Protocol of the Session on April 25, 2007

Wenn es uns wirklich ernst mit unserer Landeslosung, dass wir auf kein Kind verzichten können - ich füge hinzu: auch nicht verzichten wollen -, ist, müssen wir wirklich alles tun, um gute Bedingungen zu haben, damit Kinder gesund aufwachsen können. Dann müssen wir auch akzeptieren, dass nur Schwangerschaftskonfliktberatung nicht reicht. Dieser Ansatz wird hier auch verfolgt.

Soll Landespolitik über Projekte, die öffentlichkeitswirksam präsentiert werden, hinausgehen, trägt sie auch Verantwortung, die finanziellen Voraussetzungen abzusichern.

In unserem konkreten Fall heißt das, darüber nachzudenken, ob 80 % - das ist die Mindestforderung des Gesetzgebers - der Personal- und Sachkosten tatsächlich ausreichen, um umfangreiche und niedrigschwellige Angebote in guter Qualität zu sichern, wenn - wie richtig geschrieben wird - vorrangig gefördert werden soll, wer auch Schwangerenberatung nach § 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz durchführt.

Beratung aus einer Hand ist immer effektiver - für Beratungleistende wie für die Menschen mit Beratungsbedarf.

Was wir vor allem im Fachausschuss diskutieren müssen, sind die Kriterien der Wohnortnähe und des Mindestversorgungsschlüssels.

Meine Fraktion hält es für undenkbar, dass Ratsuchenden eine Wegezeit von acht Stunden - hin und zurück - zugemutet wird. Wir beklagen immer wieder, dass bei uns nicht genug Kinder geboren werden. Wenn wir aber solche Kriterien festlegen, müssen wir uns nicht wundern, wenn Beratung nur im Notfall, also bei Wunsch nach Schwangerschaftsabbruch, gesucht wird.

Wenn sich in unserem Land im Jahr 2005 4 580 Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden, sollten wir in erster Linie nicht nach Möglichkeiten von anonymen Geburten und Babyklappen suchen, sondern Hilfe und Unterstützung für die Entscheidung für ein Leben mit Kindern geben.

Das kann unser qualifiziertes Beratungspersonal mit der Unterstützung von Netzwerken vor Ort leisten. Sie müssen nur erreichbar sein und ausreichend finanziert werden. Gerade im Zusammenhang mit dem Arbeitslosengeld II, dem Elterngeld, den Möglichkeiten zur Beantragung von Kuren, der Inanspruchnahme von Stiftungsgeldern oder der flächendeckenden Mitwirkung an Initiativen wie „Netzwerk für gesunde Kinder“ kommt der Beratungstätigkeit auch präventiv in Bezug auf Kindersschutz eine immer größere Bedeutung zu.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? - Bitte.

Frau Abgeordnete, könnten Sie mir erstens zustimmen, dass Babyklappen Leben retten können und auch schon Leben von Babys gerettet haben, und zweitens, dass die Möglichkeit einer anonymen Geburt auch Leben retten bzw. erhalten kann?

Ich kann Ihnen zustimmen, dass in Babyklappen Kinder waren, die heute noch leben. Dass sie sonst noch leben würden, ist nicht erwiesen.

Es wäre vielleicht ganz gut, Sie läsen das Protokoll der Anhörung, die wir dazu im Ausschuss durchgeführt haben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, ob nun das Motto heißt „Brandenburger Familien haben Vorrang“, ob im Grundsatzprogramm der CDU nun die Familienpolitik ein Schwerpunkt werden soll oder die SPD in ihrem Grundsatzprogramm den vorsorgenden Sozialstaat festschreibt - entscheidend wird sein, wie Politik im praktischen Leben umgesetzt wird. Da halte ich es mit Kurt Tucholsky, der sagte: „Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie dir an.“

In diesem Sinne freue ich mich auf eine interessante Diskussion im Fachausschuss und bin gespannt auf das Ergebnis, welches wir zur 2. Lesung werden vorliegen haben. - Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Frau Dr. Schröder. Sie spricht für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon gesagt worden, gemäß §§ 3 und 8 Schwangerschaftskonfliktgesetz sind die Länder, somit auch das Land Brandenburg, beauftragt, ein ausreichendes und weltanschaulich plurales Angebot wohnortnaher Beratungsstellen für allgemeine Schwangerschaftsund Familienplanung sowie für Schwangerschaftskonfliktberatung sicherzustellen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen die landesrechtlichen Regelungen zur Erfüllung dieses Auftrages mit den eben genannten Kriterien geschaffen werden.

