Edgar Moron

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob Sie es glauben oder nicht: Wir debattieren hier über die Änderung der Landesverfassung. Dazu braucht man eine Zweidrittelmehrheit. Wenn wir uns umschauen, stellen wir fest, dass der Landtag an diesem Thema offenbar kein richtiges Interesse hat.
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Entscheidungen schon getroffen sind und die Diskussi
onen mittlerweile einen Stand erreicht haben, bei dem der eine oder andere glaubt, man wisse sowieso, was jetzt hier passiert.
Herr Finanzminister, Sie haben uns gestern in der zweiten Lesung geraten, die SPD-Fraktion bzw. die Opposition möge sich das Ganze noch einmal überlegen. Dabei habe ich das Lachen in Ihrem Auge gesehen, weil Sie sowieso nicht daran geglaubt hatten – ich im Übrigen auch nicht –; es war ja eher eine rhetorische Volte. Aber Sie haben damit den Eindruck erweckt, als hätten Sie einen guten Vorschlag unterbreitet und die Opposition müsse sich doch nur noch einmal Gedanken darüber machen, um zum gleichen Ergebnis wie Sie zu kommen.
Das ist ein Irrtum, Herr Finanzminister. Sie haben uns hier einen Vorschlag zur Änderung der Landesverfassung vorgelegt, nach dem ab 2020 auch in der Landesverfassung gilt, dass keine neue Nettokreditaufnahme mehr erfolgen darf. Umgangssprachlich nennt man das Schuldenbremse.
Herr Kollege Groth von den Grünen hat gesagt, dass das Ganze im Grunde ein Ablenkungsmanöver ist – das ist es auch. Es ist das Ablenkungsmanöver genau von der Debatte, die wir hier gerade geführt haben, nämlich über die Haushalts- und Finanzlage des Landes Nordrhein-Westfalen.
Von dieser soll es ablenken.
So haben Sie das Ganze auch gemeint. Sie haben sich gesagt: Bei der Debatte können wir eigentlich nur gewinnen – entweder stimmt die Opposition zu, dann haben wir uns durchgesetzt. Das ist dann immer ein Erfolg der Regierung und der sie tragenden Fraktionen. Oder die Opposition lehnt es ab und wir können behaupten, sie sei für Verschuldung, obwohl Sie zur gleichen Zeit kräftig in den Schuldentopf hineingreifen und dem Land Nordrhein-Westfalen den höchsten Schuldenstand unserer Geschichte bescheren.
Ich sage Ihnen: Bei diesem Spiel werden wir nicht mitmachen; denn die Schuldenbremse brauchen wir gar nicht einzuführen, es gibt sie bereits. Sie ist durch das Grundgesetz eingeführt, nämlich durch das, was der Deutsche Bundestag dort an Änderungen in Art. 115 und 119 beschlossen hat.
Deshalb sage ich Ihnen: Dieser Gesetzentwurf, den Sie uns vorgelegt haben, ist auch von seinem Inhalt und seiner Regelungsdichte völlig unzureichend. Das ist uns auch in der Anhörung, die wir hier im Landtag, in genau diesem Raum, durchgeführt haben, noch einmal sehr deutlich bestätigt worden.
Ich möchte Herrn Dr. Tappe von der Universität Münster zitieren, der uns vorgetragen hat, die Regelung, wie Sie sie vorgelegt haben, sei „recht mager“:
Denn streng genommen ist ihr Regelungsgehalt null. Deswegen kann sie meines Erachtens auch kein positives Signal setzen, weder für den Kapitalmarkt noch für andere Länder, denn alle für die Landesverfassung geplanten Neuregelungen sind schon unmittelbar im Grundgesetz enthalten.
Und er fügt hinzu:
Zweitens. Die Spielräume, die das Grundgesetz den Ländern gibt, werden
durch Ihren Vorschlag, Herr Finanzminister –
überhaupt nicht ausgeschöpft, und zwar weder in zeitlicher noch in sachlicher Hinsicht.
Deshalb sagen wir: Dieser Vorschlag zur Änderung der Landesverfassung, wie Sie ihn vorgelegt haben, kann von uns nicht mitgetragen werden, weil er in sachlicher Hinsicht qualitativ nicht unseren Ansprüchen genügt. Darüber sind wir enttäuscht.
Und wir fühlen uns in dieser Annahme bestätigt, weil Sie zu keinem Zeitpunkt – weder Sie, Herr Minister, noch das Ministerium oder die Landesregierung noch die sie tragenden Koalitionsfraktionen – den Versuch unternommen haben, mit uns, mit den Oppositionsfraktionen von Grünen und SPD, in einen sachlichen Dialog über die Ausgestaltung eines neuen Artikels 83 der Landesverfassung einzutreten. Das haben Sie zu keinem Zeitpunkt versucht.
Uns ein paar Unterlagen zu überlassen und zu sagen „Beschäftigen Sie sich mal damit!“, ist ja wohl keine hinreichende Beteiligung.
Deshalb sagen wir Ihnen: So kann man an die Änderung der Landesverfassung nicht herangehen. Das ist ausgeschlossen.
In der nächsten Wahlperiode werden die Mehrheitsverhältnisse anders sein. Da wird vielleicht der eine, der jetzt in der Regierung sitzt, in der Opposition sitzen und umgekehrt. Warten wir es mal ab. Ob alles so bleibt, Herr Weisbrich: Selbst Sie als notorischer Optimist glauben nicht mehr daran. Das ist nun einmal so. Die Dinge nehmen eben ihren Lauf. Es wird also einen neuen Landtag geben.
Und in diesem neuen Landtag wird die SPD Fraktion in der Rolle der, so hoffe ich, stärksten Regierungsfraktion an Sie herantragen, die Landesverfassung an das Grundgesetz anzupassen, aber nicht mit dem Ziel, die sogenannte Schuldenbremse einzuführen, sondern Regelungen, wie wir im Land Nordrhein-Westfalen mit dieser Schuldenbremse umgehen wollen und müssen. Darum geht es doch.
Was bedeutet das denn letztlich, meine Damen und Herren, wenn man so etwas in die Landesverfassung hineinschreibt? – Es kann doch ernsthafter
weise nicht so sein, dass man in eine Situation hineinkommt, in der es überhaupt nicht mehr möglich ist, noch einmal in eine Nettokreditaufnahme einzutreten. Denn in einer Zeit, in der wir uns in einer schwierigen Rezession befinden, brauchen wir Instrumente, um den Konsum und die Nachfrage anzustoßen. Dann muss man unter Umständen sogar in eine Kreditaufnahme hineingehen. Diese Möglichkeit sieht das Grundgesetz für den Deutschen Bundestag auch vor, nur nicht für uns. Deshalb müssen wir über landesgesetzliche Regelungen reden, die das erlauben. Solche landesgesetzlichen Regelungen enthält der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf im Augenblick aber leider nicht.
Viel wichtiger, meine Damen und Herren, als die Änderung der Landesverfassung – das ist auch das Ergebnis unserer Anhörung gewesen – ist die Frage, wie die Politik mit dem Thema Neuverschuldung umgeht, Herr Finanzminister.
Da hat Herr Professor Korioth, ein Ordinarius der Universität München, eine sehr interessante Formulierung gefunden, die ich zitieren darf:
Auch in Zukunft wird es darauf ankommen, dass es der Politik gelingt, das Schuldenaufnehmen zu verhindern. Anders formuliert: Eine Schuldenbremse funktioniert nur dann, wenn man keine Schulden aufnimmt, obwohl es dafür gute Gründe gibt.
Genauso ist das. Hier wird von Ihnen ein großer Popanz aufgebaut, aber in Wirklichkeit ist das nichts weiter als ein Paravent, hinter dem sich etwas ganz anderes verbirgt. Das ist wirklich ein Popanz.
