wehr - die Beamten, die im Namen des Staates mit Bürgerinnen und Bürgern Kontakt aufnehmen, grundsätzlich namentlich erkennbar sind? Ich hielte es für eine gute Idee, das auszuweiten.
Eine solche Kennzeichnungspflicht ist in der Bundesrepublik leider noch nicht sehr verbreitet. In Hessen und in Niedersachsen können die Beamten frei entscheiden, ob sie die Namen auf ihre Uniform setzen lassen. In Hamburg müssen Zugführer in geschlossenen Einheiten, Fußstreifen und Revierführer Namensschilder tragen. In Berlin ist eine Regelung per Zwang im Gespräch, aber noch nicht durchgesetzt. Das zeigt, wie kompliziert die Materie ist. Man hat es, wie gesagt, mit sehr vielen Bediensteten zu tun.
Die Bedenken - sie sind schon beschrieben worden - müssen wir natürlich ernst nehmen. Auf der einen Seite steht das Recht des Bürgers, der, wenn er auf ein Amt kommt, wissen möchte, mit wem er dort spricht, damit er den Beamten loben oder, wenn es denn sein muss, auch kritisieren kann. Auf der anderen Seite müssen wir das Sicherheitsbedürfnis der Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen ernst nehmen. Erst in den letzten Tagen konnten wir wieder hören, ob aus Berlin oder aus Hamburg, dass die Gewalt gegen Polizeibeamte zunimmt. Es gibt die berechtigte Sorge, dass bei sichtbarem Namensschild am Revers der betreffende Polizeibeamte nach Feierabend von denen bedroht wird, mit denen er sich zuvor auseinandersetzen musste. Wir müssen mit den Kollegen sehr ernsthaft darüber sprechen.
Anderswo auf der Welt ist die Kennzeichnungspflicht schon lange gang und gäbe: In den USA ist es Pflicht, namentlich erkennbar zu sein. Das gilt auch in Großbritannien und bei der spanischen Polizei. Es gibt verschiedene Varianten, entweder Dienstnummer oder Namensschild. Bei geschlossenen Einsätzen muss es gesondert betrachtet werden. Dort kommt aus meiner Sicht eine namentliche Kennzeichnung überhaupt nicht infrage; das sehen Sie sicherlich genauso. Wechselnde Dienstnummern sind eine weitere Möglichkeit.
Im Grunde muss ich über Ihre 180°-Wendung jubeln: Schön, dass Sie jetzt auf unserer Seite sind. Die Idee, unsere Polizeibeamten und darüber hinaus vielleicht grundsätzlich alle unsere Beamten und Beamtinnen namentlich erkennbar zu machen, scheint eine breite Mehrheit in diesem Hause zu finden. Sie haben uns auf Ihrer Seite. Deshalb werden wir der Überweisung Ihres Gesetzentwurfs in den Innenausschuss zustimmen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Stark. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP Fraktion fort. Der Abgeordnete Goetz, hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Unsere Polizeibeamten in Brandenburg machen einen verantwortungsvollen Job. Sie machen ihn gern, und sie machen ihn gut. Oft ist dieser Job nicht leicht. Das liegt in der Natur der Sache. Wenn man zu sich streitenden Ehepaaren oder zu Betrunkenen gerufen wird, dann sind in diesem Einsatz Aus
Insbesondere Revierpolizisten sind in ihrer Gemeinde bekannt wie der sprichwörtliche „bunte Hund“. Wenn über die Straße gerufen wird: „Klaus, komm‘ mal rüber!“ und damit der Polizeibeamte gemeint ist, dann ist die Anrede mit dem Vornamen eben keine Beleidigung, sondern Ausdruck der großen Vertrautheit, die die Menschen in der Gemeinde mit ihrem Beamten haben. Das ist ganz normal, in Ordnung und gut so. Dabei soll es auch bleiben. Dort wird ein Namensschild nicht gebraucht.
