Protocol of the Session on November 6, 2003

Der Vorstoß der Justizsenatorin im letzten Jahr ging dahin, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend eine einheitliche Regelung in den Ländern zu treffen. Da sie aber von einer Freigabe bis 15 Gramm ausgegangen ist, hatte sie damit keinen Erfolg und fand auch keine Sympathisanten, weil die Drogenpolitik in den meisten Ländern zum Glück wie in Brandenburg gehandhabt wird, nämlich sehr restriktiv.

Herr Sarrach, bitte.

Ihre Beantwortung dieser Frage impliziert, dass nur das Land Brandenburg eine verantwortliche Kriminal- und Drogenpolitik betreibt. Ich frage Sie deswegen:

Erstens: Vermag die Landesregierung, vermögen Sie trotzdem wissenschaftliche, medizinische und rechtswissenschaftliche Erkenntnisse zu erkennen, die die Position des Landes Berlin, die dortige mehrheitliche Position, unterstützen?

Zweitens: Könnte die Vorlage von einem Richter im Land Brandenburg an das Bundesverfassungsgericht noch Auswirkungen in diesem Zusammenhang haben?

Ich habe nicht gesagt, dass allein Brandenburg eine verantwortliche Drogenpolitik betreibt. Wir werden auch von vielen anderen Ländern darin unterstützt.

Über die Legalisierung von so genannten weichen Drogen diskutieren wir seit Jahrzehnten. Natürlich gibt es Positionen dafür und dagegen. Diese werden auch in die Diskussion einbezogen. Bislang haben mich diese Meinungen aber nicht überzeugen können.

Herr Vietze, bitte.

Frau Ministerin, der Gebrauch von Drogen und Genussmitteln wird in der Öffentlichkeit manchmal nicht entsprechend wahrgenommen. Deshalb frage ich Sie erstens: Ist es zutreffend und können Sie mir zustimmen, dass die Kosten, Aufwendungen und gesundheitlichen Schädigungen, die aus dem Genuss der Genussmittel Tabak - Nikotin - und Alkohol resultieren, erheblich sind? Ich beziehe mich auf die jüngsten Veröffentlichungen, bezogen auf den Tabak. So steht zum Beispiel auf der Zigarettenschachtel - als Nichtraucher bin ich im Text nicht ganz sicher, aber ich glaube, er lautet so -:

„Der Genuss dieser Zigaretten führt zu gesundheitlichen Schäden. Der Genuss dieser Zigaretten kann zum Tode führen.“

Ich frage Sie zweitens: Gehört dies zu jenen Punkten, bei denen wir möglicherweise eine Initiative der CDU zu erwarten haben, weil das doch von einschneidender Bedeutung für den Kampf gegen Drogen wäre?

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei der SPD)

Ich habe Ihre Frage so verstanden, dass Sie annehmen, die CDU strebe an, dass auch die so genannten legalen Drogen wie Nikotin und Alkohol verboten werden. Das ist nicht der Fall. Ich glaube auch, dass wir damit die Diskussion vom falschen Ende her aufzäumen, wenn es uns darum gehen sollte, etwas zu kriminalisieren. Wir müssen vielmehr über die Auswirkungen von Cannabis sprechen und darüber, ob es im Sinne einer präventiven Arbeit Erfolg versprechend wäre, wenn hier eine Legalisierung einträte.

Herr Werner, bitte.

Frau Ministerin, ich habe zwei Fragen.

Sehen Sie die Gefahr, dass dann, wenn ein Bundesland „ausreißt“, die jetzige Regelung bezüglich maximal sechs Gramm, die die Länder mehrheitlich getroffen haben, schleichend aufgeweicht werden könnte?

Teilen Sie meine Auffassung, dass neben der strafrechtlichen Verfolgung von Drogenbesitz und Drogenkonsum vor allem Prävention wichtig ist und wir versuchen sollten, viel stärker diejenigen einzubeziehen, die aus fachlicher Sicht Drogenkonsum bewerten können und die immer wieder auf seine Gefahren hinweisen?

Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass schon die derzeitige Praxis der unterschiedlichen Handhabung in den Ländern auch vom Bundesverfassungsgericht nicht gewollt ist. Meines Erachtens können wir die Länder nur zusammenführen, wenn wir das restriktiv handhaben und nicht, wenn die Regelungen im Sinne des Landes Berlins aufgeweicht werden.

