Protocol of the Session on May 13, 2004

Auch die Generalsekretärin der FDP, Cornelia Pieper, äußerte sich in gleicher Weise. Der „Sächsischen Zeitung“ erklärte sie, die FDP habe bereits vor drei Jahren eine entsprechende überparteiliche Initiative gestartet, aber sehr wenig Reaktion erhalten. Ihre Partei habe auch Bundespräsident Johannes Rau zu einer überparteilichen Initiative aufgerufen, um eine Direktwahl zu ermöglichen.

Die FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher, welche jahrzehntelang die Politik der FDP an entscheidender Stelle mitgeprägt hat, bezeichnete in einer Diskussionsrunde des Bayerischen Fernsehens das Nominierungsverfahren eines gemeinsamen Kandidaten von Union und FDP als schädlich für die Demokratie und als - so wörtlich - „Parteienoligarchie“ und trat vehement für die Volkswahl des Bundespräsidenten ein.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im baden-württembergischen Landtag, Winfried Kretschmann, schließlich erklärte am 3. März dieses Jahres wörtlich:

„Wir beteiligen uns grundsätzlich nicht an diesem unwürdigen und beschämenden Vorgang, der nur dazu beiträgt, das Ansehen des Amtes zu beschädigen.“

In der Folge dieses Parteienstreites - so Kretschmann weiter müsse man ernsthaft eine Volkswahl des Bundespräsidenten ins Auge fassen. Dies mache aber nur Sinn, wenn es zu einer mäßigen Erweiterung der Befugnisse des Bundespräsidenten komme.

All dem, meine Damen und Herren, haben wir als DVU-Fraktion eigentlich nichts hinzuzufügen. Wir als DVU-Fraktion jedenfalls glauben, dass der allgemeinen Politikverdrossenheit durch eine Volkswahl des obersten Repräsentanten entgegengewirkt werden könnte.

In Frankreich, Russland, Polen, Österreich und vielen anderen Ländern wird das Staatsoberhaupt vom Volk gewählt. Es ist also durchaus nicht so, dass nur die präsidialen oder semipräsidialen Systeme, in denen die realen Machtbefugnisse beim Staatsoberhaupt liegen - Beispiel Frankreich -, dieses durch Volkswahl gewählt wird, sondern zum Beispiel auch in Österreich der dortige Bundespräsident, obwohl in Österreich bei stabilen Mehrheitsverhältnissen die wirkliche Macht beim Bundeskanzler und nicht beim Bundespräsidenten liegt.

Machen wir es also den Österreichern nach, welche kürzlich

ihren Bundespräsidenten, übrigens den Sozialdemokraten Fischer, meine Damen und Herren von der SPD, direkt vom Volk wählen ließen, und führen wir endlich auch in der Bundesrepublik Deutschland die Volkswahl des Bundespräsidenten ein!

Der Souverän, das deutsche Volk, wird es uns danken, und Sie dürfen sich namentlich äußern.

(Beifall bei der DVU)

Wir sind am Ende der Rednerliste und kommen zur Abstimmung. Die DVU hat frist- und formgerecht namentliche Abstimmung über den Antrag in Drucksache 3/7470 beantragt. Deshalb bitte ich die Schriftführer um einen vernehmlichen Namensaufruf und die jeweils Votierenden um ein klares Votum.

(Namentliche Abstimmung)

Hatte jemand der Anwesenden keine Gelegenheit zu votieren? - Dann bitte ich um einen kurzen Moment Geduld für die Auszählung.

Ich gebe Ihnen das Ergebnis bekannt: Für den Antrag stimmten fünf Abgeordnete, dagegen 58. Da sich niemand der Stimme enthielt, heißt das: Mehrheitlich abgelehnt!

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 6725)

Ich kann damit Tagesordnungspunkt 12 schließen und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Zukunftssicherung für Brandenburger Milchviehbetriebe

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/7474

Dazu liegt Ihnen der Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und CDU in der Drucksache 3/7532 vor.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Frau Wehlan, bitte schön.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag zur Zukunftssicherung der Brandenburger Milchviehbetriebe ist eine Initiative, um über den Landtag und damit die Stimmen Brandenburgs im Bundesrat das Agrargesetz zur Umsetzung der gemeinsamen Agrarpolitik in entscheidenden Punkten zu verändern.

