Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der Fraktion der SPD. Herr Abgeordneter Muschalla, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir können uns zu diesem Gesetz kurz fassen. Am 29. Mai habe ich das inhaltlich Wesentliche zu diesem Gesetz gesagt. Es geht nicht um die Einschränkung des Presserechts, sondern namentlich um rechtsextremistische und menschenverachtende Propagandadelikte, also um Presseinhaltsdelikte, die unter längere Verfolgung gestellt werden sollten, um geahndet werden zu können.
Diese Maßnahme ist ergriffen worden. Der Hauptausschuss hat das Gesetz in vorliegender Form unverändert angenommen und wir sind im Namen der Gesetzlichkeit und der Verfolgung solcher Maßnahmen verpflichtet, dieses Gesetz ebenfalls anzunehmen.
Der zweite Teil des Gesetzes betrifft die Anpassung an bundesrechtliche Datenschutzbestimmungen. Auch das ist begründet und sinnvoll. Ich denke, es gibt von unserer Seite aus keine Gründe dafür, dieses Gesetz in der vorliegenden Form nicht anzunehmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Muschalla, und gebe das Wort an die Fraktion der PDS, Herrn Abgeordneten Prof. Dr. Bisky. Für ihn spricht der Abgeordnete Vietze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Ausführungen des Herrn Prof. Dr. Bisky gilt das Gleiche, was Herr Muschalla gesagt hat. Er hat bei der 1. Lesung sehr dezidiert auf das inhaltliche Anliegen hingewiesen. Wir teilen diese Auffassung, sehen keinen weiteren Diskussionsbedarf und stimmen dem Gesetzentwurf zu.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weil ich schon ahne, was nach meinen Ausführungen kommt, möchte ich ein paar Worte mehr sagen. Die Einzelheiten, das heißt welche Paragraphen sich wie ändern, sind aus Anlass der 1. Lesung ausführlich dargelegt worden. Zu den genannten Änderungen des Branden
burgischen Pressegesetzes hat die Ausschussberatung ergeben, dass dem Gesetzentwurf unverändert zugestimmt wird. Ich will deshalb den Inhalt nicht noch einmal erläutern, sondern vielmehr etwas zu den Folgen darlegen.
Die neue Qualität, die nun erreicht wird, ist die, dass es Gesetzesverletzern verschiedener Art nicht mehr so einfach möglich ist, extremistische Schriften oder Ähnliches zu verbreiten und über einen bestimmten kurzen Zeitraum die Herkunft, d. h. den Absender, zu verschleiern und dadurch mittels bis heute gültiger kurzer Verjährungsfristen der Strafe zu entgehen.
Das heißt, dass Verjährungsfristen für Missbrauch falsch verstandener Pressefreiheit gelockert und damit eine bessere Strafverfolgung ermöglicht wird. Links- bzw. rechtsextremistischen Propagandamachern bzw. Verteilern pornographischen Materials jeder Art ist damit das Handeln erheblich erschwert worden.
Nun ist damit nicht das Gesamtproblem Extremismus gelöst, jedoch ist genannten Gruppen das Verbreiten ihrer unseligen Schriften wesentlich erschwert und den Produzenten links- und rechtsextremistischen bzw. pornographischen Materials zumindest ein Teil ihrer Geschäftsgrundlage entzogen. Sie können nun nicht mehr auf schnelle Verjährung hoffen, sondern durch längere Verjährungsfristen für ihr gesetzwidriges Handeln eher als bisher zur Verantwortung gezogen werden.
Diese Gesetzesvorlage bedeutet also nicht nur technokratische Änderung, sondern auch einen aktiven Schritt zum Beispiel zu mehr Jugendschutz in den Medien. Das heißt, wenn junge Menschen in der Phase ihrer Entwicklung bzw. in Zeiten, in denen erfahrungsbedingt extremistischer Unfug nicht von jedem ausreichend bewertet bzw. nicht qualifiziert zwischen Sinn und Unsinn unterschieden werden kann, nicht mehr von diesen Publikationen erreicht werden, dann ist eine Irreführung in den Köpfen genannter junger Menschen auch nicht mehr so einfach möglich - zugegeben: ein kleiner Schritt, aber immerhin ist es einer. Und wenn man weiß, dass damit ein bestimmter Vertriebsweg, das heißt eine Hauptinformationsquelle, zumindest sehr geschwächt wird und am Ende sogar versiegt, dann ist doch eine ganze Menge erreicht worden.
In diesem Sinne können wir mit dem ersten Schritt in eine richtige Richtung zufrieden sein und uns diesbezüglich auf Kommendes konzentrieren. Es liegt noch viel vor uns. Daher empfehle ich, der Beschlussempfehlung zuzustimmen.
