Helga Paschke

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte zu Beginn meines Beitrages eines deutlich unterstreichen: Der PDS war seit Beginn der Diskussion über das Leitbild und dann über die Gesetze bewusst, dass der Stadt-Umland-Problematik innerhalb der Gebietsreform eine besondere Bedeutung zukommt.
Zwar ist das Problem für sich genommen eher ein Problem der Landesentwicklung und der Raumordnung; findet jedoch die Debatte um die Stärkung der Leistungsfähigkeit zentralörtlicher Gliederungen vor dem Hintergrund einer bereits laufenden Gebietsreform statt, hat die zeitliche Komponente eine besondere Bedeutung. Deshalb bestand bereits seit der Diskussion um die Vorschaltgesetze die Forderung der PDS, dass die Landesregierung spätestens zum Jahresende ihre Vorstellungen in Bezug auf den Stadtumlandbereich darstellt, da sowohl der kreisliche als auch der übrige gemeindliche Bereich entscheidend vom Lösungsansatz im Stadtumlandbereich abhängen.
Inzwischen wurden dazu unterschiedliche Schritte unternommen. Am 23. November 2000 wurde im zeitweiligen Ausschuss erstmals über die Problematik beraten. Seit diesem Zeitpunkt wurde in der Öffentlichkeit immer wieder die Frage aufgeworfen, wie und wann es eine Entscheidung für den Stadtumlandbereich geben wird. Unsererseits gab es dann immer die gleiche Antwort: Im Herbst wird das Ergebnis des Gutachtens bzw. der Analyse der Landesregierung vorgelegt. Für den kreisangehörigen Raum gilt dies genauso wie für die kreisfreien Städte.
Unsere Erwartung war es stets, dass der Ausschuss hinlänglich Gelegenheit erhält, die von der Landesregierung angelegten Kriterien und vor allem deren Wichtung zu diskutieren. Dies ermöglichte es, die von den Gemeinden immer wieder vorgetragene Behauptung zu entkräften, dass die Landesregierung für jede einzelne Gemeinde bereits ein Reformergebnis vorliegen hätte. Ich möchte es deutlich sagen: Uns missfällt ausdrücklich, nunmehr Ergebnisse der einen Analyse sozusagen für jedes Dorf konkret in der Zeitung nachlesen zu müssen.
Das betrifft ebenso Spezifika von Betrachtungsweisen im kreisangehörigen Raum, beispielsweise die Problematik von Kragenverwaltungsgemeinschaften. Es erschwert nach unserer Auffassung die Diskussion, wenn wir erst über Steinitz, Brietz, Dambeck usw. öffentlich diskutieren und danach der zuständige Ausschuss über
das Gesamtpaket verhandelt. Bereits vor einem Jahr hat Herr Dr. Köck für die PDS-Fraktion angemahnt, dass es bei einer zu frühzeitigen Betrachtung des Einzelfalls immer schwerer wird, zu einer komplexen Denkweise zu gelangen.
In einem Punkt sollten wir uns keine Illusionen machen: Mit der jetzigen Entscheidung werden die wesentlichen Weichen gestellt. Das betrifft nicht selten sowohl die gemeindliche Partnerwahl als auch die Wahl des kommunalen Modells.
Das zwingend folgende Gesetz in der staatliche Phase wird nicht mehr die grundsätzlichen Fragen des Stadtumlandbereichs regeln, es zieht den Schlussstrich. Der Grundsatz muss in dieser Legislaturperiode geklärt werden. Dies soll und muss passieren. Darin besteht überhaupt kein Dissens.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, der bisherige Verlauf der Gebietsreform, insbesondere auch die Debatte zum Dritten Vorschaltgesetz hat deutlich gemacht, dass man sorgfältig all jene Schritte vermeiden sollte, die zusätzliche Irritationen vorprogrammieren. Deshalb wird im Antrag ausdrücklich sowohl nach den Kriterien als auch nach dem weiteren Verfahren gefragt. Wenn das wie in diesem Fall uns selbst nicht klar erscheint, wie soll es dann für die Öffentlichkeit verständlich sein?
Gestatten Sie mir zwei weitere Bemerkungen.
Bereits bei der Ankündigung des Antrages im zeitweiligen Ausschuss wurden die verschiedensten Bewertungen zur Sinnhaftigkeit eines solchen Antrages zu diesem Zeitpunkt abgegeben: Wahlkampf; überflüssig, weil im November erst das Gutachten fertig wird; typischer Fall für einen Selbstbefassungsantrag. - Wir meinen, nein. Zum einen ist der PDS wohl kaum vorzuwerfen, mit diesem Thema Wahlkampf zu führen. Wir haben uns stets ziemlich unabhängig von den jeweiligen Wahlen an der Sache orientiert und werden das auch weiterhin tun. Zum anderen legen wir größten Wert auf die Diskussion über objektive Kriterien und deren Rangigkeit.
Lassen Sie mich das an einigen Fragen erläutern. Gibt es beispielsweise Kriterien, die für sich genommen eine Eingemeindung rechtfertigen? In welcher Weise erfolgt eine Abwägung zwischen den schon in den Vorschaltgesetzen benannten Kriterien, zum Beispiel Vorrang von Zusammenschlüssen bestehender Strukturen, und raumordnerischen Komponenten?
Was die Möglichkeit der Selbstbefassung betrifft - nun gut, letztlich findet die Diskussion auf Ortsebene auch nicht in Selbstbefassung hinter verschlossenen Türen statt.
Mit unserem grundsätzlichen Ja zur Reform werden auch die Mitglieder unserer Fraktion immer wieder in Haftung genommen. Dazu stehen wir. Aber seit der Bildung des zeitweiligen Ausschusses steht die Landesregierung hier in einer besonderen Bringepflicht. Wenn der Ausschuss über die unter dem ersten Anstrich auch aufgeführten kreisfreien Städte am 18. Oktober 2001 noch nicht diskutieren will, sollten wir jedoch zumindest klären, wie wir zeitlich und inhaltlich weiter agieren. - So viel zum Verfahren.
Abschließend noch einmal zum Inhalt. Zu Beginn meines Redebeitrages habe ich darauf verwiesen, dass das Thema Leistungsfähigkeit zentralörtlicher Gliederungen und das Stadt-Umland-Problem viele Komponenten und
Ursachen hat. Wenngleich vor dem Hintergrund einer Gebietsreform der Eindruck erweckt wird, Eingemeindungen seien die entscheidende Reform zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Mittel- und Oberzentren, sollten doch die Chancen nicht ungenutzt bleiben, in die Diskussion sowohl Entwicklungstendenzen im europäischen Raum wie auch alle weiteren Faktoren einzubeziehen.
Zukunftsfähigkeit in der Stadt-Umland-Problematik zu gewährleisten heißt, zu einem tatsächlich solidarischen Lastenausgleich zu gelangen, heißt, der Raumordnung das Primat einzuräumen, heißt, wir müssen endlich dafür Sorge tragen, dass der Landesentwicklungsplan auch als das behandelt wird, was er ist: ein Gesetz.
Da wir beispielsweise im Rahmen der Funktionalreform ohnehin neu über den Finanzausgleich reden müssen, sollten wir rechtzeitig damit beginnen und uns nicht mit dem Verweis auf eine neue Legislaturperiode vertrösten. Deshalb sind neben den Geschäftsbereichen der Ministerien im zeitweiligen Ausschuss jetzt verstärkt auch solche Querschnittsprobleme zu beraten, weil die Zeit drängt.
Die PDS hat ihrerseits schon einige Vorstellungen in die öffentliche Diskussion gebracht und wird es auch weiterhin tun. Vom Grundsatz haben wir uns auch dazu bekannt, streng nach objektiven Kriterien Eingemeindungen nicht auszuschließen. Bis zur zeitnahen gesetzlichen Regelung, wie es im zweiten Vorschaltgesetz heißt, sollte die Zeit intensiv genutzt werden. Dazu soll dieser Antrag dienen. Wir bitten um Ihre Zustimmung.
Herr Becker, ist Ihnen noch in Erinnerung, dass die Aussage des Kollegen Brachmann, die Sie hier zitiert haben, nämlich dass die Änderungsanträge nicht durchkommen, darauf basierte, dass alle diejenigen, die im Rahmen der Beratung über Ihren Gesetzentwurf angehört wurden, sagten, dass die Aufgabenübertragung keine Fortentwicklung einer Verwaltungsgemeinschaft ist, sondern dass das Wesen eben darin besteht, dass man alle anderen verfassungsrechtlichen Konsequenzen ziehen muss? Erinnern Sie sich, dass alle, die angehört wurden, dies gesagt haben?
