Protocol of the Session on January 29, 2003

Der Rechtsstaat kostet nun einmal Geld. Das müssen wir akzeptieren. Etwas anderes ist es, wenn ein Missbrauch auftritt.

Wie viel ein Asylbewerber kostet, hängt jeweils von den Umständen ab. Die Zahlen kann ich Ihnen nicht nennen. Das wird dezentral abgerechnet.

Ich möchte noch etwas anderes sagen: Ich finde es nicht richtig, dass Sie glauben, das Thema Asylbewerber auf die Frage der Kosten reduzieren zu können. Es geht nicht um die Frage der Kosten, sondern es geht um Anteilnahme und Gerechtigkeit. Diejenigen, die das Asylrecht missbrauchen, müssen Deutschland verlassen; das ist unstrittig. Aber diejenigen, die Anspruch auf Asyl haben, haben unsere Fürsorge und unsere Anteilnahme verdient.

(Beifall bei CDU, SPD und PDS)

Das ist der Punkt, um den es mir geht.

(Schuldt [DVU]: Meine Frage ist noch nicht beantwortet!)

Wir sind ja gerade dabei, Normen und Standards abzubauen, und bemühen uns um Entbürokratisierung; deswegen werden nicht alle Notizen über Telefongespräche mit Datum und Uhrzeit aufgehoben.

Ich danke Ihnen, Herr Minister Schönbohm. - Die Frage 1451 (Härtefallkommission) ist vom Abgeordneten Petke formuliert worden. Er kann sie jetzt stellen. Bitte schön.

Anlässlich des am 14. Januar 2003 geführten Spitzengesprächs zum Thema Kirchenasyl wird Minister Schönbohm presseöffentlich wie folgt zitiert:

„Mit Blick auf die anstehende Neuregelung des vom Bundesverfassungsgericht gekippten Zuwanderungsrechts befürworte ich grundsätzlich die Prüfung, darin eine bundesweit einheitliche Regelung für bestimmte Härtefälle vorzusehen.“

Ich frage die Landesregierung: Beabsichtigt sie, eine Härtefallkommission einzurichten?

Herr Minister Schönbohm, Sie haben wieder im Auftrag der Landesregierung das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Petke, nach geltendem Recht würde eine Härtefallkommission, wie vielfach gefordert, ins Leere laufen, da sie rechtskräftige Urteile und Entscheidungen nicht außer Kraft setzen kann. Auch eine Härtefallkommission ist an Recht und Gesetz und an die Rechtsprechung gebunden. Vor diesem Hintergrund habe ich auch im Landtag schon erklärt: Ich setze mich dafür ein, dass wir im Gesetz eine Härtefallregelung bekommen. In dem ursprünglich geplanten Zuwanderungsgesetz war eine solche vorgesehen. Leider ist dies nicht in den Vermittlungsausschuss des Bundesrates gekommen, sodass wir noch zu keinem Ergebnis gekommen sind. Es geht jedoch jetzt in den Vermittlungsausschuss des Bundesrates.

Ich habe mich mit den CDU-Innenministern darauf verständigt, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen, eine Härtefallregelung

im Gesetz einzuführen. Rechtlich gesehen ist dies problematisch, weil die Sorge besteht, dass mit einer Härtefallregelung ein neuer Rechtsweg eröffnet werden kann. Im Augenblick arbeiten die Juristen verschiedener Ministerien, einschließlich des Bundesinnenministeriums, an der Antwort auf die Frage: Wie können wir eine Härtefallregelung erarbeiten und im Gesetz verabschieden, die die Möglichkeit gibt, unter genau definierten Bedingungen zu einer anderen Entscheidung zu kommen? Die Frage ist, ob das vor einer Gerichtsentscheidung angesiedelt werden soll; denn wenn wir einen neuen Rechtsweg eröffnen, würden Asylverfahren sehr viel länger dauern. Das Problem der Altfallregelung kennen Sie. Wenn die entsprechende Härtefallregelung vorliegt, ist zu entscheiden, wie sie umgesetzt wird und wer daran beteiligt wird. Das werden wir tun, wenn die Härtefallregelung vorliegt.