Deshalb müssen wir, meine Damen und Herren, ernsthaft an das Thema herangehen. Wir müssen uns damit beschäftigen. Wir werden Ihnen eigene Vorschläge vorlegen, wie die Schuldenbremse aus unserer Sicht aussehen soll. Wir müssen in der Tat eine Finanzplanung haben, vielleicht sogar einmal eine Art Kassensturz im Land Nordrhein-Westfalen machen: Wo stehen wir finanziell? Was können wir uns noch erlauben? – Und wir müssen uns – das ist zwingend erforderlich, wenn wir eine Landesverfassung ändern – darüber verständigen, was im Begleitgesetz im Einzelnen geregelt wird. Wir machen doch keinen Blindflug in einer solchen Angelegenheit.
Außerdem – das ist der letzte Punkt, den man noch erwähnen muss – müssen wir über die Kommunen reden. Ja natürlich, die Kommunen gehören zum Land Nordrhein-Westfalen dazu. Sie sind unsere Arme und Füße. Wir stehen auf ihnen. Sie arbeiten für uns. Das Land Nordrhein-Westfalen ist ohne seine Kommunen nichts.
Deshalb sage ich Ihnen: Wenn wir über Finanzen des Landes reden, reden wir auch gleichzeitig über die Finanzen der Kommunen. Das muss berück
sichtigt werden. Ob das eine Regelung ist, wie sie von der Fraktion der Grünen vorgeschlagen wurde, bei der ich – das darf ich sagen – auch einige Bedenken habe, ob man das so machen kann: Aber wir müssen darüber reden, wie wir die Kommunen dabei berücksichtigen. Man muss nicht alles so übernehmen, wie das darin steht. Da muss manches noch durchdacht werden. Aber wir müssen darüber reden, und zwar zusammen mit den Kommunen, wie wir das optimal regeln. Das alles haben wir bisher nicht geleistet.
Herr Finanzminister, es ist der Versuch, von einer für Sie schwierigen Debattenlage abzulenken. Das verstehe ich. Die große Verschuldung, die Sie mit zu verantworten haben – nicht alleine, aber Sie haben sie mit zu verantworten –, drückt Sie jetzt in diesem Wahlkampf. Deshalb möchten Sie gerne über eine Schuldenbremse in der Landesverfassung reden und möchten der SPD den Bonbon ankleben, Sie wolle gar nicht auf Schulden verzichten.
Dazu sage ich Ihnen: Das ist misslungen. Die veröffentlichte Meinung reagiert nicht darauf. Der Landtag glaubt Ihnen das nicht, und die Öffentlichkeit auch nicht.
Die Schuldenbremse haben wir, aber die Frage, um die es geht, lautet: Wie gehen wir mit Ausnahmen, mit Abweichungen von der Schuldenbremse um? – Das ist die entscheidende Frage. Dazu haben Sie einen Vorschlag gemacht, den wir für ungeeignet halten. Wir werden einen neuen Vorschlag vorlegen und dann hoffentlich zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen.
Herr Dr. Linssen, wir beide werden als Landtagsabgeordnete dem neuen Landtag nicht mehr angehören. In zehn Jahren werden hier immer noch Politiker sitzen, die schwierige Entscheidungen über das Schicksal dieses Landes zu treffen haben werden. Wir können ihnen in dieser wichtigen Frage keine so schlechte Landesverfassungsregelung hinterlassen, wie Sie sie vorgeschlagen haben.
Ich würde mich freuen, wenn auch Sie in der nächsten Legislaturperiode an einer solchen Lösung beratend mitwirken würden. Vielleicht fragt man auch mich; das alles kann möglich sein. Aber das, was Sie vorgeschlagen haben, Herr Linssen, war eine schlechte Arbeit und hat einen anderen Zweck erfüllt. Wir lassen uns nicht auf dieses Gleis führen. Wir werden deshalb, meine Damen und Herren, den Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung heute ablehnen. Aber wir bieten Ihnen an, in der neuen Wahlperiode mit uns gemeinsam über eine vernünftige Regelung in der Landesverfassung zu reden.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erleben gerade ein tolles Schauspiel: Eine Mehrheit, die im Augenblick noch regiert, hat sich schon aufgegeben.
Da spürt die Mehrheit den kalten Atem der Niederlage.
Die FDP erinnert sich wieder an das Schicksalsjahr 1995, als sie ihre Büros in diesem Haus räumen musste. Sie träumte noch vor Kurzem von zweistelligen Ergebnissen; jetzt kämpft sie darum, die 5-%Grenze zu erreichen.
So schnell kann das gehen.
Noch vor Kurzem hat der abgesetzte Generalsekretär der CDU, Herr Wüst, gesagt,
40 plus sei das CDU-Wahlziel. Jetzt sind Sie froh, wenn Sie noch 35 % kriegen. Selbst das ist nicht mehr sicher.
Bei der Gelegenheit kommen Sie auf die Idee, Sie müssten eigentlich ein bisschen ablenken, und wärmen deshalb eine Diskussion wieder auf, die wir hier schon vor anderthalb Jahren geführt haben.
Ich sage Ihnen: Dieses alberne Spiel, das Sie hier schon einmal gespielt und dann verloren haben, machen wir nicht mit. Diese Nummer zieht nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb sage ich Ihnen ganz deutlich: Die Welt verändert sich immer ganz schnell. Ich erinnere mich noch an eine Zeit, als die Vertreter der CDU schon Pickel bekamen, wenn sie die Grünen nur sahen, geschweige denn, dass sie sich vorstellen konnten, mit denen einmal zu koalieren. Jetzt auf einmal tauscht man Küsschen aus und kann sich vorstellen, mit den Grünen zu koalieren. Leute, wie verändert sich diese Welt!
In dem Zusammenhang komme ich einmal auf die Linken zu sprechen; denn nichts bleibt so, wie es war. Bei der Bundestagswahl im September letzten Jahres haben bundesweit 5,15 Millionen Menschen die Linken gewählt; bei uns in NordrheinWestfalen waren es 800.000. Sind das alles politische Extremisten? Sind das alles Gewalttäter, die die Bundesrepublik Deutschland und die demokratische Grundordnung unseres Staates, das Grundgesetz, abschaffen wollen? Sind sie das?
Ich sage Ihnen: Das sind sie nicht. Das sind Leute, die mit der Politik, die in diesem Land gemacht wird, nicht einverstanden sind, die glauben, dass es in der Sozialpolitik Verwerfungen gibt, die andere politische Vorstellungen haben. Aber das sind keine Verfassungsfeinde.
Ich behaupte auch, dass es unter den Mitgliedern der Linken, also unter denjenigen, die diese Partei nicht nur wählen, sondern auch in sie eingetreten sind – im Übrigen befinden sich darunter viele Sozialdemokraten und Christdemokraten, auch Mitglieder der Grünen; keine FDP-Mitglieder, da brauchen Sie keine Angst zu haben –, eine Menge Leute gibt, die über Jahrzehnte hinweg politisch gearbeitet und gezeigt haben, dass sie gute Demokraten sind, so wie wir alle.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb: Wer die Linke – ihre Mitglieder sowie ihre Wählerinnen und Wähler – zu politischen Parias, zu Aussätzigen erklärt, vergeht sich an den Grundzügen unserer Demokratie. Das dürfen Sie nicht machen.
Da brauchen Sie sich nicht aufzuregen. Ganz im Gegenteil, wir wollen …
Regen Sie sich ab da drüben. Wenn Sie schreien: Ich bin lauter, verlassen Sie sich darauf. Ich habe auch eine Unterstützung hier.
Wir wollen diese Menschen in unsere demokratischen Parteien zurückholen. Wir sagen den Wählerinnen und Wählern und auch vielen Mitgliedern der Partei Die Linke: Ihr geht einen falschen politischen Weg.
Gerade wir Sozialdemokraten sagen ihnen: Liebe Freunde, die Spaltung der demokratischen Linken
und die Abspaltungen von der demokratischen Linken haben immer nur den Rechten in diesem Land genützt, niemals aber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Deshalb frohlocken sie auch darüber.