Neben dem vom Bund geforderten Sicherstellungsauftrag, wonach die Länder dafür Sorge zu tragen haben, dass den Beratungsstellen für je 40 000 Einwohner mindestens eine Beraterin oder ein Berater in Vollzeitbeschäftigung oder eine entsprechende Anzahl in Teilzeitbeschäftigung zur Verfügung stehen, müssen wir uns im zuständigen Fachausschuss nicht nur mit dieser Kennziffer beschäftigen, sondern auch folgende Fragen in die Diskussion einbeziehen: Wie hat sich in den letzten Jahren die Lage im Land entwickelt? Wie viele Beratungen finden jährlich in den Brandenburger Landkreisen und kreisfreien Städten statt? Wie viele Beratungsscheine werden pro Jahr ausgestellt? Wie hat sich die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche trotz bzw. nach einer Beratung entwickelt? Welche hauptsächlichen Gründe werden für Schwangerschaftsabbrüche angeführt? Welche politischen Konsequenzen sind letztlich daraus zu ziehen? - Das alles sind wichtige Fragen, die wir selbstverständlich gern im Fachausschuss besprechen können.

Von besonderem Interesse - Frau Wöllert, da haben Sie Recht ist im Flächenland Brandenburg aus Sicht der schwangeren Frauen die Frage der Erreichbarkeit von Beratungsstellen. Heute bestehen in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt im Land Brandenburg im Durchschnitt zwei bis vier Beratungsstellen. Für die Förderung von 48 Beratungsstellen, zuzüglich Neben- und Außenstellen, stehen in diesem Jahr 3,7 Millionen Euro zur Verfügung; Frau Ministerin hat die Aufschlüsselung der Trägerschaften benannt.

Ich möchte darauf hinweisen, dass es bis zum Jahr 2000 noch fünf zusätzliche staatlich anerkannte und geförderte Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen der Caritas gab, die heute nicht mehr gefördert werden. Der Grund: Die katholische Kirche entschloss sich aus Glaubensgründen, keine vollständige Schwangerschaftskonfliktberatung im Sinne des Bundesgesetzes mehr durchzuführen. Daraufhin entzog das Land diesen Stellen die staatliche Anerkennung als Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle. Hierüber ist vor Gericht noch immer ein Rechtsstreit anhängig. Die Caritas führt aber in Strausberg, Cottbus, Potsdam, Bernau und Belzig bis heute Schwangerschaftsberatungsstellen - ohne Förderung - fort.

Auf dem Vorblatt und in der Begründung zum Gesetzentwurf wird die Rechtsprechung, auf die sich nun auch der vorliegende Gesetzestext stützt, näher erläutert. Danach sei ein Bundesland dann nicht zur Förderung eines Beratungsangebots verpflichtet, wenn dieses Angebot den Beratungsschlüssel laut Bundesgesetz überschreitet und wenn der Landesgesetzgeber im Rahmen der Vorgabe von § 4 Abs. 3 Schwangerschaftskonfliktgesetz Gebrauch von der Möglichkeit gemacht hat, Aus

wahlkriterien für den Fall aufzustellen, dass seitens der Träger mehr Anträge auf Förderung von Beratungsstellen gestellt werden, als zur Sicherstellung des bundesgesetzlich vorgeschriebenen Beratungsangebots erforderlich sind. Der Entwurf zum Ausführungsgesetz sieht als vorrangiges Auswahlkriterium für eine Landesförderung dementsprechend vor, dass eine Beratungsstelle sowohl Schwangerschaftsberatung als auch Schwangerschaftskonfliktberatung inklusive der Ausstellung eines Beratungsscheins anbietet. Hierdurch soll ein hohes Beratungsniveau gewährleistet werden; denn im Bundesgesetz seien die Anforderungen an Konfliktberatungsstellen höher ausgestaltet als die an Beratungsstellen.

