Wenn ich zur Mitte Potsdams gehe und deren Neugestaltung sehe, dann - finde ich - hat dort auch noch ein funktionsfähiger Parlamentssitz Platz. Er wäre nicht nur eine architektonische Herausforderung, sondern eine zusätzliche Attraktion für alle Brandenburger und ihre Hauptstadt.
Potsdam ist lebendige Kultur- und Wissenschaftslandschaft. Theater, Kabarett, Konzertsaal, Aktivitäten der freien Szene, die Wiege des europäischen Films belegen das.
Wir haben drei Hochschulen, über 20 000 Studierende in der Stadt; über 4 000 Wissenschaftler forschen und lehren hier. Rund 50 Forschungsinstitute gibt es in dieser Stadt - eine Wissenschaftsdichte, die in Deutschland ihresgleichen sucht.
Alle Bewerbungsgründe aufzuzählen scheint mir unmöglich, aber einen möchte ich gern noch nennen: Bürgerinnen und Bürger Potsdams unterstützen die Bewerbung mit einem Förderverein und diese Bürgerschaft hat die Schirmherrschaft über diese Veranstaltung übernommen!
Der Antrag des Hauptausschusses des Landtages sollte das Signal für alle Brandenburger sein, ihre Landeshauptstadt bei diesem chancenreichen und ehrgeizigen Vorhaben zu unterstützen. Der Glanz, der bei einem Sieg auf Potsdam fiele, strahlte für ganz Brandenburg, für das gesamte Land.
Eines ist sicher: Potsdam ist uns lieb und teuer. Nicht erst seit der Präsidiumsreise nach Graz und der Darstellung dieser Stadt als „Kulturhauptstadt Europas 2003“ ist klar, dass nach der hoffentlich erfolgreichen - Bewerbung Geld in die Hand genommen werden muss; denn zum Nulltarif ist dieser Titel nicht zu haben.
Ich bitte bei der Abstimmung um ein deutliches Signal der Unterstützung durch den Landtag. - Danke sehr.
Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit hat der Landtag Brandenburg einstimmig diesem Antrag seine Zustimmung erteilt.
Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Frau Hesselbarth, Sie haben das Wort.
Ehe Frau Hesselbarth am Rednerpult ist, möchte ich junge Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Schüler des Gymnasiums Senftenberg. Herzlich willkommen!
„Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“
Von Parteiengerangel, Lobbyismus, Interpatronage, Personalgezänk oder dem unwürdigen Geschiebe und Gezerre um den Kandidaten für die nächste Wahl des Bundespräsidenten, welche leider wiederum nur indirekt, also nicht durch das Volk erfolgt, steht im Grundgesetz nichts.
Man braucht sich also, meine Damen und Herren, angesichts solch unwürdiger Vorgänge über die derzeit herrschende Politik- und sogar Demokratieverdrossenheit weiter Teile des deutschen Volkes und insbesondere hier in Brandenburg nicht zu wundern. Nicht die so genannten bösen Rechten oder sonst wer sind es, die unsere verfassungsmäßige Ordnung beschädigen, sondern das politisch-gesellschaftliche Establishment,
ja genau die, die die Grundwerte unseres Grundgesetzes fast täglich buchstäblich mit Füßen treten. Ein Zitat:
„Die Demokratie beruht auf dem Recht jedes Einzelnen, sich an der Führung der öffentlichen Angelegenheiten zu beteiligen.“
Dies erklärte Dr. Heptulla, Mitglied des Indischen Oberhauses und Präsident des Interparlamentarischen Rates, anlässlich des 50. Geburtstages unseres Grundgesetzes am 23. Mai 1999. Doch dieses Prinzip wird leider seit Jahr und Tag durch die politische Wirklichkeit in unserem Lande konterkariert.
Sozial verantwortbare Demokratie der größtmöglichen politischen Freiheit für alle kann nach allen bisherigen theoretischen und praktischen Erkenntnissen nur in Form und auf der Basis einer Parteiendemokratie bestehen. Darin sind wir uns ja durchaus mit Ihnen einig. Gefordert ist somit eine repräsentativ-parlamentarische Grundstruktur, die jedoch durch plebiszitäre Elemente wie Volksbegehren, Volksentscheide sowie Volkswahl des Bundespräsidenten grundsätzlich erweitert werden muss.
