Protocol of the Session on March 2, 2005

Den Vorwurf der Bundesregierung, dass es absichtlich einen Verschiebebahnhof in Richtung ALG-II-Empfänger gegeben hat, weise ich - wie die Kommunen - zurück. Auch diesbezüglich muss man sich die Zahlen genau ansehen. Wir wissen, dass es falsche Zuordnungen gegeben hat, weil die Aktenlage zum Teil noch ungenau war und die Kenntnisse der Bearbeiter noch nicht ausreichend waren. Das wird sich in den nächsten Wochen stark relativieren; die Zahlen werden auf eine solide Basis gestellt.

Man sollte mit gegenseitigen Vorwürfen sehr vorsichtig sein; sie dienen weder der Reform noch den Betroffenen. Die Rückforderungen der Bundesregierung stehen auf wackligen Füßen. Der Standpunkt der Landesregierung dazu ist, dass man auf der Basis der realen Zahlen diskutieren und nicht vorab solche Forderungen aufmachen sollte. Nach meiner Kenntnis wurden bislang keine konkreten Rückforderungen an die Kommunen gerichtet und existiert außer der mündlichen Ankündigung nichts Konkretes.

Was den Anteil der älteren Arbeitslosen in der seit gestern vorliegenden Statistik betrifft, biete ich Ihnen, Frau Enkelmann, an, Ihre Zahlen mit den mir vorliegenden zu vergleichen. Der Anteil der Zielgruppen, die uns besonders am Herzen liegen und denen unser besonderes Augenmerk gilt, nämlich die unter 25-Jährigen, die Frauen und die Arbeitslosen über 55 Jahre, ist in der Arbeitslosenstatistik rückläufig. Die Ursachen dafür

werden analysiert. Es gibt sicherlich einige Gründe, die zum Beispiel darin liegen, dass sie aus dem System und damit aus der Statistik herausgefallen sind. Das muss man sich sehr genau ansehen.

Danke. - Ich darf daran erinnern, dass die Anmeldung von Nachfragen nur während der Beantwortung der Frage und nicht während der Beantwortung von Nachfragen erfolgen kann. Das ist in der neuen Geschäftsordnung ausdrücklich so geregelt.

Es liegen noch drei Wortmeldungen vor. Herr Otto spricht als Nächster.

Herr Präsident, ich dachte, Ihre Nachsicht reiche heute etwas weiter, sehe jedoch, dass sie Grenzen hat.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Frau Ministerin, Sie haben verdeutlicht, dass sich gegenwärtig vieles, auch was die Mittel für die Kommunen angeht, im Fluss befindet. Für uns ist interessant, von Ihnen zu erfahren, ob die den Kommunen vom Bund zugesagte Entlastung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro auch in unseren Kommunen realisiert wird. Sie haben deutlich gemacht, dass es Mehrbedarf gibt. Im Bund stellt sich die Situation so dar, dass Mittel ganz anders verteilt bzw. zurückgefordert werden.

Meine erste Frage lautet daher: Halten Sie die Entlastung der Kommunen, die der Bund angekündigt hat, für realistisch?

Meine zweite Frage: Sie haben gesagt, dass die verschiedenen finanziellen Mittel gegenseitig deckungsgleich sind. Das Problem ist gegenwärtig, dass der Eingliederungstitel den Kommunen eigentlich viel zu geringe und deutlich weniger Möglichkeiten lässt, das gesamte Kompendium arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen einzusetzen und dabei auch zu beachten, dass Mehraufwandsentschädigungen nachgeordnet eingesetzt werden. Alle anderen Maßnahmen - das wissen wir - sind teurer. Wie schätzen Sie die Auswirkungen ein? Halten Sie es nicht für geboten, die Finanzausstattung der Kommunen nicht erst im zweiten Halbjahr oder am Ende dieses Jahres, sondern viel zeitiger zu klären?