Bei allen Schwierigkeiten, die Polizeibeamte ohnehin haben, macht es ihnen die Politik gelegentlich noch schwerer, als es nötig wäre. Wir haben nämlich auch Fürsorgepflichten, die es zu erfüllen gilt und die sich auch auf die Kennzeichnung von Beamten auswirken können. Ich habe keine Bedenken, Beamte mit Dienstnummern zu versehen, sodass anhand dieser Nummer erkennbar ist, wer es im Einzelnen war. Bei einer Kennzeichnung mit Namen hätte ich Probleme. Es mag sein, dass das bei einem Dutzend Namen - Polizeiobermeisterin Stark, Polizeiobermeister Goetz - kein Problem wäre; denn diese Namen findet man öfter. Ein Polizeiobermeister Petke kann durchaus erkannt werden, weil der Name etwas seltener ist. Insofern würde ich mir mit einem solchen Namen mehr Sorgen machen, was möglicherweise mit meiner Familie und meinem Bekanntenkreis passiert, als wenn ich einen Namen hätte, der häufiger auftritt wie Müller, Meier, Schulze, Stark - oder eben Goetz.
Das große Problem ist, dass man vorher nie weiß, wie gefährlich der Einsatz wird. Ich rede jetzt nicht von den Hundertschaften, die zum 1. Mai nach Berlin fahren, sondern zum Beispiel von einem Einsatz in einer Wohnung. Wird man angegriffen, mit Flaschen beworfen, beleidigt? Das ist vorher unklar. Wüsste man das vorher, könnte man entsprechend reagieren. Die Beamten stehen jedes Mal vor neuen Situationen und müssen sich binnen kürzester Zeit spontan damit auseinandersetzen ganz anders als diejenigen, die Monate später im Rahmen von Disziplinarverfahren und Recherchen darüber urteilen, ob die Beamten im Moment des Einsatzes alles richtig gemacht haben. Insofern ist die Situation, vor der unsere Beamten regelmäßig stehen, schwierig. Deshalb müssen wir sie schützen.
Wenn man Namensschilder fordert, muss man wissen, dass es dazu bereits Untersuchungen gibt. Diese besagen, dass es in 10 % der Fälle hilfreich ist, wenn Beamte Namensschilder tragen, um festzustellen, wer vor Ort war. In 90 % der Fälle braucht man das nicht. Selbst in den 10 % der Fälle, in denen das Namensschild hilfreich ist, gelingt es im Regelfall problemlos, in einem zweiten oder dritten Schritt die Beamten festzustellen, die am Ort des Geschehens gewesen sind und sich dort verhalten haben.
Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Petke! Die Überweisung in den Innenausschuss ist okay. Wir können gern darüber reden, wie man das Vorhaben am besten umsetzt. Das Thema ist vielleicht nicht für eine ganz große Anhörung geeignet, aber wir sollten auf jeden Fall Vertreter der Gewerkschaften der Polizei und Beamte, die in den Wachen tätig sind, anhören, damit sie uns mit ihrem Sachverstand befähigen, eine richtige, qualifizierte Entscheidung zu treffen. Eine breite Mehrheit für die Überweisung in den Innenausschuss scheint sich abzuzeich
nen. Das tragen wir natürlich mit. Ob wir hinterher das Ergebnis der Beratungen mittragen, werden wir sehen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Der Abgeordnete Dr. Scharfenberg wird zu uns sprechen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich das erste Mal von diesem Gesetzentwurf der CDU Fraktion hörte, hielt ich ihn für einen Witz. Aber Herr Petke ist immer für Überraschungen gut. Dass das so weit geht und mit einer Wendung um 180° verbunden sein kann, hätte ich dann doch nicht gedacht.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte wirft die CDU ihre bisherigen Grundsätze völlig über Bord. Damit setzt sich die Fraktion dem Vorwurf aus, zehn Jahre den Innenminister gestellt, aber nicht im Ansatz etwas in diese Richtung unternommen zu haben; Frau Stark hat das schon zum Ausdruck gebracht. Ich kann mich zumindest an keine Aktivität in diese Richtung erinnern, und mein Gedächtnis ist nicht das schlechteste.
