Protocol of the Session on March 7, 2002

„Wie viele Einwohner je Quadratkilometer Verbandsgebiet befanden sich nach den neuesten Erhebungen in den einzelnen Verbänden und wie hoch war der Kubikmeter Abwasser je Quadratmeter in den einzelnen Verbänden?”

Diese Frage ist übrigens exemplarisch für die anderen 48 Fragen. Ich kann deshalb die Gelegenheit nur dazu nutzen, der Landesregierung für ihre Geduld und für die Langmut zu danken, den sie beim Versuch, diese Anfrage zu beantworten, aufbrachte. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort geht an Frau Dr. Enkelmann. Sie spricht für die PDSFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die Qualität der Fragen der Großen Anfrage der DVU anbetrifft, kann ich mich

meinem Vorredner nahtlos anschließen. Diese Fragen strotzen von Unkenntnis über Kompetenzen, über Abwassertechnologien usw. Sie versuchen auf der Welle von Bürgerprotesten zu schwimmen. Was allerdings inhaltliche oder konzeptionelle Mitarbeit oder Zuarbeit anbetrifft, da ist bei Ihnen überhaupt nichts zu erwarten und nichts zu sehen.

Es ist auch kein Wunder, dass die Landesregierung deswegen auf die eine oder andere Frage nicht antworten kann, möglicherweise auch nicht antworten will. Dort, wo die Regierung Antworten gibt, sind einige davon allerdings auch von Ignoranz und Unvermögen, möglicherweise sogar von Unwillen, die Probleme, die es in diesem Bereich unzweifelhaft gibt, zu lösen, diktiert. Wenn das Thema nicht so wichtig wäre, würde sich eine Debatte darüber verbieten. Aber ich denke, wir müssen über dieses Thema sprechen. Das ist ein Thema, das viele Bürgerinnen und Bürger bewegt.

Nach wie vor unterschätzt die Landesregierung aus unserer Sicht die wirtschaftlichen, sozialen und regionalpolitischen Dimensionen des Problems Abwasser. Auch in dieser Frage verliert Politik zunehmend an Glaubwürdigkeit. Herr Minister Birthler, da hilft auch nicht der von Ihnen verbreitete Zweckoptimismus. Jeder, der die Grundrechenarten beherrscht, kann sich über die jüngsten Äußerungen zur Kostenentwicklung beim Abwasser nur wundern. Diesbezüglich haben Sie doch allen Ernstes behauptet, die Wasserpreise würden in den nächsten Jahren sinken.

(Minister Birthler: Einige Verbände haben es vor- gemacht!)

- Ich sage Ihnen: Wir haben die nächsten Jahre betrachtet und damit auch ein Stück weit in die Zukunft geguckt. Die Abwasserpreise werden nicht sinken, sondern weiter steigen.

Die Fehlentwicklung im Bereich Abwasser hat einen Schuldenstand der Zweckverbände, also der Kommunen, von fast 3 Milliarden DM verursacht. Für 1 Milliarde DM fehlt der Gegenwert; für alles andere sind Anlagen usw. vorhanden.

Brandenburg hat mit 6,48 DM/m3 den höchsten Abwasserpreis aller Bundesländer, der im Durchschnitt bei 4,46 DM/m3 liegt. Das ist nicht etwa ein Problem der neuen Bundesländer; denn wie Sie wissen, liegt das Bundesland Thüringen weit unter dem Bundesdurchschnitt. Die Ursache der hohen Abwasserpreise im Land Brandenburg liegt eindeutig in der Idealisierung einer Technologie, die vor allem auf Zentralisierung, auf Zentralismus setzt.

Eine Konzentration auf ein System der zentralen Anschlüsse passt nicht in den ländlich strukturierten Raum Brandenburgs. So verursachen die Kanalkosten bis zu 80 % der Gesamtkosten. Nur 20 % der Kosten entfallen auf die eigentliche Abwasserreinigung.

