Protocol of the Session on November 13, 2002

(Unruhe bei der PDS - Zuruf: Sehr demokratisch!)

Verehrte Kollegen, das ist sein Recht.

Zu den Gemeinden, wegen derer Sie beklagen, dass wir sie nicht angehört hätten,

(Fortgesetzte Zurufe von der PDS)

gibt es zwei Dinge zu bemerken: Ich kann von einer Gemeindevertretung verlangen, dass sie, wenn es um die politische Darstellung ihrer existenziellen Gegebenheiten geht, in der Lage ist, innerhalb von drei Wochen eine Gemeindevertretersitzung durchzuführen. Sieht sie sich dazu nicht in der Lage, dann liegt die Vermutung nahe, dass sie versucht, das Verfahren aufzuhalten; dann ist das eine Abwehrreaktion. Das machen wir nicht mit.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass wir uns sehr streng an die verfassungsmäßigen Gegebenheiten halten, sie sogar erweitern. Eine mündliche Anhörung ist nicht Pflicht des Ausschusses und nicht Pflicht des Parlaments.

(Vietze [PDS]: Dies wurde aber beschlossen!)

Wenn die gebotene Möglichkeit nicht genutzt wird, ist das nicht unser Bier, ist das nicht unsere Schuld. - So viel zum Zeitplan und zu Ihnen, Kollege Sarrach.

Ich glaube auch, dass es angesichts der langen Vorgeschichte nicht notwendig ist, in der heutigen 1. Lesung auf einzelne Paragraphen einzugehen, zumal wir uns hier noch - richtig bemerkt in der Anhörung zum Vierten Gesetz befinden. Aus diesbezüglich derzeit laufenden Anhörungen konnten wir im Innenausschuss wichtige Schlussfolgerungen ziehen und Erfahrungen ableiten.

In einer der ersten großen Anhörungen befasste sich der Innenausschuss mit dem Komplex der allgemeinen Gesetzesbegründung, dem Leitbild des Gesetzgebers und dem Kapitel der allgemeinen Vorschriften. Das sind Dinge, die in allen sechs Gesetzentwürfen vorhanden sind und die Grundlage dafür darstellen, inwieweit das entwickelte Leitbild und das angewandte Verfahren den verfassungsmäßigen Erfordernissen gerecht werden.

Der Innenausschuss hat betreffend der Gesetze 1 bis 4 vor der Frage gestanden, inwieweit man sich für die Anhörungen zu den Einzelfällen einen Rahmen setzen sollte. Das war die Absicht. Mehrheitlich gelangte der Innenausschuss zu der Auffassung, dazu einen Beschluss zu fassen. In diesem wird festgestellt, dass den verfassungsmäßigen Erfordernissen Rechnung getragen wurde und dass Veränderungen im Einzelfall möglich sind. Dies ist eben keine Vorfestlegung, wie Kollege Sarrach hier behauptet.

In dem Beschlusstext wurden sowohl die Kritik der Experten als auch deren Empfehlungen berücksichtigt, die das Anhörungsverfahren betreffen, die es gründlicher und genauer machen. Ich denke, der Beschluss des Innenausschusses ist auch insofern äußerst hilfreich, dass wir uns jetzt den tatsächlichen Problemen vor Ort zuwenden können und nicht wieder über die Frage philosophieren müssen: Was ist denn nun verfassungsmäßig und was nicht?

(Zuruf von der PDS)

Diese Frage wollen die Gemeinden nicht beantwortet haben, sondern sie wollen, dass wir uns um ihre unmittelbaren Interessen, um ihre Verbindungen zur Nachbargemeinde und Ähnliches kümmern. Das können wir jetzt.

Ich kann mir auch vorstellen, dass wir diese Beschlussvorlage auf das Fünfte und das Sechste Gesetz erweitern.

Was mich in den Anhörungen zutiefst beeindruckt hat, war das Engagement der vielen ehrenamtlichen Bürgermeister. Einzelne hervorzuheben verbietet sich. Gegenüber den Nichtgenannten wäre das nicht gerecht.

