf besteht, zeigt ohne Zweifel der aktuelle Fall IM „Schwalbe“. IM „Schwalbe“ wird nicht der Letzte gewesen sein, der sich eben nicht traut, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen und - in diesem Fall kann
man es nur vermuten - vielleicht auch aus Scham vor seinen eigenen Parteifreunden versucht, ein halbes Jahrzehnt seines Lebens zu leugnen.
Man muss sich natürlich auch die Frage stellen: Was ist mit den anderen IM, die es nicht mit der SED-Nachfolgepartei geschafft haben, in den Landtag zu kommen? Das ist aber nur ein Teil. Der andere Teil betrifft natürlich auch und vor allem die Opfer.
Was wir gestern in der Regierungserklärung schmerzlich vermisst haben, ist auch nur ansatzweise die Diskussion dazu, wie man mit diesem Gesetz, das wir vor der Sommerpause verabschiedet haben, umgehen möchte und wann endlich der Beauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur in diesem Land Brandenburg eingesetzt wird.
Wir haben dazu eine sehr lange Diskussion gehabt. Mehr als 20 Jahre hat dieses Land auf den sogenannten Stasibeauftragten warten müssen. Man hat den Eindruck, es war im Januar eher ein Zufall, dass wir durch eine Äußerung des Ministerpräsidenten Platzeck überhaupt erst in die Lage versetzt wurden, solch ein Gesetz zu verabschieden.
Den Eindruck, dass man nach wie vor ernsthaft Probleme damit hat, könnte man haben, da, obwohl man sich darauf verständigt hatte, acht Stellen für diesen Stasibeauftragten zur Verfügung zu stellen, dann plötzlich - noch kurz vor der Sommerpause - im Haushalts- und Finanzausschuss ein Antrag vom Finanzminister eingebracht wurde, dass es nur noch drei Stellen sein sollten.
Wir machen uns wirklich große Sorgen, weil damit die Arbeitsfähigkeit überhaupt nicht gewährleistet werden kann. Aufarbeitungswille und - ich will das jetzt nicht weiter kommentieren Versöhnungswille werden auch nicht ansatzweise mitgetragen, wenn man nicht den Opfern, aber auch den Tätern, die mit Lügen auf Dauer nicht leben können, dort einen Ansprechpartner bietet. Insofern erwarten wir eine klare Stellungnahme der jetzigen Landesregierung dazu, dass der Beschluss des Hauptausschusses vom 24.06. entsprechend umgesetzt wird.
Zum zweiten Punkt unseres Antrages - die öffentliche Ausschreibung -: Wir haben vor der Sommerpause leider Gottes erlebt, dass zwei hochrangige, anerkannte Persönlichkeiten, Herr Jörn Mothes und auch Herr Schöne, in einer Art und Weise hier als Kandidaten verbrannt wurden - ob aus Versehen oder nicht, dazu möchte ich mich auch nicht äußern -,
dass es nicht nur peinlich, sondern in dieser Art und Weise des Umgangs mit den Persönlichkeiten auch unangemessen war.
Wir bekennen uns zu einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren, damit solche Mängel bzw. Fehler nicht mehr vorkommen. Es gibt nur sehr wenige wirklich honorige Persönlichkeiten mit entsprechender Erfahrung. Wenn es so weitergeht, wie es an der Stelle aufgehört hat, dann werden wir auf einen qualifizierten Stasibeauftragten sicherlich auch noch die nächsten 20 Jahre warten müssen. Genau deshalb haben wir den Antrag gestellt. Im Sinne der Opfer, aber auch im Sinne derjenigen, die mit ihrem Schweigen nicht länger leben können, wollen oder sollen, bitten wir darum, dass wir an dieser Stelle endlich handlungsfähig werden. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Frau Ludwig, Sie haben es gesagt: Wir haben uns im Sommer große Mühe mit dem Gesetz gemacht. Es ist mehrfach, auch im Ergebnis einer Anhörung, verändert worden. Wir stehen nunmehr vor einer rein formalen Problematik. Die Legislative hat entschieden. Sie hat das Gesetz so, wie wir es verabschiedet haben, gewollt. Es hat auch Ihre Stimmen von der CDU erhalten. Jetzt ist es Sache der Exekutive, das Gesetz umzusetzen. Da haben Sie Recht.
Die Exekutive, das heißt die Landesregierung, ist erst wenige Tage im Amt. Ich kann noch nicht beobachten, dass die Umsetzung des Gesetzes in irgendeiner Weise verschleppt würde; man ist am Arbeiten.
Frau Kollegin Wanka, da Sie mir gegenübersitzen, wende ich mich direkt an Sie: Wir haben damals - wenn ich es richtig in Erinnerung habe, auch Sie persönlich - immer Wert darauf gelegt, zwischen dem Handlungsbereich der Legislative und dem der Exekutive klar zu unterscheiden. Im Moment ist die Exekutive dran; sie wird in Gestalt des zuständigen Ministers noch zu uns sprechen.
Ich will zu den vier Punkten, die Sie hier vorgeschlagen haben, eine Anmerkung machen, schicke aber voraus, dass ich noch nicht erkennen kann, dass die Exekutive irgendetwas verzögern will oder dass sie etwas von dem abschwächen will, was wir in dem Gesetz damals beschlossen haben.