Protocol of the Session on August 31, 2005

Die Landesregierung verzichtet auf einen Beitrag. Deshalb erhält das Wort noch einmal der Abgeordnete Schuldt von der Fraktion der DVU. Bitte, Herr Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Karney, wir haben uns grundsätzlich für dieses Projekt stark gemacht. Die Große Anfrage war auch deshalb notwendig und wichtig, um der Landesregierung endlich einmal wieder zu sagen, dass sie etwas tun und aus ihrem Tiefschlaf erwachen muss.

(Beifall bei der DVU)

Meine Damen und Herren, mit dieser Mentalität, nichts zu tun, sind Sie aus meiner Sicht nicht einmal dazu in der Lage, auf dem Potsdamer Hauptbahnhof eine Würstchenbude zu betreiben.

(Beifall bei der DVU)

Ich entschuldige mich bei den Würstchenbudenbesitzern für diesen Vergleich.

(Beifall bei der DVU)

Ihr Verhalten geht angesichts des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts schlichtweg an der Wirklichkeit des Lebens vorbei. Es ist zwar richtig, dass es sich hierbei noch nicht um die Entscheidung in der Hauptsache, sondern um eine des vorläufigen Rechtsschutzes handelt, aber so etwas fällt nun wirklich nicht vom Himmel. Eine solche Entscheidung kann auch unter dem Gesichtspunkt von Schwere und Tragweite nur ergehen, wenn in der Hauptsache zumindest Erfolgssicherheit besteht. Ich werde darauf noch näher eingehen.

Zunächst zur Frage der angemessenen, lebensnahen Reaktion: Kein Unternehmer, kein Handwerker und auch kein Würstchenbudenbesitzer würde sich in einer vergleichbaren Situation so verhalten wie Sie hier auf der Regierungsbank. Ihm ist der eigene Laden oder Betrieb mit Sicherheit näher als dieser Landesregierung der Flughafen BBI. Er bestreitet nämlich damit seinen Lebensunterhalt. Der eigene Laden oder Betrieb ist für ihn so wichtig wie der Flughafen für das Land Brandenburg, nur ist es der Flughafen anscheinend nicht für diese Landesregierung.

Wenn in einem solchen Betrieb sozusagen der Schornstein zu sehr rußt und das Aufsichtsamt daher mit Betriebsschließung droht, wird der Besitzer, dem dieser Betrieb wichtig ist, alle erdenklichen Anstrengungen unternehmen, damit dieses Kokeln unterbunden oder wesentlich verringert wird und der Betrieb erhalten bleibt.

Mit diesen vergleichbaren Betrachtungen sind wir mitten beim Thema - bei der Landesregierung, den Antworten und dem gebotenen Verhalten nach dem verhängten Baustopp.

Damit Sie hier nicht nahtlos vom Sommer- in den Winterschlaf überwechseln, meine Damen und Herren, noch einmal: Ich interpretiere die Entscheidung des Gerichts völlig offen im Sinne einer Chance 50 : 50. Vor diesem Hintergrund spielen Sie mit dem BBI-Projekt russisches Roulett. Ihnen hält jemand einen Trommelrevolver an die Schläfe, die Kammern sind zur Hälfte leer, zur Hälfte voll und die vom Gericht auf Seite 5 genannten Problembereiche, also Standort, Emissionen, Raumordnung, Natur-, Wasser- und Bodenschutz, sind die Kugeln. - So und nicht anders interpretiere ich die Antworten auf unsere Fragen 11 bis 20, die im Übrigen auch etwas oberflächlich ausgefallen sind.

Man beachte: Angesichts der prozessualen Lage - Chancen wohlgemerkt 50 : 50 - wollen Sie erstens Initiativen zur Verbesserung der prozessualen Situation nicht ergreifen. Solche, so Ihre Antwort auf unsere Frage 20, sind nicht beabsichtigt.

Zweitens - so Ihre Antwort auf unsere Fragen 13, 14, 17 und 18 -: Auswirkungen rechtlicher, tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art, etwa im Hinblick auf die Entwicklung der Bodenpreise im Baufeld Ost und die Bereitschaft von Unternehmen, sich dort anzusiedeln, oder auf die Nutzung anderer Flughafenstandorte, gebe es schlicht nicht. Belastbares Zahlenmaterial führen Sie dafür nicht an.

