Protocol of the Session on April 1, 2004

(Beifall bei der CDU)

Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte diejenigen um ein Handzeichen, die der Empfehlung

des Präsidiums, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung zu überweisen, folgen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist dies einstimmig so beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

1. Lesung des Ersten Gesetzes zur Änderung des brandenburgischen Gesetzes über den Vollzug der Abschiebungshaft außerhalb von Justizvollzugsanstalten (Abschiebungshaftvollzugsgesetz - AbschhVG)

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der antragstellenden Fraktion. Herr Sarrach, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mich macht betroffen, dass wir in eine Debatte zu unserem Gesetzentwurf eintreten, deren Ausgang ich schon jetzt kenne. Die PDS-Fraktion stellt auf die Situation von Menschen im Abschiebehaftvollzug des Landes Brandenburg ab und will diesen Vollzug für die Menschen darin erträglicher und humaner gestalten.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, wissen hingegen schon, dass Sie nicht einmal der Ausschussüberweisung zustimmen und den Gesetzentwurf in 1. Lesung ablehnen werden.

Wenn Sie sich schon dem Anliegen der Angleichung von Rechtsvorschriften der Länder Brandenburg und Berlin verschließen wir haben bei den Vorschlägen zur Änderung und Ergänzung des bestehenden brandenburgischen Gesetzes die Vorschriften des Berliner Gesetzes über den Abschiebungsgewahrsam berücksichtigt, weil die darin enthaltenen Regelungen gelungener sind -, dann verschließen Sie sich doch bitte nicht den Problemen und der Situation der Menschen in der Abschiebehaft!

Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich die Abschiebehafteinrichtung in Eisenhüttenstadt anzuschauen. Der grundlegende Regelungsbedarf ist mir durch Besuche in Eisenhüttenstadt und Gespräche vor Ort genauso deutlich geworden wie durch die wichtige und unerlässliche Zuarbeit von Hilfsorganisationen von und für Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen.

Im Übrigen hat der Bericht des Antifolterausschusses des Europarates vom März des vergangenen Jahres unserer bisherigen Kritik an dem ausländer- und asylpolitischen Regime, die sich auch stets der Problematik der Abschiebung und dessen Vollzugs in unserem Land zugewandt hatte, erneut Nachdruck verliehen.

In den letzten Monaten sind Berichte über die so genannten Ruhigstellungsräume bzw. Beruhigungszellen in Eisenhüttenstadt an die Öffentlichkeit gelangt. In einer dieser Zellen werden so genannte unruhige Inhaftierte mithilfe eines Gurtsystems an einem ebenerdigen Bett festgegurtet.

Außerdem sind Berichte bekannt geworden, nach denen sich

viele Inhaftierte über die medizinische Versorgung beschwert haben. Dabei ging es um Wartezeiten, fehlende Übersetzung und eine insgesamt schlechte Kommunikation zwischen Ärzten, nicht ärztlichem Personal und Patientinnen und Patienten.

Für mich war das allemal Grund, die Einrichtung zweimal, zuletzt am 23. Februar gemeinsam mit der Kollegin Wolff-Molorciuc, aufzusuchen. In einem Bericht hat mein Mitarbeiter hierzu sachlich korrekt festgehalten - ich zitiere hieraus sinngemäß -: Tatsächlich geändert hat sich die Situation in den beiden Ruhigstellungszellen. Zwar bestehen beide Räume fort, aber statt der bekannten und kritisierten Fesselung mittels Metallhandschellen wird wie gehabt weiterhin nur in einem der beiden Räume eine Fesselung vorgehalten. Dabei findet ein Gurtsystem der Fa. Segufix Verwendung, das auch in psychiatrischen Anstalten in Gebrauch ist. Zur Handhabung ist zu sagen, dass laut Anstaltsleitung die Anordnung nur durch Beamte - somit insoweit formaljuristisch korrekt - erfolge und nicht beamtete Mitarbeiter eines Wachschutzes des Betreibers zur Durchführung herangezogen würden.

Allerdings bleiben diesbezüglich neben anderen nach wie vor Zweifel hinsichtlich der Art und Weise der Anlegung der Fesseln. Es gab wohl einmal eine einmalige technische Unterweisung durch den Hersteller. Im Übrigen werden die Methoden der Anlegung hausintern und am lebenden Objekt, jedoch im Selbstversuch des beteiligten Personals, weitergegeben. Allerdings habe es einen Erfahrungsaustausch mit der psychiatrischen Abteilung des benachbarten Krankenhauses gegeben.

