Protocol of the Session on November 19, 2009

Die Integration der Menschen mit einem dauerhaften Aufenthaltsstatus, aber auch der Menschen mit einem zeitweiligen Aufenthaltsstatus muss im Vordergrund stehen. So sagen wir: Ja, wir streben eine weitergehende Lösung an, aber es muss eine Lösung sein, bei der gewürdigt wird, dass derjenige, der sich um Arbeit bemüht - es ist nicht Voraussetzung, dass er Arbeit hat, sondern er muss lediglich den Nachweis führen, dass er sich darum bemüht hat -, bessergestellt wird als derjenige, der diesbezüglich keine Anstrengung unternommen hat und dem Staat sozuagen auf der Tasche liegt.

Glücklicherweise ist es ja die Regel in unserem Land, dass die Asylbewerber ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sie dazu fähig sind; von kranken oder traumatisierten Menschen würde kein vernünftiger Mensch erwarten, dass sie selbst etwas zu ihrem Lebensunterhalt beitragen. Es geht nur um diejenigen, die dazu tatsächlich in der Lage sind.

Sie haben zu dem ehrenamtlichen Engagement ein wenig humorvoll vorgetragen, Frau von Halem. Ich kenne viele Ausländerinnen und Ausländer, die sich - auch wenn sie nur vorübergehend hier leben - ehrenamtlich engagieren, zum Beispiel in Ausländerbeiräten, sozialen Projekten und an anderen Stellen, von wo aus sie denjenigen, die neu nach Deutschland kommen, Hilfestellungen geben, mit dem hiesigen Leben zurechtzukommen. Das ist gemeint und auch ziemlich deutlich so formuliert. Nun muss man in der Politik manchmal damit leben, dass man

bewusst missverstanden wird. Deswegen wollte ich deutlich machen, was uns zu diesem Entschließungsantrag bewogen hat.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Wir erwarten und gehen davon aus, dass die Innenminister eine vernünftige Bleiberechtsnachfolgeregelung finden werden. Das ist aus meiner Sicht kein schwarzes Kapitel des Rechtsstaates, sondern etwas, was Politik leisten muss. Denn das Bleiberecht hat für viele Menschen eine existenzielle Bedeutung und muss rechtlich gefasst werden. Das darf nicht dem Zufall überlassen werden, je nachdem, welche Partei gerade an der Regierung ist oder wie gut eine Verwaltung arbeitet,

(Schulze [SPD]: Eine Regierung basiert nicht auf Zufällen, sondern auf den Ergebnissen von Wahlen!)

sondern muss rechtlich normiert werden. Das darf in den einzelnen Ländern nicht groß voneinander abweichen, sondern es bedarf einer gewissen Rechtssicherheit.

Weil die CDU/CSU in der Innenministerkonferenz eine deutliche Mehrheit hat - das ist gut; unter anderem deswegen ist Deutschland ein sicheres Land -,

(Beifall CDU - Heiterkeit bei der SPD - Schulze [SPD]: Tätä-Tätä-Tätä!)

- die Mehrheit haben wir im Übrigen auch, weil es auch FDPInnenminister, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, gibt

gehen wir davon aus, dass es eine praktikable Regelung geben wird, die den berechtigten Anliegen der Ausländerinnen und Ausländer, aber auch dem Rechtsstaat entgegenkommt. Deswegen würden wir uns freuen, wenn man unserem Entschließungsantrag zustimmte.

(Beifall CDU)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Abgeordneter Holzschuher. Er spricht für die SPD-Fraktion. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, wenn man nach der CDU reden kann, denn dann kann man gleich auch einmal auf die Grundlagen unserer christlich-humanistischen Tradition verweisen. Schon in der Bibel - im Buch der Richter - heißt es:

„Du sollt die Fremdlinge nicht bedrücken, denn vergiss nicht, dass du selbst im Ägyptenland Fremdling gewesen bist.“

(Beifall der Abgeordneten Ziel, Schulze und Dr. Woidke [SPD])

Diese 2 500 Jahre alte Erkenntnis ist heute noch immer modern und muss immer wieder durchgesetzt werden.