Sie erinnern sich, am 26. Juni 2003 wurden die Grundsätze zur Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik beschlossen. Der von Agrarkommissar Fischler beschworene „Beginn einer neuen Ära“ ist es aber nicht, wird doch die Liberalisierungspolitik mit der weiteren Weltmarktausrichtung der Landwirtschaft unbeirrt fortgesetzt. Wirklich neu ist ein verändertes Instrumentarium für die zukünftige Verteilung der Agrarförderung. Kernelement ist die Entkopplung der Einkommensstüt

zung der Landwirte von der Produktion. Künftig wird daran stärker die Einhaltung von Umwelt-, Tierschutz- und Qualitätsvorschriften gebunden.

Dieser Systemwechsel in der Agrarförderung, der die Landwirtschaft wettbewerbsfähiger und marktgerechter machen sowie umweltgerechte Erzeugungsverfahren sicherstellen soll, ist notwendig. Gleichermaßen müssen aber die nationalen Entscheidungsspielräume besser genutzt werden - so meinen wir -, damit die Umschichtungen nicht abrupt, sondern in einem mehrjährigen Übergang erfolgen. Diese Chance hätte Deutschland mit dem Agrargesetz zur nationalen Umsetzung der Agrarreform. Nur so kann Arbeit und Einkommen im ländlichen Raum gesichert werden.

Diese besonders für die Brandenburger Rindfleischproduzenten und die Milchviehbetriebe so wichtige Antwort gibt das rot-grüne Gesetz zur nationalen Umsetzung der Agrarreform nicht. Damit konterkariert Rot-Grün seine eigene Koalitionsaussage, sich „für einen höheren Tierbestand in Ostdeutschland einzusetzen, um Wertschöpfung wieder verstärkt in ländlichen Regionen Ostdeutschlands anzusiedeln.“ Das ist ein Wortbruch, der besonders die strukturschwachen ländlichen Regionen Brandenburgs trifft und für Rindfleisch- und Milchproduzenten angesichts des Preiskampfes auf dem Milchmarkt doppelt wirkt.

Auf der Protestkundgebung der über 1 500 Bäuerinnen und Bauern in Paaren/Glien wurde die Rechnung aufgemacht:

So fiel Anfang 2004 der Milchpreis für die Erzeuger auf 27,7 Cent je Kilogramm Milch und damit auf den niedrigsten Wert seit 1977. Das sind 4,3 Cent je Kilogramm weniger als noch vor drei Jahren. Es entstand ein Verlust von rund 58 Millionen Euro für Brandenburger Milchbauern.

Weitere Einkommensverluste drohen, da Discounter und der Lebensmitteleinzelhandel eine absolut aggressive Preispolitik betreiben. So sind beispielsweise die Preise für Butter, Schmand und Sahne seit Anfang des Jahres um jeweils 7 bis 10 % gesunken. Damit droht ein weiterer Einkommensverlust bei Milch von 1,5 Cent je Kilogramm.

Parallel zum Preissturz sind für die Erzeuger die Kosten für Energie, Futtermittel und Sozialbeiträge drastisch angestiegen. Diese Preisschere treibt Brandenburger Milchbauern in den Ruin. Man braucht kein Landwirt zu sein, um das zu begreifen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bereits in der Aktuellen Stunde zum Verbraucherschutz auf das eigentliche Problem aufmerksam gemacht. Denn von einem gerechten Preisverhältnis zwischen den Aufkaufpreisen, die der Landwirt erhält, und den Verkaufspreisen, die der Verbraucher zu entrichten hat, kann schon lange keine Rede mehr sein. Dazwischen liegen die eigentlichen Verdiener: hoch monopolisierte, international verflochtene Handelsketten. So werden Verbraucherpreise für Nahrungsmittel auf Kosten der Landwirte bewusst niedrig gehalten, um den Absatz zu sichern und um Verarbeitungs-, Lagerhaltungs-, vor allem aber Handelsmonopolen, wie die Statistiken zeigen, steigende Profite zu sichern.

Höhere Qualität wird gleich gar nicht honoriert. So verweisen die Milchbauern der Erzeugergemeinschaft Fläming-Milch mit Recht darauf, dass sie zwar mit der Produktion der Milch der Klasse „S“ einen höheren Kostenaufwand haben, dieser sich

aber nicht - und das trotz höherer Standards - im Preis widerspiegelt. Es liegt auf der Hand: In der Kombination von marktorientierten, begründeten Erzeugerpreisen, Leistungspreisen für ökologische und landeskulturelle Dienste und direkten Subventionen in ungünstigen Gebieten liegt letztendlich der Schlüssel zum Erfolg. Hier ist vor allem die Politik gefordert. Das wäre zugleich auch eine Antwort, um Ausgleichszahlungen der EU zu begrenzen bzw. schrittweise abzubauen, ohne damit die Existenz auch Brandenburger Bäuerinnen und Bauern bzw. landwirtschaftlicher Unternehmen zu gefährden.