Die repräsentative Demokratie als unabdingbare, aber zugleich auch unzureichende Form der Realisierung demokratischer Prinzipien erweist sich insbesondere dort als unzureichend, wo in Schicksalsfragen eines Volkes keine direkte demokratische Mitwirkungsmöglichkeit gegeben ist. Direkte demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten oder direkte Demokratie in Deutschland, wozu auch die Wahl des Bundespräsidenten durch das Volk gehört, müssen komplementär zur repräsentativen Verfassung hinzutreten, um der zunehmenden Politikverdrossenheit weiter Teile unserer Bevölkerung entgegenzutreten. Insbesondere darf das Amt des Bundespräsidenten nicht, wie kürzlich das Gerangel um den Bundespräsidentschaftskandidaten bewies, zum Spielball der Parteien werden. Stattdessen sollte der Bundespräsident fernab jeder Parteipolitik ein Volks
präsident und höchster Repräsentant unseres Staates sein, welcher seine Befugnisse auf eine breiteste Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Staates stützt.
Aus diesen Gründen fordern wir als DVU-Fraktion in Übereinstimmung mit führenden Verfassungsrechtlern, Politikern der Bundestagsparteien sowie der überwiegenden Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger eine Grundgesetzänderung zur Einführung der Volkswahl des Bundespräsidenten. - Zunächst bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage einer etwaigen Änderung des Artikels 54 Grundgesetz mit dem Ziel, den Bundespräsidenten künftig unmittelbar vom Volk wählen zu lassen, ist so bedeutsam und vielschichtig, dass wir eine grundlegende und ausführliche Debatte darüber führen müssten, um diesem diffizilen verfassungsrechtlichen Thema gerecht zu werden. Der vorliegende DVU-Antrag ist dafür jedenfalls nicht geeignet. Es kann im Augenblick nur um eines gehen, nämlich, der DVU klarzumachen: So nicht!
Dieser Antrag, meine Damen und Herren, ist mit der heißen Nadel genäht, unqualifiziert, unvollständig, nur auf populistische Effekthascherei gerichtet. Ich will das kurz begründen. Die Debatte um die Wahl des Bundespräsidenten wird seit dem vergangenen Jahr wieder außerordentlich kontrovers geführt. Die Hintergründe dafür sind allen klar.
Dafür, dass die Auffassungen weit auseinander gehen, sollen hier nur zwei Beispiele genannt werden. Altbundespräsident Roman Herzog ist strikt gegen eine Direktwahl und sprach sogar drastisch von - ich zitiere - „Blödsinn wie das Ungeheuer von Lochness“. Der amtierende Bundespräsident Johannes Rau befürwortet eine Direktwahl, plädiert aber für eine siebenjährige Amtszeit ohne die Möglichkeit der Wiederwahl.
Weitestgehend einig sind sich alle hinsichtlich der Forderung, nicht nur über den Wahlakt zu diskutieren, sondern auch die Kompetenzen und Aufgaben des Bundespräsidenten in die Überlegungen einzubeziehen. Dies ist vor dem historischen Hintergrund unserer Verfassung ein außerordentlich komplexes Thema. Der Blick auf die Historie kommt der DVU in ihrer kurzsichtigen Betrachtungsweise völlig abhanden.
Im Übrigen, meine Damen und Herren von der DVU, sind Ihnen beim Verfassen des Antrags peinliche Fehler unterlaufen. Anstatt von einem „Wahlbewerber“ zu sprechen, wird ein „Wahlwerber“ erwähnt. Schlimmer noch: Der neue Absatz 3 des Artikels 54 schafft größtmögliche juristische Unklarheit im Hinblick auf den zweiten Wahlgang. Der Gipfel der Zumutung allerdings ist jedoch folgender: Ein Blick ins Internet genügte, um festzustellen, dass zum Teil wörtliche Formulierungen des rechtsextremen Populisten Rolf-Josef Eibicht übernommen wurden.