In dem heute vorliegenden Antrag geht es darum, Menschen, die in außerordentlicher Bedrängnis zu uns gekommen sind, eine menschenwürdige, gesicherte Existenz zu geben. Dabei muss

man sich immer wieder fragen, warum das seit mehr als 2 000 Jahren ein Problem ist.

Warum kommen eigentlich so wenig Menschen freiwillig nach Deutschland, die - wie indische Softwareexperten oder australische Wissenschaftler - keine politisch Verfolgten sind, sondern hier nur arbeiten wollen? Dazu braucht man sich nur einmal § 104 des Aufenthaltsgesetzes, die Altfallregelung, anzuschauen. Dann bekommt man eine Ahnung davon, worin das Problem besteht - deswegen haben wir auch ein Problem damit, Ihrem Entschließungsantrag zuzustimmen -: Die Regelung ist ein bürokratisches Monster. So geht man mit Menschen um, die sicherlich nicht unter das Asylrecht im klassischen Sinne fallen, aber dennoch unserer Hilfe bedürfen. Sie leben seit Jahren in unserem Land und wollen sich integrieren. Vielleicht wollen einige gern in ihre Heimat zurück, können es aber nicht, und auch wir können sie nicht zurückschicken, weil es unüberwindliche Hindernisse gibt.

Statt diesen Menschen Hilfe in jeder erdenklichen Weise anzubieten, wie sich das für ein christlich-humanistisches Land gehören würde, bauen wir bürokratische Hürden auf und führen sie immer wieder in eine Situation, in der sie von heute auf morgen vor dem Nichts stehen können. Diese traumatisierten Menschen erleben auch in unserem Land tiefgreifende Unsicherheit und Angst. Deswegen, denke ich, ist der Antrag, den wir heute einreichen, eine Grundlage dafür, diesen Menschen - das sind in Deutschland übrigens keine Millionen, das sind einige Zehntausend - eine etwas bessere Sicherheit und Zukunft zu geben.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Wir brauchen eine Regelung, die es ermöglicht, diese Fälle dauerhaft zu klären und nicht immer wieder von neuem zu diskutieren. Das ist die Zielstellung. Deswegen steht in dem Antrag, dass über die angedachte Verlängerung der Frist hinaus eine grundlegende Regelung gefunden werden muss. Natürlich muss es auch möglich sein, einzelne Veränderungen - nicht Verschärfungen, sondern Verbesserungen für diese Menschen vorzunehmen.

Ein Aspekt ist für mich völlig indiskutabel, und zwar ist das die Regelung, die man nur - auch wenn es hier in Anführungszeichen steht - mit „Sippenhaft“ bezeichnen kann. Diese unserer Rechtsordnung völlig fremde Regelung besagt, dass jemand dafür haften muss, wenn ein Familienangehöriger, der im gleichen Haushalt wohnt, straffällig geworden ist, denn dann verwirkt er seine Rechte, die wir ihm hier geben wollen. Was kann er denn dafür, außer, mit demjenigen verwandt zu sein? Das ist etwas, was in einem modernen Deutschland des 21. Jahrhunderts nicht mehr geschrieben werden darf.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Ich hoffe, dass wir das so schnell wie möglich aus der Welt schaffen.

Unser Antrag ist also eher ein allgemeiner Antrag, der Spielraum für Erleichterungen und nicht für Verschärfungen lässt. Er scheint uns der deutlich bessere zu sein. Ich würde mich freuen, wenn wir diesbezüglich eine breite Zustimmung finden. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Das Wort erhält der Abgeordnete Goetz, der für die FDP spricht.

