Protocol of the Session on November 9, 2000

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 46. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der dritten Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie, verehrte Anwesende, auf das Herzlichste begrüßen.

Darüber hinaus freue ich mich außerordentlich, als Besucher des Hohen Hauses heute eine Delegation des schottischen Parlaments begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Das Parlament Schottlands ist im Jahr 1999 erstmals seit 300 Jahren wieder in Edinburgh errichtet worden. Unter Leitung der Vizepräsidentin Frau Patricia Ferguson weilen die schottischen Abgeordneten als Gäste des Landtages seit Dienstagabend bis heute Mittag in Magdeburg.

Es ist meine Hoffnung, Frau Vizepräsidentin, dass es uns gelingen möge, zwischen Schottland und SachsenAnhalt zu einer für beide Länder gedeihlichen Kooperation zu gelangen.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Eingangs der 44. Sitzung des Landtages erinnerte ich an die Landtagswahlen vor nunmehr zehn Jahren. Sie waren der Ausfluss eines Freiheitsdranges, der sich im Jahre 1989 artikulierte und der einen seiner Höhepunkte am 9. November jenes Jahres fand. Der Drang nach Freiheit brachte die Mauer zum Einsturz. In dieser Hinsicht ist der 9. November ein freudiger Tag.

Auch wenn wir uns an diesem Tag inzwischen solch glücklicher historischer Ereignisse erinnern können, so bleibt das Datum 9. November in unserer Geschichte dennoch auch mit der Pogromnacht von 1938 verknüpft. An diesem Tage wurden die Synagogen in Deutschland in Brand gesteckt und die Reaktion der Mehrheit der Bevölkerung wird in der Überlieferung mit Zurückhaltung, gar Teilnahmslosigkeit beschrieben. Nur sehr wenige widersetzten sich dem Terror.

Der 9. November war, ist und bleibt daher für uns ein beschämendes Datum. Neben dem genannten Freiheitsdrang, der sich im Jahr 1989 den Weg bahnte, symbolisiert dieser Tag nämlich vor allem auch die Unmenschlichkeit, ja Barbarei, zu der Menschen fähig sind. Dieser Tag steht folglich wie kaum ein anderer für die Ambivalenz deutscher Geschichte.

Meine Damen und Herren! Die Opfer gebieten es, einen solchen Tag zum Anlass zu nehmen, der schrecklichen Ereignisse von 1938 zu gedenken. Dieser dunkle Teil der Geschichte muss zugleich Verpflichtung sein, entschieden für die im Grundgesetz verankerte Achtung der Menschenwürde einzutreten. Diese Verpflichtung hat stets Gültigkeit. Sie gilt jedoch insbesondere angesichts fremdenfeindlicher und antisemitischer Straftaten, die wir leider zu beklagen haben.

Es sollte uns zu denken geben und uns mit Scham erfüllen, dass wir uns heute mit der Frage konfrontiert sehen, ob jüdisches Leben in Deutschland möglich ist, wie sie der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland nach dem Anschlag auf die Synagoge in Düsseldorf vor einigen Wochen aufwarf.

Meine Damen und Herren! Nehmen wir diesen Tag zum Anlass, uns der Freiheit zu erfreuen, die wir uns erober

ten, nehmen wir ihn zum Anlass, uns der schrecklichen Ereignisse der deutschen Geschichte zu erinnern, und nehmen wir ihn als Handlungsaufforderung an, uns für die Demokratie und ihre Werte und gegen Intoleranz, Rechtsextremismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus einzusetzen.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Ich komme zu einem angenehmen Ereignis, meine Damen und Herren. Das Mitglied des Landtages Frau Birke Bull hat heute Geburtstag. Im Namen des Hohen Hauses sowie persönlich gratuliere ich Ihnen dazu recht herzlich. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Frau Bull, vor allem beste Gesundheit.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der PDS - Zustimmung von Herrn Preiß, DVU-FL, und von Frau Wiechmann, FDVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tagesordnung für die 25. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor.

Am 6. November 2000 wurde von der Fraktion der FDVP fristgemäß ein weiteres Thema für die Aktuelle Debatte eingereicht. Der Antrag mit dem Thema „SchmökelKatastrophe überschreitet Ländergrenzen“ liegt Ihnen in der Drs. 3/3798 vor.

Der Ältestenrat war übereingekommen, zusätzlich beantragte Themen für die Aktuelle Debatte vor dem Themenkomplex zur Deutschen Bahn AG in die Tagesordnung einzuordnen. Ich schlage Ihnen deshalb vor, dieses Thema als Tagesordnungspunkt 2 a in die Tagesordnung aufzunehmen.

Die Fraktion der DVU-FL hat signalisiert, dass sie den Antrag in der Drs. 3/3736 zum Thema „Einsatz von Tierschutzpädagogen an den Schulen“ zurückgestellt haben möchte. Damit ist der Tagesordnungspunkt 15 von der Tagesordnung abgesetzt.

Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.

Ich komme zur Entschuldigung von Mitgliedern der Landesregierung. Frau Ministerin Schubert entschuldigt sich für die Landtagssitzung am Freitag, den 10. Novem- ber 2000. Sie vertritt die Landesregierung in der Sitzung des Bundesrates.