Erinnern Sie sich, dass besagter Ausdruck erst dann gebraucht wurde, als auf der Basis der Anhörungsergebnisse klar wurde, dass wir keine gemeinsame Position finden und Ihr Gesetzentwurf in der Konsequenz bezüglich der Klärung der Eigentumsfrage und der Frage der Direktwahl der Vertretungskörperschaft zu den gleichen Festlegungen führen würde, vor denen Sie sich gedrückt haben?
Stimmen Sie mit mir überein, dass Sie entscheidend an dem Chaos mitgewirkt haben, das Sie eben beklagt haben, weil Sie Informationen über Zwischenstände im Land gestreut und bewusst Missverständnisse erzeugt haben?
Im Übrigen wüsste ich gern von Ihnen, ob Sie wirklich glauben, was Sie sagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass die inhaltlichen Argumente des Für und Wider des Erhebens von Jagdsteuern vorgetragen worden sind, will ich darauf nicht noch einmal eingehen. Ich möchte vielmehr zu dem unterschiedlichen Abstimmungsverhalten meiner Fraktion etwas sagen, weil das nämlich genau mit diesem Inhalt zu tun hat.
Im Grunde haben wir es nicht mit einem Problem, sondern wir haben es mit zwei unterschiedlichen Problemen zu tun. Das erste und inhaltliche Problem ist: Ist die Jagdsteuer den Leistungen der Jagd in der Gegenwart angepasst?
Die Fraktion ist mehrheitlich der Meinung, dass sie eigentlich nicht mehr angepasst ist und nicht erhoben werden sollte.
Das zweite und davon getrennte Problem ist die Fragestellung, ob ein Landtag eine Hoheit, nämlich die Möglichkeit der Erhebung, aus dem kommunalen Bereich
herausnimmt und sagt: Nur wir wissen, dass diese Erhebung eigentlich nicht mehr zeitgemäß ist.
Diese beiden Fragen haben neben ihrer Unterschiedlichkeit, in der sie beantwortet werden, auch die Unterschiedlichkeit in der Abstimmung zur Folge.
Diejenigen, die sagen, dominant ist das inhaltliche Problem, die werden dafür stimmen und dürfen auch weiterhin durch das Land ziehen und sagen: Ich bin für die Abschaffung der Jagdsteuer in meiner Kommune.
Und diejenigen, Herr Becker, die es so sehen, dass man Entscheidungsbefugnisse und Unterschiedlichkeiten in kommunalen Bereichen akzeptieren sollte, die werden sich enthalten oder sogar dagegen stimmen.
Warum haben wir denn so wenig Wahlbeteiligung? Unter anderem doch auch deshalb, weil es eine Unterschiedlichkeit dann überhaupt nicht mehr gibt,
weil ich überhaupt nicht mehr sagen kann: Bei einer CDU-Mehrheit kann ich das in meinem Kreis so und so entscheiden. Das ist zum Beispiel auch ein Grund.
Herr Becker, jetzt sagen ich Ihnen einmal, Sie wollen den Kommunen auf die Finger klopfen. Tun Sie das, Herr Becker, fahren Sie in die Altmark, klopfen Sie Ihren CDU-Fraktionskollegen auf die Finger, dass sie zukünftig nicht mehr für die Erhebung der über 80 000 DM Einnahmen erzielenden Jagdsteuer im Kreis Stendal sind. Jedes Jahr stellt die PDS dort diesen Antrag, in voller Überzeugung, die Jagdsteuer solle abgeschafft werden, und jedes Jahr sagt die CDU-Fraktion: Was ihr im Land macht, ist uns egal; wir sind davon überzeugt, dass sie erhoben werden soll.
Und ein letztes Argument, Herr Becker. Wissen Sie, was ganz wichtig ist? - Wenn das Land sagt: Abschaffung der Jagdsteuer, dann ist es sozusagen entschieden und keiner wird sich inhaltlich genau mit diesem Problem auseinander setzen. Aber ich sage Ihnen, durch die Diskussion über die Jagdsteuer weiß im Landkreis jeder, zumindest der, der im Kreistag sitzt, viel mehr über die Jagd und was das heute bedeutet. Dass es einige dann trotzdem nicht zu dieser Konsequenz treibt, das ist eine andere Frage.
Dann hat sich die Kreisjägerschaft in der Endkonsequenz mit dem Kreistag verständigt. Dann haben wir Lösungen gefunden, wie wir zum Beispiel in dem Bereich Naturschutz bestimmte Umverlagerungen vornehmen können, politische Umverlagerungen, nicht das, was haushaltsrechtlich nicht möglich ist. Mit diesem Ergebnis sind wir auf ganz hervorragende Varianten gekommen, wie man Naturschutz fördern kann.
Dennoch, generell bin ich für die Abschaffung der Jagdsteuer. Ich werde weiter in meinem Landkreis umherziehen und sagen: Die Kommunen sollen, wir sollen sie nicht erheben. - Ich danke Ihnen.
Ja.
Warum ein Teil dafür und ein Teil dagegen stimmt, hatte ich in meiner Rede zu erläutern versucht.
Was das andere Problem betrifft: Ich bin insofern Ihrer Auffassung, als wir sehr wohl noch einmal über die Spanne diskutieren müssen, was in eigener Verantwortung der Kommunen leistbar und was nicht leistbar ist. Das hatten wir beim kommunalen Wirtschaftsrecht, genau das gleiche Problem. Da kann man fast jedes Gesetz anführen. In dieser Diskussion werden wir uns weiter befinden.
Herr Böhmer, ich habe zwei Fragen. Die erste Frage lautet: Stimmen Sie mit mir darin überein, dass es bei der Diskussion um das Landesamt - welche sicherlich noch nicht abgeschlossen ist - weniger darum geht, ob man bis zwei oder drei zählen kann, sondern dass es darum geht, welche Funktion dieses Landesverwaltungsamt bekommen soll? Im § 6 ist zumindest definiert, dass dieses eine obere Landesbehörde ist und nicht den Charakter einer Mittelinstanz hat.
Die zweite Frage ist: Sie kritisierten sehr ausgiebig den im § 3 benannten Zusatz, diese Kriterien von Wirtschaftlichkeit und Effizienz, die alles und nichts sagen. Ist Ihnen bekannt, dass in nahezu allen Funktionalreformgesetzen, die in der Bundesrepublik verabschiedet wurden - egal ob unter CDU-, SPD- oder einer anderen Regierung -, immer diese Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Effizienz genannt worden sind und insofern alles oder nichts gesagt wurde und trotzdem die Funktionalreform durchgeführt wurde?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn die Wogen jetzt etwas hoch geschlagen sind, es ist heute auch Zeit zur Besinnung. Es ist nämlich heute Jahrestag, Jahrestag der Regierungserklärung von Ministerpräsident Reinhard Höppner zur Funktional- und Verwaltungsreform in Sachsen-Anhalt. Wie es Jahrestage so an sich haben, stellt man sie unter ein Motto damals hat man „Losung“ gesagt -, man bringt ein Geschenk mit, zieht Bilanz und wagt einen Ausblick. Die Geschäftsordnung des Landtages verlangt, dass ich das in fünf, nein, jetzt in achteinhalb Minuten mache.
Wir stellen diesen Jahrestag unter das Motto „SachsenAnhalt zwischen Risiko und Chance - der Chance ein
Stück näher“. Was die Bilanz betrifft, so lohnt sich ein kurzer Blick zurück. Nicht um die Miesmacher zu überzeugen, meine Damen und Herren von der CDU - das ist vergeblich -, sondern um zu appellieren, den Reformprozess mit Selbstbewusstsein und Verantwortungsbewusstsein weiter voranzutreiben.
Erinnern wir uns: Ohne Vorwarnung begann im Dezember 1999 mit der Veröffentlichung des Leitbildes die freiwillige Phase der gemeindlichen Ebene. Der aufmerksamen Beobachterin wurde schnell klar, dass es um das Glattziehen der gemeindlichen Struktur ging. Deren Maßstabsvergrößerung, das war das eigentliche, im Zentrum stehende Ziel der Reform. Alles andere wirkte eher nur wie eine unschädliche Begründung im Gesetzestext.
Dennoch: Akteure, die daran mitwirkten, vor allem hinter den Kulissen, gab es genug.
Zwischen diesem Paukenschlag und der Regierungserklärung lagen nur drei Monate, aber eigentlich schon politische Welten. Längst waren nicht nur die kleinen Dörfer in der Diskussion, längst wurde klar: Die entscheidenden Fragen in dieser Diskussion muss sich das Land selber stellen. Das geht weit über die Frage hinaus, ob man in einer Gemeinde 1 000 oder 1 200 Einwohner haben muss.