(Schulze [SPD]: Gute Christen wählen Sozialisten! - Hei- terkeit SPD - Zuruf von der SPD: Wenn wir unseren Christoph nicht hätten!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt eine Bundestagsdrucksache vom 26. Mai 2009 unter der Drucksachennummer 16/13160. Darin heißt es in Artikel 1 Änderung des Aufenthaltsgesetzes -:

„Das Aufenthaltsgesetz... wird wie folgt geändert: In § 104a Abs. 5 Satz 1 und 2 wird das Datum '31. Dezember 2009' jeweils durch das Datum '31. Dezember 2010' ersetzt.“

In der Begründung dieser Bundestagsdrucksache heißt es:

„Zum 1. Januar 2010 läuft für den weit überwiegenden Teil der Geduldeten die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 5 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ohne Verlängerungsmöglichkeit aus. Es ist bereits jetzt absehbar, dass knapp unter 30 000 Personen wieder in den Status der Duldung zurückfallen werden.

Die sogenannte Altfallregelung hat bisher nicht den Erfolg gebracht, der damit eigentlich gewünscht war: Aufgrund der sehr eng gefassten Vorgaben konnten bisher nur wenig Geduldete davon profitieren.

Dass viele Personen nicht von der Regelung erfasst wurden, liegt insbesondere an allzu engen Voraussetzungen der Regelung des § 104a AufenthaltG.“

Sie sehen, meine Damen und Herren, das ist wörtlich der heute vorliegende Antrag, der im Bundestag bereits behandelt wurde. Ich verrate Ihnen noch, von wem der Antrag gestellt wurde: von Hartfrid Wolff, Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, Christian Ahrendt..., Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP.

(Vereinzelt Beifall SPD - Krause [DIE LINKE]: Dann können Sie ja zustimmen!)

- Richtig, Herr Krause. Sie haben es erfasst; das werden wir auch tun.

Ich will nur darauf hinweisen, dass das Papier insgesamt bereits vorliegt und bereits gelesen worden ist. Das scheiterte damals übrigens an der schwarz-roten Bundesregierung, die das - auch mit Verweis darauf, dass die Innenminister gemeinsam eine Regelung finden sollen - nicht mitgetragen hat. Diese Innenministerkonferenz tagt am 21. November dieses Jahres, also in wenigen Tagen. Wir können alle davon ausgehen - das ist bereits angesprochen worden -, dass es viele Innenminister verschiedener Parteien gibt - auch von der FDP - und dass dort am 21. November 2009 zunächst eine Übergangsregelung gefunden wird, die die bisherige Bleiberechtsregelung verlängert. Insofern wird das ohnehin geschehen, was hier beantragt ist.

Insofern schadet der Antrag nicht. Deshalb können wir ihm zustimmen. Schön, aber es wird ohnehin passieren.

(Vereinzelt Beifall GRÜNE/B90)

Das Wort erhält die Abgeordnete Fortunato, die für die Fraktion DIE LINKE spricht.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Goetz, ich freue mich, dass es eine solche Drucksache im Bundestag gibt. Das hält uns aber nicht davon ab, über den vorliegenden Antrag heute zu beraten. Es würde uns auch gut zu Gesicht stehen, diesen Antrag positiv abzustimmen.

Die drei einreichenden Fraktionen haben diesem Landtag einen Antrag vorgelegt, da die praktische Umsetzung des Bleiberechtsbeschlusses der Innenministerkonferenz vom November 2006 und die gesetzliche Altfallregelung vom August 2007 deutliche Schwächen zeigen. Beide Regelungen waren von vornherein nicht dazu geeignet, Kettenduldungen zu beenden und ein humanitäres, dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu begründen.

Im Land Brandenburg hat es bis zum 30.06. 2009 ganze 751 Anträge nach § 104a und b des Aufenthaltsgesetzes gegeben. Davon ist 475-mal eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden, 107 Anträge wurden abgelehnt, und 75 standen zu diesem Zeitpunkt aus.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ja.

Bitte schön, Herr Goetz.

Frau Kollegin, Sie sagten soeben, dass es schön ist, dass es einen solchen Antrag bereits im Bundestag gab. War Ihnen wirklich nicht bekannt, dass der exakt wörtlich gleiche Antrag auf Antrag der FDP-Fraktion bereits im Bundestag eingebracht worden ist?

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)