Die versprochene und im Gesetz fixierte Entlastung der Kommunen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro muss man differenziert betrachten. Es ist eine Entlastung für die Kommunen, die bundesweit greift. Ein riesengroßes Problem besteht darin, dass diese Entlastung möglicherweise - noch nicht erwiesenermaßen - für das Land Brandenburg nicht eintritt. In diesem Fall gibt es jedoch - dies wurde im Vermittlungsausschuss protokollarisch festgehalten - die eindeutige Ansage, dass, wenn ein Land ins Hintertreffen gerät und keine Entlastung erfährt, nachverhandelt und nachgesteuert werden muss. Dies dann zu tun wird gegebenenfalls unsere Aufgabe sein. Nach den Januar-Zahlen der Abflüsse der Kosten für die Unterkunft ist das noch nicht belegbar. Auch da brauchen wir eine solidere Zahlenbasis. Das werden wir verfolgen.

Fakt ist: Die Reform kann nur gelingen, wenn die Kommunen in die Lage versetzt werden, sich zu entlasten und damit auch wieder öffentliche Aufträge zu erteilen. Auch das ist ein Grundpfeiler der Reform, an dem wir festhalten.

Zur Frage bezüglich der Eingliederungsmittel: Derzeit ist der Mittelabfluss leider noch nicht so, wie wir ihn uns vorstellen. Das hängt damit zusammen, dass die Arbeitsmarktprogramme noch nicht voll in Gang gesetzt worden sind. Sie haben richtigerweise gesagt, MAE, Zusatzjobs mit Mehraufwandsentschädigung, sollen nachrangig - vor allem für Jugendliche - als allerletztes Mittel eingesetzt werden. Die Aufteilung der Budgets obliegt den ARGEn und den Optionskommunen. Sie sind dabei, ihre Arbeitsmarktprogramme aufzustellen. Wir werden uns auch das nach dem Halbjahr ansehen. Wir werden die Optionskommunen und Arbeitsgemeinschaften wieder besuchen und uns die Arbeitsmarktprogramme vorstellen lassen. Die Wirkung wird schon nach einem halben Jahr sichtbar werden. Die ARGEn und die Optionskommunen sind bereits erfolgreich, was die Vermittlung angeht. Sicherlich sind die Erfolge noch nicht so, wie wir sie uns vorstellen und wünschen, aber es wird stramm daran gearbeitet. Dort ist auch der Wettbewerb zwischen den Arbeitsgemeinschaften und den Optionskommunen darüber ausgebrochen, wer das bessere Modell fährt. Das ist ein guter Wettbewerb, weil die Ergebnisse den Arbeitslosen zugute kommen. Das ist die Hauptsache.

Bitte, Herr Domres.

Ich habe zwei Nachfragen. Erstens: Minister Clement hat sich in der vergangenen Woche dahin gehend geäußert, dass sich der Bund nicht, wie versprochen, mit 29,1 %, sondern nur noch mit 4,5 % an den Kosten der Unterkunft beteiligen wird. Wie bewerten Sie diese Ankündigung oder Drohung?

Zweitens: Sie haben selbst erklärt, dass es mehr Bedarfsgemeinschaften und ALG-II-Empfänger gibt, als prognostiziert worden ist. Das heißt - es gab ja schon im vergangenen Jahr den Streit über die Datenlage im Hinblick auf die Hartz-IV-Gesetzgebung insgesamt -, dass es mehr ALG-II-Empfänger im System und in den Arbeitsgemeinschaften gibt, als angenommen worden ist. Das heißt aber auch, dass das Eingliederungsbudget viel zu gering angesetzt worden ist. Halten Sie es deshalb nicht für angezeigt, im Interesse der Kommunen und der Betroffenen schon vor der Sommerpause nachzusteuern, sodass die Arbeitsmarktpolitik in den Optionskommunen zum Tragen kommen kann?

Zu Clements Drohungen, wie Sie sie nennen, sage ich nicht mehr viel, weil alles an Verlautbarungen etwa dahin gehend, dass etwas gekürzt werden solle, auf einer Zahlenbasis beruht, die auf keinen Fall haltbar sein wird. Deshalb ist es richtig, dass wir uns an die Revisionstermine und den Termin zur Mitte der Jahres halten, wenn eine solide Zahlenbasis vorhanden ist. Daran halte ich fest. Die Zeit bis dahin sollten wir uns nehmen.