Die Spaltung der Linken in der Weimarer Republik hat nachher zum Faschismus geführt.
Das wird bei uns nicht mehr passieren. Aber, meine Damen und Herren, man merkt es sehr deutlich: Das Auftreten der Linken – so, wie sie sich geben – nützt nur Ihnen. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in unserem Land nützt das überhaupt nichts.
Deshalb: Kommt zurück in die SPD. Da gehört ihr auch hin.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Die Menschen in unserem Land wissen, dass man sich in der Politik auch verändern kann. Deshalb sage ich Ihnen, was im Verfassungsschutzbericht steht, auf den Sie sich hier berufen, wenn Sie glauben, Sie müssten die Mitglieder der Linken und alle ihre Wähler zu politischen Extremisten erklären.
Ich zitiere: Ebenso wie sich Individuen politisch wandeln, kann dies auch für Parteien gelten. Die Herkunft aus einer diktatorischen Staatspartei – damit ist die SED gemeint – muss aber nicht gegen einen politischen Lernprozess hin zu einem demokratischen Selbstverständnis sprechen.
Das ist der Inhalt des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen. Daran sollten Sie sich orientieren.
Das Ablenkungsmanöver, das Sie hier machen, hat daher keinen Inhalt.
Ich sage jetzt aber sehr deutlich: Es gibt in der Führung der Linken bei uns in Nordrhein-Westfalen solche – im Übrigen auch in deren Landesparteitag Delegierte –, die eine politische Linie vertreten, die wir für völlig inakzeptabel halten. Deshalb ist auch diese politische Führung der Linken für uns kein politischer Partner,
jetzt nicht, sondern erst dann, wenn sie sich ändern, und das ist im Augenblick nicht zu erkennen.
Wir sind nicht bereit, mit einer Partei zusammenzuarbeiten, die der Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien das Wort redet und sie fordert. Wir wollen nicht die Verstaatlichung der Energiekonzerne. Wir sind nicht dafür so wie die Linken, die Leiharbeit zu verbieten. Wir lehnen es ab, den Verfassungsschutz abzuschaffen. Wir wollen auch nicht wie die Linken ein Recht auf Rausch. Den haben sie wahrscheinlich jetzt schon. Wir wollen auch nicht die 30Stunden-Woche. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Auch das, was die Linken wollen – „Raus aus der NATO“ und „Weg von der Europäischen Union“ –, ist mit der deutschen Sozialdemokratie nicht zu machen.
Darüber brauchen wir gar nicht lange zu diskutieren.
Insofern ist das hier eine Gespensterdebatte, die Sie führen, an der wir uns nicht beteiligen werden. Für uns sind die Dinge klar.
Die Linken, so wie sie sich darstellen, sind für uns kein politischer Partner.
Aber, meine Damen und Herren, ich würde ganz gerne noch einmal auf ein anderes Thema zu sprechen kommen, wenn wir schon über politische Kultur in unserem Land reden. Wir hatten ja gestern eine sehr muntere und, wie ich finde, auch manchmal sehr peinliche Diskussion, wenn ich da an die Ausführungen von Herrn Hegemann denke
und auch an die Verbalinjurien von Herrn Stahl. Aber lassen wir das jetzt einmal so stehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was die Menschen viel mehr bewegt als diese Scheindebatte, die Sie hier heute zu führen versuchen, ist die Frage, wie sich die politische Kultur in Nordrhein-Westfalen entwickelt. Da hat Frau Löhrmann gestern ein paar ganz gute und sehr richtige Hinweise gegeben und Fragen gestellt, die im Übrigen vom Ministerpräsidenten alle nicht beantwortet worden sind.
Was mir viel mehr Sorgen macht, ist nicht, dass man dem Ministerpräsidenten unterstellt, er müsste eigentlich alles wissen, was in seinem Umfeld gemacht wird. Das muss er nicht. Das kann er wahrscheinlich auch nicht. Das glaube ich ihm sogar, dass er manche E-Mail und manchen Brief, der in seiner Verantwortung geschrieben wird, gar nicht kennt. Das kann er gar nicht. Wie soll er das machen?
Aber in seiner unmittelbaren Umgebung arbeiten Leute, die sein Vertrauen haben, die ihn beraten, die zum engsten Mitarbeiterkreis des Ministerpräsidenten gehören, die Dinge denken, reden und schreiben, die in einer Staatskanzlei nichts zu suchen haben.
Warum sage ich das an dieser Stelle, meine Damen und Herren? Der Herr Ministerpräsident hat einen Mitarbeiter, der die Fraktionsvorsitzende der SPD, Frau Kraft, die Landesvorsitzende der SPD, Frau Kraft, und die Herausforderin von Ihnen, Herr Rüttgers, als Alte bezeichnet, der man eins auf die Omme geben sollte.
Da muss ich Ihnen sagen, Herr Rüttgers: Sie können nichts dafür, dass der Mann das so gesagt oder geschrieben hat. Nein, das ist nicht Ihre Verantwortung. Aber dass der Mann da sitzt, wo er das hat schreiben können, das haben Sie zu verantworten.
Das ist Ihr Mitarbeiter. Da sitzen Ihre Leute. Wahrscheinlich ist er nicht der einzige, der so denkt und so schreibt.
Sie berufen sich, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, immer so gern darauf, dass Sie Nachfolger von Johannes Rau seien. Das sind Sie formal. Das ist zutreffend. Johannes Rau war Ministerpräsident, Sie jetzt auch.
Aber im Stil, Herr Dr. Rüttgers? Können Sie sich vorstellen, dass ein Mitarbeiter von Johannes Rau den damaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU – ob es nun Biedenkopf war oder Dr. Worms – als den Alten, dem man einen auf die Omme hauen sollte, beschrieben hätte? Wie wäre denn wohl Johannes Rau mit einem solchen Mann umgegangen?
Er hätte ihn zumindest aus der Funktion, in der er war, sofort entfernt.
Aber er hätte noch etwas anderes getan, Herr Ministerpräsident. Johannes Rau hätte den Betreffenden angerufen und hätte sich wahrscheinlich dafür entschuldigt und hätte gesagt: Das ist unmöglich.
In Ihrer Verantwortung macht das Ihr engster Berater, den sie anschließend sozusagen in den Lan
desverband abkommandieren, damit er Ihnen noch die Regierungsmacht retten soll, die mittlerweile aus Ihren Fingern herausfließt.
Dieser Mann hat weiterhin Ihr Vertrauen. Sie lassen zu, dass er so etwas macht, und entschuldigen sich nicht bei Frau Kraft. Das müssen Sie nicht öffentlich machen. Das zeigte dann ja auch eine gewisse Größe. Aber Sie hätten sie anrufen und sagen können: Das war nicht in Ordnung, das gibt es nicht, das erlaube ich nicht, daraus habe ich Konsequenzen gezogen.
Sehen Sie: Das zeigt den Unterschied in politischer Kultur, so wie sie von Johannes Rau praktiziert wurde und wie sie jetzt von Ihnen praktiziert wird.
Deshalb, Herr Ministerpräsident, weil Sie so sind, wie Sie sind, werden Sie die Macht in diesem Land verlieren. Es wird keine rot-rote Regierung geben, sondern eine rot-grüne. Darauf können Sie sich verlassen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vier sozialdemokratische Ministerpräsidenten haben 39 Jahre lang dieses große und schöne Bundesland regiert: von Heinz Kühn über Johannes Rau, Wolfgang Clement bis Peer Steinbrück,
davon 15 Jahre mit absoluter Mehrheit, zehn Jahre lang in einer Koalition mit den Grünen und 14 Jahre in einer Koalition mit der FDP. Das waren gute Jahre für Nordrhein-Westfalen, das waren sehr gute Jahre für Nordrhein-Westfalen, und es waren schwierige Jahre für Nordrhein-Westfalen.