Ich danke Ihnen, Herr Minister. Es gibt noch Zusatzfragebedarf. Frau Abgeordnete Faderl, bitte schön.

Herr Innenminister, Sie haben den Zusammenhang zwischen der Härtefallkommission und dem Kirchenasyl hergestellt. Können Sie im Namen der Landesregierung verlässlich sagen, dass auch die Staatsanwaltschaft das Kirchenasyl respektiert und die Polizei nicht auffordern wird, die Räume, in denen Kirchenasyl gewährt wird, zu durchsuchen?

Ihre Frage überrascht mich aus zwei Gründen ungemein. Erstens: Ich habe zwischen Härtefallkommission und Kirchenasyl keinen Zusammenhang hergestellt. Zweitens: Die Staatsanwaltschaft ist an Recht und Gesetz gebunden. Wenn die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihres Ermittlungsauftrages unter Wahrnehmung der staatsanwaltschaftlichen Aufgaben zu der Überzeugung kommt, dass der Raum A oder B durchsucht werden muss, dann wird sie das tun. Das kann eine Rechtsanwaltskanzlei sein, das kann eine Arztpraxis sein, das kann auch ein Kirchenraum sein. Von daher gesehen ist dies eine Sache im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. Da wir alle sehr stolz darauf sind, dass wir einen Rechtsstaat haben, wo die vollziehende Gewalt und auch die Justiz an Recht und Gesetz gebunden sind, können wir doch nicht annehmen, dass der Innenminister, die Justizministerin oder ein Gremium der Staatsanwaltschaft bestimmte Räume für rechtsfrei erklären. Diese Diskussion möchte ich gern einmal hören. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie Ihre Frage ernst gemeint haben.

Vielen Dank. - Herr Abgeordneter Sarrach, bitte.

Herr Minister, es gibt eine interne Härtefallkommission in Ihrem Ministerium, die ich nach wie vor für nicht transparent arbeitend halte, gleichwohl jedoch zumindest als wichtig ansehe.

Frage Nummer 1: Gab es in den letzten Jahren Bedarf, diese interne Härtefallkommission mit ausländerrechtlichen Härtefällen zu befassen?

Zweitens: Was wird aus dieser internen Härtefallkommission?

Ich weiß, dass Sie von der PDS immer Interna nach außen kehren wollen. Ich möchte nach Möglichkeit Interna intern halten,

(Beifall bei der PDS)

weil es auch um datenschutzrechtliche Fragen geht,

(Einzelbeifall bei der CDU)

auf die Sie immer so großen Wert legen.

Zur Sache selbst möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Im Rahmen der Altfallregelung, der Sie sich auch immer mit Inbrunst annehmen, geht es um die Bewertung: Kann man das als Altfallregelung sehen oder nicht? Im Rahmen der Altfallregelung sind drei Bedingungen definiert, die eingehalten werden müssen, damit von ihr Gebrauch gemacht werden kann. Wir haben uns in der Koalition darauf verständigt, folgenden Weg zu gehen:

Erstens wollen wir, dass im Rahmen der Rechtsprechung nach Möglichkeit schnell Entscheidungen getroffen werden - um nicht wieder neue Altfälle zu produzieren.

Zweitens: Wir wollen die Altfälle so schnell wie möglich abarbeiten.

Drittens: Ich möchte die Altfälle, bei denen es Bewertungsspielräume gibt, von Fachleuten bewerten lassen, die nicht aus dem Innenministerium kommen. Darum sind in dieser internen Beratungskommission ein ehemaliger Vizepräsident eines Verwaltungsgerichts und ein führender Kirchenmann vertreten, die sich die Fälle gemeinsam mit dem Staatssekretär ansehen. Zwischen ihnen hat es immer einvernehmliche Entscheidungen und einvernehmliche Lösungen gegeben, die dann vollzogen wurden.

Das ist ein Gremium, das deswegen so vertrauensvoll zusammenarbeitet, weil es nicht immer öffentlich wirkt. Denn in dem Moment, wo Sie Dinge öffentlich erklären wollen oder müssen, die besser persönlich besprochen werden, weil es um Menschen geht, und dann erklären müssen, warum Sie eine bestimmte Entscheidung getroffen haben, kommen Sie ganz schnell an die Grenze des Datenschutzes. Darum glaube ich, dass sich dieses Gremium bewährt hat. Ich bin den beiden, die mitarbeiten, außerordentlich dankbar, dass sie sich ehrenamtlich für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt haben.

