Protocol of the Session on April 1, 2004

Aber ich sage Ihnen jetzt einmal, weshalb ich hohen Blutdruck bekommen habe. Ich lese Ihnen Folgendes aus dem Gesetzentwurf der PDS vor:

„Hiermit soll die von den Regierungsparteien SPD und CDU verantwortete Rechtslage und Praxis in der ZAST abgestellt werden. Dies geschieht allerdings nicht im Sinne einer aktiven Teilnahme oder Gestaltung der bestehenden Abschiebungspolitik, sondern vielmehr in der Rolle des Anwalts der Interessen und schutzbedürftigen Rechte der betroffenen Menschen in der ZAST.“

Die PDS wirft uns vor, was sie selbst mit gestaltet hat - einstimmig!

(Zuruf von der CDU: Schamlose Populisten!)

Das ist das Problem. Wir sind den anderen Ländern der Bundesrepublik mit diesem Gesetz wirklich immer noch voraus.

Dass es auch Missstände geben kann und diese natürlich die Menschen betreffen, die länger in Abschiebungshaft sind, ist klar. Das betrifft diejenigen, die im Schnitt sechs Monate in der Abschiebehafteinrichtung sind. Aber das ist nicht die Regel. Statistisch gesehen sind sie 16 Tage darin.

Angesichts dieser Sachlage halte ich es nicht für erforderlich, per kosmetischen Operationen an dem Gesetz Dinge zu regeln, die durch Hausordnung oder Dienstanweisung in den meisten Fällen umgesetzt werden können. Ich denke, dass das Gesetz, das wir haben, immer noch gut ist, auch wenn es von 1996 ist.

Nun nenne ich Ihnen noch ein Problem, das ich habe und weshalb ich diesen Gesetzentwurf auch ablehnen würde. Es gibt auf EU- und auf Bundesebene im Augenblick neue Aktivitäten zur Änderung des Ausländerrechts, des Asylbewerberrechts usw. Diese rechtliche Entwicklung sollten wir abwarten und die Ergebnisse zentral in ein neues Gesetz einarbeiten. Dann können wir auch noch einmal über folgende Fragen diskutieren: Wie sieht es mit ärztlicher Betreuung - sie ist ja gesichert - aus? Wie kann man sie verbessern und wie kann man anderes verbessern?

Zum Ruhigstellungsraum will ich in dem Zusammenhang aber auch klar sagen, dass dies erforderlich ist; ihn gibt es in jeder Haftanstalt - ob in der JVA in Wriezen, in Frankfurt (Oder) oder in Brandenburg. Der Ruhigstellungsraum ist erforderlich, weil es eben Gefangene gibt, die gegen die Wand rennen, die sich umbringen wollen, die sonst etwas machen. Diese Gefangenen müssen ruhig gestellt werden, bis sie mit Medikamenten wieder losgelassen werden können - so sage ich einmal auf Deutsch -,

damit sie sich nicht selbst umbringen. Es ist im Interesse dieser Menschen erforderlich, solche Räume vorzuhalten.

Meine Redezeit ist um. - Kann ich noch eine Frage beantworten?

Ich weiß nicht, ob Sie das können. Wir können es ja versuchen.

Dann probieren wir es einmal, Herr Präsident. - Bitte schön.

Bitte, Herr Abgeordneter Sarrach.

Herr Kollege Muschalla, können Sie mir erklären, wieso Sie die Augen davor verschließen, dass es vom Gesetzestext an und dem möglichen Beschluss und der Anhörung im Landtag - ich habe die Protokolle alle nachgelesen - bis hin zur Rechtsanwendungspraxis so krasse Unterschiede geben kann wie beispielsweise den, dass es ohne gesetzliche Grundlage eine unabhängige Flüchtlingsberatung von außen gab, die es jetzt aber nicht mehr gibt?

Dann zum Regelungserfordernis! Sie sagen: Zum Schutz der Personen. - Das steht nicht darin. Darin steht „zur Sicherung“. „Sicherung“ heißt doch „wegschließen aus anderen Gründen“. Wir formulieren hier:

„Zum Schutz der Personen soll ein besonderer Ruhigstellungsraum verwendet werden.“

Sie haben sich die Antwort eigentlich selbst gegeben. Das, was wir hier im Gesetz haben, ist damals einstimmig gemacht worden. Es gibt einen Ruhigstellungsraum. Die Diskussion darüber, ob wir nun „soll“ sagen oder „ist“, haben wir 1996 geführt, über „soll“ oder „ist“ oft genug gestritten worden. Wir haben uns dann einvernehmlich auf diese Formulierung geeinigt. Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion; für sie spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der PDS-Fraktion soll nur vordergründig eine Anpassung der Rechtslage in Brandenburg an diejenige in Berlin herbeiführen. Tatsächlich aber geht es der PDS-Fraktion darum, Sinn und Zweck der Abschiebehaft auszuhöhlen. Wie sollte es auch anders sein, meine Damen und Herren.