Die Frage des Strukturwandels, die Frage des Bergbaus, die Krise in der Montanindustrie, industrieller Wandel, Aufbruch in eine neue Gesellschaft, die viel offener war als das, was in den 50er- und 60er-Jahren bei uns gelebt wurde – all das musste gesellschaftspolitisch bewältigt werden.
Das haben die Regierungen unter den vier Ministerpräsidenten der SPD gut gemanagt. Dabei haben wir auch 14 Jahre als sozialliberale Koalition gut mit der FDP zusammengearbeitet.
Ich habe überhaupt gar keinen Zweifel an der demokratischen Substanz der FDP. Darüber muss ich gar nicht nachdenken, das ist selbstverständlich. Aber Sie sind keine Sozialliberalen mehr. Sie haben heute einen gesellschaftspolitischen Standort, der Sie aus dieser Mitte, aus der Position zur SPD, herausgeführt hat. Insofern kann ich verstehen, dass man sich mit Ihren marktradikalen Positionen kritisch auseinandersetzt.
Ich glaube – im Übrigen auch mit der großen Mehrheit der Bevölkerung und vielen anderen –, dass dies zu einer weiteren Spaltung unserer Gesellschaft führen wird und dass dies die Konflikte erhöhen wird, statt die Konflikte zu verringern.
Wir müssen im Sinne von Johannes Rau zusammen- und nicht auseinanderführen. Und da sind Sie im Augeblick kein überzeugender Partner. Da müssen Sie noch einiges an sich tun. Viele Debatten, die wir hier geführt haben, haben bewiesen, dass Sie das nicht können. Insofern sind Sie anders als die Sozialliberalen, mit denen wir hier regiert haben, als Weyer, Burkhard Hirsch und viele andere mehr.
Sie sind anders, aber Sie können ja auch wieder besser werden. Auch Sie haben eine Chance, sich zu wandeln.
Warum nicht? Vielleicht gibt es auch mal wieder eine Zeit, in der wir gut miteinander zusammenarbeiten.
Lieber Herr Stahl, lieber Helmut, wir Sozialdemokraten werden niemals mit einer Partei zusammenarbeiten, die die Demokratie, die freiheitlichdemokratische Grundordnung in der Bundesrepublik Deutschland abschaffen oder einschränken will.
Völlig undenkbar, völlig absurd! Jetzt will ich nicht polemisch werden, aber so etwas kann nur jemandem einfallen, der sehr bösartig über Sozialdemokraten denkt und redet – sehr bösartig.
Jetzt zum Herrn Ministerpräsidenten: Ich hatte eigentlich gehofft, Herr Ministerpräsident, dass Sie die Chance nutzen und etwas zu Frau Kraft sagen, zu der „Alten, der man auf die Omme hauen soll“. Dass das nicht Ihre Wortwahl ist, ist völlig klar, das glaube ich auch nicht. Aber Sie hätten sich dafür entschuldigen können.
Im Übrigen, Frau Kraft ist lebensjünger als Sie, und, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, sie sieht auch besser aus, auch besser als ich.
Sie werden es mir nicht übel nehmen: Ich bin fest davon überzeugt: Sie ist auch die bessere Ministerpräsidentin. Das ist sie.
Und weil Sie das spüren, haben Sie die Angst im Nacken. Ich kann Ihnen sagen: Vor fünf Jahren ging es mir ähnlich wie Ihnen jetzt, ich gebe das fairerweise zu. Das war eine schwierige Zeit. Da ging es mir ähnlich. Ich kann gut nachvollziehen, was Sie da im Augenblick durchleben: Ihnen fließt die Macht in dieser Zeit aus den Händen. Deshalb gehen Sie hier hin und reden so laut, so polemisch, so aggressiv,
so wenig Ministerpräsidenten-like. Herr Ministerpräsident, Sie müssten hier souverän auftreten, staatsmännisch, vielleicht ein bisschen väterlich wie Johannes Rau, den Sie gerne nachmachen oder nachmachen möchten. Das hätten Sie uns präsentieren müssen. Aber Sie gehen hierhin und machen einen Aufguss von Helmut Stahl. Tut mir leid, das war eine schlechte Nummer, die Sie abgeliefert haben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, es ist gut, dass sich der Landtag zum Ende der Wahlperiode noch einmal intensiv mit der Frage der kommunalen Finanzen auseinandersetzt. Das ist eines der großen zentralen Probleme unseres Landes, neben der Bildungspolitik. Ich habe den Eindruck, auch aus fünf Jahren Arbeit als Vorsitzender dieses kommunalpolitischen Ausschusses, dass wir in der Lösung der Probleme, vor denen die Kommunen stehen, in diesen fünf Jahren eigentlich keinen wesentlichen Schritt vorangekommen sind.
Das, was sich bei den Kommunen an finanziellen Überdehnungen mittlerweile abspielt, das ist in der Tat dramatisch. Ob man das nun „Kommunen in Not“ nennt oder eine andere Formulierung findet, ist völlig egal. Die Kommunen haben einen negativen Finanzierungssaldo.
Im vergangenen Jahr 2009 – die Abrechnungen liegen noch nicht endgültig vor – haben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen in den ersten drei Quartalen ein Minus von 1,77 Milliarden €. Das heißt, in den ersten neun Monaten – und das hat sich natürlich in den letzten drei Monaten 2009 auch so fortgesetzt – haben die Kommunen rund 1,7 Milliarden € weniger eingenommen, als sie ausgeben mussten. Das wird sich 2009 sicherlich noch deutlich auf über 2 Milliarden € erhöhen und im Jahre 2010 noch einmal eine dramatische Steigerung bekommen.
Vor diesem Hintergrund sind alle Diskussionen – auch die, die von Herrn Engel hier noch einmal geführt wurden – absurd, weil sie einfach an den Problemen vorbeigehen.
Ich habe schon sehr gestaunt, als wir in einer Anhörung mit kommunalen Vertretern zusammengesessen haben, dass Sie dann, Herr Engel, noch einmal darauf hingewiesen haben, dass man doch Standesämter zusammenlegen könnte und dass das einen Teil der finanziellen Probleme – zwar nur ein bisschen, aber auch – lösen könnte. Das ist eine Denkstruktur, die weit weg ist von der kommunalen Realität und mit ihr überhaupt nichts mehr zu tun hat.
Auf der Zuschauertribüne sitzen Auszubildende der Stadt Essen, die die Sorge haben, dass sie nicht mehr übernommen werden und dass sie ihre Ausbildung nicht fortsetzen können. Denen wird gesagt: Das geht nicht, weil die Stadt Essen quasi – wie andere auch – pleite ist.
90 % aller Kommunen werden innerhalb der nächsten fünf Jahre – ich vermute, sehr viel früher – keinen ausgeglichenen Haushalt mehr haben, sondern im Nothaushalt sein bzw. in einer vorläufigen Haushaltsführung. Das ist eine Zahl, die uns Frau Prof. Färber umgekehrt vorgerechnet hat. Sie hat gesagt: 10 % werden noch einen ausgeglichenen Haushalt haben. Das bedeutet, 90 % nicht mehr. Das kommt aufs Gleiche heraus.
Ich frage mich: Wie gehen wir mit dem Thema um? – Sehr geehrter Herr Lux, ich schätze Sie persönlich sehr, aber das, was Sie hier wieder vorgetragen haben, kriege ich nicht zusammen. Sie kommen doch auch aus einem kommunalen Bereich. Sie fühlen sich doch auch für die Kommunen verantwortlich, so wie wir auch.
Da frage ich mich jetzt: Wo sind eigentlich die Lösungsvorschläge, die Anregungen der Koalitionsfraktionen gewesen, mit denen wir uns im kommunalpolitischen Ausschuss hätten auseinandersetzen müssen?
Die Anträge – ob sie nun richtig oder falsch waren, denn die Opposition hat ja auch nicht immer nur recht, meistens zwar, aber nicht immer –, mit denen wir uns auseinandergesetzt haben, kamen alle von der Opposition.