Wichtiger als die Kriminalisierung und Strafverfolgung von Drogenkonsumenten ist es natürlich, ein größeres Augenmerk auf die Prävention zu legen. Aber auch Strafe hat sowohl einen generalpräventiven als auch einen spezialpräventiven Charakter. Das dürfen wir nicht vergessen. Mir wäre es lieber, wenn wir durch mehr Prävention verhindern könnten, dass in diesem Bereich gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen wird.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herzlichen Dank. - Bevor ich die nächste Frage aufrufe, begrüße ich junge Gäste aus der Gesamtschule in Sachsenhausen, die an unserer heutigen Plenarsitzung teilnehmen. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Der Abgeordnete Schuldt hat nun Gelegenheit, seine Frage 1823 (Fußfesseln für Schulschwänzer) zu formulieren.

Der Tagespresse vom 21. Oktober 2003 war zu entnehmen, dass Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm für „extrem kriminelle Schulschwänzer“ den Einsatz elektronischer Fußfesseln vorgeschlagen habe.

Ich frage deshalb die Landesregierung: Liegt der Landesregierung eine sich auf Empirie gründende Studie oder sonstige wissenschaftliche Untersuchung über den general- oder spezialpräventiven Erfolg des Einsatzes elektronischer Fußfesseln bei Schülern vor, die strafrechtlich während bzw. gelegentlich des unerlaubten Fernbleibens vom Schulunterricht in Erscheinung getreten sind?

Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schuldt, Schulschwänzen wird nur dann ein Problem für die Polizei, wenn die Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule versagt hat.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wenn wir über Schulschwänzen reden, müssen wir fragen: Wie kommt es dazu, dass Schule und Elternhaus nicht so zusammenarbeiten, dass man dieses Phänomen in den Griff bekommt? Ich habe mich folgendermaßen geäußert:

„Die elektronische Fußfessel könnte eine vorbeugende wie abschreckende Möglichkeit sein, um die Gesellschaft vor extrem kriminellen Schulschwänzern zu schützen und diese vor sich selbst.“

Das ist der Satz, der Furore gemacht hat. Daher zeigt sich, dass es offensichtlich ein Problem gibt, mit dem wir uns auseinander setzen müssen.

Nun zur Sache selbst: Es gibt keine auf Empirie oder wissenschaftliche Untersuchungen gestützten Erkenntnisse, aus denen man zwingend Konsequenzen ableiten muss. Wir wissen aber aus der Polizei- und Kriminalstatistik sowie aus dem polizeilichen Auskunftssystem, dass Personen im schulpflichtigen Alter in der schulrelevanten Zeit, also zwischen 7 und 14 Uhr - da wir keine Ganztagsschule haben, haben wir bewusst nur diese Zeit genommen -, im Zeitraum von Januar bis Oktober dieses Jahres 13 590 Straftaten begangen haben. Davon waren 6 191 Diebstähle, 2 632 Sachbeschädigungen und 1 423 Gewaltdelikte. Das sind die Zahlen, die auf dem Tisch liegen.

Darum muss man sagen: Schulschwänzen ist nicht nur, wie man es von der „Feuerzangenbowle“ her kennt, eine einmalige, beliebte Sache, sondern kann, wenn es sich mehrfach wiederholt, zu Straftaten führen. So manche kriminelle Karriere - das ist an Einzelbeispielen nachweisbar - hat so begonnen. Mir geht es darum, dass wir uns mit diesem Thema ernsthaft auseinander setzen. Kollege Reiche hat hier vor einigen Wochen oder Monaten einmal vorgetragen, dass er die Notwendigkeit sieht, die Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule zu verbessern. Das ist die Ausgangslage. Ich meine, wir müssen darüber sprechen, wie wir mit denen umgehen, die sich den erzieherischen Bemühungen der Eltern und der Schule entziehen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt noch Klärungsbedarf. Herr Schuldt, bitte.

Herr Minister, sind Polizei und Ordnungsbehörden im Land Brandenburg personell und logistisch in der Lage, der derzeitigen Situation im Hinblick auf die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten während des gelegentlichen unerlaubten Fernbleibens vom Schulunterricht zu begegnen? Wenn ja, in welchem konkreten Umfang?

Die Polizei ist in der Lage, 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag ihre Aufgaben zu erfüllen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort geht an den Abgeordneten Bischoff, der Gelegenheit hat, die Frage 1824 (Zukunft des Polizeiorchesters) zu formulieren.

