Protocol of the Session on May 17, 2001

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Angemessene Erschließung des Landes Brandenburg durch Fern- und Regionalverkehr auf der Schiene

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 3/2761

in Verbindung damit:

Sicherung des Schienenpersonenfernverkehrs

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/2758

Ich eröffne die Aussprache. Wir hören zuerst den Beitrag der SPD-Fraktion. Herr Abgeordneter Vogelsänger, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine angemessene Erschließung der Brandenburger Region mit Verkehrsangeboten

auf der Schiene ist eine vordringliche landespolitische Aufgabe. Dabei möchte ich an die gestrige Aktuelle Stunde erinnern. Es ging um den Kampf gegen Abwanderung und Wohnungsleerstand. Es ist meine feste Überzeugung, dass die angemessene infrastrukturelle Erschließung der Region dabei eine Schlüsselrolle spielt.

In nur 38 Minuten ist man mit dem Regionalexpress von Brandenburg (Havel) am Bahnhof Zoo und in einer knappen Stunde von Frankfurt (Oder) im Berliner Zentrum. Weiterhin sind Regionen wie die Uckermark, die Prignitz oder die Lausitz durch ein attraktives RE-System gut an die Metropole Berlin und damit an einen großen Arbeitsmarkt angeschlossen. Sie sehen: Das Land Brandenburg hat als Aufgabenträger mit der Entwicklung des Zielnetzes 2000 seine Hausaufgaben gemacht.

Meine Damen und Herren, gerade deshalb ist es bedauerlich, dass die Schiene durch die DB AG und ihren schleichenden Rückzug aus dem Interregio immer wieder negative Schlagzeilen macht. Sicherlich ist auch hier die eine oder andere Veränderung möglich. Insofern hilft die von der PDS geforderte Bundesratsinitiative nur wenig.

Aber die Art und Weise des Vorgehens der DB AG befremdet schon, zumal wir ein guter und zuverlässiger Partner und Auftraggeber sind. Immerhin bestellt das Land Brandenburg bei der DB Regio Bahnleistungen in Höhe von über einer halben Milliarde DM - und das jährlich. Dabei sollte der Bahn eines klar sein: Bei Wegfall von Interregio-Leistungen wird es in Zukunft keine automatische Bestellung bei der DB Regio geben.

Nach Auffassung der Koalitionsfraktionen sollen die Strecken grundsätzlich ausgeschrieben werden. Natürlich muss dies entsprechend vorbereitet werden, jedoch gibt es durchaus potente Interessenten für die Erbringung von Schienenverkehrsleistungen in der Region Berlin-Brandenburg.

Selbstverständlich ist für uns die notwendige Abstimmung mit den Nachbarbundesländern. Es gibt dabei ohnehin gleich lautende Interessen. Nach ursprünglichen Planungen sollte Mecklenburg-Vorpommern fast völlig vom Fernverkehr abgeschnitten werden. Durch gemeinsame Anstrengungen konnte dies verhindert werden. Insofern wurde in Nachverhandlungen schon einiges erreicht. Außerdem wird mit dem Fahrplanwechsel das Verkehrsangebot zu unseren Nachbarländern im schienengebundenen Nahverkehr weiter verbessert. So fährt der RE 1 stündlich nach Magdeburg und zweistündlich wird Schwerin mit einem RE direkt erreicht.

Sie sehen, wir arbeiten mit den Nachbarbundesländern bei der Bestellung von SPNV-Leistungen sehr gut zusammen. Es soll auch in Punkt 2 b des Antrages der Koalitionsfraktionen verdeutlicht werden, dass dies eine weitere Aufgabe ist.

Richtig spannend wird es beim Thema Unabhängigkeit von Netz und Betrieb. Hier sind alle gefragt, sich einzubringen, und die Länder sind zu beteiligen. Eine Entscheidung von solch grundsätzlicher Art muss gut vorbereitet sein. Deshalb fordern wir eine angemessene Beteiligung am Diskussionsprozess durch die Länder.

Meine Damen und Herren, wir haben bei der Entwicklung des Nahverkehrsangebotes auf der Schiene in den letzten Jahren viel

erreicht. Steigende Nutzerzahlen und eine hohe Akzeptanz bei den Bürgern sind ein deutlicher Beleg dafür.

Trotzdem gilt es in den Anstrengungen nicht nachzulassen. Das sind wir den Bürgern, den Kunden und nicht zuletzt der Umwelt schuldig. Ich bitte Sie deshalb auch um Zustimmung zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Frau Abgeordnete Tack, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der zum Fahrplanwechsel 2001 beginnenden Streichung der Interregio-Verbindungen der Deutschen Bahn AG setzt die Bahn den Kurs des Angebotsabbaus fort. Bis zum Jahre 2003 soll der Fernverkehr um rund 39 Millionen Zugkilometer ausgedünnt werden. Dies entspricht rund einem Viertel des derzeitigen Angebotes. Zwar beabsichtigte die Bahn, ab 10. Juni zunächst auf nur 13 Millionen Zugkilometer des Fernverkehrsangebotes zu verzichten, doch ungeachtet aller Proteste baut die Bahn kontinuierlich ihre Kapazitäten weiter ab.

