Protocol of the Session on August 31, 2005

Auswirkungen des mit der jüngsten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verhängten vorläufigen Baustopps auf das Flughafenprojekt BBI und die wirtschaftliche Entwicklung des Flughafenumfeldes

Große Anfrage 6 der Fraktion der DVU

Drucksache 4/1055

Antwort der Landesregierung

Drucksache 4/1565

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Schuldt von der Fraktion der DVU. Bitte, Herr Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Pleiten, Pech und Pannen beim BBI - wir als DVU-Fraktion und Verfechter dieses Projektes werden in Sachen Großflughafen BBI den Eindruck nicht los, dass bei dieser Landesregierung etwas nicht stimmt mit dem angeblich „konsequenten Einsatz für die Realisierung dieses BBI-Projektes“. Dieser Eindruck ist einmal mehr durch die uns bekannt gewordenen Reaktionen dieser Regierung auf den durch das Bundesverwaltungsgericht verhängten Baustopp verstärkt worden. Ein solcher fällt nicht einfach so vom Himmel, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank. Sozusagen erkennbar anfangend sich zu räkeln, beginnt diese Landesregierung wie ihre Vorgängerin im Zusammenhang mit dem BBI-Projekt immer dann, wenn irgendwelche Pöstchen und Posten zu vergeben sind bzw. wenn wieder einmal die Spitze des Eisbergs eines Skandals sichtbar wird.

(Beifall bei der DVU)

Mehrere gescheiterte Gerichtsverfahren, zwei Untersuchungsausschüsse und ein ganzer Berg Schulden sind Menetekel dieser „Aktivitäten“. Ansonsten vermittelt uns diese Landesregierung eher - wie schon ihre Vorgängerin - den Eindruck einer beharrlich penetranten Tiefschlafstarre, wenn es um dieses für unser Land in der Tat so wichtige Projekt geht. Das veranlasst uns als Verfechter dieses Projektes, immer wieder nachzuhaken ich meine, auch mit Recht. Der beharrlich penetrante Tiefschlaf ist eine Disziplin, die diese Landesregierung anscheinend besonders gut beherrscht.

(Beifall bei der DVU)

Die Landesregierung döst irgendwie vor sich hin, draußen im Land rauscht das Leben vorbei. Die Missstände werden stetig

größer und mit Brandenburg geht es weiter bergab. Exorbitante Arbeitslosigkeit, Abwanderung junger Menschen, Bildungsmisere, Geburtenschwund und Mittelstandspleiten sind die sichtbaren Konsequenzen dieser Art des „Regierens“. Daraus ergibt sich zugleich die Wichtigkeit des BBI-Projekts für unser Land Brandenburg: Es ist wegen seiner Größe und seiner Ausstrahlung auf das Umfeld dazu geeignet, zur Umkehr genau dieser Abwärtsspirale maßgeblich beizutragen. Daraus ergibt sich der Anspruch unserer DVU-Fraktion an diese Landesregierung, dass diese alles, aber auch wirklich alles tun muss, damit dieses Projekt sicher und zügig verwirklicht werden kann. Wir werden auch dies ständig hinterfragen.

Wir als DVU-Fraktion sind von Ihren Antworten auf unsere Große Anfrage in Anbetracht dessen nicht überzeugt. Ihre Antworten auf die Fragen 4 bis 9 und 12 bis 18 geben uns hierzu allen Anlass. Abwarten und Tee trinken ist angesichts der eingetretenenen Situation anscheinend wieder einmal das Motto dieser Regierung.

Sie haben uns mit Ihren Antworten erstens die Sorgen eines möglichen Scheiterns nicht nehmen können und uns zudem nicht vermitteln können, dass Sie alles in Ihrer Macht Stehende getan haben und auch tun, damit das BBI-Projekt sicher und zügig verwirklicht werden kann, und zwar auch und gerade angesichts der durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eingetretenen prozessualen Situation.

Zweierlei ist aber auch lobend zu erwähnen: Erstens haben Sie uns auf unsere Fragen 2 bis 7 und 10 den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts in vollständiger Fassung zur Verfügung gestellt. So konnten wir uns wenigstens ein eigenes Bild davon machen. Zweitens Ihre Antwort auf Frage 19, die da schlicht lautet: „Die Landesregierung hält am Standort Schönefeld fest.“ Sie können sicher sein, dass wir von der DVU-Fraktion Sie daran messen werden, Herr Minister, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, nicht nur als bloße Worthülse, sondern stets Aktivitäten für diesen Standort hinterfragend.

