Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Vietze, wenn Sie hier schon zwischenrufen: Genauso machen Sie es im Ausschuss! -, würde ich mich freuen, Sie auch einmal bei den Anhörungen des Innenausschusses - wir haben ja doch einen Sitzungsmarathon vor uns - begrüßen zu können, damit Sie die Erkenntnis, wer was wie bei den Anhörungen zur Gemeindegebietsreform im Innenausschuss tut, auch aus eigenem Erleben im Plenum schildern können - wenn hier so etwas von den Bänken der PDS kommt!
- Nein, wenn Sie das Wort wünschen, können Sie sich melden. Wenn Sie zur Sache sprechen wollen, können Sie dies ja tun.
Meine Damen und Herren, wir befinden uns mitten im Verfahren der Behandlung der Gesetze zur Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg. Vor uns liegen Hunderte Seiten umfassende Gesetzentwürfe. Als Folge der Anhörungen vor Ort hat das Ministerium des Innern seine ursprünglichen Vorstellungen geändert - auch das wieder ein Hinweis dafür, dass der Vorwurf der PDS, es gehe hier nur darum, das einmal Beschlossene bzw. Entwickelte unter Außerachtlassung all der Argumente und Situationen vor Ort umzusetzen, nicht greift.
Wir haben in den letzten Tagen und Wochen im Innenausschuss eine gute Debatte geführt und eine gute Anhörung durchgeführt. Die heutige Sitzung bietet die Gelegenheit zu reflektieren, welche Argumente bisher vorgetragen wurden und welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind.
In der Debatte zur Regierungserklärung ist mehrfach gesagt worden: Die Gemeindegebietsreform ist keine Reform, die auf hundertprozentige Zustimmung im Lande stoßen wird. Sie ist eine Reform, die die politischen Akteure, insbesondere die der Regierung, aber natürlich auch der Koalition, die die Regierung dann trägt, vor Schwierigkeiten stellt.
Man muss jedoch fragen: Welche Reform in Brandenburg bzw. in Deutschland wird von 100 % der Betroffenen getragen? - Eine solche Vorstellung entspräche nicht der Lebenswirklichkeit.
Herr Kollege Sarrach, wir nehmen auch Ihre Argumente - auch die zu den Fristen - ernst. Es schmerzt mich als Innenpolitiker und Vertreter der CDU-Fraktion, wenn Gemeindevertreter nicht erscheinen, wenn unserer Einladung - es ist keine Einladung der CDU, der SPD oder der PDS, sondern eine dieses Hauses, des Landtages Brandenburg - nicht Folge geleistet wird oder wenn Vertreter der Gemeinden vorbringen, dass sie nicht ausreichend Gelegenheit gehabt hätten, auf die Argumente der Landesregierung einzugehen.
Besonders schmerzt mich allerdings, wenn ein ehrenamtlicher Bürgermeister vorträgt, sein Amtsdirektor habe ihm die Einladung unseres Ausschusses erst nach einer Frist von 14 Tagen zur Verfügung gestellt. Hier muss man sich schon die Frage stellen, wie ernst der Amtsdirektor seine Pflichten nimmt.
Geschätzter Herr Kollege Petke, können Sie bestätigen, dass im Rahmen der Anhörung kein einziger Vertreter einer Gemeinde unentschuldigt fehlte, sondern alle Vertreter, die nicht erschienen, dies dem Ausschuss entsprechend angekündigt und mit der Kürze
Ich kann bestätigen, dass sich die Gemeindevertreter entschuldigten. Das ändert aber nichts daran, dass ich damit unzufrieden bin, dass Gemeinden, aus welchen Gründen auch immer, unserer Anhörung fernbleiben. Ich kann nur darauf verweisen, was der Kollege Schippel gesagt hat: In einigen Fällen habe ich den Eindruck, dass die Frist ganz bewusst zum Anlass genommen wird, dem Ausschuss gegenüber eine Verweigerungshaltung einzunehmen. Diese Gemeindevertreter leisten den Einwohnern ihrer Gemeinden keinen Dienst, wenn sie die Chance einer Anhörung vor dem Innenausschuss des Landtages Brandenburg auslassen.
Herr Kollege Sarrach, ich möchte auch auf die Schilderung eingehen, die Sie hier vortragen mussten. Ich sage „mussten”, weil ich mir die Frage stelle, worum es Ihnen eigentlich geht. Geht es Ihnen um das Wohl der Gemeinden und ihrer Einwohner oder geht es Ihnen, der Sie als Rechtsanwalt möglicherweise vor Ort in Sachen Gemeindereform tätig sind, auch darum, juristische Spitzfindigkeiten vorzutragen, um nachzuweisen, dass wir es mit der Verfassung womöglich nicht so genau nehmen? Sie sprachen von Hilflosigkeit. Hilflosigkeit habe ich mehrfach im Ausschuss gespürt: immer dann, Herr Kollege Sarrach, wenn Anzuhörende auf Ihre Fragen entgegneten, sie hätten die Frage nicht verstanden.
Die Anzuhörenden waren hilflos, weil sie einfach nicht wussten, was sie mit den oftmals sehr kompliziert formulierten Fragen des Abgeordneten Sarrach anfangen sollten.