Bis zum Jahre 2003 sollen im Fernverkehr das Lokführerpersonal um 44 % auf 1 700 und die Zahl der mit Lokomotiven bespannten Züge um über 60 % auf nur noch 117 Züge schrumpfen.

Die Deutsche Bahn AG setzt so weiterhin nur auf die für Bahn und Kunden teuren ICE-Verbindungen und koppelt ganze Regionen vom Fernverkehr ab.

Schon heute fehlen im Schienenpersonenfernverkehr Verbindungen. Von mehr als 900 Städten mit mehr als 35 000 Einwohnern bedient die Deutsche Bahn AG nur noch rund 330 Städte mit Fernzügen. Wichtige Städte sind bereits heute mit Fernzügen nicht zu erreichen. Ab 10. Juni plant die Bahn, weiteren Städten Fernbahnanschlüsse zu kappen. So sollen unter anderem Rathenow, Görlitz und auch Rostock ihre Fernbahnanschlüsse völlig verlieren.

Für die PDS, die die Bahnreform immer sehr kritisch begleitet hat, bestätigt sich ihre Voraussage. Das private Unternehmen wird seiner Verantwortung für die Daseinsvorsorge überhaupt nicht gerecht. Die Deutsche Bahn AG beharrt weiter auf ihrer Monopolstellung, wozu bedauerlicherweise das Land mit seinen Entscheidungen auch weiterhin beigetragen hat. Das ist für uns keine Frage des privatrechtlichen Status der Bahn AG, sondern eine Frage der Verkehrspolitik des Bundes und auch der Länder. Hier liegt die gesellschaftliche Verantwortung für die Durchsetzung des Rechtes auf Daseinsvorsorge, für die gleichwertige Entwicklung aller Landesteile, zu der in einer modernen Gesellschaft und nicht zuletzt wegen der ökologischen Aufgaben, zu deren Lösung sich auch die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet hat, der Bahnfernverkehr gehört.

Mit der Bahnreform und den damit verbundenen Änderungen des Grundgesetzes ist die Zuständigkeit geregelt worden. Es

gibt einen eindeutigen Gewährleistungsauftrag des Bundes für den Fernverkehr. Das ist eindeutig so geregelt.

Mit unserem Antrag haben wir einen Vorschlag der Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg aufgegriffen, der in der Logik des Verfassungsauftrages liegt. Genauso wie der Bund eine Fernstraßenplanung beschließt und dem Ausbau zugrunde legt, sollte mit einem Schienenfernverkehrsplan klargestellt werden, was es bedeutet, das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Verkehrsbedürfnisse, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahn des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz zu gewährleisten.

Nun kenne ich natürlich die hier im Bundestag und auch in den Ausschüssen des Bundesrates geführten Debatten. Hier hat die PDS-Fraktion den Gesetzesantrag der Länder übernommen und ich werde - das sage ich hier noch einmal deutlich - den Eindruck nicht los, dass sich die Diskussionen vor allem darum bemühen, die Parteigrenzen nicht zu verwischen. Weil etwas von den CDU-Ländern kommt, sind die SPD-Länder nicht bereit, sich dem anzuschließen. Weil es im Bundestag von der PDS kommt, hat auch die CDU Schwierigkeiten, ihre eigenen Vorschläge zu verteidigen. Ob das alles im Sinne einer kompetenten Sachentscheidung im Interesse des Bahnfernverkehrs liegt, frage ich Sie. Ich bezweifle dies sehr.

(Beifall bei der PDS)

Ich frage nun die Landesregierung, da der Fahrplan ab 10. Juni feststeht und als Interregio-Ersatz so genannte InterregioExpress-Linien ausweist: Wer hat diese bestellt? Was hat der Bund dem Land dafür gegeben? Die Antwort - Herr Vogelsänger lacht schon - hat der Verkehrsstaatssekretär im Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr gegeben - sie liegt eigentlich auf der Hand -: Das Land hat bestellt. Wer bestellt, bezahlt. Vom Bund gab es nichts, obwohl es eindeutig Ersatzleistungen für den Fernverkehr sind. So sieht es aus. Das Land übernimmt und stützt damit auch die Monopolstellung der Bahn AG. Es geht um fast bedingungslose Leistungen, die der Bund zu finanzieren hat.