Ich danke Ihnen, Herr Minister Schönbohm. - Die Frage 1452 (Kürzungen der Kommunalfinanzen) ist vom Abgeordneten Domres formuliert worden. Er wird sie jetzt stellen.

Die beabsichtigten Kürzungen in Höhe von 140 Millionen Euro aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2003 führen zu einer erheblichen Verschärfung der Finanzsituation der brandenburgischen Kommunen. Zusätzlich zu diesem schwerwiegenden

Einschnitt beabsichtigt die Landesregierung mit ihrer Streichliste weitere Kürzungen, die letztlich die Kommunen betreffen, so zum Beispiel bei den Kitas, der ABM-Kofinanzierung und der Stadtsanierung.

Ich frage die Landesregierung: Wie hoch sind zum jetzigen Zeitpunkt die die Kommunen betreffenden Kürzungen und Streichungen im laufenden Haushalt?

Auch diese Frage wird die Finanzministerin im Auftrag der Landesregierung beantworten. Bitte, Frau Ziegler.

Herr Domres, wenn ich auf Ihre Frage korrekt antworten soll, muss ich „null“ sagen. Im Moment gibt es keine Kürzungen und Streichungen auf dem Gebiet der Kommunalfinanzen. Wenn ich aber Ihre Frage so verstehe, wie sie wahrscheinlich gemeint ist, betrifft sie wohl das, was an Kürzungen geplant ist. Schon der Begriff „Kürzungen“ im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes trifft nicht den Kern der Sache. Sie wissen, dass wir mit der kommunalen Seite verbunden sind, was die Steuereinnahmen angeht. Das heißt, wir sind durch die Verbundquote von 25 % unmittelbar im Guten wie im Schlechten mit den Gemeinden verbunden. Haben wir mehr Steuereinnahmen, schlägt sich das positiv nieder. Haben wir weniger Einnahmen, schlägt sich das auch auf der kommunalen Seite negativ nieder. Der einzige qualitative Unterschied zu dem, was wir in dem Paket vorhaben, das im April verabschiedet wird, ist, dass wir die Beteiligung der Kommunen nicht zwei Jahre später vorsehen, sondern in diesem Jahr, 2003. Zur Entlastung der Kommunen, die diesen Verrechnungsmodus schon ein Jahr früher zu bewerkstelligen haben, wollen wir viele Möglichkeiten auf der kommunalen Seite schaffen. Das heißt, mehr Entscheidungsfähigkeit und auch mehr finanzielle Handlungsspielräume auf die kommunale Seite zu geben. Das ist der Stand zum jetzigen Zeitpunkt.

Schönen Dank, Frau Ministerin. Es gibt eine Zusatzfrage. Herr Domres, bitte.

Frau Ministerin, die Kommunen beklagen nicht erst seit dem Neulietzegöricke-Urteil, dass es keine aufgabenadäquate Finanzierung oder Finanzausstattung der Kommunen gibt. Ich frage Sie deshalb: Welche Rolle hat bei der Kürzung um 140 Millionen Euro, egal, ob sie in diesem Jahr oder aufgesplittet auch im nächsten Jahr wirksam werden, in der Landesregierung gespielt, dass auch die Kommunen Steuermindereinnahmen zu verzeichnen haben? Der Städtetag geht davon aus, dass das Defizit in diesem Jahr mehr als 10 Milliarden Euro betragen wird.

Die zweite Frage: Es gab einen Dissens zwischen Ihnen und dem Innenminister. Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass dieser Dissens bezüglich der Verfassungskonformität bezogen auf die Kürzung im kommunalen Finanzausgleich ausgeräumt ist?

Es ist auch innerhalb der Landesregierung erlaubt, Abwägungen zu treffen. In diesem Abwägungsprozess sind wir nach wie vor. Ich gehe davon aus, dass, wenn die Handlungsmöglichkeit der Kommunen erweitert wird, Kostenreduzierungen in ihrem eigenen Bereich vorzunehmen, dort eine Verfassungsmäßigkeit gegeben ist.

