Wir Mitglieder dieses Plenums sind Fachpolitiker, die sich mit Herzblut für einen oder mehrere Bereiche der Landespolitik engagieren. Dieses Engagement darf jedoch keinesfalls das Gesamtwohl aller Brandenburgerinnen und Brandenburger aus dem Auge verlieren. Selbst wenn ich mich jetzt dem Vorwurf aussetze, das Totschlagargument dieser Tage zu bemühen: Mit Blick auf die prekäre finanzielle Lage Brandenburgs war es richtig, bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs das Konnexitätsprinzip zu beachten. Minister Baaske hat einen entsprechenden Hinweis gegeben, und ich meine das auch. Die Kommunen haben jetzt auf alle Fälle auch den Auftrag, die Behindertenpolitik in der Kommune noch mehr in den Vordergrund zu rücken. Mir wäre es auch lieber, es gäbe diese Gesetzesregelung jetzt für das ganze Land Brandenburg bis in die kleinste Kommune. Aber wir müssen auf dem Boden der Tatsachen bleiben, und ich meine, dass wir uns in der augenblicklichen Situation nicht erlauben können, gegen das Konnexitätsprinzip zu verstoßen.
Ich sehe schon die rote Lampe. Herr Präsident, gestatten Sie mir aber noch einen Hinweis. - Ich gebe Frau Bednarsky Recht: Die Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen allein gefällt mir auch nicht. Ich bitte noch um Über
weisung an den Innenausschuss und an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur, weil ich meine, dass wir bei der Erarbeitung des neuen Denkmalschutzgesetzes auch Probleme der Behinderten beachten müssen.
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren, für die Aufmerksamkeit und Ihnen, Herr Präsident, für die Geduld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleichstellung hat vor allem etwas mit Gerechtigkeit zu tun, Gerechtigkeit gegenüber allen Bürgern. Davon jedoch ist der vorliegende Gesetzentwurf, meine Damen und Herren der Landesregierung, weit entfernt.
Genau aus diesem Grund hatten wir im September 2001 einen eigenen, auf Ausgleich und Gerechtigkeit für alle benachteiligten Personen und Personengruppen des Landes gerichteten Gesetzentwurf vorgelegt. Damit beabsichtigten wir insbesondere eine Gleichstellung von Behinderten, aber auch von Alleinerziehenden sowie von Menschen, die behinderte Menschen betreuen und deswegen, zumindest mittelbar, im Berufsleben benachteiligt werden.
Im Unterschied zum Gesetzentwurf der Landesregierung beschränkten wir uns nicht mehr oder weniger auf Barrierefreiheit und Wahlen. Unser Gesetzentwurf enthielt ganz konkrete Vorschriften, wie eine Gleichbehandlung von benachteiligten Personen und Personengruppen, gerade Behinderter, möglich und durchsetzbar ist. Damals sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Herr Homeyer, wir würden zu weit gehen; die DVU-Fraktion wolle wohl alle Ungerechtigkeiten aus der Welt schaffen. Meine Damen und Herren, der CDU: Was spricht eigentlich gegen eine solche Einstellung?
Die Forderungen der Landesregierung zugunsten Behinderter sind völlig unzureichend, da es Dienststellen und öffentliche Träger von Betrieben kaum zum wirksamen Handeln zwingt. Erforderlich sind dagegen ganz konkrete Vorgaben bezüglich Einstellungen und beruflichem Aufstieg, bezüglich Stellenausschreibung, Fortbildung, Flexibilisierung von Arbeitszeiten, Beurlaubung, Förderung der Teilzeitbeschäftigung von Behinderten usw. Diese konkreten Regelungen sind insbesondere auf die Bedürfnisse Behinderter zuzuschneiden. All das vermissen wir in dem vorliegenden Gleichstellungsgesetz. Behinderte Mitbürger sind gerade im Arbeitsbereich besonders benachteiligt. Aber auch Menschen, die sich erzieherisch und betreuend um Mitmenschen kümmern, kommen im Bereich Beschäftigung und Förderung von Arbeitsmarktchancen nach wie vor zu kurz. Deshalb sind auch letztere, insbesondere allein erziehende Väter und Mütter, unter den besonderen Schutz eines Gleichstellungsgesetzes zu stellen.