Nebenbei bemerkt: Das Bundesland Thüringen hat gerade nicht auf Kanalisation gesetzt, sondern verfügt inzwischen über einen Anteil von 30 % an Kleinkläranlagen. Also Umdenken in Brandenburg? - Mitnichten. Ein Nachdenken über einen möglichen oder stellenweise auch notwendigen Rückbau von Anlagen - was für die Zukunft auch Kosten minimieren kann; denn dort werden auch Kosten durch Modernisierung

und Sanierung von Anlagen entstehen - findet in Brandenburg nicht statt.

(Beifall des Abgeordneten Neumann [CDU])

Abgesehen von einer begrüßenswerten theoretischen Fördermöglichkeit für Kleinkläranlagen drückt man weiterhin - die Diskussion hatten wir während der Haushaltsberatungen - pro Jahr 60 Millionen Euro in zentrale Anschlüsse. Um gewagte Rechtfertigungen dafür ist man nicht verlegen. So behaupten Sie, Herr Minister Birthler, dass die EU bis zum Jahre 2005 Kanalisation und Kläranlagen in Gemeinden mit mehr als 2 000 Einwohnern vorschreibe. Sie wissen es besser, Sie kennen die Rechtslage der EU. Die Frage ist: Wen wollen Sie in Zukunft noch mit zentralen Anlagen beglücken?

(Beifall bei der PDS)

Denn in Brandenburg sind inzwischen 77 % der Haushalte angeschlossen. 30 % der Bevölkerung wohnen aber nun einmal in Gemeinden mit weniger als 2 000 Einwohnern. Was passiert an dieser Stelle hinsichtlich des Anschlusses? Es ist völlig richtig, was Herr Homeyer gerade sagte: Wir haben uns im Ausschuss mehrfach mit dem Thema befasst, zuletzt im Januar im Zusammenhang mit Kossenblatt und Briescht. Das Problem ist bis heute nicht geklärt.

Dieses Beispiel dürfte exemplarisch dafür sein, wie Sie mit dem Thema Wasser/Abwasser umgehen, wie ernst Sie es tatsächlich mit der Ankündigung meinen, zukünftig auch dezentrale Anlagen zu fördern. Das Klärwerk, das im genannten Fall betroffen ist, wird nicht zu einem Auslastungsgrad von über 50 % gelangen. Es wird bei gut 50 % und damit immer ein Zuschussgeschäft bleiben.

Diese Fragen sollten also aufgerufen und im Ausschuss weiter diskutiert werden. Insofern hätte ich mir schon eine ernsthafte Verständigung zu diesem Thema hier gewünscht.

(Der Abgeordnete Dellmann [SPD] meldet Fragebedarf an.)

Diese Große Anfrage ist dazu aus meiner Sicht nicht geeignet, Herr Dellmann.

(Beifall bei der PDS)

Die Frage des Abgeordneten Dellmann wird von der Abgeordneten offensichtlich nicht beantwortet. - Wir sind damit bei der Landesregierung. Herr Innenminister, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage erweckt vom Titel her den Eindruck, es gehe hier um Grundsatzfragen der Wasser- und Abwasserpolitik des Landes, die geklärt werden sollen. Tatsächlich wird jedoch mit einer Vielzahl von Einzelfragen mehr oder weniger nach der geltenden Rechtslage und nach statistischen Erkenntnissen gefragt.

Soweit sich die Fragen auf die Rechtslage beziehen, haben wir

in unserer Antwort darauf hingewiesen und Ihnen auch die Möglichkeit gegeben, sich weiterzubilden.

Soweit sich die Frage auf statistische Sachverhalte bezieht, ist ihre Beantwortung nur eingeschränkt möglich, weil ein Großteil dieser Daten auf der Landesebene nicht vorliegt, da die Zuständigkeit anderswo liegt. Zum Teil ist die Unkenntnis darüber natürlich nicht darin begründet, dass die Landesregierung hier etwas versäumt hätte. Vielmehr stellen die Fragen auf Sachverhalte ab, die für Rahmenentscheidungen der Landesregierung nicht relevant sind. Diese Dinge sind im Bereich der Zuständigen, nämlich auf der kommunalen Ebene, zu klären.