Also, meine Damen und Herren, genug Stoff und genug Fragen für eine interessante Diskussion im Ausschuss. Ich freue mich darauf und bin gespannt, ob alle Fraktionen eine Grundrichtung des Gesetzes mittragen können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält die Abgeordnete Fechner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Schwangerschaftskonfliktgesetz wurde 1995 eingeführt. Dieses Gesetz entstand in der Absicht, das Leben des ungeborenen Kindes möglichst gut zu schützen. Mit der festgeschriebenen Beratungsregelung wollte der Gesetzgeber die Anzahl der Abtreibungen senken bzw. möglichst gering halten. Faktisch ist die Anwendung dieses Gesetzes für die weitgehende Freigabe der Abtreibung in unserer Gesellschaft verantwortlich, wie die Statistik eindeutig belegt.

Bundesweit werden Jahr für Jahr etwa 97 % bzw. rund 125 000 Abtreibungen nach Beratungsscheinregelung vorgenommen. Laut Gesetz sind die Kosten der Abtreibung vom Bundesland zu tragen, wenn der abtreibenden Frau die Aufbringung der Mittel für den Abbruch einer Schwangerschaft nicht zuzumuten ist. Eine genaue Prüfung, ob die Erstattung überhaupt berechtigt ist, findet in der Regel nicht statt. In der Bundesrepublik Deutschland gelten umfangreiche Gesetze zum grundsätzlichen Verbot der Tötung ungeborenen menschlichen Lebens und zum Schutz der Ungeborenen im Schwangerschaftskonflikt. Gleichzeitig führt der Staat in der Anwendung des Gesetzes die Intention völlig ad absurdum und finanziert einen weiten Teil der Abtreibungen sogar noch mit Steuermitteln. Das, meine Damen und Herren, ist ein Skandal sondergleichen. Auf der einen Seite klagt man über fehlende Kinder, und auf der anderen Seite bezahlt man Abtreibungen.

Damit komme ich zum Gesetzentwurf der Landesregierung. Bis 1993 galt für die neuen Bundesländer noch die Fristenregelung der ehemaligen DDR, die vor einem Schwangerschaftsabbruch keine Pflichtberatung vorsah. Eine einheitliche Neuregelung des Abtreibungsrechts erfolgte durch das Schwangerenund Familienhilfegesetz von 1992 bzw. das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1993. Danach war für das gesamte Bundesgebiet vor einem Schwangerschaftsabbruch eine Konfliktberatung gesetzlich vorgeschrieben. Danach muss sich jede Frau, die einen Schwangerschaftsabbruch erwägt, vor dem Ab

bruch in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lassen; es sei denn, der Abbruch der Schwangerschaft ist aus ärztlicher Erkenntnis angezeigt oder die Schwangerschaft ist Folge einer rechtswidrigen Tat. In der Beratungsstelle erhält die Frau nach erfolgter Konfliktberatung eine Bescheinigung, aufgrund derer sie einen Abbruch straffrei durchführen lassen kann. Dies darf frühestens drei Tage nach der Beratung und muss innerhalb der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft erfolgen.

Gemäß dem Schwangerschaftskonfliktgesetz sind die Länder beauftragt, Beratungsstellen wohnortnah sicherzustellen. Die Länder haben dafür Sorge zu tragen, dass den Beratungsstellen für je 40 000 Einwohner mindestens ein Berater zur Verfügung steht. Nicht nur das. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts haben die Beratungsstellen einen Anspruch auf eine öffentliche Förderung von mindestens 80 % ihrer notwendigen Personal- und Sachkosten. Jenes Gericht hat im Jahr 2005 dann auch noch entschieden, dass dieser Förderanspruch auch dann besteht, wenn das Angebot wohnortnaher Beratungsstellen bereits erfüllt ist.