Nicht ein einziger Antrag kam von Ihnen, sondern Sie sind sozusagen der Schild dieser Landesregierung. Sie haben sich immer vor den Innenminister gestellt in der Hoffnung, der wir das schon irgendwie regeln. Er hat es nicht regeln können, vielleicht auch gar nicht gewollt. Ich glaube aber, er hat es nicht regeln können.
Aber wir haben Ihnen Vorschläge gemacht. Die haben Sie immer abgelehnt. Jetzt sagen Sie: Das ist eine blöde Situation. Was machen wir denn jetzt?
Ich bin jetzt so schön in Schwung. Lassen wir das einmal sein mit den Zwischenfragen.
Ich möchte gerne, dass wir uns darauf verständigen, dass das Problem der kommunalen Finanzen vermutlich nur in einer gro
ßen gemeinsamen fraktionsübergreifenden Initiative zu lösen ist.
Mit dem Klein-Klein kriegen Sie es nicht hin. Herr Engel, wir kennen uns lange. Der Begriff „KleinKlein“ macht sich in diesem Punkt nun wirklich an Ihrer Person besonders fest.
So klappt das nicht. Wir brauchen alle gemeinsam eine Anstrengung. Warum? Der Innenminister hat recht. Das haben wir doch schon ein paar Dutzend Mal im Innenausschuss diskutiert: die sozialen Verwerfungen in Deutschland, besonders in einigen Teilen unseres Bundeslandes, die vom Strukturwandel besonders betroffen sind, die einen hohen Migrationsanteil haben und in denen sich die Bevölkerungsstruktur dramatisch zum Nachteil verändert. Diese Kommunen sind aufgrund der ihnen vom Gesetzgeber – und das ist der Bund – aufgetragenen finanziellen Lasten nicht mehr in der Lage
sie können machen, was sie wollen –, ihren Haushalt auszugleichen. Es geht nicht.
Das haben uns doch die Wuppertaler vorgerechnet. Die haben in diesem Jahr 230 Millionen € Defizit. Wenn sie alle freiwilligen Ausgaben streichen, hat uns der Kämmerer gesagt, alles – vom Theater bis zum letzten Bad –, sparen sie 100 Millionen €. Was machen wir mit den 130 Millionen €, die ihnen immer noch fehlen? Ich kriege die nicht weg. In der Stadt müsste eigentlich, wenn sie dort klug wären – ich darf das einmal so sagen –, einfach der Rat zurücktreten und sagen: So, Herr Innenminister, jetzt mach mal den Scheiß alleine!
Mach das mal! Sieh mal zu, wie du damit fertig wirst!
Aber nein, was kriegen wir? Wir kriegen Ratschläge: Guckt doch mal nach Düsseldorf! – Als ob die Wuppertaler das nicht längst gemacht hätten. Schaut mal nach Düsseldorf! Die machen es doch viel besser! Die schreiben dort schwarze Zahlen. Warum kriegt ihr das nicht hin?
Da kriegt der Rat der Stadt Wuppertal, da kriegt der CDU-Oberbürgermeister, da kriegt der Kämmerer so einen Hals. Denn Wuppertal hat eine andere Struktur als Düsseldorf.
Das hat doch hier auch wieder eine Rolle gespielt.
Deshalb sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: So wie wir mit dem Thema auch in dieser Wahlperiode umgegangen sind, so werden wir den Kommunen nicht helfen.
Jetzt haben Sie plötzlich einen Ausgang gefunden. Aus dem macht sich hier diese Koalition schnell weg. Sie macht sich nämlich einen leichten Fuß. Jetzt sagt diese Koalition: Die in Berlin haben jetzt eine Kommission. Die werden sich damit beschäftigen. Die Ursachen liegen in Berlin. –
Sie liegen zum großen Teil in Berlin. Das ist gar keine Frage. Aber hallo! Das habe ich schon immer gesagt! Da haben Sie davon noch gar nicht reden wollen. Da habe ich das schon gesagt. Die Probleme liegen in Berlin, zum Teil, aber nicht nur. Sie liegen auch bei uns in Nordrhein-Westfalen.
Meine Damen und Herren, eine Unterstützung der Kommunen dahin gehend, dass sie auch in Berlin Gehör finden, ist nur über das Land möglich. Das geht nur über den Innenminister.
Der Ansprechpartner für die Kommunen ist nämlich nicht der Bund, sondern ist das Land Nordrhein-Westfalen, ist diese Landesregierung und ist auch die Mehrheit hier. Sie müssen das transportieren.
Deshalb sage ich Ihnen: Die Kommunen müssen finanziell bessergestellt werden. Eine Möglichkeit ist, dass sie mehr Einnahmen bekommen. Das darf aber nicht über eine Reform der Gewerbesteuer erfolgen, so wie Sie es planen, um das einmal nebenbei zu sagen. Sie wollen nämlich nicht in erster Linie für eine Verstetigung der Einnahmen sorgen. Das ist zwar das Argument, das Sie wie eine Monstranz vor sich hertragen. Dahinter verbirgt sich aber etwas ganz anderes. Sie wollen nämlich die 40 Milliarden €, um die es dabei geht, den Unternehmen als Entlastung gewähren und sie den Verbrauchern aufdrücken.
Selbstverständlich kommt es so. Zum einen gibt es eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Zum anderen wird das Ganze letztendlich auch von der Lohn- und Einkommensteuer abgezogen. Es ist völlig eindeutig: Die Bürgerinnen und Bürger sollen das bezahlen, was bisher die Unternehmen an Gewerbesteuer eingebracht haben. Das ist Ihr Ziel.
Dazu sagen alle kommunalen Vertreter mit ihren Spitzenverbänden auch auf Bundesebene unisono Nein.
Wenn Sie eine Idee haben, wie die Unternehmen zur Finanzierung der Kommunen beitragen können, die besser ist als die Gewerbesteuer, kann man ja miteinander reden. Das wollen Sie aber gar nicht. Sie wollen nämlich etwas völlig anderes. Das habe ich Ihnen eben gesagt. Sie wollen, dass die Gemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger – die Steuerzahler und die Verbraucher – die Kosten
übernimmt und das zahlt, was bisher die gewerbesteuerzahlenden Unternehmen haben finanzieren müssen. An dieser Stelle machen wir nicht mit.
Die Kommunen müssen also finanziell bessergestellt werden. Nur ganz wenige Wege sind geeignet, um dort weiterzukommen.
Erstens brauchen die Kommunen höhere Einnahmen. Ich habe Zweifel, ob wir das ohne Weiteres hinbekommen werden. Man wird aber daran arbeiten müssen, dass sie mehr Steuern einnehmen können.
Zweitens brauchen die Kommunen den Abbau von gesetzlichen Aufgaben. Hierzu muss das Land Nordrhein-Westfalen, die Landesregierung bzw. der Innenminister in Berlin vorstellig werden und Vorschläge unterbreiten, anstatt nur zu sagen: Da gibt es eine Kommission; prima, das machen wir.
Drittens brauchen die Kommunen, die hoch verschuldet sind, eine Schuldenentlastung, und zwar relativ schnell. Diese Schuldenentlastung wird auch kommen. Ich sage Ihnen: Nach der nächsten Landtagswahl, die am 9. Mai dieses Jahres stattfindet, wird es diese Schuldenentlastung geben.
Die nächste Landesregierung – sie wird ja vermutlich von uns gestellt werden – wird das durchsetzen.
Viertens brauchen wir einen Abbau von kostensteigernden Standards und Vorschriften, die die Kommunen auch heute noch haben. Daran müssen wir arbeiten. Das scheint eine ewige Aufgabe zu sein.
Fünftens brauchen wir eine strikte Einhaltung des Konnexitätsprinzips.