Das macht unsere DVU-Fraktion natürlich nicht mit. Wie ich

eben von Herrn Muschalla gehört habe, machen die anderen beiden demokratischen Fraktionen dabei auch nicht mit.

Durch die Abschiebehaft soll sichergestellt werden, dass der in Haft befindliche Ausländer Deutschland auch tatsächlich verlässt. In diesem Sinne ist die Abschiebehaft eine Erzwingungshaft, somit keine Veranstaltung zur Belustigung, meine Damen und Herren.

In Abschiebehaft wird erstens nur genommen, wer sich illegal in Deutschland aufhält und durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass er zur freiwilligen Ausreise, zu der er ja verpflichtet ist, nicht bereit ist.

Die typischen Fälle sind illegale Einreise, Untertauchen, Nichterscheinen zum Abschiebetermin und ausdrückliche Verweigerung der freiwilligen Ausreise. Die Fallgruppen sind im § 57 Abs. 2 Nummern 1 bis 5 des Ausländergesetzes klipp und klar geregelt. Das können Sie nachlesen, Herr Kollege Sarrach.

Ohne ein solches Verhalten, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, liegt kein Haftgrund vor, Abschiebehaft wäre also unzulässig. So ist also die Behauptung zu § 9 Ihres Gesetzentwurfs, dass „eine persönlich verantwortbare Handlung nur selten die Abschiebehaft herbeigeführt haben wird“, schlichtweg Unsinn.

Sind illegale Einreise, Untertauchen, Verweigerung der freiwilligen Ausreise oder Passvernichtung etwa keine persönlich verantwortbaren Handlungen?

Abschiebehaft ist kein Zufall. Sie ist Folge zurechenbaren eigenen Verhaltens. Nach Ihren Vorstellungen, meine Damen und Herren von der PDS, soll am besten niemand abgeschoben werden können - egal, ob er sich illegal in Deutschland aufhält, ob er straffällig geworden ist, den Sozialstaat ausnutzt usw. Mit anderen Worten: Alle sollen hier bleiben dürfen. Das jedoch sagt die PDS-Fraktion nicht klar und deutlich. Damit würde sie beim Bürger ja auf völliges Unverständnis stoßen. Also flüchtet sie in Allgemeinplätze, die von PDS-Seite üblicherweise unter dem Stichwort „Humanität“ auftauchen.

Nach § 1 sollen Merkblätter verteilt werden, nach § 7 soll ein großzügiger Freiheitsraum zur Verfügung gestellt und unabhängigen Gruppen Zutritt gewährt werden. Nach § 10 soll ein externer Beirat gewählt werden. - Alles nach dem Motto „Ausländer gut - Staat schlecht“.

Über das Merkblatt ließe sich im Übrigen noch reden, vorausgesetzt, es beinhaltet folgenden Passus:

„Werden in der Verantwortung des Ausländers liegende Abschiebehindernisse beseitigt und begibt er sich zur Ausreise unmittelbar zum nächsten Flughafen, ist die Abschiebehaft aufgehoben.“

Das würde die Dauer der Abschiebehaft erheblich verkürzen. Das wäre human, meine Damen und Herren von der PDS. Durch Ihre Vorstellungen werden die Haftzeiten nur verlängert. Das ist inhuman.

Wie Ihre unabhängigen Gruppen aussehen, wissen wir: unab

hängig im Sinne der PDS-Ideologie. Wer tatsächlich unabhängig ist, ergibt sich hingegen schon aus dem Grundgesetz. Es sind die Richter, die die Abschiebehaft in unabhängigen Verfahren anordnen. Außer ihnen fällt mir nur noch eine unabhängige Instanz ein: der liebe Gott. - An den glauben Sie allerdings noch nicht. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion, für die der Abgeordnete Petke spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird tatsächlich, Herr Kollege Sarrach, keine 2. Lesung des Gesetzentwurfs geben, aber nicht, weil wir mit Blindheit geschlagen wären, sondern weil hierzu keine Notwendigkeit besteht. Ich werde mich kurz fassen, möchte allerdings auf folgenden Punkt eingehen.