Wer sich die entscheidenden Fragen nach seiner Funktionalität, nach seiner Effizienz, seinem Verhältnis zur unteren, zur kommunalen Ebene, nach seiner Fitness für Europa selbst stellen muss, der muss sich auch die Antworten selbst geben. Dem hat sich der Landtag gestellt: Arbeit im zeitweiligen Ausschuss mit Konzentration auf die Landesstrukturen, Verabschiedung des Ersten Vorschaltgesetzes, Diskussion über das zweite kommunale Modell.
Dennoch befand und befindet sich das Land ständig zwischen Risiko und Chance, dem Risiko, die Reform in einer rein gemeindlichen Strukturreform verstümmeln zu lassen, und der Chance, eine tief greifende Reform auf allen Ebenen durchzustehen.
Heute nun soll die Verabschiedung des Zweiten Vorschaltgesetzes erfolgen. Das Land Sachsen-Anhalt kommt damit der Chance ein Stück näher, weil mit den Regelungen tatsächlich der rechtliche Rahmen für diese Reform gesetzt wird. Die Zweistufigkeit wurde festgeschrieben, die Bündelungsfunktion auf die Kreise übertragen und das Prinzip der Erstinstanzlichkeit der Entscheidung für die Aufgabenzuordnung festgelegt.
Dieser Rahmen gibt erstmals eine zunächst hinreichende Auskunft darüber, wofür die Kommunen leistungsfähig sein müssen und wofür sie vergrößert werden müssen. Herr Becker, es gibt erstmals die Auskunft, dass die Kommunen nicht nur größer sein müssen, sondern dass sie dann auch besser sein können.
Wer es mit der Funktionalreform ernst meint, der muss die Gebietsreform durchstehen. Er darf sich nicht im Land hinstellen und sagen: Wenn ihr uns wählt, dann machen wir das alles ganz anders.
Denn diese Zusage - das haben Wahlen und Gebietsreformen in vielen Ländern gezeigt - gilt nur bis einen Tag nach dem Wahltag.
Wer es mit der Funktionalreform ernst meint, muss zweitens unwiderruflich bereit sein, seine Kraft nicht darauf zu verschwenden, jeden Weichmacher aus diesem Gesetz für sich auszunutzen. Herr Böhmer, ich glaube, manchen Weichmacher in diesem Gesetz würden Sie auch als die richtige Interpretation dafür benutzen, dass die Verwaltung des Landes dreistufig belassen werden könne.
Wie dem auch sei, gerade weil das Landesverwaltungsamt bisher viel in der Diskussion war, möchte ich das auch an diesem Beispiel dokumentieren.
Die zufällig oder nicht zufällig noch einmal aufgeflammte Diskussion über die mögliche Interpretation zum Landesverwaltungsamt ließ uns aufhorchen. Um es klar zu sagen: Es darf in Sachsen-Anhalt kein Landesverwaltungsamt à la Thüringen geben. Wer sich nach wie vor nicht von dem Gedanken trennen kann, regionale Zuständigkeiten diesen Behörden zu übertragen, der gefährdet die Reform im Grundsatz, der setzt die politische Glaubwürdigkeit aufs Spiel.
Wer es mit der Funktionalreform ernst meint, muss sich drittens der politischen Verantwortung stellen, nun diesen rechtlichen Rahmen, dieses Zweite Vorschaltgesetz, dieses Skelett mit Innereien und Fleisch auszufüllen.
Bis zum Jahresende, also noch in der freiwilligen Phase der Kommunen, muss es gelingen, die entscheidenden Aufgabenbündel zu bestimmen, die auf die kommunale Ebene verlagert werden sollen. Die Zuständigkeiten zwischen den Kreisen und Gemeinden sind klar zu umreißen. Wir müssen dringend bei dem Bemühen weiterkommen, Personalentwicklung und Finanzierungsmodalitäten zu bestimmen. Wir müssen das tun, um allen Akteuren und den vielen betroffenen Bediensteten Unsicherheiten zu nehmen und ihnen einen angemessenen Zeitraum für die Vorbereitung und Umstellung einzuräumen.
Letztlich hängt die politische Glaubwürdigkeit des Landtages davon ab, ob es gelingt, trotz Wahlkampfgetöses diese Sacharbeit zu leisten. Was die PDS betrifft, so stellt sie sich dieser Herausforderung. Wir haben die Vision, dass Sachsen-Anhalt eine tief greifende Reform durchsteht. Deshalb entwickeln wir die Kraft, um diese Chance zu kämpfen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Am 22. Dezember 1999 - der Innenminister erwähnte es bereits wurde für viele, auch für uns, zunächst ein ungewolltes Kind geboren: das Leitbild über die Gebietsreform. Das Leitbild über die Verwaltungs- und Funktionalreform war zunächst ein an der Babyklappe oder, wie die CDU sagt, im Panzerschrank abgegebenes Waisenkind.
Es muss uns gelingen, mit einem fundierten Entschließungsantrag über die Funktionalreform Ende dieses Jahres diesem inhaltlich nicht zu trennenden Zwillingspaar Charakter und Gesicht zu verleihen. Da der Innenminister ein kampferprobter und humorvoller Mensch ist,
wird er dieses Geburtstagsgeschenk, den Entschließungsantrag, vom Landtag dankend entgegennehmen, auch wenn er sich wie beim Ersten, Zweiten und Dritten Vorschaltgesetz seine Kinder in vielerlei Hinsicht sicherlich anders vorgestellt hätte, auch wenn dieser Entschließungsantrag sicherlich nicht der vor der Wahl verkündeten Alternative der CDU entspricht. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Die PDS hat bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Landesregierung ihre Unterstützung bei der Weiterentwicklung des kommunalen Wirtschaftsrechts zum Ausdruck gebracht. Ich verzichte auf Detailfragen, möchte jedoch auf eine zentrale Fragestellung zum Gesetzentwurf eingehen, welche bereits im Wortgefecht zwischen dem Innenminister und der CDU deutlich wurde. Es geht um die Schnittstelle zwischen privater und kommunaler Wirtschaftstätigkeit; es geht um die Frage nach Gewinn und Verlust als Folge dieses Gesetzes.
Das Land Sachsen-Anhalt reagiert mit dem vorgelegten Gesetzentwurf auf einen bundesweit festzustellenden Regelungsnotstand, der spätestens mit der grundlegenden Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes im Jahre 1998 ausgebrochen ist. Der Bundesgesetzgeber hat - das wurde hier schon betont - eine radikale Öffnung des Strommarktes und somit einen dramatischen Paradigmenwechsel ohne jegliche rechtliche Übergänge für die gesamte Versorgungsindustrie betrieben.
Selbstverständlich kann das Land nur mit den ihm eingeräumten begrenzten Möglichkeiten reagieren, aber es muss reagieren. Der Minister hat bereits darauf hingewiesen. Man kann dies offensichtlich nicht oft genug wiederholen; denn Herr Gürth - ja, Sie stehen heute im Zentrum der Kritik -
will dies beispielsweise immer noch nicht verstehen, was seine damaligen und seine aktuellen Äußerungen zum Beispiel in der „Volksstimme“ vom Montag zum wiederholten Male belegen.
Nun liegt mir angesichts der vergeblichen Mühen nichts ferner, als Herrn Gürth überzeugen zu wollen. Herr Gürth bedient jedoch eben diese Konfliktlinie zwischen Privatwirtschaft und kommunalen Wirtschaftsunternehmen, mit der man sehr verantwortungsbewusst und mit politischer Sensibilität umgehen muss. Mit den zahlreichen Änderungen des Gesetzes ist dies unseres Erachtens auch geschehen.
Die Gürth’sche politische Sensibilität der Darstellungsweise ist davon meilenweit entfernt, um nicht zu sagen unter der Gürtellinie.
Warum? - Erstens. Kommunale Wirtschaftsunternehmen und deren rechtliche Sicherung als unvereinbaren Widerspruch zu den Interessen der Privatwirtschaft und des Mittelstandes darzustellen ist sachlich einfach falsch; denn seit 1995 wurden von kommunalen Wirtschaftsunternehmen in Sachsen-Anhalt Investitionen in Höhe von mehr als 3 Milliarden DM getätigt. An jedem Arbeitstag werden Aufträge in Höhe von mehr als 3 Millionen DM vergeben. Davon entfallen 2,1 Millionen DM auf Industrie und Handwerk. Ein Zusammenbruch dieses Bereiches aufgrund fehlender rechtlicher Regelungen würde die Existenz von ca. 6 000 Arbeitsplätzen aufs Spiel setzen.