Ich verstehe die Sorgen und Ängste jener, die sich gegen Gemeindezusammenschlüsse aussprechen; es ist nicht die Sorge um persönliche Belange, sondern oft die Frage nach der Zukunft begonnener Dinge, die Frage danach, ob das große ehrenamtliche Engagement in den Gemeinden unter veränderten Bedingungen, in veränderten Strukturen aufrechterhalten werden kann. Wie gesagt, ich verstehe diese Ängste, teile sie aber nicht.

(Beifall der Abgeordneten Frau Konzack [SPD])

Das gesellschaftliche Leben in den Gemeinden, in den Ortsteilen ist nicht primär von der Verwaltungsstruktur oder der Gemeindegröße abhängig.

(Beifall der Abgeordneten Frau Konzack [SPD])

Es ist vielmehr abhängig von den handelnden Personen vor Ort.

(Zuruf von der PDS: Das ist Augenwischerei!)

Diejenigen, die sich in der Phase der Freiwilligkeit der landesweiten Gemeindegebietsreform nach mitunter langen Diskussionen gefunden haben, sollten genauso wie wir, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Auffassung jener achten, die sich nicht für Gemeindezusammenschlüsse entscheiden konnten; denn wenn wir ihre Auffassung, ihren Standpunkt nicht achten, werden wir sie nicht nur verletzen, sondern wir verzichten damit auch auf ein großes Potenzial kommunalen Engagements, das trotz aller anders lautenden Prophezeiungen auch in Zukunft vorhanden sein wird.

(von Arnim [CDU]: So ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Fünfte und Sechste Gesetzentwurf vervollständigen die notwendigen Vorlagen, um die landesweite Gemeindegebietsreform zum Abschluss zu bringen. Auch wenn wir diejenigen, die gegen die Reform sind, nicht überzeugen können, müssen und wollen wir Sozialdemokraten ihre Argumente sorgfältig prüfen und bewerten. Wir schließen Veränderungen im Einzelfall nicht aus. Allumfassende Veränderungen können wir uns allerdings angesichts der Erfahrung und der Erkenntnisse der ersten Anhörungen nicht vorstellen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Herr Abgeordneter Claus, bitte sehr.

(Zuruf von der PDS: Wäre es möglich, dass der zuständige Minister wieder hereinkommt? Es geht schließlich um sei- nen Gesetzentwurf!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die heute vorliegenden beiden Gesetzentwürfe der Landesregierung kann im Prinzip nichts anderes gelten als für die vorangegangenen.

Mit diesen Gesetzentwürfen beabsichtigt die Landesregierung abermals Auflösungen, Zwangszusammenschlüsse und Eingliederungen von Gemeinden. Die Anhörungen der betroffenen Gemeinden durch das Parlament, das heißt durch den Innenaus

schuss, haben noch nicht stattgefunden. Schon wegen des noch nicht abgeschlossenen Anhörungsverfahrens sieht sich meine DVU-Fraktion außerstande, zu diesen Gesetzentwürfen der Landesregierung abschließend Stellung zu nehmen.

Hinzu kommen die Erfahrungen aus den bereits zu den vorangegangenen Gesetzentwürfen der Landesregierung erfolgten Anhörungen vor dem Innenausschuss. Gehört wurden Experten sowie betroffene Gemeinden und Landkreise. Diese Erfahrungen führen für meine Fraktion zu der Erkenntnis, dass auch zu den heute vorliegenden Gesetzentwürfen der Landesregierung zunächst die Anhörungen vor dem Innenausschuss erfolgen müssen.

Schon aus diesem Grunde lehnt die DVU-Fraktion auch die beiden heute hier zur Debatte stehenden Gesetzentwürfe der Landesregierung ab und kann nur eine Überweisung an den Ausschuss für Inneres befürworten.

Hinzu kommt, dass wir einen guten Teil unserer zu dem Reformvorhaben insgesamt bestehenden Bedenken durch die erfolgten Anhörungen bestätigt sehen.

Ich möchte dazu einige Anmerkungen machen, um unsere Position zu den heutigen Entwürfen zu verdeutlichen:

Erstens führte bereits die Expertenanhörung im Innenausschuss mit hinreichender Deutlichkeit zu folgenden Ergebnissen: Der Landtag ist als Gesetzgeber nunmehr Herr des Verfahrens - nicht die Landesregierung. Er muss sich in jedem Einzelfall sein eigenes Bild machen, muss eigene Abwägungen vornehmen und eigene Entscheidungen treffen.