Aber nicht nur diese Antwort bleibt Frau Künast schuldig. Schwer wiegt die rot-grüne Position im Agrargesetz, mit der Abschmelzung der betriebsindividuellen Prämienanteile für Tier- und Milchprämien auf die regional einheitliche Flächenprämie bereits ab 2007 zu beginnen. Die Milchviehbetriebe sind von der Agrarreform gleich dreifach betroffen: durch Interventionspreissenkung, durch eine Milchprämie, mit der die Preissenkung nur teilweise kompensiert wird, und durch negative Umverteilungseffekte aus der Abschmelzung der Prämie.

Hinzu kommt die von mir bereits beschriebene katastrophale Situation bei den Milcherzeugerpreisen. Deshalb ist die vom Bundesrat verlangte Verschiebung des Beginns der für 2007 vorgesehenen Prämienangleichung auf 2010 geboten. Diese würde den Betrieben die Anpassungszeit für ihre künftige Wettbewerbsfähigkeit und zur Vermeidung der Entwertung von Investitionen und Gesellschafteranteilen geben.

(Beifall bei der PDS)

Über eine progressive Gestaltung des Abschmelzungsprozesses der Milchprämie könnte der auf den Betrieben lastende hohe Anpassungsdruck weiter vermindert werden. Das ist für die Betriebe besonders wichtig, die im Vertrauen auf die Politik ihre Milchproduktion mit erheblicher Kreditaufnahme modernisiert haben. Es ist geboten, einen plötzlichen Liquiditätsentzug in großem Ausmaß zu vermeiden, da dieser nicht nur Betriebe mit unzureichender Rentabilität, sondern gerade die Milchproduktion in modernen, zukunftsfähigen Betrieben gefährden würde. Dem dient Punkt 1 unseres Antrags.

Zum Punkt 2 unseres Antrags: Nicht alle Betriebe mit Milchviehhaltung werden in der Lage sein, die künftigen Rentabilitätsanforderungen zu meistern. Sie werden deshalb gezwungen sein, aus der Milchproduktion auszusteigen. Da diese Betriebe jedoch in aller Regel im Vertrauen auf die Politik und angereizt durch die staatliche Unterstützung auch erhebliche Fördermittel investiert haben, ist es ihnen nicht zuzumuten, die Folgen des Systemwechsels in der Agrarförderung allein zu tragen.

Immerhin müssen sie schon für den Kapitaldienst der für die Milchproduktion aufgenommenen Kredite aufkommen und benötigen zugleich auch Liquidität für den Aufbau von Produktionsalternativen anstelle der aufgegebenen Milchviehhaltung. Eine Rückforderung von Fördermitteln wäre unter diesen Bedingungen politisch, aber auch wirtschaftlich unvertretbar.

Gestatten Sie mir abschließend noch einige Worte zum Entschließungsantrag der Koalition:

Der Konkretisierung zum rot-grünen Agrargesetz ist nichts hinzuzufügen; sie findet natürlich unsere Unterstützung. So

gesehen haben wir für die heutige Initiative der parlamentarischen Diskussion und den inhaltlichen Input gesorgt und Sie für die Konkretisierung unseres ersten Antragspunktes.

Dass Sie aber unseren zweiten Punkt zur Aufnahme des Grundsatzes, dass von Landwirtschaftsbetrieben, die ihre Milchproduktion wegen reformbedingter Liquiditätsprobleme einstellen müssen, keine Fördermittel für Investitionen in die Milchviehhaltung zurückgefordert werden, einfach ausblenden, kann ich Ihnen nicht einfach durchgehen lassen. Schließlich sind das Forderungen Brandenburger Milchbetriebe an die Politik und ich denke, die Brisanz dieser Problematik wird uns in der nächsten Woche auf dem Landesbauerntag mit aller Deutlichkeit aufgezeigt werden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Wehlan. - Ich gebe das Wort der Fraktion der SPD, Herrn Abgeordneten Dr. Woidke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Wehlan, ich habe mich schon sehr über den Antrag gefreut, habe aber auch bei mir gedacht, die PDS wandelt hier auf einem schmalen Grat, da sie zumindest mit einem Satz ihre Oppositionszulage riskiert. Den Satz möchte ich zitieren, weil er doch zu schön ist:

„Punkt 1. Die Landesregierung hat an ihrer Position festzuhalten.“

Das hatten wir noch nicht allzu oft, dass die Opposition die Landesregierung bittet, doch in ihrer Haltung stark und fest zu bleiben.

(Klein [SPD]: Auffordert! - Zurufe von der PDS)

Ich denke, alle die im Ausschuss für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung sitzen,