Natürlich ergibt sich auch aus dem CDU Wahlprogramm kein Ansatz dafür. Offensichtlich geht es doch hierbei gar nicht um das inhaltliche Anliegen der Einführung einer Kennzeichnungspflicht, sondern darum, die Koalition in einer nicht einfachen Situation vorzuführen. Das wird Ihnen aber nicht gelingen. Deshalb will ich auch gar nicht weiter Motivforschung betreiben. Ich bedanke mich vielmehr für den Gesetzentwurf der CDU Fraktion. Er beinhaltet - das wissen Sie - ein für die Linke wichtiges Anliegen, das auch Gegenstand der Koalitionsvereinbarung ist. Ich nehme mit Überraschung zur Kenntnis, dass die CDU bereit ist, ihre bisherigen Positionen selbstkritisch infrage zu stellen, was ja bei vielen anderen Themen nicht der Fall ist. Ich versichere Ihnen, dass wir Sie gern beim Wort nehmen wollen.
Ich erinnere daran, dass sich die damalige PDS Fraktion bereits in der ersten Hälfte der 90er Jahre dafür eingesetzt hat, die im damaligen Übergangsgesetz enthaltene Kennzeichnungspflicht umzusetzen. Das war schon einmal geltendes Recht im Land Brandenburg; es ist hier nur nicht praktiziert worden.
Im Brandenburgischen Polizeigesetz war diese Regelung dann nicht mehr enthalten. Unter den Bedingungen der rot schwarzen Koalition gab es keinerlei Chancen, eine solche Regelung durchzusetzen, denn der damalige Innenminister war nicht einmal im Ansatz bereit, sich in diese Richtung zu bewegen.
Im Übrigen galt von 1999 bis 2009 der von der CDU gnadenlos durchgesetzte Grundsatz, alle, aber auch alle Initiativen der oppositionellen Linken ungeachtet ihres Inhalts abzulehnen. Wie gut haben Sie es dagegen heute unter den Bedingungen von Rot-Rot, lieber Herr Petke! Das vergessen Sie immer wieder, wenn Sie über das harte Los der Opposition meckern und sich in einer Märtyrerrolle gefallen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir plädieren dafür, den Gesetzentwurf in den Ausschuss für Inneres zu überweisen und ihn dort verantwortungsbewusst und gründlich zu beraten.
Unser Ziel ist es, gemeinsam mit den Gewerkschaften zu beraten und praktikable Lösungen zu finden, die eine möglichst breite Akzeptanz finden und dem inhaltlichen Anliegen gerecht werden. Vielleicht müssen wir sogar darauf achten, dass die CDU über das Ziel nicht hinausschießt.
Ich gebe unverhohlen zu: Wir hätten diese Vorlage zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingebracht, denn das ist vor dem Hintergrund der anstehenden Polizeireform sicherlich nicht das dringlichste Problem. Das wissen Sie auch, Herr Petke. Es handelt sich zudem um ein umstrittenes Thema. Das ist hier deutlich geworden. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass sich bisher nur wenige Bundesländer entschlossen haben - trotz langer Diskussionen -, diesen Schritt zu gehen.
Es gibt unterschiedliche Sichtweisen. Während aus Sicht der Polizei vielfach zu hören ist, dass eine solche Kennzeichnungspflicht faktisch ein Misstrauensbeweis wäre und potenziell zu einer Gefährdung von Polizeibeamten führen könnte, sind wir ganz klar der Auffassung, dass sich die brandenburgische Polizei an die gesetzlichen Vorschriften hält. Insofern trägt die Kennzeichnungspflicht zur Stärkung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Bürgern und der Polizei bei. Unser Anspruch ist und bleibt eine bürgernahe Polizei. Ich freue mich auch auf die Diskussionen im Innenausschuss. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg. - Wir setzen die Aussprache mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Die Abgeordnete Nonnemacher erhält das Wort.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Um es gleich vorwegzunehmen: Wir können und werden dem vorgelegten Gesetzentwurf der CDU-Fraktion vorbehaltlos zustimmen.
Er greift in seiner Intention die seit Jahrzehnten von Bürgerrechtsgruppen geforderte individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizisten auf, die auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN immer angestrebt hat. Kennzeichnung und Legitimationspflicht stärken das Vertrauen der Bürger in die Polizei und sind Ausdruck rechtsstaatlicher Verantwortlichkeit. Die Polizei übt das Gewaltmonopol des Staates aus. Gerade deshalb ist an rechtsstaatliches Handeln auch ein besonderer Maßstab zu legen.
Darüber hinaus sind Transparenz und Bürgernähe Markenzeichen einer modernen Verwaltung und sollten für selbstbewusste Polizistinnen und Polizisten selbstverständlicher Teil ihres Berufsethos sein.
Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion sieht die individuelle Kennzeichnung mit Namensschildern und Dienstgrad als Re
gelfall vor. Bei geschlossenen Einsätzen können andere Formen der Kennzeichnung - etwa Buchstaben-, Ziffernkombinationen - gewählt werden, die eine nachträgliche Identifizierung ermöglichen. Es werden auch klare Ausnahmen von der Regel benannt, die im Zweck der Amtshandlung oder in einer individuellen Gefährdung des einzelnen Polizeibeamten liegen können.
Unsere Fraktion ist sich bewusst, dass in weiten Kreisen der Polizei in Brandenburg ebenso wie in Berlin Bedenken gegen die individuelle Kennzeichnungspflicht bestehen. Gerade in einer Zeit, in der Übergriffe inakzeptabler Gewalt gegen Polizeibeamte zunehmen, sind Ängste verständlich und ernst zu nehmen.
Allerdings präsentiert sich die zunehmende Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten nicht in der Form, dass einzelne Personen gezielt identifiziert und verfolgt werden, sondern ungezielt als allgemeine Aggressionszunahme und abgesenkte Hemmschwelle. Es gibt kein belastbares Material, das Bedrohungen mit dem Tragen eines Namensschildes in Verbindung bringt.
In der Begründung des Gesetzentwurfs selbst wird sehr schlüssig auf die Veröffentlichung der vielen Revierpolizisten auf den Seiten der Internetwachen hingewiesen, die keine negativen Folgen hat. Ebenso sind Kriminalbeamte, die es zum Teil mit Schwerstkriminellen zu tun haben, nicht anonym. Auch Mitarbeiter in Rettungsstellen, Sozialarbeiter, Berater in Jobcentern oder Sanitätskräfte sehen sich öfter der Wut ihrer Klientel ausgesetzt. Sie alle sind durch Namensschilder, Türschilder und ihre Unterschrift unter Schriftsätze jederzeit individuell identifizierbar.
Auch wenn die Kennzeichnungspflicht in Polizeikreisen auf wenig Begeisterung stößt und noch viel Aufklärungsarbeit und vertrauensbildende Gespräche mit Personalräten und Gewerkschafter nötig sind, ist das Vorhaben in der Sache doch richtig.
Besonders erfreut sind wir, dass dieser Gesetzentwurf von unseren Freunden und Partnern in der Opposition der CDU-Fraktion kommt.
Dass Sie sich wenige Tage, bevor in Brandenburg die Ergebnisse der Kommission Polizeistruktur 2020 nun auch offiziell vorgestellt werden, einem Thema widmen, das Ihnen bisher nicht gerade eine Herzensangelegenheit gewesen ist, gehört zu den schönen Zufällen im politischen Alltag. Dass sich Herr Petke in Interviews mit der „taz“ ein völlig neues Image erarbeitet und er als Speerspitze des liberalen Rechtsstaates
seine in der Kennzeichnungspflicht rigideren Berliner Parteifreunde alt aussehen lässt, nehmen wir mit freudigem Staunen zur Kenntnis.
(Anhaltender Beifall GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE - Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE]: Zugabe! Zugabe!)
Die Brandenburger CDU überrascht uns angenehm mit schwungvoller Modernisierung, die hoffentlich in das Land
ausstrahlt. Ihr Statement, Herr Petke, „zu einer Uniform gehört ein Name“, unterschreiben wir gern. Dem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion stimmen wir selbstverständlich zu. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Das Wort erhält die Landesregierung, Herr Minister Speer.
(Schulze [SPD]: Frau Nonnemacher hat den Beweis, dass die Bereicherung des Landtages zweifellos von der CDU kommt!)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein umstrittenes Thema seit Jahren! In der Innenministerkonferenz wird dieser Weg mehrheitlich und gerade von der politischen Ausrichtung, die hier Erstaunen hervorgerufen hat, Frau Nonnemacher, abgelehnt. Sie sind ja sonst immer Kronzeuge für die Wahrheit und die Richtigkeit bestimmter politischer Ansichten. Deswegen bleibt hier zu vermuten, weil es eben ein strittiges Thema ist, dass es gerade in dieser Zeit aufgegriffen wird.