- Ja, sicherlich. - Mit ihren jährlichen Konzessions- abgaben in Höhe von mehr als 80 Millionen DM sind sie natürlich auch ein wesentliches Standbein der kommunalen Selbstverwaltung.
Ist es da nicht geradezu die zwingende Pflicht des Gesetzgebers, Herr Bergner, den wirtschaftlichen Realitäten Rechnung zu tragen? Hierbei geht es nicht um Marktvorteile. Hierbei geht es um den landesrechtlichen Rahmen zur Sicherung von Chancengleichheit für einen Bereich, der somit auch und gerade wesentlicher Bestandteil der mittelständischen Industrie in diesem Lande ist.
Zweitens. Nach Herrn Gürths Meinung werden sich nun sozusagen als Relikt sozialistischer Vergangenheit krakenhaft und flächendeckend Kombinate in SachsenAnhalt ausbreiten.
Ich habe es schon einmal gesagt: In Bayern existieren seit der Verabschiedung eines im Übrigen in den wesentlichen Bestandteilen adäquaten Gesetzes bereits 33 solcher Kombinate. Erst vor einigen Wochen wurde eine positive Zwischenbilanz veröffentlicht. Es entzieht sich im Moment noch meiner Vorstellungskraft, dass diese gesetzlichen Grundlagen für die Bildung der bayerischen Kombinate auf intensives Betreiben der SPD und der PDS hin geschaffen worden sein sollen.
Zu der von Ihnen, Herr Gürth, geäußerten Befürchtung, diese dann landesweit in Sachsen-Anhalt agierenden Kombinate würden ihre Tätigkeit auf neue Geschäftsfelder ausdehnen, wie das der Telekommunikation, möchte ich Ihnen raten, die bereits gängige Praxis zur Kenntnis zu nehmen. So hat beispielsweise die Stadt Magdeburg bereits im Jahr 1999 eine Gesellschaft „Kommunale Informationsdienste“ im Einvernehmen mit dem Kartellamt gegründet.
Drittens. Es wird immer Erscheinungen unlauteren Wettbewerbs geben, aber insgesamt bin ich davon überzeugt, dass die Kommunalpolitiker sehr verantwortungsbewusst mit einem wesentlichen Standbein kommunaler Infrastruktur, nämlich mit dem Mittelstand, umgehen werden.
Fazit: Wir müssen der Entwicklung nach der Verabschiedung des Gesetzes größte Aufmerksamkeit widmen, und zwar hinsichtlich seiner spezifischen Wirkung für Sachsen-Anhalt und unter Beachtung der Dynamik im europäischen Raum.
Das Gesetz ist und bleibt ein notwendiger Schritt zur Sicherung eines wesentlichen Bestandteils mittelständischer Industrie in Sachsen-Anhalt und sollte nicht für billige Stimmungsmache missbraucht werden. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, um es vorwegzuschicken: Die PDS ist dafür, dass der Brandschutz in diesem Hause ein Konsensthema bleibt.
Mein erster Satz wäre der, mit dem der Minister geendet hat, nämlich dass wir uns gerade in diesen Tagen durch
die kleine Ausstellung über das Wirken der Feuerwehren in diesem Land informieren können. Wir haben uns einen Eindruck verschafft, was gerade die über 1 800 freiwilligen Feuerwehren wie auch die vergleichsweise doch sehr wichtigen Werks- und Berufsfeuer- wehren leisten.
Mit über 41 000 Menschen im Ehrenamt haben wir es in der Tat mit einer gesellschaftlichen Kraft zu tun, deren Bedeutung weit über die in einem Gesetz festzuschreibenden Aufgaben hinausgeht. Es ist gerade deshalb, weil es um enorme personelle und finanzielle Werte geht, von großer Wichtigkeit, eine Novelle des Gesetzes so abzufassen und zu begründen, dass bei Betroffenen der Zweifel weitgehend ausgeräumt wird, man würde das Wirken der Feuerwehren dadurch erschweren.
In weiten Teilen ist dieser Zweifel mit dem vorliegenden Entwurf ausgeräumt. Gerade auch unter diesem Aspekt war die Diskussion anhand des Referentenentwurfs wichtig und waren die bereits berücksichtigten Anregungen, beispielsweise die Angleichung der Hilfefrist, auf die der Minister schon hingewiesen hat, und die Regelung zur Schadenersatzforderung in § 2 Abs. 2, von Bedeutung.
Im Grundsatz akzeptiert die PDS das Bemühen der Landesregierung zur Novellierung des Gesetzes. Der Minister hat es erwähnt, dieses Bemühen ist keines- falls neu, sondern geht bereits auf die zweite Legislaturperiode zurück. Im Jahr 1997, also bereits vor drei Jahren, wurde eine Novellierung angestrebt, die dann aufgrund des Endes der Legislaturperiode eine unvollendete Novelle blieb. Wir meinen, dass wir jetzt gute Voraussetzungen haben, das zu schaffen, bevor die nächste Legislaturperiode abgeschlossen ist.
Ich möchte in meinem Beitrag von den insgesamt ca. 60 redaktionellen oder inhaltlichen Änderungen nur zwei Schwerpunkte herausgreifen, die nach unserer Auffassung von zentraler Bedeutung sind und die wir auch im Ausschuss noch einmal intensiv miteinander diskutieren sollten.
Erstens. In § 2 Abs. 4 wurde nunmehr eine Hilfefrist von zwölf Minuten als Obergrenze für Einsätze festgeschrieben. Sehr ausführlich hat der Innenminister dazu in seinem Betrag bereits argumentiert. Wohl zu keinem anderen Gebiet wurde im Vorfeld so heftig debattiert: Notwendigkeit ja oder nein, Einheitlichkeit möglich oder nicht, auf welcher Grundlage und mit welchen rechtlichen Konsequenzen.
Insgesamt kann die PDS der Begründung der Landesregierung folgen, dass nunmehr auf rechtlicher Grundlage eine Orientierung gegeben und damit die Planung und Vorhaltung erleichtert wird. Dennoch werden wir auch in der parlamentarischen Beratung sicherlich noch einmal darüber diskutieren müssen, was als Anfang der Zwölfminutenfrist gilt und worauf sich der Ablauf bezieht.
In der Begründung zu dem Gesetz bietet die Landesregierung eine Definition an. Ich weiß aus den Diskussionen, wie umstritten diese Fixpunkte unter den Fachleuten sind, obgleich die Festschreibung einer Frist allgemein für notwendig erachtet wurde.
Mit der Diskussion um die Hilfsfrist wurde aber auch immer nahezu einstimmig eine weitere Forderung verbunden. Gefordert wurde die rechtlich verbindlich vorgeschriebene regional zugeschnittene Gefahrenabwehranalyse, eine Gefahrenanalyse, ein Brandschutzbedarfs
plan oder welche Bezeichnung man auch immer dafür wählt.
Fest steht, dass sie sich dort, wo sie in sehr qualifizierter Form vorliegt und von den Räten beschlossen wurde, in fachlicher und politischer Hinsicht bewährt. Ein Beispiel ist die Stadt Magdeburg. Eine für das Land verbindliche Regelung dafür zu treffen, ist aus unserer Sicht sinnvoll.
Wir hatten die Gelegenheit, uns mit den Empfehlungen und der Umsetzung solcher Brandschutzbedarfsplanungen für die Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen vertraut zu machen.
In Zusammenarbeit mit der Landesregierung und der Landesfeuerwehrschule wäre unserer Auffassung nach diese Arbeit durch die Landkreise im Zusammenwirken mit den Gemeinden tatsächlich leistbar. Es wäre ein sicheres Fundament, die Hilfsfrist je nach dem Gefahrenpotenzial regional zu untermauern. Wir sollten über diese Frage im Ausschuss noch einmal diskutieren.
Ich komme zu einem zweiten Schwerpunkt. In § 2 Abs. 1 sowie in § 3 Abs. 1 und 4 des Gesetzentwurfs werden Neuregelungen hinsichtlich der Zuständigkeit für den vorbeugenden Brandschutz getroffen. Wir halten dies mit Blick auf die jetzige Praxis tatsächlich für eine Neuregelung und nicht lediglich für eine Klarstellung.
Der vorbeugende Brandschutz soll nunmehr als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises den Gemeinden zugeordnet werden. Dagegen gibt es Einwände der beiden Spitzenverbände. Dagegen wendet sich die Sorge der Verantwortlichen vor Ort, dass dies zwar fachlich sicherlich wünschenswert, aber real derzeit von den wenigsten Gemeinden leistbar ist.
Ein entsprechend qualifizierter Personenkreis, der finanzielle und zeitliche Mehraufwand im Ehrenamt - all das kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorgehalten werden. Darüber ist man sich relativ einig.