Dass im Anwendungsfalle eine weitere, beispielsweise medizinische Überwachung in jedem Fall stattfindet, ist nicht klar bzw. selbstverständlich. Im Vordergrund steht die Vollzugsüberwachung per Monitor aus einem Raum auf dem gleichen Flur.

Bezüglich der Häufigkeit der Anwendung der Maßnahme wird die Zahl von vier- bis fünfmal pro Jahr genannt. Die Anstaltsleitung beteuert, dass diese Art der Unterbringung die Ultima Ratio sei, betont aber gleichfalls den Überwachungsaufwand, der im Falle eines Falles entstehe. Hierüber sei konkret Protokoll zu führen. Es finde Bildschirmüberwachung und Magnetbandaufzeichnung mit späterer Löschung statt. Die Aufrechterhaltung der Maßnahme werde fortlaufend überprüft, aber nicht vom medizinischen Personal begleitet.

Zum Beobachtungsschwerpunkt medizinische Versorgung ist festzustellen, dass diese vornehmlich durch eine täglich stundenweise anwesende Krankenschwester stattfindet. Nach der ärztlichen Erstuntersuchung bei der Aufnahme gibt es im Zwei-Wochen-Rhythmus eine Sprechstunde eines Vertragsarztes in der Anstalt. Den Zugang zu diesem kanalisiere allerdings in erster Linie die Krankenschwester. Zu Fachärzten werde je nach Dringlichkeit überwiesen.

Die auftretenden sprachlichen Hürden würden durch andere Abschiebehäftlinge oder das Personal als Sprachmittler überbrückt. Durch die Einbeziehung Dritter entstehen natürlich erhebliche Probleme im Bereich der Patientenrechte und des Arztgeheimnisses. Inwieweit diesbezüglich Sicherungen eingebaut sind, ist nicht ersichtlich.

Neben den sprachlichen Barrieren kann eine geschlechterspezifische Problematik auftreten, die in der Offenbarung intimer Bereiche liegt. Die Anstrengungen seitens der Anstaltsleitung,

diese Problematik unter den gegebenen Umständen so gut wie möglich zu berücksichtigen, bieten wohl keinen ausreichenden Schutz. Rettungsmittel von außen sind innerhalb weniger Minuten vor Ort.

Bei alledem steht die Anstaltsleitung auf dem Standpunkt, die Versorgung sei im Verhältnis zur Situation draußen überdurchschnittlich gut. Die Fremdbestimmung bezüglich der Entscheidung, wann der Arzt der richtige Ansprechpartner ist, wird dabei verkannt. - Zitatende.

Liebe Kolleginen und Kollegen! Es müssen nicht nur grundsätzliche Bedenken gegen die Abschiebepraxis, wie es bei der PDS-Fraktion der Fall ist, die sich vor allem an der Ausübung des Gewahrsams, das heißt der Haft, entzünden, bestehen, um diesbezüglich Handlungsbedarf zu erkennen.

Den betroffenen Menschen, die auf die Abschiebung warten, muss in der Haftsituation alle nur erdenkliche Erleichterung ihrer schwierigen Lebenslage verschafft werden.

Es ist in diesem Zusammenhang deutlich hervorzuheben, dass es sich bei den Personen, die in einer Abschiebungshafteinrichtung festgehalten werden, nicht um Strafgefangene handelt, die dort eine Freiheitsstrafe verbüßen. Sie werden dort festgehalten, weil ihnen die Vereitelung ihrer Abschiebung unterstellt wird, der sie sich durch Flucht entziehen könnten. Am Rande sei der Fall eines Mannes vermerkt, der fast ein Jahr in der Abschiebehafteinrichtung auf seine Abschiebung wartet.

Es muss doch unzweifelhaft klar sein, dass die Situation des Festgehaltenseins und der Freiheitsbeschränkung sich nicht nur auf der formalen sprachlichen Ebene - Gewahrsam oder Haft unterscheiden darf, sondern dass die Behandlung deutlich, das heißt in der Sache, also in den Auswirkungen für die bzw. den Betroffenen, differieren muss. Die Bedürfnisse der Insassen von Abschiebungshaftvollzugseinrichtungen müssen daher erst recht weitestgehend im Einklang mit dem staatlichen Schutzgebot der Menschenwürde und unter rechtsstaatlicher Absicherung beachtet und angemessen erfüllt werden.

