Protocol of the Session on November 11, 2010

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Schlagzeilen bestimmter Zeitungen sind nicht öffentliche Meinungen. Ich glaube, auch das Tremolo von bestimmten Schlagzeilen beeinflusst Leute nicht. Auch das bekommen wir hier in diesem Land dokumentiert.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Nehmen Sie die Wirklichkeit wahr! Die Wirklichkeit ist, dass Sie in der Opposition angekommen sind. Frau Ludwig, Sie müssten eigentlich heute hier in dieser Aktuellen Stunde sagen: Danke, Rot-Rot, dass mein Wunschtraum erfüllt worden ist. Herr Dombrowski müsste mit einstimmen. Ich kann mich erinnern, dass Sie einmal in einem schönen Papier geschrieben haben: Das Beste, was dieser CDU passieren kann, ist, in die Opposition zu gehen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich finde, die Bevölkerung hat Ihnen diesen Gefallen getan. Nun genießen Sie es, bleiben Sie da! Ich sage Ihnen: Sie bleiben relativ lange da. Machen Sie einfach so weiter wie bisher, und es ist ziemlich sicher, dass Sie diesen schönen Platz, vielleicht beim nächsten Mal noch mit zwei oder drei Kollegen weniger und ohne Ihren Partner an der rechten Seite, auch in der nächsten Legislaturperiode ausfüllen können. Ich glaube, Sie sind auf einem guten Weg dahin. Dass Sie auf einem guten Weg dahin sind, hat damit zu tun, dass Sie einfach bestimmte Realitäten nicht wahrnehmen, zum Beispiel konkrete Maßnahmen, die diese Landesregierung eingeleitet hat, und dass Sie Leuten sogar drohen, bestimmte Maßnahmen zurückzudrehen.

Dann reden wir einmal über konkrete Politik. Was hat diese Landesregierung gemacht? Diese Landesregierung hat den Kita-Betreuungsschlüssel verändert. Das hört sich sehr technisch an. Das bedeutet aber konkret, dass seit dem 1. Oktober 1 000 neue Erzieher in diesem Land eingestellt worden sind. Das bemerken ganz viele Eltern und Kinder in den Kindertagesstätten. Das hat diese Landesregierung gemacht. Das bemerken auch Menschen, die vorher als Erzieherinnen und Erzieher verkürzt arbeiten mussten und jetzt Vollzeitstellen haben, oder die, die wieder neu eingestellt worden sind.

Ich erzähle Ihnen einmal eine konkrete Geschichte aus meinem eigenen Wahlkreis, die ich selbst in einer Kita erlebt habe, dazu, was diese Landesregierung bewirkt hat. Anfang der 90er Jahre mussten aufgrund der Tatsache, dass ein dramatischer Geburtenrückgang in diesem Land zu verzeichnen war, Erzieherinnen und Erzieher, vor allem sehr junge Erzieherinnen und Erzieher, entlassen werden. Sie durften nicht mehr in dem von ihnen erlernten Beruf arbeiten, weil die Zahl der Kindergärtnerinnen und Kindergärtner im Verhältnis zur Zahl der Kinder, die geboren wurden, zu hoch war. Wir haben es mit der genannten Maßnahme geschafft, dass in der Regel junge Frauen, die damals mit Anfang 20 gehen und sich mittlerweile mit anderen, ausbildungsfremden Jobs durchschlagen mussten, jetzt wieder eingestellt worden sind. Wenn Sie Erzieherinnen und Erzieher kennengelernt haben, verstehen Sie vielleicht auch, warum diese Regierung in diesem Land Rückhalt hat, nämlich weil Menschen konkret etwas davon haben: Die Kinder bekommen eine bessere Betreuung, Erzieherinnen und Erzieher, die aufgrund des Geburtenrückgangs entlassen worden sind und in artfremden Berufen arbeiten mussten, werden neu eingestellt.

Ich sage Ihnen auch etwas zum Thema Schüler-BAföG. Die Opposition, und zwar inklusive der Grünen, die sich auch gegen dieses Projekt ausgesprochen haben, soll sich einmal hinstellen und sagen, dass den 1 500 Eltern von Kindern, die jetzt in die Jahrgangsstufe 11 gekommen sind und eine Unterstützung bekommen, diese Unterstützung wieder genommen werden soll. Das bedeutet Ehrlichkeit, denn Sie wollen diese Unterstützung tatsächlich wieder wegnehmen.

Wir werden dieses Projekt fortsetzen. Am Ende dieser Legislaturperiode werden 5 000 Eltern in Brandenburg für ihre Kinder Unterstützung bekommen, und wir werden ihnen im nächsten Wahlkampf sagen: Wenn ihr CDU, FDP oder Grüne wählt, wird es diese Unterstützung nicht mehr geben. - Das ist Ihre Position, und dazu müssen Sie sich klar bekennen.

Wir werden in den nächsten vier Jahren weiter regieren. Sie können weiter in Ihrer Parallelwelt leben und dort weiter Ihre Oppositionsgelüste austoben. Sie werden am 27. September des Jahres 2014 eine Quittung bekommen, die klarmachen wird: Diese Landesregierung hat das Land gut regiert, hat es vorangebracht, hat eine sozial ausgeglichene Politik gemacht und die Menschen in ihrem Bestreben unterstützt, ein eigenständiges Leben zu führen. Ich wünsche mir, dass Sie beginnen, darüber nachzudenken, wie Sie wieder ein Teil des Landes Brandenburg werden und nicht in Ihrer Parallelwelt leben.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Und ich wünsche mir, dass die Redner nicht so gnadenlos überziehen, wenn die rote Lampe leuchtet, zumal Sie Gelegenheit haben, noch einmal zu reagieren, denn der Kollege Dombrowski hat eine Kurzintervention angemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Ness hat eben direkt auf mich Bezug genommen. Es war auch schon beim Kollegen Holzschuher auffällig: Beide nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau.

(Beifall CDU - Holzschuher [SPD]: Das sollten Sie aber konkreter machen!)

Wenn sich Herr Ness auf ein Papier, das ich mitverfasst habe, bezieht und sagt, darin habe gestanden: „Das Beste, was uns passieren kann, ist die Opposition“, dann hat er es nicht gelesen. Ein Teil seiner Äußerungen ist Demagogie. Es steht etwas ganz Selbstverständliches darin, nämlich dass eine Partei immer zu prüfen hat, ob sich eine Regierungsbeteiligung lohnt oder nicht lohnt. Dass es Parteien gibt, die dies vielleicht anders sehen und sagen: „Hauptsache regieren, und wenn es ums Verrecken der eigenen Partei geht“, das mag ja sein.

(Beifall CDU)

Das können Sie sehr schön an Ihrem jetzigen Koalitionspartner sehen, der vorher gesagt hat: „Wir sind gegen die Braunkohle“, und jetzt ist er dafür. Aber lassen wir das, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Sie, Herr Ness, sprechen hier immer von Realität, als ob wir Realität nicht zur Kenntnis nähmen, als wäre das mit Rot-Rot alles ganz super, ganz toll und würde auch ewig so weitergehen. Sie mögen ja daran glauben, dass das so ist. Aber wie hart die Realität ist und wie schnell sie sich ändert, von einer Stunde auf die andere, das hat Minister a. D. Speer an sich selbst erfahren müssen, und Sie werden es auch noch erfahren.

(Beifall CDU - Holzschuher [SPD]: War das jetzt eine Drohung, oder was?)

Zu Ihren Erfolgsmeldungen, Herr Ness, dass das die CDU nicht zur Kenntnis nähme und dass es für sie beim nächsten Mal zu einfach wäre, zu sagen: „Wenn ihr das so und so nicht wollt, dann müsst ihr uns wählen und nicht die CDU“: Die Realität sieht doch ein bisschen anders aus. Minister Rupprecht war kürzlich in Rathenow, hat dort eine Schule als sportlichste Schule ausgezeichnet und sich den Vortrag der Lehrer anhören müssen, nämlich dass die Lehrerausstattung an der BürgelSchule in Rathenow, der Heimatschule von Herrn Görke, noch nie so schlecht war wie zurzeit. Das ist die Realität, nehmen Sie sie zur Kenntnis!

(Beifall CDU)

Wenn Sie ständig von Parallelwelten sprechen, so könnte man Ihnen, der rot-roten Koalition, insbesondere Ihnen, Herr Ness, und der SPD, durchaus einmal empfehlen, dies näher zu untersuchen. Wir haben den Eindruck, dass es tatsächlich verschiedene Welten hier in Brandenburg gibt, mit bestimmten Verbindungen. Ich bezeichne das, auch wenn es Sie empören wird, als politisches Rotlichtmilieu. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Bei Bedarf haben Sie die Gelegenheit, darauf zu reagieren, Herr Ness.

Muss ich ja wohl nach diesem erneuten Einblick in die Parallelwelt der CDU.

Herr Dombrowski, ich finde, dies alles sollte man live aus diesem Landtag übertragen. Man bekäme dann einen wunderschönen Einblick, wie Sie denken. Es wäre für Ihre Umfragen und auch Ihre Wahlergebnisse schlecht. Ich finde es erstaunlich, mit welchem Selbstbewusstsein Sie sich hier hinstellen, während Sie schlicht und ergreifend nicht zur Kenntnis nehmen, was hier wirklich passiert.