Das Gemeindefinanzierungsgesetz ist ein Gesetz. Selbst wenn wir dort, theoretisch gesprochen, die Kürzung nicht vornehmen würden, müssten wir das GFG ändern. Denn die Verbundquote ist nun einmal die Grundlage der Beteiligung der Gemeinden an den Steuereinnahmen des Landes. Das ist Fakt und daran können wir nicht einfach etwas per Goodwill ändern. Wir wissen, dass die kommunale Seite sehr stark auch von eigenen Steuermindereinnahmen gebeutelt ist. Deshalb nehmen wir diese Maßnahme in Angriff. Sie wissen auch, dass das Finanzausgleichsgesetz verabschiedet werden muss, um zwischen den Gemeinden eine höhere Gerechtigkeit in der Finanzausstattung zu erzielen.

Das alles ist uns klar. Sie kennen auch die Diskussion auf Bundesebene zur Finanzausstattung der Kommunen. Auch dort soll es Veränderungen geben. Das alles ist im Fluss. Das hilft uns in der aktuellen Haushaltssituation in den Gemeinden aber recht wenig. Deshalb müssen wir recht bald die Rechtsänderungen herbeiführen, die die Haushalte auch auf kommunaler Ebene so schnell wie möglich entlasten.

Schönen Dank, Frau Ziegler. - Frau Osten, bitte schön.

Ich habe zwei Fragen. Frau Ministerin, sind Sie bereit, in Ihre Abwägung, von der Sie gerade gesprochen haben, zumindest den Gedanken einzubeziehen, dass die Kommunen im Prinzip dreimal bestraft werden sollen, wenn ich den Listen in den Medien glauben kann: einmal durch die Mittelkürzung im Gemeindefinanzierungsgesetz, ein zweites Mal durch die eigenen Steuermindereinnahmen und ein drittes Mal auch noch durch die Streichung von Aufgaben, die das Land kofinanziert, die dann sozusagen den Kommunen bleiben?

Die zweite Frage: Kann es sein, dass Sie kommunale Selbstverwaltung ganz falsch verstehen? Ich habe bisher darunter verstanden, dass man mehr vor Ort entscheiden kann. Aber Sie sprechen gerade davon, dass den Kommunen die Entscheidung abgenommen werden soll. Das kann ich nicht verstehen.

Da haben Sie mich völlig missverstanden; aber da sind Sie auch so ziemlich die Einzige in diesem Raum. Ich habe betont, dass die Entscheidungsfreiheit erhöht werden soll, indem wir Verordnungen und Gesetze lockern oder gänzlich ändern, was eben bedeutet, dass die Entscheidungsfreiheit in den Kommunen darüber, wie sie ihre Gelder verteilen wollen, größer wird. Das und nicht Restriktion ist ja Sinn und Zweck der Gesetzesänderung.

Ich glaube, Sie haben ein ganz falsches Verständnis davon, wenn Sie sagen, die Gemeinden würden dreifach bestraft. Was ist denn Landespolitik? Landespolitik findet doch nicht hier Am Havelblick 8, sondern findet doch in den Gemeinden statt. Wenn wir weniger Einnahmen im Land haben...

(Beifall bei der PDS)

- Aber ich bitte Sie; Sie reden immer von Geld, das Sie nicht haben, aber verteilen wollen. Ich rede von Geld, das ich habe und verteilen will. Und ich habe weniger Geld zur Verfügung. Das müssen Sie doch endlich einmal anerkennen. Dieses wenige Geld so gerecht wie möglich zu verteilen, für Prioritäten einzusetzen, zu konzentrieren, nicht nach dem Rasenmäherprinzip vorzugehen, auch bei den Kürzungen nicht mehr nach dem Rasenmäherprinzip vorzugehen bedeutet eben, dass wir mit weniger Geld am Ende auch noch die Lebensbedingungen in diesem Land gestalten, und zwar nicht Am Havelblick 8, sondern in den Gemeinden. - Vielen Dank.