Das ist für mich die größte Überraschung in dieser Wahlperiode überhaupt. Seinerzeit haben wir das Konnexitätsprinzip fraktionsübergreifend eingeführt. Wir haben eine große Verfassungsänderung vorgenommen, unserer Geschäftsordnung eine komplizierte Ausführungsbestimmung als Anlage beigefügt sowie mit den Kommunen und ihren Spitzenverbänden verhandelt. Das war alles einvernehmlich. Dann stellen wir plötzlich fest: Das Konnexitätsprinzip wird von dieser Landesregierung nicht eingehalten.
Das hätte ich nie für möglich gehalten. Wir müssen auch noch einmal daran arbeiten, dass das Konnexitätsprinzip so ausgestaltet wird, dass sich die jeweils regierende Landesregierung nicht wieder
einen schlanken Fuß machen kann und wieder abhaut.
Meine Damen und Herren, wir haben alle gemeinsam eine riesige Aufgabe vor uns. Ich werde das nicht mehr machen können, weil ich dem nächsten Landtag nicht mehr angehören werde. Daher kann ich auch nicht mehr Vorsitzender des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform sein. Vielleicht ist der eine oder andere froh darüber. Mich persönlich macht das eigentlich ein bisschen traurig; denn ich hätte sehr gerne daran mitgewirkt, die Kommunen endlich wieder aus dieser katastrophalen Situation herauszuführen, in die sie hineingekommen sind.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen von CDU, SPD und FDP haben sich entschieden, dass ich für diese drei Fraktionen reden darf. Ich danke für dieses Entgegenkommen und das Vertrauen, das man mir entgegenbringt. Es handelt sich um ein Thema, bei dem man, denke ich, parteiübergreifend, so wie wir es in der Vergangenheit auch getan haben, sehr gut argumentieren und entscheiden kann.
Der Landtag Nordrhein-Westfalen, sehr geehrter Kollege Sagel – das wissen Sie auch aus Ihrer parlamentarischen Geschichte –, hat sich in den 60 Jahren seines Bestehens und auch in letzter Zeit immer wieder intensiv mit dem Nationalsozialismus und mit Gewaltherrschaft, aus welcher politischen Richtung auch immer, beschäftigt. Wir haben uns mit den Opfern beschäftigt, wir haben uns mit den Tätern beschäftigt, aber wir haben uns auch mit den politischen Nachfolgern vor allem aus der Zeit des Nationalsozialismus auseinandergesetzt.
In diesen Debatten, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir nichts verdrängt, nichts verschwiegen, da ist nichts verschwiemelt worden, da ist vor der Öffentlichkeit nichts verborgen worden.
Der Landtag hat bei seiner Auseinandersetzung mit jeder Form von Gewaltherrschaft, oftmals nach schwierigen Diskussionen untereinander, immer einen Weg gefunden, dass wir eng beieinander waren und gemeinsam beschlossen haben – in der Regel einstimmig. Manchmal war das nicht einfach zu erreichen, aber wir haben es nach langen Diskussionen immer geschafft. In der Einschätzung von Gewaltherrschaft, sei es von rechts – Nationalsozialismus – oder sei es von links, waren wir immer einer Meinung und haben das hier gemeinsam getragen. Das zeichnet im Übrigen diesen Landtag auch in hohem Maße aus.
Die Debatten im Landtag Nordrhein-Westfalen über den Nationalsozialismus und den Rechtsextremismus sind in unserer eigenen Schriftenreihe – ich habe es deshalb auch mitgebracht –, Band 14, im Jahre 2003 herausgegeben, detailliert dokumentiert. Es wäre gut, wenn der eine oder andere in diese Schriftenreihe, vor allem in dieses Buch, einmal hineinschauen würde. Da hat der Historiker Johann Paul ausführlich dargestellt, wie sich das Parlament, vor allem unsere Vorgänger, insbesondere in den ersten Jahren des Landtags Nordrhein-Westfalen
mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt hat. Dabei hat auch – das finden Sie auch zitiert – die nationalsozialistische Vergangenheit einzelner Parlamentarier eine große Rolle gespielt. Er hat sie im Einzelnen dargestellt.
Das ist im Übrigen aber nicht die einzige historische Arbeit, die über diese wichtige Frage erstellt worden ist. Allein in unserer Bibliothek haben wir – und die Liste ist allen Fraktionen zugegangen – etwa 12 Arbeiten, die über dieses Thema gemacht worden sind. Es sind hochinteressante Arbeiten dabei. Ich vermute, viele werden Sie nie gesehen und nie in der Bibliothek gesucht haben; aber sie sind da, und wer es wissen will, kann sich informieren.
Da ist 1971 ein Buch des Historikers Rolf Billerbeck unter dem Titel „Die ersten Landtage und der Nationalsozialismus“ erschienen. Es ist sehr detailliert. Da hat aber auch Johann Paul, über den ich gerade schon gesprochen habe, bereits in den 70er-Jahren eine Abhandlung über dieses Thema verfasst. Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie auch eine Arbeit von unserem Landtagskollegen und dem Fraktionsvorsitzenden der FDP, Herrn Papke, finden, der über genau die Frage der FDP in den ersten Jahren ihres Existierens hier im Landtag Nordrhein-Westfalen und den Nationalsozialismus eine 400 Seiten umfassende wissenschaftliche Arbeit vorgelegt hat. Sie steht auch in unserer Bibliothek; das können Sie alles nachlesen.
Was ich hier sage, ist im Übrigen nur ein kleiner Ausschnitt aus der Literatur, die es darüber gibt. Man muss sich nur damit einmal beschäftigen.
Ich möchte, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich habe es mit der Präsidentin auch schon besprochen –, dem Präsidium vorschlagen, dass wir für alle, die daran interessiert sind – natürlich in erster Linie für den Landtag selbst –, eine Übersicht über alle Publikationen, die zu diesem Thema erschienen sind, zusammenstellen. Jetzt haben wir nur einen Bericht über das, was bei uns in der Bibliothek ist. Aber darüber, was sonst noch alles gefertigt worden ist, konnten wir in der Kürze der Zeit noch keinen Überblick gewinnen.
Ich fürchte, es werden sehr viele Arbeiten sein. Aber auch die müsste man zur Kenntnis nehmen und sich vielleicht auch einmal anschauen. Sollte sich dabei herausstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es zweckmäßig wäre, eine Biografie aller – nicht nur einiger – Landtagsabgeordneter zu machen, so wie es der Deutsche Bundestag für alle seine Mitglieder getan hat, sollten wir dies im Präsidium gemeinsam diskutieren und gegebenenfalls einen entsprechenden Auftrag erteilen.
Das ist dann aber eine Biografie über alle Abgeordneten, die in diesem Landtag seit 1946 ihre Arbeit verrichtet haben. Die Angaben, die wir bis jetzt haben, sind in der Tat rudimentär. Das kann man vervollständigen. Das ist sicherlich eine umfängliche
Arbeit, die auch nicht ganz billig sein und eine Menge Zeit in Anspruch nehmen wird. Aber wenn wir der Meinung sind, dass man das tun sollte, sollten wir einen entsprechenden Auftrag erteilen. Für eine zusätzliche Kommission, die all das unter einem bestimmten Gesichtspunkt untersuchen soll, gibt es jedoch, glaube ich, keine Notwendigkeit.
Herr Kollege Sagel, der Antrag, den Sie hier eingebracht haben, vermittelt einen bestimmten Eindruck. Die Baden-Württemberger, die Schwaben sagen „Geschmäckle“. Wenn man sich Ihren Antrag anschaut, stellt man fest: Sie fordern eine Dokumentation oder eine Untersuchung im direkten Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion über die Vergangenheitsbewältigung politischer Parteien. Ihnen scheint es darum zu gehen, auf die Forderung nach Aufklärung der DDR-Vergangenheit von Politikern mit der Forderung nach Aufklärung der NS-Vergangenheit von Politikern zu reagieren, also sozusagen ein gegenseitiges Aufrechnen: Willst du bei meinen nachgucken, dann gucke ich mal bei deinen nach. – Das ist dieser Sache nicht angemessen, weder in der einen noch in der anderen Richtung.
Ich will Ihnen ganz offen sagen: Der Umgang eines demokratischen Staates mit Menschen, die in politischen Gewaltsystemen gelebt haben und dort Mitläufer, vielleicht auch Mittäter, aber in jedem Fall Mitverantwortliche waren – politisch ist man immer irgendwie verantwortlich für das, was in einem Staat geschieht, auch wenn man es nicht selber entschieden hat, und wird dafür in Haftung genommen –, ist sehr schwierig.
Ich verstehe schon, dass viele Menschen sehr irritiert darüber sind, wie die Gesellschaft der jungen Bundesrepublik Deutschland mit Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus politisch motivierte Straftaten begangen und Gewalt verübt haben, umgegangen ist. Typisches Beispiel dafür ist der aktuelle Prozess um einen ehemaligen SS-Mann und die Straftaten, die er in den Niederlanden begangen hat. Viele junge Menschen bedrückt das – mich auch, obwohl ich nicht zu den Jungen gehöre –, dass wir in dieser Frage nicht aufmerksam genug aufgeklärt und verurteilt haben, und zwar rechtsstaatlich. Das irritiert viele junge Menschen nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch im Ausland.
Aber mir geht es jetzt nicht um die Verantwortung und die Konsequenzen für politisch motivierte Straftaten in Gewaltsystemen, sondern mir geht es jetzt um die Frage: Wie geht der demokratische Staat eigentlich mit den vielen Mitläufern um, mit den Verführten, mit den Menschen, die die Dimension ihres Handelns nicht immer voll übersehen haben?
Ich habe hierfür das Zitat eines unserer Landtagskollegen – es liegt schon ein bisschen zurück –, der im nationalsozialistischen Deutschland politisch verfolgt wurde, der im Konzentrationslager Sachsenhausen gesessen hat und auf einem der Todesmärsche 1945 von den Amerikanern befreit wurde. In einer Debatte im Landtag von NordrheinWestfalen im Juli 1954 hat der damalige Fraktionsvorsitzende und spätere Ministerpräsident Fritz Steinhoff Folgendes ausgeführt – ich glaube, er hat es damals für das gesamte Parlament gesagt; ich würde das gerne zitieren, es ist nicht sehr lang –:
Es ist nämlich ein Unterschied dahin zu machen, ob jemand in seiner Jugendzeit den gefährlichen … Kunstgriffen der Nationalsozialisten erlag oder ob er dies im reiferen Alter tat. Wenn solche damals jungen Menschen sich ehrlich bemühen, aus ihren Fehlern und Erfahrungen zu lernen, und positive Schlussfolgerungen für die Demokratie ziehen, dann sind wir die ersten, die ihnen die Hand reichen.
Das sagte 1954 jemand, der selbst die Gewalt im nationalsozialistischen Deutschland erleiden musste. Ich denke, diese Grundsätze sollten auch für die Menschen aus der ehemaligen DDR gelten.
Für diejenigen aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die heute noch Anhänger des nationalsozialistischen Gewaltsystems sind, die dieses Gedankengut weiter verbreiten, die als Neonazis und Rechtsextremisten unsere demokratische Grundordnung infrage stellen, für die gibt es keine ausgestreckte Hand.
Das gilt im Übrigen auch für diejenigen, die den DDR-Schießbefehl leugnen und die zu den Gegnern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes gehören. Wer unseren Staat ablehnt, wer wieder eine Diktatur der Hauptverwaltung „Ewige Wahrheiten“ – so hat Havemann früher einmal das ZK genannt – einrichten möchte, dem werden wir nicht die Hand reichen, den werden wir politisch bekämpfen.
Damit, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist aus meiner Sicht zum Antrag von Ihnen, Herr Sagel, alles gesagt. Der Landtag muss sich bei seiner Aufarbeitung des Nationalsozialismus keine Unterlassung vorwerfen lassen.
Jeder, der sich zu unseren demokratischen Grundprinzipien bekennt, der auf dem Boden des Grundgesetzes steht, ist uns willkommen. Politisch ewig Gestrige – ob von rechts oder links – sind unsere Gegner. Ich empfehle Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Antrag von Herrn Sagel abzulehnen.
Herr Minister, Sie haben noch einmal bestätigt, dass der Abteilungsleiter III, Herr Berger, offenbar an den Sitzungen des Landesvorstandes der CDU teilgenommen hat. Ich hatte Sie konkret gefragt, wie oft er das getan hat. Sie haben bis jetzt diese Antwort verweigert. Ich wiederhole meine Frage: Wie oft hat Herr Berger an den Landesvorstandssitzungen der CDU in Begleitung des Ministerpräsidenten teilgenommen?
Herr Minister, ich habe Sie eben so verstanden, dass Herr Berger seit dem Jahr 2005 regelmäßig mit dem Ministerpräsidenten an den Landesvorstandssitzungen der CDU teilnimmt. Jetzt brauchen wir nicht die genaue Zahl; diese grundsätzliche Aussage genügt mir.
Meine Frage geht noch einmal dahin: Nehmen neben Herrn Berger auch noch andere Mitarbeiter hin und wieder oder grundsätzlich an den Sitzungen des Landesvorstandes der CDU teil?
Meine dritte und letzte Frage, Herr Minister: Wird die Teilnahme von Herrn Berger an den Sitzungen des Landesvorstandes im Sinne des Reisekostenrechts von Herrn Berger abgerechnet?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetz über die Abscheidung von Kohlendioxid bei der Verbrennung von Braunkohle ist nicht gescheitert, weil dieses Gesetz angeblich Schwächen hat. Dieses Gesetz ist im Augenblick gescheitert, weil es in der örtlichen Bevölkerung, dort, wo dieses Kohlendioxid eingeleitet und gelagert werden soll, Widerstand gibt.
In dem Zusammenhang hat Mike Groschek völlig recht, wenn er sagt: Das ist schon ein merkwürdiges Unternehmen, das plötzlich festgestellt, von einem solchen örtlichen Widerstand überrascht zu sein. Aus vielen Gesprächen mit den Verantwortlichen bei RWE über die Problematik des Gewinnens von Bereitschaft und Akzeptanz bei der Bevölkerung weiß ich: Sie sind gar nicht überrascht; darüber war man sich da immer im Klaren. Sie sind vielleicht ein bisschen überrascht, dass die Politik jetzt dem örtlichen Widerstand nachgibt. Aber über den örtlichen Widerstand war man sich von Anfang an vollständig im Klaren. Das bedarf einer großen Überzeugungsarbeit. Das hat RWE bislang, glaube ich, nicht hinreichend geschafft.
Sonst würde es diese Probleme im Augenblick nicht geben. Da kann man an RWE nur appellieren, sich da ein bisschen mehr Mühe zu geben
und die Bevölkerung von der Notwendigkeit dieser Maßnahme zu überzeugen.
Kohlendioxid bei der Verbrennung von Braunkohle abscheiden zu können, wäre, wenn uns dies großtechnisch gelänge, eine ungeheure Leistung auch für die deutsche Energiewirtschaft und für die deutsche Grundstoffindustrie insgesamt. Das wäre technologisch ein riesiger Sprung.
Wir haben die Möglichkeit, mit einer Demonstrationsanlage in Hürth den Beweis dafür zu liefern, dass das geht. Aber das dort anfallende CO2 muss irgendwo gelagert werden. Wenn wir da jetzt weder die Pipeline noch die Lagerung hinbekommen, dann wird es diese Demonstrationsanlage in Hürth nicht geben. Dies hätte gravierende Auswirkungen auf die Braunkohle; denn ich glaube schon, dass die Braunkohle als größter CO2-Emittent zwingend auf CO2-Abscheidung angewiesen ist, wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, die wir uns vorgenommen haben.