In Ihrem Gesetzentwurf heißt es unter C - Rechtsfolgenabschätzung -:

„Die Regelung ist rechtlich erforderlich, um eine humanitär angemessene und verfassungskonforme Lage herzustellen.“

Nun sind wir ja gewohnt - ob es die erste Novellierung des Polizeigesetzes war oder die Gemeindegebietsreform, ob es um Kommunalfinanzen oder anderes ging -, dass Sie hier sofort den Knüppel der Verfassungswidrigkeit herausholen und uns dann Klagen androhen usw. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das bei Ihnen - ich glaube, aus Mangel an anderen Möglichkeiten - zum Standardrepertoire sozusagen Ihres Versuchs, Politik zu machen, gehört. Wir haben aber glücklicherweise auch die Erkenntnis gewonnen, dass das Verfassungsgericht diesem Ansinnen der PDSFraktion nur in den seltensten Fällen folgt. Das heißt, Sie haben oft eine Klatsche vom Gericht kassiert. Diese Gesetzesinitiative jedoch würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass das, was in Eisenhüttenstadt täglich auf der Grundlage von Gesetzen, von richterlichen Entscheidungen geschieht und was dort Menschen im Dienste des Landes vollziehen, mit der Verfassung nicht im Einklang stehe und mit Humanität nicht vereinbar sei.

Was Sie - auch in der bisherigen Ausschussberatung - zu dieser Frage schuldig geblieben sind, ist der Beweis, dass im Rahmen des Gesetzesvollzuges gegen diese Rechtsgrundsätze verstoßen wird. Daher, Herr Kollege Sarrach, empfinde ich es einfach als Frechheit gegenüber den Bediensteten vor Ort, die diesen Dienst, der an vielen Stellen menschlich sehr hart ist, vollziehen müssen, aber auch als Frechheit gegenüber der Landesregierung, dass Sie behaupten, dass hier gegen die Verfassung und humanitäre Grundsätze verstoßen wird.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich kann mich den Worten des Kollegen Muschalla anschließen: An der Praxis in Brandenburg ist nichts auszusetzen. Wenn es an der einen oder anderen Stelle möglicherweise zu Fragen kommen sollte, werden wir sie im Innenausschuss diskutieren. Wir sehen keine Notwendigkeit, diesen Gesetzent

wurf weiter zu diskutieren. Deswegen wird ihn die CDU-Fraktion ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort geht an die Landesregierung. Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Änderung des brandenburgischen Gesetzes über den Vollzug der Abschiebungshaft außerhalb von Justizvollzugsanstalten ist nach meinen Dafürhalten weder aus tatsächlicher noch aus rechtlicher Sicht notwendig, weil sich das Gesetz insgesamt bewährt hat. Ich möchte mich ausdrücklich beim Kollegen Muschalla bedanken, der dies hier sehr klar und ausführlich dargestellt hat. Ich kann mich daher auf einige Sachverhalte konzentrieren, die Ihnen vermutlich bekannt sind, die Sie aber nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

Als ersten Punkt möchte ich nennen: Die soziale Betreuung ist sichergestellt. Derzeit sind drei ausgebildete Sozialarbeiter von Montag bis Freitag in der Zeit von 7 bis 18 Uhr im Einsatz. In der übrigen Zeit sowie an Sonn- und Feiertagen von 7 bis 16 Uhr steht bei Bedarf ein Sozialarbeiter zur Verfügung. Sofern erforderlich, erfolgt der Einsatz eines Dolmetschers oder eines Sprachmittlers.

Des Weiteren: Die medizinische Versorgung in der Abschiebungshafteinrichtung des Landes Brandenburg - die Sie auch angesprochen haben - ist gesichert. Neben einem Vertragsarzt, der wöchentlich an zwei Tagen in der Abschiebeeinrichtung regelmäßig Sprechstunden abhält und dabei die Aufnahmeuntersuchung sowie allgemeinmedizinische Behandlungen durchführt, ist dort an allen Werktagen eine Krankenschwester tätig.

Beim Auftreten von gesundheitlichen Beschwerden, akuten Erkrankungen oder Unfällen seitens der Abschiebungshäftlinge ist das Behördenpersonal verpflichtet, das örtliche System des hausärztlichen Dienstes, der Notfallversorgung oder der Rettungsstelle in Anspruch zu nehmen. Dabei soll und kann es nicht Aufgabe der Bediensteten sein, die Angaben der Abschiebungshäftlinge zu ihrem gesundheitlichen Zustand zu prüfen oder zu bewerten. Um der Erfüllung der Dienstpflichten zu genügen, wird also in jedem Fall ärztliche Hilfe in Anspruch genommen. Andererseits hat das Behördenpersonal keine Veranlassung, ärztliche Entscheidungen zu bewerten oder infrage zu stellen. Beides gehört zusammen.