Damit komme ich zu Ihrer zweiten Frage. Alle uns bis jetzt vorliegenden Erkenntnisse beruhen auf den Erfahrungen von

zwei Monaten mit Hartz IV. Bekanntlich gibt es noch eine Reihe von Widerspruchsverfahren. Auch diese müssen wir zunächst einmal einigermaßen im Griff haben, müssen sehen, was daraus wird, ob sie gerechtfertigt oder nicht gerechtfertigt sind. Auch damit wird sich die Grundlage für die Entscheidungen verändern. Deshalb lehne ich es ab, jetzt vorfristig irgendwo nachzusteuern, weil wir möglicherweise wiederum zwei Monate später feststellen, dass das genau in die falsche Richtung gegangen ist.

Danke. - Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Schröder.

Ich unterstütze das. Wir können in der Tat erst dann seriöse Nachforderungen stellen, wenn verlässliche Daten vorliegen. Das hat die Ministerin hier zu Recht ausgeführt.

Meine Frage bezieht sich auf die bundesweite Meldung, die wir jetzt zur Kenntnis nehmen, dass insbesondere die Optionskommunen der Regionaldirektion die Daten nicht pünktlich melden.

Erstens: Können Sie für Brandenburg bestätigen, dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, der ALG-II- und der Sozialgeldempfänger noch nicht feststeht?

Zweitens: Sind Sie mit mir einer Meinung, dass wir dann, wenn wir über Hartz IV reden, den Fokus in stärkerem Maße auf die Betroffenensicht lenken müssen und uns nicht ständig über Struktur- und Finanzfragen austauschen dürfen?

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Sind ältere Arbeitslose kei- ne Betroffenen? Für Sie wahrscheinlich!)

Ich höre den Vorwurf bezüglich der Optionskommunen immer wieder und habe das auch schon mit dem Chef der Regionaldirektion, Herrn Seutemann, besprochen. Die Optionskommunen sagen: Nein, wir liefern nach. - Es gab am Anfang Schwierigkeiten, aber die gab es auch im umgekehrten Fall. Die Akten sind ja sehr spät bei den Optionskommunen gelandet und mussten dort erst aufgearbeitet werden. Wir halten das unter Beobachtung. Wenn es tatsächlich entsprechende Anzeichen gibt, werden wir dort auch tätig werden. Für den gegenwärtigen Zeitpunkt bitte ich allerdings darum, dass die Akteure, die sich mit den schwierigen Themen beschäftigen müssen, nicht mit Vorwürfen ständig unter Druck gehalten werden.

Vielmehr sollten - damit komme ich zu Ihrer zweiten Frage die Betroffenen in den Mittelpunkt rücken. Wir sollten zusehen, dass wir in stärkerem Maße in die Vermittlungsphase kommen und dass wir auch das Versprechen der Reform halten, allen Jugendlichen unter 25 Jahren bis Ende März ein Angebot zu machen. Das ist ein großer Anspruch, den sich die Optionskommunen und die Arbeitsgemeinschaften gestellt haben. Das sind die primären Interessen. Damit fangen wir an, das in die richtige Richtung zu steuern. Die Philosophie, mit der wir das Ganze umkehren, besteht darin, dass wir uns nicht mehr arbeitsmarktpolitische Maßnahmen einfallen lassen, Budgets dafür aufstellen und die Arbeitslosen den Trägern zu

ordnen, sondern dass wir die Arbeitslosen auch in ihrem sozialen Umfeld betrachten und fragen, was sie brauchen, um eine bessere Chance auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. Damit wird der Ansatz umgekehrt und werden die Betroffenen in die Mitte der Betrachtung gestellt. Das ist gut und richtig so. Daran arbeiten alle am Arbeitsmarkt Beteiligten sehr stramm.

Ergebnisse der Hartz-IV-Reform können wir weder nach zwei Monaten noch nach fünf Monaten realistisch beurteilen. Das ist frühestens nach einem Jahr möglich. Eine solche Reform, mit der wirklich eine Wandlung in der Gesellschaft herbeigeführt wird, muss man mit Geduld angehen. Natürlich muss man auch noch vieles korrigieren, was am Anfang nicht zu erkennen war.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin Ziegler. - Damit sind wir bei der Frage 197 (Gedenkveranstaltung zum 90. Jahrestag des Völ- kermordes an den Armeniern), die vom Abgeordneten Dr. Niekisch gestellt wird.