Zweitens wurde die bisherige Sicht der DVU-Fraktion in folgenden Punkten von den Experten bestätigt: Neben den Aspekten Gemeindefinanzen und effektive Verwaltung treten weitere, zumindest gleichrangige Gesichtspunkte hervor: insbesondere der Bürgerwille und die Suche nach milderen, gleichwertigen Mitteln vor Anwendung von gesetzlichem Zwang. Der Bürgerwille ist hierbei Voraussetzung der Integrationsfähigkeit, welche die Grundelemente der Demokratie betrifft. Von ihr ist die grundsätzliche Bereitschaft der Bürger abhängig, sich auf kommunaler Ebene engagiert einzubringen.

Erhebliche Bedenken wurden von den Experten aber auch bezüglich der Behandlung der Stadt-Umland-Problematik geäußert. Bei einer Gebietsausdehnung von Städten durch Gemeindeeingliederung bestehe die Gefahr, dass die strukturellen Probleme der Städte nur zugekleistert und ins Umland getragen werden.

Dies alles ist auch bei der Behandlung der heute zu diskutierenden Gesetzentwürfe von Bedeutung.

Zudem ergaben sich aus den Anhörungen von Gemeinden und Kreisen vor dem Innenausschuss wichtige Erkenntnisse für die Abwägung und Entscheidung unseres Parlaments.

Insbesondere im Bereich Potsdam-Mittelmark stellt sich mit einiger Deutlichkeit heraus, dass sich - ohne gesetzlichen Zwang Alternativen im Umland der kreisfreien Städte Potsdam und Brandenburg bieten, die im Einklang mit den Leitlinien der Landesregierung stehen dürften.

Namentlich im Umland der Stadt Potsdam gab es erhebliche Bedenken, dass die dort nach den Plänen der Landesregierung beabsichtigten Eingemeindungen in die Stadt Potsdam nicht mit den Leitlinien der Landesregierung in Einklang zu bringen seien. Offenbar bestehen hier weder enge städtebauliche Verflechtungen noch ein substanziiert vorgetragenes Interesse der Stadt Potsdam an einer Vergrößerung ihrer Fläche. Auch dies wird sich aller

Voraussicht nach bei den vorliegenden Gesetzentwürfen wiederholen.

Hinzu kommen Bedenken hinsichtlich der Vorgehensweise der Landesregierung bei der Vorbereitung des Reformwerks. Seitens der Landesregierung wird vor Ort wohl zumindest teilweise nach dem Motto - frei nach dem alten Goethe - verfahren: Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt! - Vertreter der Landesregierung erklärten in den Gemeinden vor Ort wohl sinngemäß - das wurde auch bei der Anhörung deutlich-: Entweder stimmt ihr unseren Vorstellungen zu oder wir machen das per Gesetz! Wenn ihr zustimmt, gibt's Geld, sonst nicht. - Das war wohl für das Stimmverhalten im Umland der Stadt Brandenburg ausschlaggebend. Das erklärt Verweigerungshaltungen von Gemeinden vor dem Innenausschuss - nach dem Motto: Ist doch sowieso schon alles klar. Also gehen wir vor das Verfassungsgericht! - So war es während der Anhörung des Öfteren zu hören.

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss!

Ja, ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Danke für Ihr Verständnis.

Ich kann meinen Beitrag nur mit der Bitte an die betroffenen Gemeinden schließen: Machen Sie von Ihrem Anhörungsrecht vor dem Innenausschuss Gebrauch! Stellen Sie sich! Geben Sie uns als Parlament eine vernünftige Entscheidungsgrundlage! - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Petke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Vietze, wenn Sie hier schon zwischenrufen: Genauso machen Sie es im Ausschuss! -, würde ich mich freuen, Sie auch einmal bei den Anhörungen des Innenausschusses - wir haben ja doch einen Sitzungsmarathon vor uns - begrüßen zu können, damit Sie die Erkenntnis, wer was wie bei den Anhörungen zur Gemeindegebietsreform im Innenausschuss tut, auch aus eigenem Erleben im Plenum schildern können - wenn hier so etwas von den Bänken der PDS kommt!