Hierfür ist es unseres Erachtens erforderlich, der Sprach-, der Versorgungs- und der Beratungsproblematik in der von uns vorgeschlagenen Art und Weise zumindest näherungsweise gerecht zu werden. Abschiebungshäftlinge haben unserer Auffassung nach Anspruch auf unabhängige Rechtsberatung, auch Rechtsberatung von außen durch Flüchtlingsorganisationen; denn die eingerichtete Beratungsstelle, die mit einer Mitarbeiterin des Ministeriums des Innern besetzt ist, ist damit nicht zu vergleichen.

Abschiebehäftlinge sollen durch einen Beirat von außen begleitet werden, denn sie haben keine Lobby.

Abschiebehäftlinge haben Anspruch auf eine ordnungsgemäße medizinische Versorgung.

Ich bitte Sie, lassen Sie uns dies alles im Ausschuss weiter besprechen. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Muschalla.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vor uns liegende Gesetzentwurf der PDS sollte meines Erachtens im Ausschuss für Inneres und im Rechtsausschuss nicht weiter behandelt werden; wir können ihn gleich ablehnen. Darin sind wir von der Koalition uns einig.

Richtig ist, dass Abschiebehäftlinge keine Straftäter, sondern abgelehnte Asylbewerber sind, die unter bestimmten Bedingungen bis zur Ausweisung sicher untergebracht werden müssen. 80 % der dort Untergebrachten werden dann abgeschoben, 20 % bekommen - meistens befristet - eine Duldung.

Die durchschnittliche Verweildauer dieser Bürger beträgt in Brandenburg 15 Tage; in Berlin sind es 16 Tage. Das ändert sich von Jahr zu Jahr geringfügig, aber im Prinzip liegt der Durchschnitt bei zwei Wochen.

Die Bürger, die im Alter ab 16 Jahren in Abschiebehaft sitzen dabei gibt es Minderjährige unter 16 Jahren nicht -, haben sich selbst in diese Lage gebracht. Sie sind den Verfügungen der Ausländerbehörde nicht gefolgt, sind den Gerichtsbeschlüssen nicht gefolgt, haben sich allen staatlichen Maßnahmen entzogen, sind zum Teil untergetaucht, wurden aufgegriffen und bis zur Abschiebung in sicheren Gewahrsam gebracht.

(Zuruf von der PDS)

- Lassen Sie mich ausreden!

Unser Innenminister hat in der gestrigen Fragestunde ein klassisches Beispiel dafür gebracht, um welch großen Teil der Bürger es sich dabei handelt. Das muss man sich erst einmal vor Augen halten, bevor man dazu spricht.

Wir haben dieses Gesetz nach dem Berliner Gesetz - die Berliner waren 1995 daran - 1996 unter Berücksichtigung dieses Berliner Gesetzes beschlossen. Wir haben damit eines der modernsten Abschiebungshaftvollzugsgesetze in der Bundesrepublik geschaffen. In Vorbereitung dieses Gesetzes hat natürlich auch eine Riesenanhörung stattgefunden, die damals einerseits von Herrn Ludwig und andererseits von Herrn Schumann gefordert worden war.

(Zuruf von der PDS: Richtig!)

Diese Anhörung haben wir mit den europäischen Juristen für Demokratie und Menschenrechte, mit den Ausländerbeauftragten usw. durchgeführt und eine ganze Palette von Fachleuten gehört.

Im Anschluss an diese Anhörung haben wir in der Ausschusssitzung festgestellt: Unser Gesetz ist gut, entspricht den Forderungen. - Es kamen dann noch ein paar Anträge, es kam noch ein mündlicher Antrag der PDS, der angenommen wurde. Mit der Beschlussempfehlung des Ausschusses konnte dieses Gesetz dann im Landtag von allen Parteien einstimmig angenommen werden, außer - das muss ich hier noch einmal sagen - von der CDU. Die CDU hatte noch Bedenken; Herr Neumann war mit einigen Dingen nicht einverstanden.

Dieses Gesetz ist modern und entspricht den Regelungen des § 57 des Ausländergesetzes. Es betrifft ausländische Personen, die zur Vorbereitung der Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung in Haft genommen werden.

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zu beantworten?

Einen kleinen Moment bitte. Ich möchte erst zu Ende sprechen.

Das wäre alles noch nicht so problematisch gewesen; wir hätten darüber auch weiter reden können. Das, was hier gefordert wird, lässt sich aus dem Gesetz ableiten oder man kann es über Dienstanweisung oder Hausordnung regeln.

Aber ich sage Ihnen jetzt einmal, weshalb ich hohen Blutdruck bekommen habe. Ich lese Ihnen Folgendes aus dem Gesetzentwurf der PDS vor: