Nein, ich stimme Ihrer Einschätzung sogar zu, dass man über das Konnexitätsprinzip diskutieren kann. Ich weiß aber, dass Brandenburg der Überweisung der Initiative an die Ausschüsse des Bundesrats zugestimmt hat und dass wir mit unserer Finanzministerin in der Reformkommission zu den Gemeindefinanzen eine Vertreterin haben. Von daher gehe ich davon aus, dass die Landesregierung und der Landtag die Kommunalfinanzen sehr, sehr ernst nehmen. Daran besteht gerade vor dem Hintergrund der schwierigen Zeiten auch kein Zweifel.
Herr Abgeordneter Petke, der Kollege Domres möchte Ihnen noch eine Frage stellen. Möchten Sie auch diese beantworten?
Herr Kollege, halten Sie es denn für richtig, dass in der Gemeindefinanzreformkommission des Bundes das Thema Konnexität keine Rolle spielt?
Ich halte eine thematische Erweiterung der Arbeit dieser Kommission für schädlich. Ich will das auch begründen: Diese Kommission soll eine sehr wichtige Arbeit leisten. Sie ist mit ihrer Arbeit zeitlich im Verzug. Im Zusammenhang mit der Beratung des Gesetzentwurfs zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben in der heutigen Sitzung habe ich bereits dargestellt, dass es im Wesentlichen um zwei Modelle geht. Wenn wir diese Kommission überfrachten, dann wird sie noch später zu einem Ergebnis kommen.
Im Übrigen möchte ich darauf verweisen, dass die direkte Aufgabenverlagerung vom Bund auf die Kommunen im Grundgesetz nicht vorgesehen ist. Beim Grundsicherungsgesetz gab es eine andere Entscheidung. Sie wissen genauso gut wie ich, dass Kommunen bzw. Landkreise gegen entsprechende Beschlüsse geklagt haben und dass das Bundesverfassungsgericht dazu eine Entscheidung treffen wird.
Natürlich könnten wir im Innenausschuss - dazu möchte ich Sie einladen - darüber diskutieren, wie Brandenburg über den Bundesrat kommunale Interessen in verstärktem Maße einbringen kann, oder darüber, wie bei Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene die kommunalen Interessen wahrgenommen werden. Aber Ihr vorliegender Schaufensterantrag dient nun wirklich nicht dazu, insoweit eine Verbesserung zu erreichen. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. - Vielen Dank.
Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Petke, und gebe das Wort an die Landesregierung. Bitte, Herr Minister Schönbohm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vertreter der Koalitionsfraktionen haben sehr deutlich und eindringlich dargelegt, warum wir empfehlen, den vorliegenden Antrag abzulehnen. Ich habe dem keinen weiteren Gedanken hinzuzufügen und möchte Sie nur noch bitten, dem Vorschlag zur Ablehnung des Antrags zu folgen.
Ich rufe den Antrag der Fraktion der PDS, der Ihnen in der Drucksache 3/5697 vorliegt, zur Abstimmung auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Frau Abgeordnete Hesselbarth, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Monopol muss weg. Die Klagen von Unternehmen über die Berufsgenossenschaften reißen nicht ab. Mit bürokratischer Willkür und enormen Beitragshöhen bedroht dieses Monopol die Existenz etlicher Klein- und Mittelbetriebe. Das Maß ist voll. Deshalb muss dieses Monopol fallen.
Unbestritten ist, dass ein Versicherungsschutz privater bzw. öffentlicher Unternehmen für Arbeitsunfälle notwendig ist. Nur ist heftig umstritten, ob die Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für diese Leistungen das Monopol haben müssen.
Es wird auch in Deutschland höchste Zeit, weg von der Pflichtversicherung und hin zu einer Versicherungspflicht zu kommen, bei der individuelle Verträge mit privaten Versicherungsanbietern abgeschlossen werden. Die Kfz-Haftpflichtversicherung zeigt, dass das möglich ist. Es ist Pflicht, ein Kraftfahrzeug zu versichern. Wo man das tut, ist jedoch eine persönliche Entscheidung.
Verteidiger des Monopols behaupten nun, eine Privatversicherung sei nicht möglich, weil es aus den bisherigen Arbeitsunfäl
len und Berufskrankheiten eine große Zahl von laufenden Renten gebe. Doch das Argument sticht nicht; denn für die laufenden Rentenzahlungen muss es natürlich eine Übergangsregelung geben. In Europa gibt es übrigens genügend Länder, zum Beispiel Belgien, in denen das schon längst möglich ist.
Inzwischen laufen bundesweit bereits mehrere Klagen gegen das starre System der Pflichtmitgliedschaft in Berufsgenossenschaften. Die jüngst eingereichte Klage eines Unternehmers aus Frankfurt am Main vor dem Sozialgericht gegen die Pflichtmitgliedschaft, bei der es darum geht, dass die zuständige Berufsgenossenschaft einen harmlosen Arbeitsunfall mit einer Platzwunde mit einigen Hundert Euro regulierte, den betroffenen Betrieb danach jedoch dermaßen höher stufte, dass dieser in Zukunft 6 000 Euro zusätzlich pro Jahr zahlen sollte, verspricht aufgrund der eklatanten Diskrepanz zwischen Regulierungssumme und Jahresprämie Erfolg zu haben.
Inzwischen beschäftigt sich auch EU-Wettbewerbskommissar Monti mit der Frage der Zulässigkeit der Pflichtmitgliedschaft in Berufsgenossenschaften in Deutschland.
Kürzlich sprach sich sogar Bundeswirtschaftsminister Clement dafür aus, die Pflichtversicherung der Unternehmen bei den Berufsgenossenschaften abzuschaffen und durch eine Versicherungspflicht, ähnlich wie bei der Kfz-Haftpflichtversicherung, zu ersetzen.
Sie sehen, meine Damen und Herren: Auch mit diesem Antrag befinden wir uns als DVU-Fraktion wieder einmal in bester Gesellschaft. Wenn Sie es mit der Entlastung der kleinen und mittelständischen Betriebe in Brandenburg und in ganz Deutschland von Lohnnebenkosten wirklich ernst meinen, wie Sie, Herr Homeyer, es gestern gesagt haben, dann können Sie unserem vorliegenden Antrag eigentlich nur zustimmen, und genau darum bitten wir Sie. - Ich danke zunächst für die Aufmerksamkeit.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Für die Koalitionsfraktionen spricht nun der Abgeordnete Klein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der DVU-Fraktion, Sie werden vielleicht erstaunt sein, wenn ich Ihnen sage, dass uns der Charme Ihrer Anträge manchmal überrascht, weil sie auf den ersten Blick sachlich und aktuell zu sein scheinen, dies aber wirklich auch nur scheinen.
Dieses Mal geht es um die Zukunft der gesetzlichen Unfallversicherung, in der die Berufsgenossenschaften als Träger fungieren.
Besonders eindrucksvoll erscheint des Weiteren der Hinweis auf Wolfgang Clement, in dessen Ministerium eine jetzt inoffiziell an die Öffentlichkeit gelangte Version des Masterplans Bürokratieabbau tatsächlich auch die Abschaffung der Pflichtversicherung bei Berufsgenossenschaften als zu prüfendes Thema enthält.
An der Endfassung des Masterplans wird aber noch gearbeitet und sie soll dem Bundeskabinett in einer Sitzung vor der Sommerpause vorgelegt werden.
Das Thema ist also auf Bundesebene im Visier der Verantwortlichen. Vor diesem Hintergrund wäre die Aushandlung einer Bundesratsinitiative mit den anderen ostdeutschen Ländern eine Vergeudung von Zeit und Arbeitskraft. Es spricht nichts dagegen, erst einmal die Beratung im Bundeskabinett abzuwarten, anstatt unüberlegt vorzupreschen.
Ich halte im Übrigen nichts davon, bewährte soziale Sicherungssysteme unbedacht aufs Spiel zu setzen.
Die Berufsgenossenschaften gehen immerhin auf das Jahr 1884 zurück, als die Unternehmen ihre individuellen Haftungsverpflichtungen aufgaben und auf diesem Gebiet gemeinsame Strukturen schufen. Laut Angaben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften ist der Beitragssatz, den in diesem Teil der Sozialversicherung ausschließlich die Arbeitgeber tragen, in den letzten 40 Jahren von 1,51 % auf 1,31 % gesunken. Hier kann also weder von Kostenexplosion noch von erdrückender Beitragslast gesprochen werden.
Ein Beleg dafür, dass auch das Siebente Sozialgesetzbuch, in dem die gesetzliche Unfallversicherung geregelt ist, permanent auf dem Prüfstand steht und veränderten Rahmenbedingungen angepasst wird, ist ein aktueller Gesetzentwurf der Bundesregierung, durch den die solidarische Lastenverteilung zwischen den Berufsgenossenschaften gestärkt werden soll. Zu diesem Zweck sollen einerseits der Finanzausgleich zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften neu gestaltet werden und andererseits Anreize für den Zusammenschluss von Berufsgenossenschaften geschaffen werden.
Mittelfristiges Ziel der Novelle ist eine Entlastung in allen Gewerbezweigen durch eine straffere Organisationsstruktur.
Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Handlungsbedarf in dem von der DVU beantragten Sinn besteht nicht. Die Koalitionsfraktionen werden Ihren Antrag ablehnen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Abgeordneten Klein und gebe das Wort an die Fraktion der PDS, Herrn Abgeordneten Thiel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein neuer Masterplan aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit enthält neben durchaus Bedenkenswertem eine ganze Wunschliste für Deregulierung auch des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die Autoren des Papiers haben sich damit begnügt, alte Hüte aus den Forderungskatalogen marktradikaler Wirtschaftsverbände aufzuwärmen und zu einer Art Diskussionspapier aneinander zu hängen. Besonders auffällig ist dabei der weltfremde Vorschlag, die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung abzuschaffen und zu privatisieren.
Weitere Ideen sind die Modernisierung der Arbeitsstättenverordnung, um die Unternehmen von möglichst vielen Verpflichtungen zum Schutz ihrer Beschäftigen zu entbinden, ein Abbau der berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften und eine Überprüfung der Regeln zur sicherheitstechnischen und betriebsärztlichen Betreuung von Kleinbetrieben. Dahinter, meine Damen und Herren, wird an vielen Stellen eine Denkweise sichtbar, die den Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern lediglich als Kostenfaktor oder als Wettbewerbshemmnis betrachtet.
Einfallslos ist derzeitige Politik häufig, wenn es um die Wahrung der sozialen Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geht. Fallen jedoch die Stichworte Deregulierung oder Bürokratieabbau, entwickelt sie häufig eine geradezu ungeahnte Fantasie.
Meine Damen und Herren, offensichtlich in diesem Kontext meint nun die DVU-Fraktion, ein Vorschlag sei schon deshalb gut, weil er sich auch in einem solchen Masterplan nachlesen lässt. Aber schon die Begründung des Antrages macht deutlich, dass die DVU von einem völlig indiskutablen, weil unzulässig verkürzten Verständnis der Aufgaben von Berufsgenossenschaften ausgeht. Im Antrag steht zwar etwas von Versicherungsschutz bei Arbeitsunfällen, aber zum Beispiel kein Wort von Präventionsauftrag, von Aus- und Fortbildung betrieblicher Fachleute, von Gefährdungsanalysen oder gar von Beratungsleistungen für Unternehmen. Wie diese Aufgaben von einer Privatversicherung nach dem Modell der Kfz-Haftversicherung wahrgenommen werden sollen, bereitet der DVU offenbar keinerlei Sorgen. Von dem damit verbundenen Systemwechsel eines paritätisch besetzten selbstverwalteten gesetzlichen Versicherungsträgers hin zu einer Privatversicherung will ich gar nicht erst reden.
Kurzum, meine Damen und Herren, hier wird von der DVU wieder einmal ein Stichwort aufgegriffen und in die Debatte geworfen, fernab von realem Reformbedarf, den es hinsichtlich der gesetzlichen Unfallversicherung durchaus gibt. Die Bundesregierung - Herr Klein ist darauf eingegangen - hat inzwischen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der finanzielle und organisatorische Veränderungen beinhaltet. Darüber wird sachlich zu reden sein. Eine Privatisierung von Berufsgenossenschaften lehnt die PDS-Fraktion ab, ebenfalls den vorliegenden Antrag.