Vor diesem Hintergrund ist dann aber nicht nachvollziehbar, wie Sie angesichts der Tatsache, dass das Gericht auf den Seiten 6 und 7 der Entscheidungsgründe von einem völlig offenen Prozessausgang spricht, in Ihren Antworten auf unsere Fragen 4 und 9 ohne nähere Begründung zu dem Schluss kommen: „Nach Einschätzung der Landesregierung ist das Projekt nicht gefährdet.“

„Völlig offener Prozessausgang“, meine verehrten Damen und Herren, bedeutet für mich Chancen von 50 : 50. Deshalb müssen bei Ihnen doch die Alarmglocken läuten.

(Beifall bei der DVU)

Mit dieser Antwort stehen und fallen dann auch Ihre Antworten auf die Fragen 12 bis 20. Entweder wollen Sie schlicht und ergreifend nichts unternehmen oder Sie behaupten einfach ins Blaue hinein, es gebe keine Auswirkungen.

Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, zumindest im Straßenverkehr nennt man so etwas grob fahrlässig. Aber darauf komme ich im zweiten Teil meiner Rede zurück. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Für die Koalitionsfraktionen spricht der Abgeordnete Karney. Bitte, Herr Karney.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ist es nicht verwunderlich, wenn sich die linke und die extrem rechte Opposition unseres Hauses wieder einmal einig sind? Während der Kampf gegen den Flughafen bisher das Lieblingskind der PDS war, übernimmt die DVU wohl jetzt das Argumentationsmuster: Weg mit Hartz IV, weg mit dem Flughafen!

(Schuldt [DVU]: Wir stehen dazu!)

Dabei ist es nur ein weiteres Teil im Puzzle, da die Linkspartei in Sachsen ihre Strategie bei der vorgezogenen Bundestagswahl darauf ausrichtet, Wähler rechtsextremer Parteien zurückzugewinnen. Das ist im Internet nachlesbar.

Die DVU-Fraktion in Brandenburg bemüht sich also, das Lieblingsthema der PDS mit einer Großen Anfrage zu erobern. Im Interesse unseres Landes und unserer Menschen handelt weder die Fraktion der Linkspartei.PDS noch die DVU-Fraktion, wenn sie das wichtigste Infrastrukturprojekt unseres Landes, den Flughafen Berlin Brandenburg International, zerreden. Die Tatsachen nehmen weder die DVU-Fraktion noch die Fraktion der Linkspartei.PDS zur Kenntnis, dass nämlich die steigenden Passagierzahlen auf den Berliner Flughäfen in den letzten beiden Jahren zu einem regelrechten Jobboom in Schönefeld und Tegel geführt haben. Seit 2003 ist die Zahl der direkten Arbeitsplätze dort um 11,8 % auf insgesamt 14 467 gestiegen. Pro Tag sind in den vergangenen zwei Jahren auf dem Airport zwei neue Jobs entstanden. Der Gesamtbeschäftigungseffekt der Berliner Flughäfen für die Region liegt bei 33 600 Arbeitsplätzen.

Durch die Bündelung des Berliner Flugverkehrs auf dem Airport BBI in Schönefeld ist für den Arbeitsmarkt der Region mit einem weiteren deutlichen Schub zu rechnen. Der Kölner Verkehrswissenschaftler Prof. Herbert Baum rechnet bis 2012 durch den Bau des BBI mit knapp 40 000 neuen Arbeitsplätzen in Berlin-Brandenburg.

Die Koalition von SPD und CDU in Brandenburg wird im Interesse der Schaffung von Arbeitsplätzen intensiv dafür arbeiten, dass spätestens im Jahr 2011 der BBI in Betrieb genommen werden kann. Der Terminplan wird derzeit überarbeitet, da das Bundesverwaltungsgericht die Interessen der Betroffenen hinreichend würdigen möchte. Die aktuellen Signale zum Zeitplan sehen gut aus.

Sehr geehrte Abgeordnete der Linkspartei.PDS und der DVU, verabschieden Sie sich endlich von Ihrer Skepsis und Miesmacherei! Verstehen Sie den Flughafen Berlin Brandenburg International als besondere Chance für unsere Region! Zögerer und Verhinderer brauchen nur einmal nach Frankfurt am Main zu schauen. Der Frankfurter Flughafen ist zum größten Wachstums- und Jobmotor der Rhein-Main-Region geworden. Warum sollen wir diese Chance für Berlin-Brandenburg verpassen?

(Frau Tack [Die Linkspartei.PDS]: Sie sind ein Traumtän- zer, Herr Karney!)