Brandenburg leistet sich im Gegensatz zum Bundesland Berlin ein eigenes Polizeiorchester. Das Land Berlin hält eine derartige Einrichtung auch vor dem Hintergrund der schwierigen finanziellen Situation für verzichtbar.

Ich frage deshalb die Landesregierung: Wie beabsichtigt das Ministerium des Innern, in Zukunft mit der Einrichtung eines Landespolizeiorchesters - insbesondere vor dem Hintergrund

der angespannten Haushaltslage und der daher erforderlichen Einschnitte in viele soziale und kulturelle Projekte - umzugehen?

Herr Innenminister, Sie haben erneut das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Bischoff, vor dem Hintergrund der schwierigen Haushaltslage unseres Landes ist jede Frage legitim. Vollkommen klar ist: Wenn wir das Polizeiorchester abschaffen, haben wir den Haushalt nicht saniert. Von daher gesehen finde ich es vollkommen legitim, dass Sie sich dieser Frage annehmen.

Ich möchte Ihnen kurz folgende Fakten zur Kenntnis geben: Bremen und künftig auch Berlin sind die einzigen Bundesländer, die in Zukunft kein Polizeiorchester haben. Alle übrigen Bundesländer unterhalten eines. Sie entsinnen sich vielleicht, dass im Landtag und auch in der Öffentlichkeit darüber gesprochen wurde, ob nicht nach der Auflösung des Berliner Polizeiorchesters ein gemeinsames Polizeiorchester Berlin-Brandenburg gegründet werden sollte. Ich habe vor dem Hintergrund dieser Diskussion mit dem Kollegen Körting in Berlin darüber gesprochen.

Wir müssen in diesem Zusammenhang aber auch einmal die Unterschiede zu Berlin deutlich machen. Das Brandenburger Polizeiorchester spielt in unserem Land eine wichtige Rolle. Das Land Brandenburg hat zwar nur 2,6 Millionen Einwohner, verglichen mit 3,4 Millionen in Berlin, hat aber eine dreiunddreißigmal größere Fläche als Berlin. Das Landespolizeiorchester spielt auch im kulturellen Leben unseres Flächenlandes eine wichtige Rolle. Die landesweiten Auftritte tragen nicht unerheblich dazu bei, das kulturelle Leben zu bereichern, und sind ein wichtiger Bestandteil der Werbung für die Polizei. Bei seinen internationalen Auftritten hat sich das Polizeiorchester immer als guter Botschafter unseres Landes dargestellt. Ich habe verschiedentlich Schreiben bekommen, mit denen ich Ihnen das belegen könnte.

Da die Auflösung des Berliner Polizeiorchesters ein langfristiger Prozess mit vielen Durchführungsproblemen ist, meine ich, sollte die Bereitschaft bestehen, Berlin zu helfen, indem gegebenenfalls Musiker nach Brandenburg übernommen werden, wenn wir hier solche im Zusammenhang mit der Umgliederung der Orchesterlandschaft nicht zur Verfügung haben.

Zusammenfassend möchte ich wie folgt formulieren: Ich stehe zum Landespolizeiorchester Brandenburg, verknüpfe damit aber auch Erwartungen. Das Orchester muss sich verpflichten, ein noch besseres Kostenbewusstsein zu entwickeln und Management zu praktizieren. Daran wird gearbeitet. Zum anderen muss das Orchester seine Anstrengungen verstärken, den Eigenfinanzierungsanteil durch Verbesserung seiner Einspielergebnisse zu erhöhen. Das bedeutet, dass manche Dinge, die jetzt kostenfrei getan werden, dann nicht mehr kostenfrei sind.

Bei Erhaltung des Orchesters werden die vom Gesetzgeber vorgegebenen Einsparvorgaben umgesetzt. Die Polizeistrukturreform hat die dafür notwendigen Schritte eingeleitet. Durch den Rückbau von Personal in Stabs- und Verwaltungsbereichen

sowie die Verschlankung der Aufbau- und Ablauforganisation wurde von der Polizei ein beachtlicher Beitrag zur Haushaltskonsolidierung geleistet. Von daher gesehen stelle ich die Zukunft des Polizeiorchesters nicht infrage. Es gibt auch keine Beschlüsse der Landesregierung dazu.

(Beifall bei der CDU)