Wir werden den von uns mehrheitlich - auch unter Mitwirkung von Teilen der PDS - beschlossenen Weg fortsetzen. Wir werden weiterhin für Argumente offen sein. Wir sagen nicht, es sei rechtlich oder vom Selbstverständnis des Innenausschusses und des Landtages her nicht zu vertreten, Änderungen vorzunehmen. Änderungen müssen jedoch genauso begründet sein, wie der Gesetzentwurf begründet ist. Das ist der Maßstab unseres Handelns. Ich würde mich freuen, wenn die PDS-Fraktion, die bei diesem Thema heute in heller Aufregung ist, einmal mit mehreren Abgeordneten im Innenausschuss vertreten wäre. Bis jetzt waren es ganze zwei Abgeordnete, wenn ich mich recht erinnere. Frau Enkelmann, Sie haben dieses Vorhaben auch öffentlich sehr kritisiert. Sie sind herzlich eingeladen, unsere Anhörungen zu besuchen.
- Wenn Sie die Zeit dazu haben?! Für so wichtige Themen sollte man sich als Abgeordnete Zeit nehmen. - Vielen Dank.
Herr Kollege Petke, können Sie bestätigen, dass die PDS-Fraktion und der Kollege Sarrach persönlich zugestimmt haben, dass der Ausschuss für Inneres den Gemeinden, die nicht erschienen sind, bis zum 3. Dezember Gelegenheit gibt, schriftliche Stellungnahmen abzugeben?
Ich kann bestätigen, dass wir im Hinblick auf die Gemeinden, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht erscheinen konnten oder in der Kürze der Zeit nicht in der Lage waren, eine Stellungnahme zu erarbeiten und mit den Gemeindevertretern abzustimmen - das gilt auch für den Landkreis Spree-Neiße -, eine weitere Frist eingeräumt haben.
Ich wünsche mir, dass wir bei diesen Anhörungen - eine dauerte von morgens um 9 Uhr bis abends um 20.30 Uhr - zu einem Umgang miteinander finden, der diesem wichtigen Thema angemessen ist. Wir alle sollten gegenüber den Anzuhörenden, die ja wieder ins Land hinausfahren und einen Eindruck davon mitnehmen, wie die Abgeordneten des Landtages Brandenburg bei allen politischen Unterschieden miteinander umgehen, deutlich machen, dass wir die Angelegenheit ernst nehmen und einen kollegialen Umgang pflegen.
Zum Thema des Umgangs miteinander: Frau Dr. Enkelmann, einer der Schriftführer sagte mir gerade, Sie hätten den Begriff „Schnösel” oder „arroganter Schnösel” gebraucht. Wenn dies in Bezug auf den Abgeordneten geschehen sein sollte, dann bitte ich Sie, mir dies zu bestätigen. Solche Zurufe garantieren in einem Parlament keine kultivierten Umgangsformen, von denen ich annehme, dass auch Sie Wert darauf legen, dass sie eingehalten werden.
- Dann erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf, weil dies den parlamentarischen Gepflogenheiten nicht entspricht, jedenfalls nicht dem Niveau, das auch von Ihnen in der Vergangenheit immer gefordert worden ist.
(Frau Osten [PDS]: Herr Präsident, wen haben Sie gemeint, als Sie „Entenstall” gesagt haben? Etwa uns?)
Es tut mir Leid, ich kann nur das rügen, was ich auch wahrgenommen habe bzw. was das Sitzungspräsidium wahrgenommen hat.
Bei allem Verständnis dafür, dass die Temperamente zuweilen hochschlagen, appelliere ich an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Diesen Stil sollten wir uns nicht leisten.
Wir hatten beinahe 12 Jahre lang Gelegenheit zu zeigen, dass wir eine kultivierte Bevölkerung vertreten.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies der Stil im Bundestag gewesen ist, auf den Sie, Frau Dr. Enkelmann, immer verweisen, wenn Sie sagen, Sie wüssten, wie das Parlament zu arbeiten hätte.
Ich bin der Letzte, der im Plenarsaal kein Leben zuließe. Ich lasse auch Zwischenrufe gelten. Aber es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten sollte. Herr Schulze hat eine solche Grenze, die im Hinblick auf persönliche Angriffe überschritten sein soll, erkannt,
und bittet um drei Minuten Redezeit für eine persönliche Erklärung. Ich zitiere, was die Geschäftsordnung dazu vorgibt:
„Der Redner darf nicht zur Sache sprechen, sondern nur Äußerungen, die in der Aussprache gegen ihn gerichtet wurden, zurückweisen oder deutlich gewordene Missverständnisse seiner früheren Ausführungen richtig stellen.”
Da wir bewusst eine solche Formulierung gewählt haben, bleiben wir auch in diesem Rahmen. - Bitte sehr, Herr Schulze.
Herr Präsident, von Herrn Sarrach ist hier ein Eindruck erweckt worden, dem ich energisch entgegentreten muss. Es gab stets emotionale Redebeiträge zu wichtigen Gesetzesvorhaben. Bestimmte Äußerungen, die in dieser Debatte gefallen sind, können so nicht stehen bleiben.
Ich versichere Ihnen, dass entgegen dem Eindruck, der hier erweckt wurde, im Innenausschuss sehr ruhig und konzentriert und nicht so emotional und polemisch wie hier eben beraten wird, auch wenn die Mittel der Polemik und Groteske seit Aristoteles in Politik und Literatur eingeführt sind. Entgegen dem, was Herr Sarrach hier deutlich zu machen versucht hat, verfährt der Innenausschuss in vorbildlicher Weise. Wir führen wahrscheinlich die offenste und umfassendste Anhörung und das offenste und umfassendste Gesetzgebungsverfahren durch, die es zu einer Gemeindegebietsreform je gab.