Meine Damen und Herren! Wir haben es hier mit einer Frage zu tun, die den Zusammenhang zwischen der Leistungsfähigkeit der Gemeinden und der Aufgabenwahrnehmung und damit den Zusammenhang von Einzelgesetzgebung und Funktional- und Verwaltungsreform berührt. Darauf verwies in seiner Stellungnahme auch der Landkreistag. Diese Frage sollten wir im Ausschuss ebenfalls erörtern.
Insgesamt stimmen wir der Überweisung in den Ausschuss zu. Wir werden dort sicherlich noch weitere offene Fragen klären können. - Danke schön.
Im Mittelinstanzbericht, der schon aus der ersten Legislaturperiode stammt, steht geschrieben, dass eine weitgehende Kommunalisierung von Aufgaben nur dann möglich ist - am Beispiel der Kreise -, wenn man auf acht bis zehn Kreise zurückgreift, und dass diese Kommunalisierung mit bis zu zehn Kreisen eben dann im Vorab passieren muss, dass die Funktionalreform mit der Gebietsreform inhaltlich parallel laufen muss und dass sie in gleicher Weise natürlich nicht vollzogen werden kann. Würden Sie diese Erkenntnis, dass man sehr wohl die kommunale Körperschaft, sprich Kreis, zunächst einmal strukturieren muss, während man inhaltlich an einer Verwaltungsreform arbeiten muss, heute noch teilen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich bin mir nicht sicher, ob das Gesetz mit dem Begriff Vorschaltgesetz am besten betitelt ist. Ich finde es aber nicht instinktlos und bin der Meinung, daß das mit Abstand Instinktloseste heute hier im Haus von Herrn Wolf zu hören war.
Bevor ich auf das Vorschaltgesetz zu sprechen komme, gestatten Sie mir doch eine kurze Vorbemerkung.
Als im Dezember vergangenen Jahres im „Leitbild lang“ erstmals der Wille des Innenministeriums verkündet wurde, ein Vorschaltgesetz zur Kommunalreform einzubringen, ahnte wohl keiner von uns - nicht der Innenminister, nicht die Fraktionen, nicht die Landesregierung -, welcher Dynamik dieser Reformprozeß unterliegen würde.
Viele, sehr viele von uns, jeder und jede haben dazugelernt, politisch und fachlich, und so manch einer hätte manch eine Aussage am liebsten sehr schnell wieder zurückgenommen und wäre zurückgerudert.
Wie stellt sich diese Dynamik dar? Zunächst sollte die Beteiligung des Parlaments darin bestehen, das Leitbild in einer Sitzung des Innenausschusses vorgestellt zu bekommen. Jetzt arbeitet ein zeitweiliger Ausschuß, im Mix zwischen Enquete-Kommission und Fachausschuß, mit eigener Positionsbestimmung.
Zunächst wollte die Landesregierung gesetzlich verbindliche Regelungen zur Funktionalreform und zur grundsätzlichen Verfaßtheit des Landesverwaltungsaufbaus dem Parlament überhaupt nicht zur Entscheidung in die Hand geben. Nun werden wir im Herbst einen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen und sind eigentlich schon längst in einer intensiven Diskussion.
Zunächst waren die Fraktionen mit sehr differenzierten Positionen, ob und wie und unter welchen Voraussetzungen die Reform durchgeführt werden soll, hineingegangen. Jetzt haben wir den im Haus einstimmig gefaßten Beschluß in der Drs. 3/39/3064 B, der klärt, unter welchen grundsätzlichen Voraussetzungen dieser Prozeß abläuft.
Zunächst gab es in der kommunalen Ebene die berechtigte Position, die da oben sollten erst mal selbst anfangen. Nunmehr wird intensiver diskutiert und mit Spannung erwartet, ob die Landesregierung und das Parlament die Kraft haben, diesen Umgestaltungsprozeß so
zu gestalten, daß er die kommunale Strukturreform rechtfertigt.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist eben Ausdruck dieser Dynamik. Er geht zunächst in das Parlament als das, was er sein sollte: ein technokratisches Regelwerk, um über die Klippen der Wahlen zu kommen, etwa die Regelung zum Umgang mit den Funktionsträgern, oder um Risiken abzubauen, etwa die Regelung zum Investitionsstopp oder für zaghafte Ansätze des eigentlichen Leitbildes, etwa die Regelung zum Trägergemeindemodell, oder die Regelung, daß Verwaltungsgemeinschaften zukünftig statt 5 000 10 000 Einwohner haben müssen.
Aber auch in dieser Beziehung wird das Parlament das Gesetz in ganz anderer Qualität verabschieden. Es wird die Eckpunkte der kommunalen Modelle bestimmen und Zeiträume festlegen, beispielsweise in einem Teil 1 des Gesetzes, der „Grundsätze der kommunalen Zielplanung“ heißen könnte. Wir müssen dazu die Kraft entwickeln, oder wir müssen die Finger davon lassen. Das haben wir vor wenigen Wochen beschlossen.
Diese Eckpunkte und das erste Funktionalreformgesetz werden letztlich auch darüber entscheiden, welche grundsätzlichen Änderungen in dem uns vorliegenden Teil notwendig sind.
Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen: Im vorliegenden Entwurf ist in Artikel 2 die Änderung der Landkreise, insbesondere die Regelung der Freiwilligkeit des Zusammenschlusses von Landkreisen enthalten.
Ganz abgesehen davon, daß es bei dem Prozeß im Jahr 1994 gute Gründe gab, sich nicht dazu zu entschließen, daß die Landkreise selbst entscheiden und in eine freiwillige Phase gehen, stehen wir doch jetzt in einer ganz anderen Situation. Wenn wir mehrheitlich zu der Entscheidung kommen, daß der Landesaufbau den Grundsatz der Zweistufigkeit festschreibt, dann erhalten die Kreise ein ganz anderes landespolitisches Gewicht. Ist es da zu begründen, daß die Kreise jetzt in eine freiwillige Phase treten sollen?
Wir sind der Auffassung, daß zwar darüber diskutiert und es rechtlich geregelt werden muß, daß aber der Vollzug erst im Jahr 2004 einsetzen sollte. Um weitere Risiken zu vermeiden, könnte man in modifizierter Form mit einer ganz anderen Form von Freiwilligkeit auch in den Gemeinden umgehen.
Da meine Redezeit fast zu Ende ist, möchte ich darauf hinweisen, daß unsere bisherigen Arbeitspositionen, mit denen wir in die Diskussion gehen, im Internet auf unserer Web-Seite stehen. Wir sind dort intensiv in der Diskussion, wir haben also kein Panzerschrankpapier in irgendeiner Form.
Wir lehnen den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion aus einem Grunde ab: Wir sind der Meinung, daß der Gesetzentwurf in der Diskussion noch offen ist, viel offener, als es sich der Innenminister jemals vorgestellt hat, als er ihn eingebracht hat. Aber wir haben den Innenminister ernst genommen; denn er hat gesagt: Es ist ein offenes Papier. Wenn wir jetzt nicht in die Diskussion einsteigen, dann haben wir einfach nicht die Zeit, um über die Positionen noch einmal ernsthaft nachzudenken und tatsächlich noch Änderungen vorzunehmen; denn für den Herbst ist tatsächlich der Endpunkt im Hinblick auf die Festlegung der kommunalen Struktur festgesetzt worden.
Wir sind auch der Auffassung, daß dieses Hohe Haus das Gesetz nicht verabschieden wird, bevor nicht die Grundzüge des anderen Gesetzes vorliegen. - Danke schön.
Es betrifft vor allen Dingen die Kreise - da sind wir nicht sehr weit auseinander -, und es betrifft die Modelle in bestimmten Formen. Da könnten wir uns das vorstellen, aber nicht im Verhältnis 1 : 1 zum Leitbild. Das steht dort auch drin. Wir haben dort auch noch andere Vorschläge unterbreitet, die in die Diskussion eingehen können. Im wesentlichen konzentrieren diese sich darauf, daß man die Verwaltungskraft herstellen und trotzdem die einzelnen Einheiten in verträglicherer Struktur gestalten kann, als es jetzt im Leitbild vorgeschrieben ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die vorliegenden Gesetzentwürfe lassen das Bemühen der Landesregierung erkennen, mit einer weiteren Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens auf die sich drastisch verändernden Rahmenbedingungen für die kommunale Wirtschaftstätigkeit zu reagieren. Ich spreche bewußt von dem Bemühen. Denn ganz gleich wie ausgefeilt das Gesetz nach der parlamentarischen Beratung auch sein mag, werden sich auch in Zukunft die
Bedingungen in den Bereichen der kommunalen Wirtschaftstätigkeit so rasant verändern, daß die klassische Realisierung kommunaler Wirtschaftstätigkeit künftig nicht mehr in diesem Rahmen zu verwirklichen sein wird.