Wir, die Fraktion der Deutschen Volksunion, haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der allen benachteiligten Personen gleiche Chancen nicht nur im Aktionsfeld der öffentlichen Verwaltung verschaffen will, sondern auch deutliche Ausstrahlungswirkung
auf den Bereich der privaten Wirtschaft entfaltet. Davon ist der Gesetzentwurf der Landesregierung weit entfernt.
Doch ich möchte das Engagement der Landesregierung nicht nur mies machen. In einigen, wenn auch wenigen Punkten zeigt sich die Landesregierung durchaus lernfähig. So hat sie zum Beispiel das von uns geforderte Verbandsklagerecht für Behindertenverbände übernommen.
Wir sehen im vorliegenden Gesetzentwurf zumindest einen gewissen positiven Ansatz und werden einer Ausschussüberweisung zustimmen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem In-KraftTreten des Bundesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen im Mai 2002 - es ist heute schon mehrmals darauf hingewiesen worden - ist heute einfach folgerichtig der Gesetzentwurf der brandenburgischen Verordnungen zu beraten. Ich denke auch, dass es eine überfällige Regelung ist und sich auch das politische Feld und das politische Augenmerk auf Menschen richten muss, denen die Natur nicht die gleichen Möglichkeiten eingeräumt hat oder denen aufgrund äußerer Einflüsse nicht die gleichen Möglichkeiten gegeben sind, wie wir sie unter Umständen haben.
Aber all das, was hier als Rundumschlag gesagt wurde, ist, denke ich, nicht nötig. Es ist nicht nötig, hier zu versuchen, irgendjemandem einen schwarzen Peter zuzuschieben und ihm nachzuweisen, dass er gegen dieses Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen ist. Sich gerade auf Kosten Benachteiligter zu profilieren oder auch politisches Kalkül mit einfließen zu lassen, halte ich für nicht gerechtfertigt.
Ich bin froh, dass das Gesetz jetzt vorliegt, und ich kann auch nicht sagen, dass es lässig oder unmoderat gehändelt wurde. Wir beschäftigen uns in der gesamten Legislaturperiode mit diesem Problemkreis. Sicherlich gibt es immer Haken, wenn es dann ums Geld geht. Aber wir werden weiterhin, auch wenn wir uns im Ausschuss dazu verständigen, die Behindertengruppen und den Behindertensprecher mit einbeziehen; denn wer kann besser als Behinderte selbst wissen, wo im täglichen Leben der Schuh drückt.
Mich stört bei der ganzen Diskussion - ich hatte ja schon einmal dazu gesprochen - auch immer wieder die Problematisierung der Chancengleichheit. Wenn ich blind oder taub bin, habe ich erst einmal eine bestimmte Chance im Leben von der Natur nicht mitbekommen. Was wir regeln können, ist ganz einfach der Versuch eines Ausgleichs für diese Menschen, dass sie am Alltag teilhaben können, dass sie wegen ihrer Behinderung nicht ausgegrenzt werden, sondern wir Möglichkeiten schaffen, sie dennoch oder gerade wegen der Behinderung mit einzubeziehen.
Ich möchte an der Stelle auch noch einmal sagen: Einen völligen Nachteilsausgleich kann es einfach nicht geben, da einerseits Behinderungen so vielfältig und auch so einmalig und individuell sind und andererseits vor allen Dingen auch die individuelle Erlebbarkeit einer Behinderung oder Beeinträchtigung gesundheitlich, physisch, psychisch, wie auch immer, nochmals ein Indivi
dualfall ist. Deshalb also bleibt die Frage nach der absoluten Chancengleichheit der Menschen ohne Behinderungen, nach Lebens- und Entfaltungsmöglichkeiten.
Auch wir haben unsere ganz natürlichen Grenzen, auch als scheinbar nicht Behinderte. Wir sollten uns immer bewusst machen, dass Behinderte nicht schwächer oder bedauernswerter sind als andere. Sie haben das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und wollen von uns so genannten Nichtbehinderten als gleichwertige Bürger und nicht wegen ihrer Behinderung akzeptiert werden. Ich denke, das ist ein Kernstück, das wir sichern müssen.