Die Fragen machen deutlich, dass den Fragestellern wahrscheinlich nicht klar ist, dass die Wasserver- und Abwasserentsorgung Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung sind. Die Landesregierung geht daher im Grundsatz davon aus, dass die Aufgabenträger die Erledigung der Aufgabe und ihre Beziehung zu den Bürgern rechtskonform und auf die jeweilige Verwaltungsstruktur zugeschnitten richtig gestalten. Dies schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen zu Fehlern kommen kann. Solche Dinge landen nicht selten bei „Ein Fall für Escher”, der „Bild”-Zeitung oder gegebenenfalls als Landtagsdrucksache bei der Landesregierung. Damit setzen wir uns dann auseinander. Im Prinzip aber sollten die Aufgaben dort erledigt werden, wo dies am besten geschehen kann, nämlich auf der kommunalen Ebene, nachdem die Landesregierung dafür die notwendigen Voraussetzungen geschaffen hat.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr. - Wir sind damit am Ende der Rednerliste. Mit dem Ende der Aussprache ist die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 35 zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Gemeindefinanzreform

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/3924

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Herr Abgeordneter Sarrach, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die mangelnde Finanzausstattung der Kommunen ist in den vergangenen Jahren immer wieder zu Recht beklagt worden. Die massiven Proteste der kommunalen Spitzenverbände haben ebenso wie die regelmäßig von den Oppositionsparteien zu hörenden Proteste jedoch keine grundsätzlichen Verbesserungen bewirkt. So ist die Forderung nach einer Gemeindefinanzreform auf Bundesebene zu einem Uraltthema geworden. Auch die SPD hat in der Zeit der Kohl-Regierung immer wieder in diese Richtung gedrängt. Jetzt sind die Rollen getauscht worden und die oppositionelle CDU/CSU fordert nunmehr eine grundlegende Re

form der Kommunalfinanzen und eine Beendigung der kommunalfeindlichen Politik der Bundesregierung.

Es ist unverkennbar, dass die Bundestagswahlen immer näher rücken. Wie ernst die Situation in den Kommunen ist, machte vor wenigen Tagen der Geschäftsführer des Deutschen Städtetages deutlich. Herr Articus warnte vor einem Ausbluten der deutschen Städte. Er wies darauf hin, dass die Gesamtausgaben der Städte im Jahr 2002 148 Milliarden Euro betragen und damit auf dem Niveau von 1992 liegen. Das sei einerseits dramatisch, weil es eine massive Verschiebung zwischen den Ausgabeblöcken gegeben habe. So seien die Investitionen von 33 Milliarden Euro im Jahre 1992 auf 22,5 Milliarden Euro in diesem Jahr reduziert worden. Dieser Einbruch bei den Investitionen wird durch die Preissteigerung um etwa 15 % in diesem Zeitraum noch verschärft.

Andererseits sind in dem Maße, wie die Investitionen zurückgegangen sind - also um etwa ein Drittel -, die Sozialausgaben der Kommunen in die Höhe geschossen. Nach Meinung des Präsidenten des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, Herrn Kleinschmidt, war das Jahr 2002 ein schlechtes Jahr für die brandenburgischen Kommunen. Er verbindet dies mit der resignativen Erwartung, dass auch das Jahr 2002 diesbezüglich nicht besser werde. Herr Kleinschmidt bezieht sich dabei auf die Auswirkungen der Steuerreform, die den Osten Deutschlands besonders treffen. So sanken die kommunalen Einnahmen in Ostdeutschland im Jahre 2001 um 3,4 %. Für das Jahr 2002 zeichnet sich ab, dass sich die überaus optimistischen Einschätzungen der Landesregierung bezüglich eines kräftigen Anstiegs der Gewerbesteuer eher ins Gegenteil verkehren werden.

Der Aufruf an die Kommunen, sparsamer zu wirtschaften, geht zunehmend ins Leere. Durch kontinuierlichen Personalabbau haben die Kreise, Städte und Gemeinden einen Stand erreicht, der nur noch auf Kosten einer erheblichen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit der Verwaltungen unterboten werden kann.