Mein Fazit und meine Empfehlung an das Parlament: Ablehnung des Antrags. - Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Alle Macht geht vom Volke aus.“ - „Mehr Demokratie wagen.“ - Es ist schon so: Wenn es künftighin um die Inkraftsetzung einer europäischen Verfassung geht, nicht nur um die Inkraftsetzung der Brandenburger Verfassung - da durfte das Volk die Entscheidung treffen - lohnt es sich, über mehr Mitwirkungsmöglichkeiten des Volkes in dieser Demokratie nicht nur zu reden, sondern auch Entscheidungen herbeizuführen.
Ich weiß - und ich nehme an, auch die Kollegen der DVU wissen es -, dass dieser ganze Themenkomplex Gegenstand der Beratungen der Föderalismuskommission ist, die gegenwärtig mit Länderparlamentariern und Bundesparlamentariern zusammen tagt, um eine Entscheidung vorzubereiten, möglicherweise auch für die künftige Wahl von Bundespräsidenten in der Bundesrepublik Deutschland. Denn das hat ja etwas damit zu tun, welche Kompetenzen ein solcher hat. Ich gehe davon aus, dass auch wir in diesen Prozess einbezogen werden. Weil er gegenwärtig im Arbeitsstadium einer Kommission ist, sehe ich den Behandlungsbedarf in diesem hohen Hause nicht.
Ich gehe darüber hinaus davon aus, dass Ihnen nicht entgangen ist, dass der nächste Bundespräsident oder die nächste Bundespräsidentin in diesem Monat gewählt wird und damit erst einmal diese Initiative für den Zeitraum der nächsten fünf Jahre die entsprechende parlamentarische Begleitung finden kann. Ich würde mir wünschen, wir fänden die Kraft, einmal darüber zu reden, und zwar zu einer Zeit, wo dafür auch durch die Bund-Länder-Kommission für Föderalismus die entsprechende Arbeitsgrundlage gegeben ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehen wir diese nicht gegeben; der Antrag der DVU ist jedenfalls keine. Wir lehnen ihn ab. - Danke schön.
Die Landesregierung? - Sie verzichtet. Damit hat erneut die DVU-Fraktion das Wort. Bitte, Frau Hesselbarth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Homeyer hat schnell den Saal verlassen. Ich werde das nicht kommentieren. Und, Herr Vietze, sicherlich reden wir gern darüber.
Denn das Volk soll entscheiden, und zwar auch und gerade über die Wahl des höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Das fordern wir als DVU-Fraktion ebenso wie die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene, seitdem wir hier in diesem Landtag sitzen; das fordert die DVU seit ihrer Gründung.
Dass wir mit diesen Forderungen beileibe nicht allein stehen, zeigt die kürzlich durchgeführte Debatte über die Direktwahl des Bundespräsidenten. Über Parteigrenzen hinweg fordern Politiker aller Parteien eine Direktwahl des Bundespräsidenten. Der Bundestagsabgeordnete Joseph Winkler von den Grünen und Peter Gauweiler, CSU, haben in einer gemeinsamen Erklärung vor zwei Monaten eine Grundgesetzänderung gefordert, um den Bundespräsidenten in Zukunft vom Volk direkt wählen zu lassen.
Die Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer von den Grünen verlangte - so wörtlich -, „aus dem Geschachere um die Kandidatur Konsequenzen zu ziehen“. Sie bezeichnete den Vorgang bezüglich der Kandidatensuche als eine - so wörtlich - „demokratische Beleidigung“. Dies sei nur möglich gewesen, weil sich die Parteichefs darauf verlassen könnte, - so Frau Vollmer sinngemäß weiter -, dass die Vertreter der Bundesversammlung wie Zinnsoldaten dastünden.
Auch die Generalsekretärin der FDP, Cornelia Pieper, äußerte sich in gleicher Weise. Der „Sächsischen Zeitung“ erklärte sie, die FDP habe bereits vor drei Jahren eine entsprechende überparteiliche Initiative gestartet, aber sehr wenig Reaktion erhalten. Ihre Partei habe auch Bundespräsident Johannes Rau zu einer überparteilichen Initiative aufgerufen, um eine Direktwahl zu ermöglichen.