Ich weiß, dass die Grünen immer gegen den Braunkohletagebau waren und genau bei dieser Problematik einen wunderbaren Hebel sehen – so verstehe ich auch die Einlassungen von Herrn Priggen –, die weitere Förderung von Braunkohle nun doch noch auf Dauer zu blockieren. Das ist aber nicht unser Interesse. Wir wollen, dass hier in NordrheinWestfalen – wir sprechen über unser Bundesland – auch künftig Braunkohle gefördert wird und dass wir aus Braunkohle entweder durch Umwandlung elektrische Energie oder aber durch diesen Prozess, der jetzt mit CCS umschrieben wird, Ausgangsstoffe gewinnen können, die wir auch in anderen Bereichen gut brauchen können: in der chemischen Industrie, als Treibstoffe für Fahrzeuge oder möglicherweise sogar als Grundlage für die sogenannten Brennstoffzellen, nämlich Wasserstoff. Das alles können wir durch Kohlevergasung bzw. Kohleverflüssigung in diesem Prozess gewinnen. Um dies auszuprobieren und festzustellen, ob das wirtschaftlich darstellbar ist und ob man auf diesem Wege den Umweltproblemen Herr werden kann, brauchen wir eine Demonstrationsanlage. Diese will RWE in Hürth bauen, kann dies aber jetzt wahrscheinlich gar nicht, jedenfalls so lange nicht, wie wir dieses CCS-Gesetz nicht haben.
Insofern stehen wir im Hinblick auf den Industriestandort Nordrhein-Westfalen derzeit vor einem wirklich gravierenden Problem. Ich mache nicht alleine der Politik einen Vorwurf; auch sie muss manchmal gegen örtlichen Widerstand etwas
durchsetzen. Aber lassen wir dies einmal außen vor.
Was wir jetzt brauchen, ist eine intensive Überzeugungsarbeit auch der Bevölkerung, die demnächst auf Lagerstätten von CO2 leben wird. Das ist nun einmal in Schleswig-Holstein. Da kann man die Bevölkerung auch von den Argumenten überzeugen, die für CCS sprechen. Ich habe keine Sorge, dass man dies nicht schaffen würde. Aber das muss man intensiver tun. Wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der ein großes Unternehmen tun und lassen kann, was es will, bloß weil es Zehntausende von Menschen beschäftigt und Milliardenumsätze hat; vielmehr muss es die Menschen – nicht nur die Politik, sondern auch die betroffenen Menschen – mitnehmen. Das hat RWE nicht hinbekommen; das muss man deutlich sagen.
Hier kann ich jetzt erstens nur an RWE appellieren, sich in dieser Frage ein bisschen mehr anzustrengen, als es bisher der Fall war.
Zweitens appelliere ich an uns alle. Dabei lasse ich die Grünen mit ihrer Feindschaft zur Braunkohle außen vor. Das habt ihr schon immer gemacht, das ist eines eurer Mantras. Braunkohle ist für euch aus vielerlei Gründen ein politisches Thema, an dem ihr euch reibt. Dies gilt aber nicht für die anderen drei Fraktionen.
Wir wollen auch zukünftig Braunkohle fördern. Und wir werden Braunkohle auch noch für lange Zeit fördern können, wenn wir diese CCS-Technologie einsetzen können. Die brauchen wir dafür. Wenn uns dies nicht gelingt, dann werden die Grünen in ihrer braunkohlefeindlichen Politik möglicherweise irgendwann einmal erfolgreich sein, weil wir dann nämlich unsere Klimaschutzziele nicht erreichen können und der Druck auf die Verbrennung von Braunkohle und damit auf die Gewinnung von elektrischer Energie so groß wird, dass man sagen wird: Das rechnet sich erstens nicht mehr und das ist zweitens umweltpolitisch nicht verantwortbar.
Deshalb brauchen wir die CCS-Technologie, deshalb brauchen wir Lagerstätten, und deshalb brauchen wir Pipelines. Es ist verdammt noch einmal die Pflicht aller politisch Verantwortlichen, hierfür die Voraussetzungen zu schaffen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass durch die Rede von Herrn Orth die Debatte über die Bekämpfung des Rechtsextremismus in unserem Land, der eine große Gefahr darstellt, eine Schräglage bekommen hat, die diesem Thema nicht angemessen ist.
Ich weiß nicht, was Sie dazu getrieben hat, hier in dieser oberflächlichen Aggressivität Dinge miteinander zu vergleichen, die man nicht miteinander vergleichen kann.
Und ich weiß nicht, was Sie eigentlich treibt – das habe ich Ihnen vor einem halben Jahr schon einmal gesagt –, die SPD in dieser Frage als eine Partei zu bezeichnen, die im Umgang mit Extremisten sozusagen auf Ihre Ratschläge, die der FDP und die von Ihnen, angewiesen ist. Sehr geehrter Herr Orth, das sind wir beileibe nicht. Ihre Ratschläge brauchen wir dazu nicht. Wir haben unsere Erfahrungen in der Geschichte gemacht. Wir wissen, wie man mit politischen Extremisten umgeht.
Wir haben da von Ihnen niemals, nie mehr, niemals Ratschläge entgegenzunehmen und weisen alles, was Sie diesbezüglich versuchen, als anmaßend und unpolitisch zurück.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Rechtsextremismus ist nicht nur eine Gefahr für unsere politische Ordnung – das mag auch der Linksextremismus sein; das will ich gar nicht bestreiten –, aber der Rechtsextremismus ist etwas darüber hinaus: Er gefährdet nicht nur unsere politische Ordnung und will sie sozusagen durch ein diktatorisches Regime ersetzen, das sich an wirklich unmenschlichen Gesellschaftsmodellen orientiert, sondern darüber hinaus ist der Rechtsextremismus in unserem Land, aber nicht nur in NordrheinWestfalen, sondern auch in den anderen Bundesländern – in den ostdeutschen Bundesländern ist
das ganz besonders sichtbar geworden –, eine Gefahr für die Menschen auf der Straße. Wenn Sie einer Gruppe von Rechtsextremisten begegnen, dann entsteht eine Situation einer physischen Bedrohung. Dann bekommen Menschen Angst. Diese Leute gehen auf andere Menschen zu und schlagen sie zusammen – nicht politisch motiviert, sondern ganz offenbar aus einem unmenschlichen Grundansatz, den sie haben.
Vergleichen Sie es nicht wieder mit den Linken! – Deshalb sind wir Demokraten – da sollten sich die Freien Demokraten einmal an den Demokratietitel in ihrem eigenen Parteinamen erinnern – aufgefordert,
gemeinsam zu stehen und gemeinsam gegen diesen Rechtsextremismus, über den wir hier heute geredet haben, anzugehen und nicht Vergleiche heranzuziehen.
Nein, das dürfen Sie nicht! Das dürfen Sie nicht, weil Sie diesem Thema damit nicht gerecht werden! Wir haben in Deutschland und auch in Europa mit dem Rechtsextremismus Erfahrungen gemacht wie mit keiner anderen politischen Gewalt.
Wenn Sie, lieber Kollege, davon Ohrenschmerzen bekommen, kann ich Ihnen nur sagen: Andere Menschen haben unter dem Rechtsextremismus viel schlimmer leiden müssen!
Deshalb sage ich Ihnen: Lassen Sie eine solche Debatte! Diese Debatte, die Sie jetzt eben hier vom Zaun gebrochen haben, Herr Orth, nützt nur den Rechten in diesem Land – niemand anderem!
Das ist eine Schande für eine Partei, die sich eine freiheitliche Partei nennt! Sie sollten differenzierter, intellektueller und gerechter argumentieren! Das haben Sie nicht getan. Das ist primitiv, was Sie gemacht haben.
Frau Ministerin, im Zusammenhang mit dem gesamten Komplex ist von Bußgeldern in der Größenordnung von 100 Millionen € die Rede. Trifft diese Summe zu, ist sie übertrieben, oder wie hoch ist die realistische Summe, um die es hier geht?