Auch die Steuerhebesätze sind in den großen Städten zumeist ausgereift. Wer die intensiven Auseinandersetzungen um die freiwilligen Aufgaben der Städte und Gemeinden zur Kenntnis nimmt, weiß, dass es sich die Verantwortungsträger vor Ort nicht leicht machen und bei Kürzungen und Streichungen immer vor Augen haben, dass sich die Attraktivität einer Kommune wesentlich an den so genannten freiwilligen Leistungen, also an den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben, manifestiert.

Ein solch verantwortungsbewusster Umgang hat eher etwas mit Zukunftssicherung zu tun als harte Streichorgien, die sich in der Perspektive negativ auswirken werden. Sparappelle des Landes an die Kommunen sind deshalb nach meiner Ansicht verfehlt.

Eine Folge der schwierigen Finanzsituation besteht darin, dass die Investitionen radikal zurückgefahren werden. Die Landesregierung drückt durch den schlagartigen Abbau der Investitionspauschalen in diese Richtung. Damit entsteht ein Teufelskreis; durch den Ausfall kommunaler Investitionen werden Handwerk und Gewerbe zusätzlich geschwächt. Zu den Auswirkungen auf die Konjunktur und den Arbeitsmarkt muss ich nicht weiter ausführen.

Zur Situationsbeschreibung gehört auch eine Bemerkung zum Umgang mit dem kommunalen Eigentum. Aufgrund der

schwierigen Finanzsituation wird der Druck zur Vermögensveräußerung immer stärker. Der vom Innenministerium Ende 2001 vorgelegte Bericht zur Finanzsituation der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte kommt zu dem Schluss, dass die kreisfreien Städte Brandenburg, Frankfurt und Potsdam bereits in erheblichem Umfang Vermögen veräußert haben.

Da eine solche Veräußerung nur einmal möglich ist, fällt diese Reserve in absehbarer Zeit ebenfalls aus. Im Übrigen bedeutet sie zumeist nur einen kurzfristigen Defizitausgleich, während die kommunalen Haushalte weiterhin an einem strukturellen Defizit kranken werden, was sich in wenigen Jahren dann auch wieder zeigen und zu Buche schlagen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das unterstreicht nachdrücklich, dass endlich Ernst gemacht werden muss mit einer bundesweiten Kommunalfinanzreform. Damit soll die Verantwortung des Landes für die Gemeindefinanzierung keineswegs negiert werden. Es war eine Fehlentscheidung, dass die SPD/ CDU-Regierung mit dem Doppel-GFG 2002/2003 die investiven Zuweisungen in Größenordnungen gekürzt hat, ohne, wie versprochen, die Schlüsselzuweisungen entsprechend zu erhöhen.

Aber wir sehen schon den Zusammenhang dahin gehend, dass die Weichen für eine dauerhafte Verbesserung der kommunalen Finanzsituation auf Bundesebene gestellt werden müssen. Jetzt kann die SPD zeigen, wie ernst sie es mit einer solchen Gemeindefinanzreform wirklich meint, und sie kann damit den halbherzigen Forderungen der CDU begegnen. Ich habe in diesem Zusammenhang zum Beispiel die starken Forderungen der Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordneten Katherina Reiche mit Interesse zur Kenntnis genommen. Wir werden ihre Erklärung natürlich mit ihrem Abstimmungsverhalten vergleichen.

Wir begrüßen, dass die Bundesregierung eine Expertenkommission von Bund, Ländern und Gemeinden zur Vorbereitung einer Gemeindefinanzreform eingesetzt hat. Das kann aber nur der erste Schritt sein. Uns geht es darum, noch in dieser Legislaturperiode möglichst zwingende Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass beispielsweise der Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer erhöht wird. Hierfür ist eine Expertenkommission ein sehr unverfängliches und ein völlig unverbindliches Instrument. Die Bundesregierung steht im September zur Disposition. Wie in der nächsten Legislaturperiode mit den Ergebnissen der Kommissionsarbeit verfahren wird, ist wiederum völlig offen.