Der globale Luftverkehr steht am Beginn einer kräftigen Wachstumsphase. Die sollten wir an Brandenburg nicht vorbeigehen lassen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der Linkspartei.PDS spricht Frau Tack.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An die DVU gerichtet will ich sagen: Das falsche parlamentarische Instrumentarium gewählt zur falschen Zeit. Da müssen Sie sich nicht wundern, wenn Sie keine Antworten erhalten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wie soll sich die Landesregierung positionieren, wenn es ein laufendes Verfahren gibt? Die Antwort kennen auch Sie. Den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts hätten Sie auch einfacher und schneller bekommen können. Also das war jetzt heiße Luft.

An Herrn Karney gerichtet: Ich weise im Namen meiner Fraktion Ihre primitive Argumentation in Richtung Gleichstellung mit der DVU beim Thema Flughafen BBI zurück.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich bitte Sie eindringlich, Realitäten sowie unterschiedliche Argumentationen, Ansprüche, Forderungen und Zielsetzungen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer etwas genauer wissen will, wie die Situation nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Leipzig im Eilverfahren gegen das Planfeststellungsverfahren aussieht, kann in der Antwort auf die Kleine Anfrage 362 nachlesen. In dieser Anfrage habe ich wissen wollen, wie die Situation ist und welche Konsequenzen es gibt; Baustopp zum Beispiel, und was geleistet werden kann und was nicht. Dort können Sie sich informieren.

Ich nutze aber die Gelegenheit, seitens der Linkspartei.PDS zu wiederholen, dass wir die Landesregierung auffordern, die Planungsgrundlagen für den Flughafen BBI, die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegen, zu aktualisieren und grundsätzlich zu erneuern. Was Sie am vergangenen Dienstag im Kabinett beschlossen haben, ist Flickschusterei. Herr Szymanski, Sie wissen das. Möglicherweise wird genau das nicht ausreichen; denn sowohl der Landesentwicklungsplan wie auch das Landesentwicklungsprogramm in Sachen Flughafen sind zu erneuern.

Im Zusammenhang damit mache ich auch noch einmal deutlich, dass wir uns in Sachen Flughafen, Herr Szymanski sprich: Planung für den BBI -, demnächst hier wieder sprechen werden. Es ist ja angekündigt, dass das Bundesverwaltungsgericht bereits im Februar mit der Verhandlung in der Hauptsache beginnen will. Es könnte also beschleunigt werden und dann hätten wir ein Urteil zum Planfeststellungsbeschluss und könnten weitergehen.

Unabhängig davon gibt es aber mindestens zwei kritische Anmerkungen. Die eine - unabhängig vom Planfeststellungsbe

schluss - betrifft Ihr nicht schlüssiges und risikobehaftetes Finanzierungskonzept, was die Gesellschafter Brandenburg, Berlin und der Bund tragen - wir kommen in der morgigen Fragestunde noch einmal darauf zurück -, und die andere das Hickhack, was den Bahnanschluss betrifft, also die Verhandlungen mit der DB AG bzw. deren Position, was den ICE-Anschluss in Schönefeld betrifft, was die Entscheidung betrifft, ob es einen Flughafenbahnhof geben wird, ob er unterirdisch oder oberirdisch sein wird, ob er viel Geld oder wenig kostet. All diese ungeklärten Fragen tragen nicht zu einer Lösung bei.

Herr Karney sagte, wir würden immer schlechtreden. Sie sollten endlich mehr Verantwortung für Ihr größtes zukunftsorientiertes Infrastrukturprojekt in der Region Berlin-Brandenburg,

(Bischoff [SPD]: Schön, dass Sie es einmal sagen!)

Herr Bischoff, tragen und hier nicht weiter - wie es in den vergangenen Jahren leider stattgefunden hat - durch Verantwortungslosigkeit glänzen und damit den Steuerzahler zu sehr in die Verantwortung nehmen.

Abschließend will ich sagen: Die Fraktion der Linkspartei.PDS begrüßt die Entwicklung am Flughafen Schönefeld sehr. Die jetzige Geschäftsführung der Flughafengesellschaft betreibt eine sehr verantwortungsvolle Politik, indem vorhandene Kapazitäten genutzt, modernisiert und ausgebaut werden. Ich verweise auf das zweite Abfertigungsgebäude, welches sich im Bau befindet, und erinnere daran, dass genau diese Forderung, den Flughafen Schönefeld zu nutzen und auszubauen, von der PDS-Fraktion bereits im Jahre 1991 gestellt wurde.

So viel zur Verantwortung, die wir wahrnehmen, Herr Karney. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Landesregierung verzichtet auf einen Beitrag. Deshalb erhält das Wort noch einmal der Abgeordnete Schuldt von der Fraktion der DVU. Bitte, Herr Schuldt.