Protocol of the Session on November 13, 2002

Ich versichere Ihnen, dass entgegen dem Eindruck, der hier erweckt wurde, im Innenausschuss sehr ruhig und konzentriert und nicht so emotional und polemisch wie hier eben beraten wird, auch wenn die Mittel der Polemik und Groteske seit Aristoteles in Politik und Literatur eingeführt sind. Entgegen dem, was Herr Sarrach hier deutlich zu machen versucht hat, verfährt der Innenausschuss in vorbildlicher Weise. Wir führen wahrscheinlich die offenste und umfassendste Anhörung und das offenste und umfassendste Gesetzgebungsverfahren durch, die es zu einer Gemeindegebietsreform je gab.

Herr Sarrach hat den Eindruck zu vermitteln versucht, den Gemeinden seien keine ausreichenden Fristen für ihre Stellungnahmen gesetzt worden. Ich verweise darauf - das muss hier einfach gesagt werden und im Protokoll erscheinen -, dass das Brandenburgische Landesverfassungsgericht eine Frist von drei Wochen für ausreichend erachtet hat. An diese Frist halten wir uns. Herr Sarrach hat ferner zu implizieren versucht, dass man ihn bzw. die Opposition in ein Zeitkorsett presse. Der Terminplan für die Anhörung ist sehr lange im Voraus besprochen worden und am 19. September einstimmig - ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen - beschlossen worden. An diesem Zeitplan gibt es nichts zu deuteln. Ich weise auch darauf hin, dass im Vorfeld der Erarbeitung dieses Zeitplans allen Abgeordneten im Innenausschuss bekannt war, wie umfangreich das Gesetzesvorhaben ist.

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie herzlich, die Geschäftsordnung...

Nein, es geht darum, dass Herr Sarrach mir als dem Innenausschussvorsitzenden vorgeworfen hat, dass ich mich nicht korrekt verhielte. Das ist nicht der Fall und das muss ich hier einfach richtig stellen. Herr Sarrach hat mit der Geschäftsordnung argumentiert und davon gesprochen, dass erst am 5. November im Innenausschuss ein Beschluss gefasst worden sei. Zwei Sitzungen zuvor ist aber im Innenausschuss ausweislich des Protokolls bereits festgelegt worden, dass so verfahren wird. Daher kann er sich nicht beschweren, wenn so verfahren wird.

Lieber Herr Kollege Schulze, das sind keine persönlichen Angriffe, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie ich sie verstehe. Deswegen habe ich die Geschäftsordnung zitiert. Wir sollten wirklich auf dem Teppich bleiben. Das betrifft alle, die jetzt noch einmal das Wort ergreifen wollen. - Herr Vietze, ich gehe davon aus, dass Sie das Wort ergreifen wollen.

Herr Präsident, Sie haben völlig zu Recht auf die Geschäftsordnung unseres Parlaments verwiesen. Deswegen frage ich Sie noch einmal, ob Sie mit der Bezeichnung „Entenstall”, in dem Sie sich befänden, das Parlament gemeint haben. Wenn das nicht der Fall ist, gibt es für uns keinen Grund der Zurückweisung. Sollten Sie es aber gemeint haben, bitte ich um Richtigstellung; dann würde ich diese Bezeichnung entsprechend der Geschäftsordnung unseres Landtages zurückweisen.

(Beifall bei der PDS)

Ich habe ja gesagt, wir sind nicht in einem Entenstall. Wenn ich gesagt hätte, wir sind in einem Entenstall, dann wäre das die Invertierung meiner Aussage. - Herr Sarrach, bitte.

Erstens: Ich weise die Äußerung des Kollegen Petke zurück, im Gesetzgebungsverfahren im Innenausschuss einer Interessenkollision zu unterliegen. Ich bin von keiner Gemeinde mandatiert.

Zweitens - um Missverständnisse auszuräumen: Ich habe im Ausschuss gegen die kurze Fristsetzung gesprochen und für eine erneute mündliche Anhörung zum Beispiel des Landrates des Spree-Neiße-Kreises im Innenausschuss plädiert.