In ganz besonderer Weise betrifft dies die Stadtwerke. Das haben alle Vorredner bereits angesprochen. Wir wissen: Bundesweit sind es ca. 500 Stadtwerke, in Sachsen-Anhalt sind es 22. Bundesweit sind in diesem Bereich 40 000 Menschen beschäftigt.
Da der Bund im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern auf eine schrittweise Angleichung an das europäische Recht verzichtet hat, wurden die Betriebe der Energiewirtschaft quasi über Nacht auf den freien Markt entlassen. Andere Bereiche werden folgen oder sind bereits gefolgt. Ein Eckpfeiler kommunaler Selbstverwaltung droht substantiell ausgehöhlt zu werden.
Insofern schätzt die PDS die Lage etwas kritischer ein, als dies seitens der Landesregierung in der Begründung zum Gesetzentwurf formuliert wurde. Insgesamt gesehen - das meinen wir über den Gesetzentwurf hinausgehend -, wird es erforderlich sein, den Begriff der kommunalen Daseinsvorsorge neu zu definieren und gleichzeitig mit dem europäischen Recht in Übereinstimmung zu bringen. Die PDS ist sich der Tatsache bewußt, daß wir landesrechtlich nur den Versuch kosmetischer Korrekturen unternehmen können. Aber das sollten wir dann auch tun. Aufgrund dieses Ansinnens stimmen wir selbstverständlich der Überweisung zu.
In dem nunmehr vorgelegten Gesetzentwurf wird das Ergebnis des nahezu einjährigen Diskussionsprozes- ses seit der Vorlage des Referentenentwurfes deutlich. Die hauptsächliche Kritik an dem damaligen Entwurf bestand darin, daß mit den vorgeschlagenen Regelungen bezüglich der bereits liberalisierten Bereiche nicht weit genug reichende Regelungen für die von der Liberalisierung derzeit und absehbar nicht betroffenen Bereiche getroffen worden seien. Dazu sind vom Städte- und Gemeindebund und vom Verband der kommunalen Unternehmen Formulierungsvorschläge unterbreitet worden, die nunmehr teilweise in die einzelnen Paragraphen eingeflossen sind und über die wir noch diskutieren werden.
Bevor ich auf einige wenige Regelungen direkt eingehe, gestatten Sie mir bitte noch ein paar Bemerkungen zu dem hier schon angesprochenen Konfliktfeld zwischen der kommunalen Wirtschaft und der Privatwirtschaft.
Die PDS-Fraktion erkennt die Sorge der Privatwirtschaft und natürlich in ganz besonderer Weise die Sorge der mittelständischen Unternehmen an, wie sie in ihren Stellungnahmen und in den bis heute schon zahlreich geführten Diskussionen zum Ausdruck kommt. Diese befürchten eine verschärfte Konkurrenzsituation durch die Verabschiedung des Gesetzes.
Dieser Konflikt ist jedoch nicht neu. Aber auf jede weitere Veränderung wird natürlich ausgesprochen sensibel reagiert. Wer kann das angesichts der Marktsituation und der vielen Insolvenzen nicht nachvollziehen?
Verschärft wird die Situation zweifelsohne - auch das ist angesprochen worden - durch die immer knapper werdenden Kassen der Kommunen, vor allem angesichts der Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge.
Wir sollten die parlamentarische Beratungsphase auch zum Anlaß nehmen, dieses Spannungsverhältnis zwischen Privat- und Kommunalwirtschaft auszuloten.
Die in der Bundesrepublik schon vor dem Inkrafttreten der Regelungen so zahlreichen Rechtsstreitigkeiten auf diesem Gebiet lassen unserer Auffassung nach die eigentlichen Konfliktlinien erkennen. Sie berühren die durch den Gesetzentwurf betroffenen Bereiche nur ekundär.
Im Rahmen der Beratung wird sicherlich § 116 im Hinblick auf das Aufweichen des Örtlichkeitsprinzips sowie die Differenziertheit der Wirtschaftstätigkeit und der Wirtschaftsfelder eine ganz besondere Rolle spielen. Wir stehen für diese Diskussionen bereit und begrüßen es, daß die Landesregierung keine kommunalen Kombinate wiedereinrichten will. Wir sind sehr zufrieden damit, daß die bayerischen und die nordrhein-westfälischen kommunalen Kombinate ganz gut funktionieren. - Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es vorwegzuschicken: Die PDS beabsichtigt nicht, sich an dem Prozeß der Modernisierung der Verwaltung vorbeizumogeln. Der Ministerpräsident stellt sicher richtig fest, daß dies niemand kann. Die Notwendigkeit einer Modernisierung wird nicht bestritten, von niemandem von uns, wenngleich es über Weg und Ziel sehr differente, aber zugleich auch konsensuale Auffassungen gibt. Dies wurde bereits deutlich, und das ist sicherlich eine gute Grundlage für die parlamentarische Arbeit.
Auch wir begrüßen ausdrücklich die heutige Debatte, ohne eine Analyse zu betreiben, wessen Erfolg das nun
wäre. In diesem Punkt sind wir vielleicht etwas bescheidener als die CDU.
Lassen Sie mich, ehe ich zur Darstellung einer grundsätzlichen Auffassung der PDS zu den nun eingeleiteten und absehbaren Entwicklungen bei der Verwaltungsmodernisierung komme und auf drei Schwerpunkte gesondert eingehe, eines deutlich unterstreichen: Wir nehmen diese Regierungserklärung sehr ernst. Die PDS wird sich in den nächsten Wochen sehr intensiv mit den vorgetragenen Positionen der Landesregierung beschäftigen. Es wäre unangemessen, die von mir vorgetragenen Positionen für vollständig oder abschließend zu erklären. Ohnehin hält die PDS dieses Thema vom Grundsatz her für so wichtig, daß sich ein Parteitag im September damit beschäftigen wird.
Lassen Sie mich nun unsere grundsätzliche Position in zwei Thesen formulieren:
Erstens. Wer das Land heute auf den Weg bringt, darf die Entscheidung des Landtages über das Ziel nicht auf morgen vertagen. Durch die Entwicklung, die sich im Lande abzeichnet, kam die PDS zu der Auffassung, daß der Landtag die Entscheidung zu den Grundzügen der kommunalen und Verwaltungsstrukturen nicht auf die nächste Legislaturperiode verschieben kann. Dies gilt für die Eckpunkte der zukünftigen und zukunftsfähigen kommunalen Struktur wie für die Grundzüge der Funktional- und Verwaltungsreform.
Zweitens. Wer das Land reformieren will, muß um die gesellschaftliche Akzeptanz notwendiger Veränderungen ringen. Dazu bedarf es mindestens dreier Voraussetzungen: Das Land muß sich glaubhaft selbst reformieren; die Reform muß verkraftbar und begründbar sowie in gewissem Umfang für Betroffene selbst gestaltbar sein; die notwendigen Schritte müssen rechtlich, inhaltlich, strukturell und zeitlich nachvollziehbar sein.
Auf dieser Grundlage und unter diesen Voraussetzungen unterstellt die PDS unter anderem folgende parlamentarische Vorgehensweise zur Diskussion:
Erstens. Der Landtag verabschiedet noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz, alternativ auch mehrere Einzelgesetze oder ein Artikelgesetz zu den Grundsätzen der Funktional- und Verwaltungsreform.
Wir wollen kein detailliertes Verwaltungsorganisationsgesetz, das zweifelsfrei am Ende dieses Prozesses steht.
Zu den wesentlichen Inhalten dieses - nennen wir es einmal so - Reformgrundsätzegesetzes sollten aber zählen: die Ziele der Reform, die Grundsätze der sich daraus ergebenden Aufgabenverteilung und die Festschreibung der Grundstruktur der zukünftigen Landesverwaltung, insbesondere die Verfaßtheit der Mittelinstanz, Zwei- oder Dreistufigkeit der Verwaltung. Die Finanzierungsgrundsätze und Zeitfolgen müssen den verbindlichen Rahmen abrunden. Man merkt ja, daß man in diesem Haus bei diesen Fragen eventuell Konsens erzielen könnte.