Am 23. April 2005, dem Vorabend des 90. Jahrestages des Beginns des Völkermordes an den Armeniern, wird im Berliner Dom eine zentrale Gedenkveranstaltung mit Bischof Wolfgang Huber, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, aus diesem Anlass stattfinden. Wie andere bin auch ich der Meinung, dass bestimmte Irritationen und auch Verstimmungen der letzten Zeit seitens der Armenier diplomatisch gut aus der Welt geschafft werden könnten, wenn die Landesregierung an dieser Veranstaltung teilnähme.

Deshalb frage ich die Landesregierung: Werden der Ministerpräsident und der Bildungsminister am 23. April bei der Veranstaltung im Berliner Dom sein, wenn sie dazu eingeladen werden?

Vielen Dank. - Der Bildungsminister wird antworten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Niekisch, ich kann es kurz machen. Zur Sache werde ich mich im Rahmen der Behandlung des Tagesordnungspunktes 12 heute Nachmittag noch äußern. Deshalb möchte ich auf Ihre Frage hin nur zwei kurze Anmerkungen machen.

Weder dem Büro des Ministerpräsidenten noch meinem Büro liegt bisher eine Einladung zu der genannten Veranstaltung vor. Wenn eine solche Einladung noch ausgesprochen werden sollte, werden wir darüber entscheiden, und zwar angemessen.

Damit komme ich zu dem Stichwort „Abbau von Irritationen und Verstimmungen“. Wie Sie sicherlich der Presse entnommen haben, hat es am 8. Februar ein Gespräch des Ministerpräsidenten und des Bildungsministers mit der armenischen Botschafterin und hochrangigen Vertretern der armenischen Kirche in Deutschland sowie des Zentralrats der Armenier ge

geben. In der anschließenden Pressekonferenz hat sich die Botschafterin Armeniens erfreut darüber geäußert, dass jetzt sämtliche Irritationen ausgeräumt sind.

So viel dazu. - Danke.

Danke. - Damit sind wir bei der Frage 198 (Beobachtung von Landtagsfraktionen durch den „Verfassungsschutz“), die vom Abgeordneten Claus gestellt wird.

Der Zeitschrift „Focus“, Ausgabe 8/05, welche sich in einem Artikel mit der DVU-Fraktion beschäftigte, war die Behauptung zu entnehmen, die Abgeordneten unserer Fraktion versuchten, sich über Sachthemen im Landtag zu profilieren, die ihnen nach Ansicht von Verfassungsschützern aus der Münchner Parteizentrale diktiert würden. Nach Aussage des Innenministeriums werden die Mitglieder und Mitarbeiter von im Landtag vertretenen Fraktionen, so auch die der DVU-Fraktion, nicht vom „Verfassungsschutz“ überwacht.

Ich frage die Landesregierung: Woher hat die Abteilung V „Verfassungsschutz“ - des Ministeriums des Innern ihre der Presse zugespielten Informationen, wenn unsere Fraktion von ihr nicht beobachtet wird?

Die Frage wird vom Innenminister beantwortet. Bitte, Herr Minister Schönbohm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Claus, der „Focus“ schreibt: Die Abgeordneten versuchen, sich über Sachthemen im Landtag zu profilieren, die ihnen nach Ansicht von Verfassungsschützern aus der Münchner Parteizentrale diktiert werden. - Hier ist also die Rede von Verfassungsschützern. In Deutschland gibt es sehr viele Verfassungsschützer außerhalb Brandenburgs. Von daher ziehen Sie hier einen echten Kurzschluss.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich verweise darauf, dass in allen öffentlich zugänglichen Publikationen der Verfassungsschutzbehörden Einschätzungen zur Rolle der Parteizentrale in München nachzulesen sind. Vielleicht lesen Sie also noch einmal nach, um sich klarzumachen, ob das, was in den Verfassungsschutzberichten zu lesen ist, zutrifft. Ich denke, dass das der Fall ist.

(Beifall bei der SPD)

Die Abgeordnete Fechner hat noch Aufklärungsbedarf.

Erstens: Herr Minister Schönbohm, haben Sie konkrete Beweise für die Richtigkeit der Behauptung, dass die parlamenta

rischen Vorlagen unserer DVU-Fraktion in München diktiert werden?