Drittens: In der Sitzung des Innenausschusses am 23. Oktober habe ich darauf gedrungen, am 5. November kein Leitbild zu beschließen. Nur unter dieser Voraussetzung habe ich diesem Termin zugestimmt.

(Beifall bei der PDS)

Wir haben dies zur Kenntnis genommen.

Damit sind wir am Ende der Aussprache und am Ende der persönlichen Erklärungen, jedenfalls in Bezug auf die geschäftsordnungskonforme Prozedur, und kommen zur Abstimmung.

Das Präsidium empfiehlt die Überweisung der Drucksachen 3/5020 und 3/5021 - es handelt sich dabei um Gesetzentwürfe der Landesregierung - an den Innenausschuss. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung mehrheitlich beschlossen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 2.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

1. Lesung des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze des Landes Brandenburg

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/5023

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. - Herr Minister, Baaske, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Land Brandenburg leben ca. 240 000 Menschen mit einer anerkannten Behinderung, das heißt mit einem Grad der Behinderung von mehr als 50 %. Das sind also fast 10 % der Bevölkerung. Vor allem für diese Menschen ist unser Gesetz wichtig, dessen Entwurf wir heute in 1. Lesung behandeln. Doch seine Wirkung reicht natürlich weit über deren Kreis hinaus. Es berührt die Angehörigen und betrifft die ganze Gesellschaft.

Mit diesem Landesgesetz wollen wir erreichen, dass Menschen mit Behinderung als gleichberechtigt wahrgenommen und gleichberechtigt behandelt werden. Wir wollen, dass sie ihr Leben selbstbestimmter gestalten können und die gleichen Chancen wie alle anderen haben. In diesem Wunsch sind wir uns mit den Betroffenen selbst, aber auch mit deren Vereinen, den Verbänden, den Selbsthilfegruppen und Organisationen einig. Wir wollen, dass behinderte Menschen nicht mehr nur Objekt der Fürsorge und Versorgung sind; vielmehr sollen sie selbstbestimmte Subjekte im gesellschaftlichen Leben sein, die uneingeschränkt an allen Lebensbereichen teilhaben können. Das haben wir in den letzten Jahren erlebt; insofern fand tatsächlich ein Paradigmenwechsel statt.

Das seit Mai geltende Gleichstellungsgesetz des Bundes wird dem gerecht und unterstützt das veränderte Selbstverständnis behinderter Menschen. Zugleich setzt es Signale für die Länder, dies in eigener Zuständigkeit auszugestalten. Brandenburg hat annähernd zeitgleich mit der parlamentarischen Behandlung des Bundesgesetzes sein eigenes Landesgesetz erarbeitet. Damit erfüllen wir wiederum eine Forderung der Verbände, Vereine und Gruppen.

Kernstück unseres Gesetzentwurfs ist die Forderung nach Herstellung einer umfassenden Barrierefreiheit. Dabei denken die meisten nur an Treppen, an abgesenkte Bordsteine, an für alle zugängliche Verkehrsmittel, Kinos und Theater. Doch es geht dabei nicht nur um die räumlichen Barrieren, sondern es betrifft durchaus auch die Möglichkeit zum Beispiel für sinnesbehinderte Menschen, in den elektronischen Medien zu kommunizieren. Es geht um Kommunikationsmöglichkeiten in Verwaltungen, auch und gerade um die Teilnahme an Wahlen, wie wir es in diesem Jahr auch in Brandenburg zu den Bundestagswahlen erleben konnten. Zu all dem müssen auch behinderte Menschen in allgemein üblicher Weise ohne Erschwernisse und fremde Hilfe Zugang haben.

Neu ist die Möglichkeit der Behindertenorganisationen, Verbandsklage zu erheben. Danach kann ein anerkannter Verband unabhängig von einem bestimmten Einzelfall klagen, um die Gleichstellung bestimmter Menschen nach dem Gesetz durchzusetzen.