Drittens - so Ihre Antworten auf die Fragen 15 und 16 -: Keine Initiativen für den Fall des Scheiterns des Projekts vor Gericht und für die Sicherstellung des zukünftigen Verkehrsbedarfs ergreifen.

Schließlich viertens: Auf unsere Frage 11, welches finanzielle Risiko mit weiterhin zulässigen Maßnahmen verbunden ist,

nicht - oberflächlicher geht es wohl kaum, meine Damen und Herren von der Regierungsbank -, die konkreten Kosten dieser einzelnen Maßnahmen, sondern nur die gesamte Zuweisung von 80 Millionen Euro für die Gesellschaft...

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Mein letzter Satz: Davon sollen 30 Millionen Euro auf Brandenburg entfallen.

Wir als DVU-Fraktion erwarten von Ihnen als Landesregierung schlichtweg nichts anderes als das, was redlichen Unternehmern, Kaufleuten und Handwerkern üblicherweise abverlangt wird - der Situation angemessenes und sorgfältiges Handeln.

(Beifall bei der DVU)

Ich beende die Aussprache. - Damit ist die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 6 der DVU-Fraktion zur Kenntnis genommen und ich schließe Tagesordnungspunkt 9.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Ergebnisse der Polizeistrukturreform

Große Anfrage 5 der Fraktion der PDS

Drucksache 4/929

Antwort der Landesregierung

Drucksache 4/1570

Ich eröffne die Aussprache. Zunächst spricht der Abgeordnete Scharfenberg von der Fraktion der Linkspartei.PDS. Bitte, Herr Scharfenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung beantwortet die Große Anfrage der Linkspartei.PDS zu den Ergebnissen der Polizeistrukturreform mit einem Erfolgsbericht, der frei ist von kritischen, sprich: selbstkritischen, Bemerkungen. Sie geht damit hinter den Evaluierungsbericht vom März 2005 zurück, der zumindest noch auf einige offensichtliche Defizite der Reform hinweist, wie die Schwächen des Schichtsystems und des Berichtswesens. Dieser Unfehlbarkeitsanspruch des Innenministers muss letztlich von den Bediensteten der brandenburgischen Polizei ausgebadet werden.

Die Reform hatte einerseits eine Erhöhung der Polizeipräsenz, der Bürgernähe und der Bürgerfreundlichkeit und andererseits eine Teilnahme der Polizei an den Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen im Personalkostenbereich zum Ziel. Folgt man der Sichtweise der Landesregierung, so ist diese Quadratur des

Kreises gelungen. Der Innenminister versorgt sich selbst ausreichend mit Lob, indem festgestellt wird: „Die Reform war ein großer Erfolg.“

Es wird Sie nicht überraschen, dass wir dieser euphorischen Betrachtungsweise nicht folgen. Wer mit offenen Augen durch das Land geht, kann die kritischen Meinungen nicht überhören, die vor allem innerhalb der Polizei geäußert werden. Ich hätte mir schon gewünscht, dass sich das auch in der Einschätzung der Landesregierung widerspiegelt.

Zu den Fragen im Einzelnen. Ich beginne mit dem Guten. Die positive Einschätzung zur Erhöhung der Bürgernähe kann im Wesentlichen geteilt werden. Insbesondere die Ausstattung einiger Polizeiwachen mit Bürgerservicebereichen ist eine deutliche Verbesserung. Das betrifft bisher allerdings nur drei von 54 Wachen.

Zu Frage 2 stellt die Landesregierung eine Erhöhung der Polizeipräsenz fest und belegt dies mit einem Anstieg des Anteils der Bediensteten im bürgerorientierten Polizeidienst um 269.

Dem möchte ich entschieden widersprechen. Das zentrale Ziel der Polizeireform, mehr Grün auf die Straße zu bringen, ist nicht erreicht worden und es konnte angesichts der Rahmenbedingungen auch nicht erreicht werden. Dies wird mit eher propagandistischen Winkelzügen kaschiert, statt nüchtern die Wahrheit zu sagen. So heißt es zu Frage 10, dass sich die Stellenausstattung der Schutzpolizei in den Polizeiwachen und der Kriminalpolizei in den Schutzbereichen erhöht habe. Es wird jedoch nicht gesagt, dass diese Erhöhung eine Folge der Zusammenlegung von Schutzbereichen bzw. der Verlagerung von Aufgaben und Personal aus den Polizeipräsidien in die Schutzbereiche ist. Das heißt: Der dargestellte Personalzuwachs wird durch einen Aufgabenzuwachs kompensiert.