Zweitens. Der Landtag verabschiedet ebenfalls noch bis zum Ende des Jahres 2000 das bereits in der Diskussion befindliche - sagen wir - Vorschaltgesetz zur kommunalen Strukturreform mit deutlich präzisiertem Inhalt. Wer die Kommunen in die freiwillige Phase für - in Klammern - leitbildgerechte kommunale Strukturen
schickt, hat die Pflicht, den Betroffenen eine klare Zielstellung vorzugeben,
die von einer Mehrheit des Landtages getragen wird. Dabei ist der Verbleib der hauptamtlichen kommunalen Funktionsträgerinnen und Funktionsträger zwar ein Problem, aber nicht das entscheidende. Die Eckpunkte zukünftiger Größen und möglicher Formen der Zusammenschlüsse sind dabei mit zu verabschieden. Die Überlegungen zur drastischen Einschränkung von bürgerschaftlichen Entscheidungsrechten in freiwilligen Phasen sind unseres Erachtens das falsche Signal.
- Das beruhigt mich, Herr Becker.
Lassen Sie mich jetzt zu drei wesentlichen Schwerpunkten kommen, die auch in den Ausführungen des Ministerpräsidenten eine Rolle spielten.
Erstens zum Zusammenhang der Modernisierung der Verwaltung und des Aufbaus des Landes. Um die Funktionalität des Landes sicherzustellen, gehört es zu den unmittelbaren Voraussetzungen, daß Klarheit über den Aufbau des Landes besteht. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob wir in unserem Land die Zweistufigkeit anstreben oder die Dreistufigkeit gestalten wollen.
Die Landesregierung und die CDU-Fraktion haben diese Frage jeweils für sich bereits beantwortet. Dies trifft für die PDS-Fraktion, aber sicher auch für einige Parlamentarier in diesem Hause in dieser Schärfe noch nicht zu. Die Vision der PDS ist die Zweistufigkeit. Wir sind aber Realisten und glauben nicht, daß dies dem Land Sachsen-Anhalt als einzigem Bundesland in Gänze gelänge. Ist die Dreistufigkeit erst einmal geschaffen, ist ein Neubau, wie es der Ministerpräsident bildhaft beschrieb, kaum möglich.
Bevor jedoch jede weitere Umstrukturierung, jeder Abbau, jede Verlagerung oder Umbenennung erfolgt, muß diese Grundsatzfrage geklärt sein. Die Regierungserklärung ersetzt diese Entscheidung des Landtages unseres Erachtens nicht.
Sie bekräftigt eher die Forderung nach parlamentarischem Einfluß.
Lassen Sie mich das an folgenden Problemen erklären: In dem der Rede beigefügten Papier werden ein Landesamt und zwei Außenstellen als Zielstellung genannt. Das ist schon seit längerem der Fall. Es wurde allerdings in dieser Schärfe noch nicht so deutlich, daß das Landesamt im Kern Bündelungsfunktionen wahrzunehmen hat oder wahrnehmen soll. Kritiker von Landesverwaltungsämtern führen immer wieder die rein additive Aneinanderreihung von nicht zuordnungsfähigen Aufgaben an.
Jetzt würde sich die Funktion jedoch anders gestalten. Bei einem Landesamt als Bündelungsbehörde ergeben sich zwei grundsätzliche Folgen. Zum einen würde die Ebene des Landkreises nach unserem Verständnis nicht in diesem Maße als Bündelungsbehörde in Anspruch genommen werden. Dies hätte unmittelbare Folgen auf die Aufgabenverlagerung und die kreisliche Struktur.
Ähnlich verhält es sich unter diesem Vorzeichen mit den Außenstellen. Sie hätten auch regionale Funktionen und wären nicht nur einfach eine Außenstelle, die in der Fläche ansässig ist. Zum anderen aber - dies sei von uns nicht unterschätzt - würde sich bei der Konzentration auf ein Landesverwaltungsamt mit Bündelungsfunktion eine demokratisch nicht legitimierte und kontrollierte Behörde herausbilden, die, wenn sie ähnliche Vollmachten wie die jetzigen Regierungspräsidien hätte, die Relation zwischen Landesregierung, Parlament und Behörde deutlich verändern würde.
Diese Richtung der Entwicklung lehnt die PDS-Fraktion ab. Es sollte uns zu denken geben, daß andere Länder dabei sind, ein solches Landesverwaltungsamt in Frage zu stellen und umzustrukturieren.
Wir erwarten und werden beantragen, daß die Landesregierung im zeitweiligen Ausschuß dieses Problem umfassend darstellt. Der Ministerpräsident legte dar, daß bis zum Ende des Jahres der Aufbau der künfti- gen Landesverwaltung konzipiert sein soll. Wir betonen nachdrücklich, daß diese Grundsatzentscheidung dann als parlamentarische Entscheidung getroffen werden muß.
Im übrigen, Herr Ministerpräsident, ist Ihre Sorge, daß man uns mit Kopfschütteln begegnen würde, allen voran die Wirtschaft, unbegründet. Keine Gesellschafterversammlung würde sich ohne Zustimmung des Aufsichtsrates wagen, über Grundstrukturen in einem Unternehmen zu entscheiden.
Zweitens zum Verhältnis zwischen den Bürgern und dem Aufbau der Verwaltung. Bürgerfreundlichkeit und Bürgernähe wird als oberstes Ziel der Modernisierung der Verwaltung benannt. Der Ministerpräsident beschrieb seine Faszination für Bürgerbüros anläßlich der Eröffnung einer solchen Einrichtung in Wittenberg.
Ich dürfte mich sicherlich nicht mehr in meinem Heimatkreis, insbesondere in der Region Bismark sehen lassen, wenn ich die Leistungen eines Bürgerbüros unterschätzen würde. Lassen Sie mich dennoch auf eine weit verbreitete und auch in der Rede und in dem dazugereichten Papier durchgängig zu findende Auffassung näher eingehen, die unserer Meinung nach ein Irrtum ist.
Es wird davon ausgegangen, daß eine Verwaltung, insbesondere eine Kommunalverwaltung, kundenorientiert arbeiten müsse. Es ist aber falsch und führt nicht zu den richtigen Schlußfolgerungen, die Nahtstelle zwischen der Kommune und den Bürgern ausschließlich als Produkt zu bezeichnen.
Meine Damen und Herren! Der Bürger ist kein Kunde der Verwaltung. Im Vergleich mit der Wirtschaft wird verkannt, daß auf dem Markt Kundenfreundlichkeit als notwendige Atmosphäre benötigt wird, um Gewinn zu erzielen.
Ein freundlicher Umgang ist eine Frage der Motivation, der Begegnungskultur und sicher auch der Fachkompetenz.
Wichtiger als die Dienstleistung, die insbesondere die Kommunalverwaltung zu gewährleisten hat, sind das partnerschaftliche Verhältnis zwischen der Kommune und den Bürgern, die identischen Interessenlagen und die Aktivierung von Einfallsreichtum und Tatkraft der Bürger.
Die Bürgernähe ist somit keine Tuchfühlung, die sich nach Metern und Kilometern berechnen läßt und die mit einem Mausklick hervorgerufen werden kann. Die Bürgernähe muß vielmehr an folgendem gemessen werden - lassen Sie mich aus der Denkschrift zur Modernisierung der Verwaltung Sachsen-Anhalts aus dem Jahre 1992 von Laux und Gross zitieren -:
„Bürgernähe stellt sich so dar, wie es gelingt, den Bürger erkennen zu lassen, daß er in vielfältiger Weise an dieser Verwaltung mitwirken kann und daß dies auch für ihn eine reizvolle Erweiterung seiner staatsbürgerlichen Möglichkeiten sein kann.“
Das ist sozusagen der Kern, also die Grundidee der kommunalen Selbstverwaltung. Sie zu verinnerlichen ist die Grundvoraussetzung, um sich in die Diskussion über kommunale Strukturen begeben zu können.
Leider fand dieses Grundverständnis von dem Verhältnis zwischen der Verwaltung und den Bürgern in den dargestellten Auffassungen erneut keine Erwähnung. Mit dieser Position wird jedoch die PDS-Fraktion in die Debatte um eine Kommunalreform einsteigen. Dabei ist noch viel Arbeit zu leisten. Das wurde heute erneut deutlich.
Wir sind auch für die Kommunalisierung von Aufgaben. Aber wir warnen gleichzeitig vor der Illusion, daß man die Kommunen mit staatlichen Vollzugsaufgaben bei nicht hinreichender Finanzausstattung überschütten könnte.
Herr Ministerpräsident, Sie haben richtig erwähnt, daß es einige Bundesratsinitiativen in unserem Land geben muß, um bestimmte kommunalfreundliche und verwaltungsfreundliche Strukturen im Land errichten zu können. Eine dieser Bundesratsinitiativen ist das schon seit langem ausstehende Gemeindefinanzierungsgesetz auf Bundesebene.