Ein weiterer Schwerpunkt unseres Gesetzes ist neben dem allgemeinen Benachteiligungsverbot die besondere Förderung von Frauen mit Behinderung. Schließlich erhalten das Amt des Landesbehindertenbeauftragten und der Behindertenbeirat des Landes eine gesetzliche Grundlage, was die Position beider Institutionen stärken wird.

Meine Damen und Herren, zwar verpflichtet dieses Gesetz die Kommunen nicht unmittelbar zum sofortigen Handeln - das kann es auch nicht -, aber es fordert sie auf, eigene Aktivitäten im unmittelbaren Lebensumfeld zu entwickeln, die das Recht behinderter Menschen auf gleiche Teilhabe gewährleisten. Dafür gibt es jetzt schon viele gute Beispiele in Kommunen, so zum Beispiel

die von Cottbus proklamierte Absicht, die Stadt barrierefrei zu gestalten.

Einerseits wurde von den Spitzenverbänden und Organisationen vielfach die Forderung erhoben, die in diesem Gesetz vorgesehene Barrierefreiheit und die festgelegten Aufgaben nahezu 1 : 1 auf die Kommunen zu übertragen. Doch wir haben mit der Änderung der Landesverfassung im April 2000 und spätestens mit dem Urteil vom 14. Februar dieses Jahres eine klare und strikte Konnexität mit den Kommunen vereinbart. Weiter besteht die Forderung der Spitzenverbände, die Kommunen mit diesem Gesetz nicht zu binden. Andererseits besteht bei uns die Erkenntnis, dass sich Integration und Chancengleichheit unmittelbar in den Köpfen widerspiegeln müssen; der Abgeordnete Gunter Fritsch hat das vorhin sehr deutlich gemacht. Das heißt, wesentlich ist das, was in den Köpfen ankommt. Ich frage mich, wer denn Vorbild sein sollte, wenn nicht unsere Landräte, Bürgermeister und auch die Abgeordneten in den Gemeindevertretungen und in den Kreistagen.

Alles in allem: Das Landesgesetz ist ein wichtiger Fortschritt im Kampf gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. Es geht uns um grundlegende Bürgerrechte, deren Verwirklichung längst überfällig ist. Ich hoffe, dass sich der zuständige Ausschuss in diesem Sinne intensiv mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung befasst, und danke Ihnen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Frau Bednarsky.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung legt uns heute ihren Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen vor. Sie hat damit endlich eine grundsätzliche Verweigerungshaltung aufgegeben. Selbst als andere Bundesländer schon Gleichstellungsgesetze verabschiedet hatten, galt für die brandenburgische Landesregierung die Maxime: So etwas brauchen wir nicht.

Damit ist der Vorrat an Anerkennung vonseiten der PDS-Fraktion allerdings schon erschöpft. Beurteilt man nämlich den realen Gehalt dieses Gesetzentwurfs, dann bleibt er nicht mehr als ein Feigenblatt. Hier ist nichts von dem politischen Willen zu spüren, bestehende Diskriminierungen abzubauen und Nachteile auszugleichen. Sie wollen einfach irgendein Gleichstellungsgesetz vorweisen, also politische Symbolik. Dies ist uns entschieden zu wenig, aber nicht nur uns. Auch bei den Verbänden der Betroffenen gibt es nicht wenige, die ganz klar sagen: Lieber gar kein Gesetz als dieses.

Wozu eigentlich hat sich die Landesregierung schon im Jahr 2000 eine so genannte Defizitanalyse, also eine konkrete Beschreibung bestehender Benachteiligungen, zuarbeiten lassen, wenn davon jetzt so gut wie nichts aufgegriffen wird? Anspruch und Wirklichkeit klaffen meilenweit auseinander. Herr Minister Baaske, verzeihen Sie: Einen Paradigmenwechsel erkennen wir in diesem Gesetz leider nicht. Im Grunde machen Sie die Substanzlosigkeit schon damit deutlich, dass der Gesetzentwurf allein in den Sozialausschuss überwiesen werden soll, also kein Beratungsbedarf mit Verkehrs- oder Baupolitikern, mit Bildungspolitikern oder mit dem für die kommunalen Belange zuständigen Innenausschuss besteht. Das gibt dieser Gesetzentwurf eigentlich auch nicht her.

Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion hatte im Frühjahr 1999 erstmals den Entwurf für ein Chancengleichheitsgesetz in den Landtag eingebracht. Gegenwärtig befindet sich der zweite

Entwurf in der Schlussphase der parlamentarischen Beratung. Seit dessen Einbringung im Mai 2001 haben wir auf den Entwurf der Landesregierung gewartet, weil eine gleichzeitige Behandlung beider Entwürfe durchaus sinnvoll schien. Wir hätten gern eine gemeinsame Anhörung beider Entwürfe und die gemeinsame 2. Lesung zur Vereinfachung und Konzentrierung der Arbeit dieses hohen Hauses erlebt. Als jedoch auch nach der Sommerpause noch nichts von dem mehrfach zugesagten Regierungsentwurf zu sehen war, fand die Anhörung zu unserem Gesetzentwurf Ende September statt - mit positiver Resonanz der Verbände, die die Interessen der Betroffenen vertreten.

Nun endlich liegt der Regierungsentwurf vor. Aber, meine Damen und Herren, wer glaubte, nach der langen Brutzeit würde ein stattliches Junges das Licht der Welt erblicken, wurde enttäuscht. Kein brandenburgischer roter Adler ist da geschlüpft, sondern eine kleine Fliege, die nicht einmal zu stechen weiß. Dabei hätten Sie doch die Chance gehabt, ein besseres Gesetz als das des Landes Berlin und ein umfassenderes Gesetz als das des Landes Sachsen-Anhalt zu erarbeiten. Sie haben diese Chance nicht genutzt.

In der heutigen 1. Lesung will ich nur wenige zentrale Regelungsbereiche nennen, und das immer noch in der Hoffnung, Änderungen und dringend notwendige Ergänzungen zu erreichen. So sehen wir, dass sich die vorgenommene Definition nicht auf die Funktionsbeeinträchtigung beschränken darf. Es ergibt sich durchaus logisch eine Diskriminierungsdefinition, die es ermöglicht, rechtlich gegen Ungleichbehandlung, z. B. im öffentlichen Nahverkehr oder im Bereich von Kita und Schule, vorzugehen. Dieses Gesetz muss auch für die Kommunen gelten. Auch sie haben den Auftrag des Grundgesetzes und von Artikel 12 der Landesverfassung umzusetzen. Es wäre ein Unding, wenn ein Rollstuhlfahrer beispielsweise ohne fremde Hilfe die barrierefreie Staatskanzlei besuchen könnte, aber nicht sein Sozialamt oder die Wohngeldstelle vor Ort.

Es geht uns auch um den Anspruch, ein wirkliches Artikelgesetz zu verabschieden, das dann natürlich Bereiche wie Schule, ÖPNV, Bauen und Verkehr mit konkreten Änderungen umfasst.

Diese Punkte habe ich nur beispielhaft erwähnt. Ich möchte damit auch deutlich machen, dass wir uns nicht einfach auf unsere Vorschläge - auf den Gesetzentwurf der PDS-Fraktion - zurückziehen werden. Wir sind bereit, weiter für reale Fortschritte zu streiten. Deshalb beantragen wir übrigens die Überweisung auch in weitere Fachausschüsse. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort erhält die SPD-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Konzack.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! An erster Stelle möchte ich das Wort „Verweigerungshaltung” seitens der Landesregierung zurückweisen; denn ich kenne ja die Geschichte dieser Gesetzentwürfe. Frau Bednarsky, Sie wissen ganz genau, wie oft wir im Ausschuss darauf hingewiesen haben, dass erst das Bundesgesetz abgewartet werden sollte, bevor das Land sein Gesetz macht. Wenn Sie dies nicht zur Kenntnis nehmen wollen, tut es mir Leid.

An anderer Stelle ist es genauso: Unserem Vorschlag, auf der Grundlage Ihres Gesetzentwurfs und des Entwurfs der Landesregierung eine gemeinsame Anhörung durchzuführen, haben Sie sich auch verweigert. Daher können Sie uns das heute nicht zum Vorwurf machen.