Die Gesamtbilanz der Landesregierung zu Frage 11 weist einen Zuwachs der Stellen im Wach- und Wechseldienst von 530 im Jahre 2001 auf 559 im Jahre 2004 aus. Bei genauerem Hinsehen wird erkennbar, dass es seit 2001 in 18 Polizeiwachen eine Verstärkung gegeben hat, während der Wach- und Wechseldienst in 27 Wachen reduziert worden ist. Zudem wird der ausgewiesene Zuwachs um 29 Stellen dadurch erheblich relativiert, dass 65 Stellen in den neu gebildeten Autobahnwachen, die ja nur für diese spezifische Tätigkeit zur Verfügung stehen, hier einfach eingerechnet werden.

Die Bilanz spiegelt den Stand von Ende 2004 wider. Bisher sind von den ursprünglich 725 einzusparenden Stellen noch 325 Stellen offen, die bis 2006 noch wegfallen werden. Wenn von diesen 725 Stellen 500 beim Polizeivollzugsdienst liegen, aber keinesfalls so viele Stellen bei der Polizeiführung gestrichen werden können, so kann es schon von daher nicht mehr Grün auf der Straße geben.

Hinzu kommen in den Folgejahren weitere 585 Stellen, die eingespart werden sollen. Dies wird sich selbstverständlich negativ auf die Stärke des Wach- und Wechseldienstes auswirken, auch wenn die Landesregierung bemüht ist, das aus ihrer Antwort herauszuhalten.

Zu Frage 12 vermeldet die Landesregierung stolz einen Zuwachs der Anzahl der Revierpolizisten um 50 Bedienstete. Jetzt ist keine Rede mehr davon, dass Herr Schönbohm ur

sprünglich eine Verstärkung um 200 Stellen angekündigt hat, womit sich die Anzahl der Revierpolizisten von 530 auf 730, als um fast 40 %, erhöht hätte. Aber auch dieses Schmeckerchen der Reform ist auf der Strecke geblieben. Was bleibt also von der großspurig verkündeten Erhöhung der Polizeipräsenz außer fragwürdigen Durchschnittsrechnungen?

Andererseits ist das Innenministerium stolz darauf, einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung geleistet zu haben. Aber auch hier bleibt die Antwort sehr allgemein. Die zu Frage 27 aufgeführten Einsparungseffekte bei den Personalausgaben sind nur darstellbar, indem die Personalkosten bereinigt werden. So ist für 2004 im Vergleich zu 2001 eine Erhöhung der Personalkosten um real 6,1 Millionen Euro zu ersehen, die durch Herausnahme der Besoldungs- und Tariferhöhungen zu einer Einsparung von 26,8 Millionen Euro wird. Das spiegelt sich jedoch in keiner Weise im Einzelplan 03 für das Jahr 2004 wider. Dieser ist im Gegenteil um 58 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr kräftig erhöht worden. Erst für 2005 sind gegenüber 2004 Kürzungen um knapp 15 Millionen Euro eingeplant. Die angekündigten Einsparungen sind somit eher fiktiv. Bei nüchterner Betrachtungsweise bleibt zudem festzustellen, dass das durch die Reduzierung der Anzahl der Polizeipräsidien zu erreichende Einsparpotenzial schon abgeschmolzen ist.