Damit die Anzahl der Beratungsstellen und die damit verbundenen Kosten nicht ins Unermessliche steigen, ist es dem Landesgesetzgeber gestattet, Auswahlkriterien aufzustellen, die einzelne Anbieter von der Förderung ausschließen. Aus diesem Grund, also damit hier alles mit rechten Dingen zugeht, hat uns die Landesregierung diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Heute findet dazu die 1. Lesung statt. Demnächst wird sich der Ausschuss damit beschäftigen, und vielleicht wird es ja dann doch noch die eine oder andere Änderung geben. Einer Ausschussüberweisung wird sich die DVU nicht enthalten.

(Beifall bei der DVU)

Herzlichen Dank. - Als Nächste spricht die Abgeordnete Schier für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Laut Bundesgesetz haben die Bundesländer die Schwangerschaftskonfliktberatung sicherzustellen. Diese wird meist von Frauen in Anspruch genommen, die ungewollt schwanger geworden sind und sich in einem inneren Konflikt befinden. Deshalb wünschen diese Frauen einen Schwangerschaftsabbruch. Die Definition für die Schwangerschaftskonfliktberatung liest sich wie folgt:

„Ziel der Schwangerschaftskonfliktberatung ist es in diesen Fällen, den persönlichen Entscheidungsspielraum der Frau zu erweitern und ihre Fähigkeit, die Folgen ihrer Entscheidung tragen zu können, zu stärken.... Schwangerschaftskonfliktberatung soll... dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen...“

Es gibt sicherlich nur wenige Frauen, die sich einen Schwangerschaftsabbruch leicht machen. Oft sind die Frauen dankbar, wenn man ihnen Wege aufzeigt, wie sie sich doch für das Kind entscheiden können. Nach § 219 StGB ist die Schwangerschaftskonfliktberatung in einer staatlich anerkannten Be

ratungsstelle vor einem Schwangerschaftsabbruch rechtlich vorgeschrieben. Für mich ist die Pluralität der Beratungsstellen ganz wesentlich. Eine Frau muss die Gelegenheit haben, auswählen zu können, an wen sie sich wendet. Das ist in einem Flächenland sehr schwierig, dennoch muss es gewährleistet sein. Ich erinnere daran: 1990 wollten wir die Pluralität, wir wollten ASB, DRK, AWO, und wir wollen es heute auch noch.

(Beifall bei der CDU)

Auch die Caritas, die keinen sogenannten Schein ausstellt und trotzdem von den Frauen aufgesucht wird, gehört dazu. Ich sehe den Sinn der Beratung nicht darin, die hilfesuchende Frau vor allem darin zu bekräftigen, dass der Abbruch der einzig gangbare Weg für sie sei. Es ist aufwendiger, nach Lösungen im Interesse der werdenden Mutter und des ungeborenen Lebens zu suchen. Genau aber das erwarte ich in erster Linie von einer qualitativ guten Konfliktberatungsstelle.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb sehe ich es kritisch, wenn in § 3 - Auswahlverfahren steht, dass berechtigte Trägerinteressen auch eine Rolle spielen. Es geht um die Interessen von Müttern und ungeborenen Kindern, aber nicht um die Träger.

An dieser Stelle möchte ich auch auf die anonyme Geburt und die Babyklappe verweisen. Auch da geht es um die Mütter und Kinder und nicht um Gesetze, die man ändern könnte, wenn man es ernsthaft wollte.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind alle entsetzt, wenn einem Kind etwas zustößt. Das Entsetzen ist aber offenbar nicht groß genug, um wirklich aktiv zu werden.

Die Beratungsdokumentation der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen müsste regelmäßig hinsichtlich der Beratungsqualität beurteilt werden. Das sollte ein wichtiges Auswahlkriterium sein, sonst hat das Ganze nur Alibifunktion.

Das Gesetz wird heute in den Ausschuss überwiesen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir uns in einer Anhörung ein Bild über die Schwangerschaftskonfliktberatung der unterschiedlichen Träger im Land Brandenburg machen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Schier. - Es gibt keinen Redebedarf mehr, deshalb kommen wir zur Abstimmung.