Nicht zum erstenmal ist dabei die Frage der Abfolge zwischen der Funktional- und der Verwaltungsstrukturreform ein Streitpunkt. Ich erinnere aber daran, daß die Beantwortung dieser Frage nicht davon abhängen kann, ob man in der Opposition oder in der Regierung sitzt. Das ist vielmehr eine Sachfrage.
Vor einigen Tagen habe ich die Debatten nachgelesen, die im Zusammenhang mit der Kreisgebietsreform geführt worden sind. Es war eine fundamentale Forderung der SPD-Fraktion, die Funktionalität vorzuschalten. Auch in diesem Kontext kam es dann zu dem Entschließungsantrag, auf dessen Grundlage die Funktionalreform unverzüglich folgen sollte.
- Ja, gut. - Lassen Sie mich jetzt zu einem dritten Punkt kommen, den ich eigentlich als ersten benennen wollte. Ich habe aber den Zettel noch immer nicht gefunden.
Der dritte, aber zuerst zu benennende Punkt muß die Frage des Verhältnisses von Personalaufbau und Landesstruktur sein.
Meine Damen und Herren! In dem Papier - auch in der Rede - wird an einigen Stellen deutlich, daß eine Verwaltungsmodernisierung ohne die Mitarbeit der vielen tausend Mitarbeiter und Landesbediensteten nicht möglich und nicht realisierbar ist. Wir wissen, daß die Aufgabenkritik, von der der Ministerpräsident gesprochen hat, jetzt in der Landesverwaltung durchgeführt wird. Derjenige Landesbeamte oder Landesverwaltungsangestellte, der es nicht hinbekommt, bei seiner Aufgabenkritik seine eigene Unverzichtbarkeit aufs Papier zu schreiben,
dem fehlt wahrhaft die Kreativität, von der wir sprechen und die wir von einem in der Verwaltung arbeitenden modernen Angestellten verlangen.
Meine Damen und Herren! Auch wir unterstreichen, daß es, wenn wir uns schon an einer durchschnittlichen Personalausstattung anderer Flächenbundesländer orientieren und feststellen, daß wir 13 000 Stellen mehr haben, ein anderes Signal in das Land geben muß, als die- sen Gesichtspunkt zur Überschrift und zum Startschuß für eine Verwaltungsreform zu machen. Wir erwarten, daß ein umfassendes Personalkonzept erarbeitet wird, das sowohl mit dem Landtag als auch mit den Spitzenverbänden und vor allen Dingen mit den Interessenvertretungen diskutiert wird. Daher meinen wir, daß ein Signal, als erstes in das Land geschickt, die Personalvertretungsrechte abzubauen, ein falsches Signal in die falsche Richtung ist.
Zum Schluß lassen Sie mich als Fazit die Position der PDS noch einmal deutlich machen. Das Land, der Landtag muß noch in dieser Legislaturperiode die Grundsätze der Reformen rechtlich verbindlich verabschieden. Darum kann sich weder die Landesregierung noch der Landtag herummogeln. Die PDS ist zu solchen Schritten bereit, sowohl im Hinblick auf die Bestimmung der Grundsätze der Verwaltungsmodernisierung als auch im Hinblick auf die Bestimmung der Konturen der kommunalen Strukturen.
Dies sollte die Grundlage für weitere Verhandlungen über Einzelgesetze sein, die ebenfalls Strukturveränderungen in Größenordnungen zum Inhalt hatten und haben. Diese gesetzliche Ebene wurde in der Regierungserklärung und auch in dem Papier nur punktuell erwähnt.
Bevor wir jedoch ein Einzelgesetz nach dem anderen beschließen, ohne im Landtag eine Mehrheit für die Grundrichtung der Entwicklung zu haben, müssen wir uns dieser Herausforderung stellen. In vielen Ansätzen hat auch die CDU die Bereitschaft dazu erklärt. Insofern kann es eventuell auch zu einem Konsens zu den grundsätzlichen Fragen kommen. Herr Bergner sagte schon, die Opposition könne eventuell die Regierungspartei von morgen sein und man solle sich sehr wohl
überlegen, was man über die kommunalen Strukturen in diesem Haus verkünde.
Dieser Aufgabe, Landesgesetze zu verabschieden, und zwar mit sicheren Mehrheiten, mußten sich alle Länder in unterschiedlicher Form stellen. Unvergleichbar stärker steht unser Land unter den gegenwärtigen Konstellationen in der Pflicht. Wir werden uns dieser Pflicht nicht entziehen.
Die Grundsätze der Reform sind Chefsache des Ministerpräsidenten auf seiten der Landesregierung; ansonsten sind sie Angelegenheit des Gesetzgebers, des Landtages.
Für das Fundament des Hauses sind wir verantwortlich. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man merkt es an der jetzigen Diskussion und auch an dem Antrag: Es war in der Tat ein unglücklicher Start, diese gesamte Diskussion um die Verwaltungs- und Funktionalreform und um die kommunale Gebietsreform, eben weil es in zwei grundsätzlichen Positionen zwischen einer Mehr
heit des Landtages und der Landesregierung gravierende Unterschiede gibt, die das gesamte Herangehen so zählebig und wenig paßgerecht machen.
Das betrifft, wie bereits mehrmals ausgetauscht, Notwendigkeit, Zeitpunkt und Form der Funktional- und Verwaltungsreform, und das betrifft die Einbindung des Parlaments in diesen Prozeß. Gerade dadurch widerspiegelt sich in so manchen Überlegungen der einen oder der anderen Fraktion oder auch in der Arbeit der Ausschüsse ein stückweit Ratlosigkeit.
Uns geht das speziell so in der Frage danach, wie das Parlament tatsächlich zum Entscheidungsgremium vor allem für jene Prozesse werden kann, welche in der kommunalen Landschaft ablaufen. Diese Fachkonferenzen, die ja den Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern im Land einbleuen sollen, es sei alles in Sack und Tüten, diese Beweisschlachten durch Rhetorik, die jeden langweilen, der in diesen Prozeß ein-geweiht ist da kann jeder nur den Kopf darüber schütteln, was sich im Land abspielt.
Nun treibt aber die gesamte Diskussion auch parlamentarisch immer seltsamere Blüten. Dazu leisten viele ihren Beitrag; die CDU steht dem in keiner Weise nach. Zunächst schmunzelten wir alle in der vorigen Sitzung über den Panzerschrankknackerantrag. Nun setzt die CDU in ihrem heutigen Antrag noch einen drauf. Herr Dr. Bergner, ich bedaure es wirklich, daß Sie die Kraft, die Sie in die Ausarbeitung Ihrer Rede gesteckt haben, nicht in den Antrag gesteckt haben.
Dann hätte über Inhalt und Form - auch übereinstimmend - eine Mehrheitsentscheidung getroffen werden können. „Der Landtag wolle beschließen“ - jetzt -, sich die richtungsweisenden Beschlüsse der CDU-Fraktion zu eigen zu machen. Bei dieser Gelegenheit soll er sich gleich noch intensiv davon überzeugen lassen, welch starke, dynamische Kraft die CDU doch ist.
Ich zitiere beispielhaft: „Die CDU hat ihre diesbezüglichen Hausaufgaben gemacht.“ - Aber nicht bei diesem Antrag!
„Angesichts der Handlungsunfähigkeit der Landesregierung legt die CDU-Fraktion aktualisierte und präzisierte Eckpunkte vor.“
„Die CDU konnte immerhin über 60 der 300 Empfehlungen umsetzen.“
Herr Dr. Bergner, was soll ich denn da beschließen, wenn Sie das gemacht haben? - Weiter:
Der Landtag möge sich bei gleicher Gelegenheit damit auseinandersetzen, daß die Landesregierung völlig unfähig ist, nachgewiesen am Antragsanlagentext: „Offensichtlich ist das Kabinett nicht fähig und nicht willens...“ - Die Landesregierung, die tatenlos dahinwurstelt. Das kann ja alles sein, Herr Dr. Bergner, aber wir wissen nicht, was wir damit anfangen sollen.
Sollen wir mit Ihnen beschließen, daß die Landesregierung dahinwurstelt?
Soll der Landtag beschließen, daß die CDU die führende Kraft ist? Oder sollen wir noch ein paar Beschlüsse der PDS in ihrem Urzustand in die parlamentarische Diskussion einbringen?
Keine Angst, darauf verzichten wir; damit haben wir Erfahrungen.
Aber das darf doch wirklich nicht der Stil und der Ernst in diesem Parlament sein.
Im übrigen: Der Vergleich mit den anderen Gutachten diskriminiert diese und ist anmaßend. Wenn die Gutachten mit einer solchen Aneinanderreihung von politischen Platitüden umrahmt gewesen wären,
hätte es keine Antragstellung und sicherlich auch keine Überweisung gegeben.