Denken Sie an das Wahlergebnis in der Landeshauptstadt Potsdam. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, als sei dies eine Regierung, die illegitim sei und keinerlei Unterstützung in der Bevölkerung habe. Die „Bild“-Zeitung hilft Ihnen sehr weitgehend, dies zu kommunizieren, aber es verfängt irgendwie nicht. Für dieses Wahlergebnis stecken Sie Zehntausende Euro in die Kandidatur von Frau Richstein, und Sie bekommen in der Landeshauptstadt 10 % der Stimmen. Stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten 9,5 % bekommen. Dann müssten wir uns langsam Sorgen machen um die Existenz dieser Partei. Sie sind weit davon entfernt, in Brandenburg eine Volkspartei zu sein. Sie haben sich eine Parallelwelt eingerichtet, in der Sie sich wohlfühlen, in der Sie an den Köpfen und Herzen der Menschen vorbeireden, und Sie freuen sich darüber, dass Ihnen jemand, der bei Springer im Sold steht, Beifall klatscht.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Zum Abschluss der Debatte habe ich die Freude, noch 76 Sekunden zur Verfügung zu stellen. Kein Bedarf mehr? - Damit

sind wir am Ende der Aktuellen Stunde angelangt. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für diese lebhafte Diskussion. Die Themen werden uns weiter begleiten.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksache 5/2291 Drucksache 5/2223

Als Erstes rufe ich die Dringliche Anfrage 32 (Ergebnisse der November-Steuerschätzung 2010) des Abgeordneten Görke auf.

Nach den regionalisierten Prognosen der November-Steuerschätzung geht das Ministerium der Finanzen in den Jahren 2010 bis 2012 im Vergleich zur Schätzung im Mai von höheren Einnahmen in Höhe von insgesamt 532 Millionen Euro aus.

Ich frage deshalb die Landesregierung: Wie bewertet sie diese prognostische Entwicklung der Steuereinnahmen auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Steuersenkungsforderungen der schwarz-gelben Koalition in Berlin?

Finanzminister Markov antwortet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie schnelllebig Steuerschätzungen sein können, dokumentiert sich dadurch, dass im Mai dieses Jahres eine Steuerschätzung für das Land Brandenburg veröffentlicht wurde, die uns Mindereinnahmen von 330 Millionen Euro vorhergesagt hat.

Ein halbes Jahr später sagt die Steuerschätzung für die nächsten drei Jahre zusätzliche Einnahmen von knapp über 530 Millionen Euro voraus. Das zeigt: Mit Schätzungen ist Vorsicht geboten.

(Zuruf von der CDU: Auch mit Umfragen!)

Natürlich freut sich jeder Finanzminister, wenn die Steuerschätzung sagt, dass mehr Geld zur Verfügung stehen wird - wunderbar! Und natürlich freuen sich die Kommunen, wenn sich die für die nächsten drei Jahre vorausgesagte Zahl tatsächlich realisiert; sie werden dann nämlich knapp über 100 Millionen Euro zusätzlich für die Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung haben. Das ist doch wunderbar!

Auf der anderen Seite: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir die schlimmste Wirtschaftskrise aller Zeiten hatten. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir nach wie vor eine hohe Belastung durch die in den vergangenen 20 Jahren aufgenommenen Kredite haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir im kommenden Haushalt eine Nettokreditaufnahme eingeplant haben.

Deswegen sage ich: Es ist gut, dass die Entwicklung so ist. Es ist gut, dass sich die Wirtschaft in Brandenburg hervorragend

entwickelt. Da die brandenburgische Wirtschaft anders strukturiert ist als die Wirtschaft anderswo, geht es bei uns etwas langsamer, aber stetig voran. Dafür haben wir aber auch nicht so hohe Verluste.

Zusätzliche Steuereinnahmen sind immer gut. Über die Verwendung werden wir in der anstehenden Debatte über die einzelnen Haushalte ausführlich beraten. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt Nachfragen. Frau Vogdt, bitte.

Herr Dr. Markov, die Freude über die unerwarteten Steuermehreinnahmen hat Sie wahrscheinlich davon abgehalten, Zeitung zu lesen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle sagte am 09.11., dass die Bundesregierung eine klare Prioritätensetzung - zuerst die Konsolidierung des Haushalts - hat. Das müssen wir machen, um nicht der nächsten Generation einen riesigen Schuldenberg zu hinterlassen. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wann beginnen Sie endlich, einen finanzpolitischen Kurs einzuschlagen, der an die folgenden Generationen denkt, wie es in Ihrem Koalitionsvertrag so wunderbar angekündigt wird?

(Holzschuher [SPD]: „Polizeireform“ sage ich nur!)