Ich beklage nicht, dass das Land Ersatz schafft - ganz im Gegenteil. Ich meine auch, dass abgestimmte Angebote der Länder im Regionalverkehr für den Bahnkunden letztendlich tatsächlich den Eindruck unveränderter Angebote erwecken können. Nun frage ich noch einmal: Welcher Wert wird bei dieser Verfahrensweise dem Grundgesetzartikel beigemessen? Lässt sich das Land von der Deutschen Bahn AG wieder unter Druck setzen? Was sind die zahlreichen Proteste wert? Auch heute sollen wieder gemäß des Antrages der Koalitionsfraktionen Proteste beschlossen werden - das können wir gern tun, auch wir werden Ihrem Antrag zustimmen -, nur ist das Handeln der Landesregierung gegenüber der Bundesregierung gefragt.

Minister Meyer sah das in der Debatte, die wir im Herbst vergangenen Jahres, im September, führten, folgendermaßen und wie ich meine - sehr richtig:

„Die Deutsche Bahn AG hat nun vorgeschlagen, als Ersatz für entfallende Interregiolinien zusätzliche Regionalexpresslinien zu fahren. Abgesehen vom Attraktivitätsverlust für Bahnreisende - weniger Fernverkehrsangebote mit den typischen Komfortmerkmalen, wie z. B. Platzreservierung,

gastronomische Versorgung und andere -, gehören Regionalexpressleistungen zum Schienenpersonennahverkehr und sind von den Ländern zu bezuschussen. Das kann nicht sein.”

Das sagten Sie, Herr Minister, im September vergangenen Jahres. Nun frage ich Sie: Gilt das nach Ihrer Handlungsweise zur Fahrplanänderung mit Beginn des 10. Juni noch? Eigentlich ist das, was die Koalition mit ihrem Antrag heute vorlegt, im September vergangenen Jahres schon beschlossen worden. Wenn Sie sich erinnern: Herr Schrey hat eine sehr gute Rede gehalten, auch Herr Vogelsänger. Nur geändert hat sich seitdem nichts. Über die Konsequenzen habe ich gerade gesprochen.

Jetzt sollen wir beschließen, dass für den Ersatz der Interregios keine automatische Bestellung bei der Deutschen Bahn Regio erfolgen soll. Nun frage ich Sie aber: Was soll dieser Beschluss? Es ist doch, wie gesagt, schon geschehen. Es wird wie Minister Meyer uns wissen ließ -, um die Auswirkungen auf das bestehende SPNV-Angebot vertretbar zu halten, mit der Deutschen Bahn Regio weiter verhandelt.

Dann frage ich Sie: Was soll heute noch beschlossen werden, wenn das die Tatsachen sind und wenn es auch Ihr Weg ist, der sofort zu gehen ist?

Wir werden - meinen Kollegen ist das freigestellt; aber ich werde das tun - Ihrem Antrag zustimmen. Ich bitte Sie, unseren Antrag in den Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr zu überweisen, damit wir uns noch über weitere Handlungsoptionen der Landesregierung verständigen können.

Die PDS ist der Auffassung, dass die Länder nicht vorschnell einfach aus der eingetretenen Not heraus - ein eigenes Fernnetz schaffen sollten, wenn nicht in diesem Zusammenhang das gesamte System mit verändert wird.

Vor allem muss endlich die Revision der Regionalisierungsmittel beendet und das Regionalisierungsgesetz angepasst sein, bevor sich das Land zu weiteren Aufgaben verpflichtet.

Ich weiß auch nicht - Sie selbst haben im September entsprechend argumentiert, Herr Meyer -, ob es Sinn macht, sich zurück zu Länderbahnen zu bewegen. Wer soll hier die Koordinierung bringen?

Ich weiß, dass der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg hier Ambitionen hat. Ich weiß auch, dass es interessante Angebote von nicht bundeseigenen Eisenbahnen gibt. Nur sind wir der Auffassung: Der zweite Schritt sollte nicht vor dem ersten gegangen werden. Einen ersten Schritt sehen wir in Verbindung mit unserem Antrag, die Bundesratsintiative zu gehen.

Ich betone noch einmal: Mit dieser Linie, die Sie jetzt gefahren haben, bezahlen die Länder die Aufgabe des Bundes. Der von den Ländern Bayern, Baden-Württemberg und von uns vorgeschlagene Weg - verbunden mit der von uns in Punkt 2 unseres Antrages geforderten Trennung von Netz und Betrieb und auch dem diskriminierungsfreien Zugang für andere Verkehrsunternehmen - sollte die primäre Forderung sein, bevor wir und Sie zur Notlösung greifen. Oder - das wäre die Alternative - das Grundgesetz und die Grundlagen für die Bahnreform müssten dann konsequenterweise geändert werden.

Ich bitte Sie ganz herzlich, unserem Antrag auf Überweisung in den Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr zuzustimmen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Schrey.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Marktorientiertes Reiseangebot” oder - kurz gesagt - MORA, mit diesem Konzept will sich die Deutsche Bahn AG hin zu einem wirtschaftlich gesunden Unternehmen entwickeln.