Ich danke dem Abgeordneten Schöps und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Schuldt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wovor hat die Landesregierung, wovor haben Sie eigentlich Angst? Die Pressefreiheit als besonderer Ausdruck der Meinungsfreiheit umfasst in Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 erster Teil Grundgesetz vor allem den Schutz der Beschaffung der Information bis zur
Verbreitung der Nachrichten und Meinungen. Auswirkungen hat dieser verfassungsrechtliche Grundsatz, der weit über die Institutsgarantie „Freie Presse” hinausgeht, in einer Vielzahl von Normen unterhalb des Verfassungsrangs.
Insbesondere das Strafrecht ist ein hoch sensibler Bereich, da es aufgrund seines massiven Eingriffscharakters elementar im Bereich der Einschränkungsmöglichkeiten von Grundrechten nachhaltig wirkt. Die Pressefreiheit kann nach Artikel 5 Abs. 2 durch allgemeine Gesetze eingeschränkt werden. Darunter sind all jene Normen anzusehen, die gerade nicht speziell auf Einschränkungen der im Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz gewährleisteten Freiheiten zielen - so die so genannte formelle Theorie des Bundesverfassungsgerichts -, sondern einen anderen Zweck haben.
Liegt ein solches allgemeines Gesetz vor, so ist im Rahmen der normalen Verhältnismäßigkeitsprüfung besonderes Gewicht auf die Güterabwägung zu legen, damit die in Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Rechtsgüter nicht von jedem anderen allgemeinen Rechtsgut verdrängt werden. Nach der so genannten materiellen Theorie des Bundesverfassungsgerichtes liegt ein allgemeines Gesetz nur vor, wenn es auch verhältnismäßig ist. Das heißt, die Verhältnismäßigkeit ist Voraussetzung des Allgemeinen.
Die Aufnahme einer kurzen Verjährung bei den Paragraphen 86, 86 a und 130 Strafgesetzbuch für Pressedelikte im Brandenburgischen Pressegesetz ist nichts anderes als die Konsequenz der schlichten Überlegung, dass die Pressefreiheit nicht unverhältnismäßig unter dem Druck des Strafrechts, also des aus dem Rechtsstaatsgebot begründeten allgemeinen Strafverfolgungsinteresses, eingeschränkt werden soll. Das heißt, der Gesetzgeber hat damals, als die kurze Verjährung in das Brandenburgische Landespressegesetz aufgenommen wurde, diesen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der im Übrigen auch Grundlage einer umfassenden Güterabwägung war, zugrunde gelegt.
Wir als Fraktion der DVU - da sollte uns niemand in diesem Hause unredlicherweise missverstehen - sehen durchaus Bedarf an einer presserechtlichen Sanktion der Gewaltdarstellungen, der Verbreitung pornographischer Schriften sowie der Tatbestände der §§ 86, 86 a und 130 des Strafgesetzbuches. Dies darf jedoch nicht so weit führen, dass aus rein politischen Gründen innerste Wesensgehalte von Grundrechten unverhältnismäßig berührt werden.
Betrachtet man den Wortlaut der von der Landesregierung intendierten Änderung des Brandenburgischen Landespressegesetzes, so ist auf den ersten Blick nichts Verdächtiges festzustellen. Geht man jedoch weiter in die Begründung hinein, so fällt jedem Juristen auf, dass die Grundlage teleologischer Gesetzesauslegung hier einen höchst einseitigen Wert beinhaltet, nämlich den so genannter rechts gerichteter Schriften.
Wo ist da - frage ich hier und heute noch einmal mit Nachdruck - ein konkreter Bezug zur Verwirklichung spezifischer Straftatbestände? Einer strengen juristischen Untersuchung hält diese Begründung allein nicht stand, geht man von oben genannten Abwägungsgesichtspunkten aus.
Das Bundesverfassungsgericht lässt die Einschränkung von Grundrechten nur nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz
zu, das heißt nach einem Abwägen von Verfassungsgütern. Davon ist aus Sicht der Fraktion der DVU in Anbetracht der Fokussierung auf so genannte rechts gerichtete Schriften nicht das Geringste zu erkennen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen habe ich daher im Hauptausschuss als Einziger gegen diese Gesetzesänderung gestimmt und dabei bleibt es auch. Meine Fraktion schließt sich dem an. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Abgeordneten Schuldt. - Das Wort geht an die Landesregierung. Herr Staatssekretär Speer, bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will die Kürze der Einlassung des Abgeordneten Muschalla unterbieten.
Ich bedanke mich für die im Ausschuss und die über die Koalition hinaus geleistete Unterstützung des Gesetzentwurfs der Landesregierung und folge den Einlassungen meines Vorredners in keiner Weise. Die juristischen Abwägungen, die hier zutage gefördert wurden, überzeugen nicht. Die Landesregierung ist sehr sorgfältig vorgegangen. Ich bedanke mich für die Beratung im Hauptausschuss. - Vielen Dank.
Ich danke auch. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung.