Während die Einsparungen bis 2009 bisher nicht greifbar sind, so die Antwort der Landesregierung, ist ganz sicher, dass die Reform mit erheblichen Aufwendungen verbunden ist. Diese liegen insbesondere auf der investiven Seite. Der Umzug des LKA nach Eberswalde und der Umzug der Fachhochschule der Polizei nach Oranienburg sind kostspielige Ausgleichsmaßnahmen für den Wegfall der Polizeipräsidien an diesen Standorten. Eine Entwicklung an dem bisherigen Standort Basdorf wäre mit Sicherheit kostengünstiger gewesen. Aber wir haben es ja. Allerdings hält sich die Landesregierung auch in dieser Frage bedeckt, indem sie unter Missverständnis der Fragestellung nicht die Kosten für die baulichen Maßnahmen, sondern die reinen Umzugskosten darstellt. Es zeichnete sich jedoch ab, dass die im Haushalt vorgesehenen Investitionssummen in Höhe von 58 Millionen Euro keinesfalls unterschritten werden. Damit ist der Investitionshaushalt bis 2012 vorbelastet. Es mutet fast lächerlich an, wenn diese hohen Aufwendungen 15 Jahre nach der Wende damit begründet werden, dass ein großer Teil polizeilicher Liegenschaften in katastrophal schlechtem Zustand von der Volkspolizei übernommen worden sei.

Zum Stichwort „Mitarbeiterzufriedenheit und Einbeziehung der Mitarbeiter“. Auch hier hat die Landesregierung einen verklärten Blick. Sie berichtet von 875 Workshops unter Teilnahme von 8 793 Bediensteten. Es ist aber nicht erstaunlich, wenn das heute von vielen als Alibiveranstaltung und vertane Zeit betrachtet wird, da die geäußerten kritischen Meinungen und Vorschläge in der Regel keine Berücksichtigung fanden.

Während die Landesregierung eine eindeutige Einschätzung vermeidet, stellen die Gewerkschaften übereinstimmend fest, dass die Mitarbeiterzufriedenheit durch die Reform deutlich gesunken ist. Offensichtlich ist auch die Landesregierung dieser Auffassung. Denn wie sonst erklärt sich die Verschiebung einer Befragung der Polizeibediensteten, die eigentlich schon im Jahre 2004 stattfinden sollte, auf frühestens Ende dieses Jahres?

Außerordentlich kritische Stimmen gibt es zum Berichtswesen in der Polizei. Das bezieht sich insbesondere auf die Einfüh

rung des Personalressourcenverbrauchssystems proweb.sax. Dadurch ist der administrative Aufwand in den Schutzbereichen und Wachen erheblich angestiegen, während der Nutzen für die Bediensteten im Polizeivollzug nicht erkennbar ist. Insofern ist prinzipiell die Frage zu stellen, ob und inwieweit eine Verbrauchs- und Kostenbewertung im Polizeivollzug überhaupt Sinn macht. In jedem Fall ist es erforderlich, dass sich das Ministerium mit seinen Vorgaben stärker auf die Gegebenheiten in den Schutzbereichen und Wachen einstellt.

Es bleibt kritisch anzumerken, dass die Landesregierung keine konkreten Angaben zu den in den nächsten Jahren geplanten Neueinstellungen macht und damit die Forderung der Gewerkschaften nach einem Einstellungskorridor ignoriert. Unbefriedigend sind auch die Aussagen zum weiteren Umgang mit Präventionsberatern oder zur Einführung von Kriminalwachen. Die Landesregierung lässt alles offen und darf sich deshalb auch nicht wundern, wenn die Missstimmung in der Polizei zunimmt.

Ich komme zum Schluss. Die Polizeistrukturreform ist mit viel Druck und letztlich nur dank eines hohen Engagements der Polizeibediensteten umgesetzt worden. Der von der Landesregierung vermeldete Erfolg auf der ganzen Linie geht an der Realität vorbei. Mit diesem krampfhaften Bemühen um die Vermittlung eines makellosen Bildes wird der Innenminister der realen Problemsituation nicht gerecht.

Die Diskussion um die angedeutete Schließung von Polizeiwachen, um mögliche Kürzungen im präventiven Bereich usw. muss offen geführt werden. Dazu gehört auch die Frage, ob die Einführung der Autobahnpolizei - ein gehätscheltes Kind der CDU - wirklich eine sinnvolle Maßnahme war. Die Landesregierung muss sich darüber im Klaren sein, dass die körperliche Präsenz der Polizei nicht durch Effektivitäts- und Effizienzsteigerung zu ersetzen ist. Wir werden uns darüber unterhalten müssen, welche Aufgabenfelder im repressiven und präventiven Bereich künftig wegfallen sollen. Die eigentlichen Auseinandersetzungen um die Zukunft der brandenburgischen Polizei stehen noch bevor.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)