Herr Finanzminister Gerhards ist erkrankt. Er lässt sich für beide Sitzungstage entschuldigen.

Ich möchte eine Bemerkung zum zeitlichen Ablauf der 25. Sitzungsperiode machen. Die Fraktionen haben sich im Ältestenrat darauf verständigt, die heutige Sitzung wegen der um 20 Uhr im Hotel Maritim beginnenden parlamentarischen Begegnung mit dem Deutschen Beamtenbund Sachsen-Anhalt gegen 19.30 Uhr zu beenden. Die 47. Sitzung beginnt morgen um 9 Uhr.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 1:

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zum Thema „Sachsen-Anhalts Weg in die Wissens- und Informationsgesellschaft“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erteile Herrn Ministerpräsident Dr. Höppner für die Abgabe der

Regierungserklärung das Wort. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Welt verändert sich in einem unglaublichen Tempo, und die Angst davor wächst, dabei nicht mithalten zu können.

(Herr Wolf, FDVP: Oh!)

Nun besteht wahrscheinlich unter uns Konsens darüber, dass es Aufgabe der Politik ist, die Rahmenbedingungen für die Entwicklung eines Landes zu setzen.

(Zuruf von Herrn Remmers, CDU)

Wir diskutieren über solche Rahmenbedingungen zum Beispiel, wenn wir über die Steuerpolitik oder über den Haushalt reden, wenn wir über die Wirtschaftsförderung oder über Verwaltungsstrukturen reden. Eine der entscheidendsten Rahmenbedingungen aber, die in den nächsten Jahren die Zukunft des Landes SachsenAnhalt bestimmen werden, ist die Frage, wie sich Sachsen-Anhalt auf dem Weg in die Wissens- und Informa- tionsgesellschaft bewegt.

(Zustimmung von Herrn Kühn, SPD)

Meine Damen und Herren! Darum halte ich es für zwingend erforderlich, dass wir uns auch in diesem Landtag darüber Rechenschaft ablegen. Einer derjenigen, der in der Materie steckt, hat einmal einen Eindruck wiedergegeben, der lautete: Alle rennen, keiner weiß genau, wohin es geht. - Genau dieser Zustand muss überwunden werden. Wir müssen wissen, wohin es geht.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Der Übergang zur Wissens- und Informationsgesellschaft ist ein Umbruch in den gesellschaftlichen Verhältnissen, der immer deutlicher als der Beginn eines neuen Zeitalters erkannt wird.

Ich möchte mit dieser Regierungserklärung dazu beitragen, dass wir in unserem Lande diesen Übergang zur Wissens- und Informationsgesellschaft aktiv mitgestalten,

(Zuruf von der CDU: Ab heute!)

dass wir deutlich sagen, wohin wir wollen, damit alle Kräfte gebündelt werden, die dazu beitragen, tatsächlich in diese Richtung zu arbeiten, in eine Richtung, die für die Zukunft des Landes Sachsen-Anhalt von außer- ordentlicher Bedeutung ist.

(Beifall bei der SPD - Herr Wolf, FDVP: Das ist ein Knaller!)

Es geht um den Übergang in die Wissens- und Informationsgesellschaft. Wenn ich das Schlagwort „Wissens- und Informationsgesellschaft“ einmal abkürzen darf: Es geht um den Übergang in die Win-Gesellschaft in Sachsen-Anhalt.

(Unruhe bei der FDVP - Herr Gürth, CDU: Wind!)

Das gilt auch im Hinblick auf die andere Bedeutung dieses Wörtchens „win“. Es geht darum, dass wir in Sachsen-Anhalt Gewinner in diesem Prozess des Übergangs zur Wissens- und Informationsgesellschaft sind.

(Zuruf von Herrn Wolf, FDVP)

Wir wollen bei dem Übergang zum Neuen, bei der Vorbereitung auf die Aufgaben der Zukunft gewinnen.

Meine Damen und Herren! Einige Worte zur Lage. Die neuen Informationstechnologien und Kommunikationsnetze haben nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die gesamte Arbeitswelt und fast alle Bereiche des Privatlebens erfasst. Alles, was digitalisiert werden kann, kommt heute in das Internet und entwickelt dort eine eigene Existenz. Eine E-Welt mit E-Commerce, E-Learning, E-Government und E-Community ist im Entstehen. Es wird im Weltmaßstab gehandelt, gelernt, regiert und gelebt - alles virtuell und doch ganz real.

Im Jahr 1999 ist der deutsche Markt für Informations- und Kommunikationstechnik um 9,4 % gewachsen. Für das Jahr 2000 wird mit einer weiteren Steigerung von über 8 % gerechnet.

Besonders dynamisch entwickelt sich der elektronische Handel. Einschlägigen Schätzungen zufolge kann sich das elektronisch bewegte Geschäftsvolumen allein in Deutschland von ca. 5 Milliarden DM im Jahr 1999 auf rund 40 Milliarden DM im Jahr 2003 erhöhen.

Insgesamt wird erwartet, dass die IT-Branche bereits in fünf Jahren die Umsatzschwelle von 300 Milliarden DM überspringt und damit zum größten deutschen Wirtschaftszweig wird.