Ich rufe die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses, die Ihnen in der Drucksache 3/4457 vorliegt, zur Abstimmung auf. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen worden und das Erste Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Landespressegesetzes in 2. Lesung verabschiedet.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion der PDS. Frau Abgeordnete Bednarsky, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zur Situation der ambulanten Behindertenhilfe ist aus Sicht meiner Fraktion ein Armutszeugnis der Sozialpolitik dieses Landes.
Über elf Jahre Sozialpolitik der Regierung um Stolpe haben nicht dazu geführt, in Brandenburg eine bedarfsdeckende ambulante Betreuungslandschaft für Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Ich frage mich ernsthaft, auf welcher Grundlage die Landesregierung eigentlich vor zwei Jahren das Ausführungsgesetz zum BSHG novelliert hat, ganz abgesehen davon, dass das Landesverfassungsgericht in wesentlichen Punkten das novellierte Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz des Landes Brandenburg für verfassungswidrig erklärt hat.
Sie haben vor zwei Jahren gegen den fachlichen Rat der Behindertenverbände, der Freien Wohlfahrtspflege und der kommunalen Körperschaften und selbstverständlich gegen das warnende Wort der Opposition dieses novellierte Ausführungsgesetz im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes 2000 auf den Weg gebracht. Und nun bieten Sie Antworten an, in denen Sie weismachen wollen, Sie kennten die Situation im Lande gar nicht und seien sachlich auch nicht zuständig.
Dass die Landesregierung ahnungslos ist, nehmen wir ihr nicht ab; ich verweise beispielsweise auf die Frage 22. Zum Problem ambulanter Tagesangebote gibt es nämlich inzwischen ein umfangreiches Papier des Landesamtes für Soziales und Versorgung. Auf die inhaltlichen Fragen, die in diesem Zusammenhang zu diskutieren wären, geht die Landesregierung allerdings mit keinem Wort ein.
In der Beantwortung der Frage 25 äußert die Landesregierung - nicht die Opposition -, dass das Land nahezu keine Einflussmöglichkeiten auf den Ausbau der ambulanten Behindertenhilfe habe. Genau dies jedoch war das vom Sozialministerium herausgestellte Ziel der Novellierung des AG-BSHG vor zwei Jahren: ein Zurückfahren der stationären Behindertenhilfe durch Fallzahlendeckelung und Mitfinanzierung der örtlichen Träger der Sozialhilfe in Höhe von 7 % der anfallenden Kosten einerseits und die Lenkung des Ausbaus der ambulanten Behindertenhilfe, wenn es sich um Eingliederungsmaßnahmen nach dem BSHG handelt, durch Mitfinanzierung des Landes an den Kosten in Höhe von 93 % andererseits.
In der Beantwortung der Großen Anfrage erklärt die Landesregierung, sie wisse gar nicht, welche ambulanten Dienste und anderen Eingliederungsmaßnahmen seit zwei Jahren von den einzelnen örtlichen Sozialhilfeträgern mit 93 % Landesmitteln finanziert würden. Das Land Brandenburg zahlt als einziges Bundesland - und wir finden das gut - 93 % aller ambulanten Eingliederungsmaßnahmen der öffentlichen Träger der Sozialhilfe und das Land weiß nicht, was der jeweilige örtliche Sozialhilfeträger mit diesen Mitteln macht. Das finde ich einfach „grandios”! Entweder wollten Sie vor zwei Jahren mit der Gießkanne Geld über die örtlichen Sozialhilfeträger ausschütten - in der Hoffnung, sie würden etwas wachsen - oder Sie sind schlichtweg unfähig, ein Ausführungsgesetz und entsprechende Verordnungen, auf die selbst die so kompetente Mehrheit dieses
Hohen Hauses keinen Einfluss hat, so zu gestalten, dass Sie wenigstens eine Dokumentationspflicht für die Sozialhilfeträger über die von Ihnen zu 93 % finanzierten Maßnahmen festlegen - vom Lenkungsmechanismus zum Ausbau einer wirklich bedarfsgerechten ambulanten Betreuungslandschaft ganz zu schweigen.
Jeder Empfänger von staatlichen Mitteln hat eine Rechenschaftspflicht über deren Einsatz gegenüber der vorgesetzten Institution. Das scheint für Brandenburg nicht zu gelten. Hier wäre doch der ansonsten von Ihnen viel genutzte Weg über Verordnungen möglich.
Dasselbe Gebaren scheint für die zweckgebundenen Finanzmittel des Gemeindefinanzierungsgesetzes nach § 16 a zu gelten. Die Fragen der Opposition dazu konnte oder wollte die Landesregierung nicht beantworten. Dass Sie behaupten, über das Landesarbeitsamt nicht ermitteln zu können, wie viele Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen im Bereich der Familienentlastenden Dienste in Brandenburg tätig waren und sind - wie wir in Frage 15 erkunden wollten -, scheint mir gelinde gesagt eine Frechheit bzw. eine unerträgliche Missachtung des Parlaments zu sein.