Viele Nichtbehinderte können von Behinderten lernen; denn diese meistern ihr Leben meist mit sehr viel Kraft und Lebensmut, ja, können es oft nur dank ihres besonders stark ausgesprägten Persönlichkeitsprofils meistern. Dafür sollten wir Anerkennung zollen und darauf sollten wir schauen, denn da können wir von ihnen lernen.
Ich darf an dieser Stelle nur auf die zahlreichen Behinderten verweisen, die sich sportlich oder auch künstlerisch in höchstem Maße engagieren. Wir merken immer besonders in der Vorweihnachtszeit, was für kreative Potenzen in Behinderten stecken, die wir bei uns oft gar nicht wahrnehmen.
Aufgabe des Gleichstellungsgesetzes ist es, Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Leben zu schaffen. Dies wäre nach dem Nachteilsausgleich ein weiteres wichtiges Ziel des Gesetzes. Es hat für mich mit Menschenwürde zu tun, anderen zuzubilligen, für sich selbst Entscheidungen zu treffen. Und es gibt für jeden von uns die Verpflichtung, auf andere Rücksicht zu nehmen und die Würde des anderen nicht zu verletzen. Das ist natürlich eine Frage des Umgangs miteinander. Das lässt sich nicht allein - und das betone ich, das habe ich auch schon in meinem vorangegangenen Redebeitrag gesagt - gesetzlich regeln.
Ich denke, das Bundesgesetz hat auch eines bewirkt, und das sollte man anerkennen: dass die Gesellschaft ein Gesetz hat, womit der Hinweis auf eine Benachteiligtengruppe in der Gesellschaft gegeben wird. Wenn jeder, auch der nicht politisch Tätige, im Alltag auf den anderen achtet, ist ein ganz wesentlicher Auftrag an die Gesellschaft weitergegeben worden. Wenn wir das erreicht haben...
Es wird von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, der federführend sein soll, und an die Ausschüsse für Inneres sowie für Wissenschaft, Forschung und Kultur - mitberatend - zu überweisen. Darüber hinaus schlägt die PDS-Fraktion zusätzlich die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend
und Sport sowie an den Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr vor. Ich denke, wir stimmen über den gesamten Komplex der Überweisungsansinnen ab. Wer diesem folgt, der möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
1. Lesung des Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Steuerberaterversorgungsgesetzes und des Brandenburgischen Rechtsanwaltsversorgungsgesetzes
Da vereinbart wurde, auf eine Debatte zu verzichten, kommen wir zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen, der federführend sein soll, und an den Rechtsausschuss. Wer dem folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Frau Abgeordnete Wehlan, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Landtagssitzung hat es in sich: ein Minister, der zurücktritt, weil er offenbar weder die Wirtschaftspolitik der Landesregierung noch die privaten wirtschaftlichen Verhältnisse im Griff hat. Auswirkungen verfehlter Politik auf den Gesamthaushalt in nie da gewesener Größe werden uns mit dem Nachtragshaushalt am morgigen Tag beschäftigen. Schließlich habe ich heute eine Regierungserklärung vernommen, die eher als ein Offenbarungseid zu verstehen ist, anstatt erkennbare realistische Lösungsansätze für die Zukunft Brandenburgs darlegt.
Auch die drei so oft beschworenen großen Reformprojekte der Landesregierung - Polizeireform, Gemeindegebietsreform und Forstreform - haben nicht die erforderliche Akzeptanz gefunden. Viele Ziele hat die Landesregierung ursprünglich in der Forstreform verfolgt, so genau lässt sich aber nicht mehr klären, welche. Ob des quälenden und langen Verlaufs lässt es sich nicht mehr recherchieren. Fest steht jedoch, dass man sich überhaupt erst sehr spät zur Entwicklung eines Zielsystems entschlossen hat. Insofern lassen sich die jetzigen Ergebnisse faktisch schlecht am gesteckten Ziel messen. Wir sind zu einer Ad-hoc-Bewertung angehalten.