(Widerspruch bei der PDS)

Ich hätte dies auch rationeller gefunden und es den Verbänden nicht zugemutet, zweimal in den Landtag zu kommen.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zum Einstieg in die sachliche Auseinandersetzung auf die Vorgeschichte des Entwurfs eingehen. Herr Baaske hat vorhin bereits gesagt, dass die Verabschiedung des Behindertengleichstellungsgesetzes im Bund im April dieses Jahres wirklich ein Wechsel im gesellschaftlichen Umgang mit Behinderung war. Dieser Gesetzentwurf trägt dem Willen behinderter Menschen Rechnung, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Er berücksichtigt im besonderen Maße die Rechte behinderter Frauen, die aufgrund ihrer Behinderung unter einer doppelten Benachteiligung leiden, und er enthält ein konkretes Benachteiligungsverbot für Bundesbehörden sowie bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Da das Bundesgesetz nur für die Behörden gilt, die Bundesrecht ausführen, war es die Aufgabe der Landesregierung, ein eigenes Gesetz vorzubereiten, das dem Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik folgt.

Meine Damen und Herren, der uns vorliegende Entwurf, auf den die behinderten Brandenburgerinnen und Brandenburger lange warten mussten - das gebe ich zu -, hat den richtigen Weg eingeschlagen. Lassen Sie mich dafür einige Beispiele nennen. Der Gesetzentwurf betont den Vorzug des möglichst weitgehenden Abbaus von Barrieren gegenüber dem Ausbau von Hilfestrukturen. Der Minister hat vorhin detailliert aufgeführt, worum es sich handelt. Der Entwurf enthält die Verpflichtung, bei der Geschlechtergleichstellung die Belange behinderter Frauen besonders zu berücksichtigen, so wie es auch im Bundesgesetz geschehen ist. Er erkennt die deutsche Gebärdensprache als eigene Sprache an. Ich finde, damit ist in diesem Gesetz eine ganz herausragende Sache gelungen. Der Entwurf stellt die Arbeit des Landesbehindertenbeirats auf eine gesetzliche Grundlage. Es ist also nicht von einer Laune abhängig, wie der Einzelne zu den Problemen Behinderter eingestellt ist, sondern gesetzlich geregelt.

Der Gesetzentwurf verpflichtet die Träger öffentlicher Gewalt zur Gleichbehandlung behinderter und nicht behinderter Menschen. Diese Verpflichtung erstreckt sich ausdrücklich auf Landesbehörden und landesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Ich bin mir bewusst, dass diese Einschränkung die Wirksamkeit des Benachteiligungsverbots beeinträchtigt, da kommunale Träger öffentlicher Gewalt rechtlich betrachtet nicht daran gebunden sind. Aber ich stehe hinter dieser Einschränkung.

Wir Mitglieder dieses Plenums sind Fachpolitiker, die sich mit Herzblut für einen oder mehrere Bereiche der Landespolitik engagieren. Dieses Engagement darf jedoch keinesfalls das Gesamtwohl aller Brandenburgerinnen und Brandenburger aus dem Auge verlieren. Selbst wenn ich mich jetzt dem Vorwurf aussetze, das Totschlagargument dieser Tage zu bemühen: Mit Blick auf die prekäre finanzielle Lage Brandenburgs war es richtig, bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs das Konnexitätsprinzip zu beachten. Minister Baaske hat einen entsprechenden Hinweis gegeben, und ich meine das auch. Die Kommunen haben jetzt auf alle Fälle auch den Auftrag, die Behindertenpolitik in der Kommune noch mehr in den Vordergrund zu rücken. Mir wäre es auch lieber, es gäbe diese Gesetzesregelung jetzt für das ganze Land Brandenburg bis in die kleinste Kommune. Aber wir müssen auf dem Boden der Tatsachen bleiben, und ich meine, dass wir uns in der augenblicklichen Situation nicht erlauben können, gegen das Konnexitätsprinzip zu verstoßen.