Klaus Mohr
Appearances
Last Statements
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Deutschland gibt es keine gesetzlichen Mindestlöhne. Das unterscheidet uns von der Mehrzahl der EU-Staaten. Bei uns werden die Löhne und Gehälter von den Tarifparteien ausgehandelt, also den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Das ist gut so.
Die Tarifautonomie wird durch das Grundgesetz und das Tarifvertragsgesetz garantiert. Durch Tarifverträge werden in Westdeutschland rund 70 Prozent der Arbeitnehmer erfasst. In Ostdeutschland sind es rund 55 Prozent. Auch Beschäftigte in nicht tarifgebundenen Unternehmen profi tieren häufi g davon, wenn nämlich die Unternehmen diese Tarifabschlüsse übernehmen oder ihre Vergütung zumindest an solchen Tarifverträgen ausrichten.
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten wollen gerechte Löhne für gute Arbeit. Bruttostundenlöhne von weniger als 3 oder 4 Euro sind für uns nicht akzeptabel. Menschen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, müssen von ihrer Arbeit auch menschenwürdig leben können. Das steht für uns fest.
Meine Damen und Herren, für uns stehen dabei tarifvertragliche Lösungen klar im Vordergrund. Soweit möglich, sollten tarifvertraglich festgelegte Löhne für allgemeinverbindlich erklärt werden. Ein bewährtes Instru ment ist das Arbeitnehmerentsendegesetz für den Bausektor und die Schifffahrt. Der Mindestlohn im Bausektor genießt nicht nur bei den Gewerkschaften hohe Akzeptanz, sondern eben auch bei den Arbeitgebern. Das Arbeitnehmerentsendegesetz soll auf weitere, wenn es nach mir geht, alle Branchen ausgedehnt werden, um branchenbezogene Mindestlöhne zu ermöglichen.
Man kann nun die These vertreten, dass tarifl iche Lösungen ausreichen, weil alles andere die Tarifautonomie aushebelt. Dies haben die Gewerkschaften auch lange Zeit so vertreten. Aber die Lage hat sich in den letzten Jahren weiter verschärft, meine Damen und Herren.
Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor viel zu hoch und die EU-Erweiterung hat zu mehr Lohndumping durch Billiganbieter geführt. Hinzu kommt, dass immer mehr Unternehmen Druck auf die Löhne ausüben. Die Alternative heißt immer häufi ger: schlechtere Arbeitsbedingungen und sinkende Löhne oder Betriebsverlagerungen, und das selbst in profi tablen Bereichen.
Das alles hat zur Folge, dass viele Menschen zu unwürdigen Löhnen arbeiten, die häufi g nur 3 oder 4 Euro pro Stunde betragen. 2,5 Millionen Menschen, meine Damen und Herren, arbeiten in Deutschland für weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens. Man spricht in diesem Fall von Armutslöhnen. Alle Untersuchungen deuten darauf hin, dass der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnsektor steigt.
Die Tarifbindung in Deutschland verliert an Kraft. Gerade für Geringverdiener ist das ein großes Problem. Ohne Tarifbindung fehlt die untere Absicherung des Lohngefüges. Die Würde der arbeitenden Menschen ist in Gefahr, deshalb die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Dieser dient als Auffanglinie nach unten und steht nicht im Widerspruch zu branchenbezogenen Mindestlöhnen, die darüber liegen.
Meine Damen und Herren, gerade auch im Zusammenhang mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie müssen Regelungen gefunden werden, die eine Mindestabsicherung gegen Billiglohnkonkurrenz ermöglichen. Andere EULänder sind da weiter als wir hier zurzeit in Deutschland. Von den bisherigen 15 EU-Mitgliedsstaaten verfügen 9 Länder über einen gesetzlichen Mindestlohn, ebenso 9 der 10 neuen EU-Mitgliedsländer. Mindestlöhne sind also eher die Regel als die Ausnahme. Ich möchte hier Beispiele bringen wie von unserem Nachbarland Frankreich. Dort haben wir einen Mindestlohn von 8,03 Euro. Und beispielsweise in Großbritannien beträgt der Mindestlohn 7,36 Euro pro Stunde.
Bitte?
Die Erfahrungen, meine Damen und Herren, der anderen europäischen Staaten zeigen deutlich, dass ein gesetzlicher Mindestlohn nicht zu verstärkter Arbeitslosigkeit und zum Abbau von Arbeitsplätzen führt, wie oft von bestimmten Kreisen behauptet wird. Das Thema Mindestlohn hängt eng zusammen mit der Frage des allgemeinen Lohnniveaus. Und hierzu hat der Landtag am 1. April 2005 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen den Antrag für angemessene Löhne und Gehälter gegen ein Niedriglohngebiet Ost beschlossen.
Leider, meine Damen und Herren, leider hat die Opposition dagegen votiert. Damals wie heute zeigt sich ein fundamentaler Gegensatz. Die CDU sieht die Zukunft des Landes auf Dauer als Billiglohnland. Wir sind dagegen für das Prinzip: „Gerechter Lohn für gute Arbeit“.
Zusammengefasst, meine Damen und Herren, wir
sind dafür, dass in Branchen, in denen keine existenzsichernden Tarifl öhne bestehen oder diese nicht eingehalten werden, ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird und vor dem Hintergrund bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem vorliegenden Antrag. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Verehrte Kollegin Strenz, ich kann Ihnen an der Stelle noch einmal ausdrücklich versichern, dass wir mit beiden Beinen – ich betone das, mit beiden Beinen – sehr wohl in der Realität stehen, wenn wir hier über Mindestlohn diskutieren. Bei Ihnen bin ich mir da nicht ganz sicher. Warum, das werde ich Ihnen gleich sagen, denn offensichtlich verkennen Sie hier die Fakten, Frau Strenz, und über diese möchte ich gern noch einmal ein Wort verlieren an dieser Stelle. Ihr Motto scheint zu sein „Mit Volldampf in die Zukunft“. Ich habe den Eindruck, man muss konstatieren: „Mit Karacho im Vorgestern gelandet und hängen geblieben“.
Genau das ist der Eindruck, liebe Frau Strenz, der sich hier aufdrängen muss. Noch einmal: Sie verkennen hier ganz einfach die Fakten, wenn Sie sich den deutschen Arbeitsmarkt angucken. Wie sehen diese aus? Fakt ist, es ist schon von der Kollegin Lück angesprochen worden, dass die Löhne stagnieren. Und ein wichtiger Punkt ist der, das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen, eine erhebliche Anzahl von Menschen in diesem Land bezieht eben keine existenzsichernden Löhne mehr und diese Zahl steigt stetig. Eine aktuelle Auswertung der Beschäftigten- und der Grundsicherungsstatistik durch die Bundesagentur für Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass im Juni 2005 hochgerechnet 388.000 sozialver
sicherungspfl ichtig Beschäftigte ergänzend Arbeitslosengeld-II-Leistungen bezogen haben, Frau Strenz, 388.000 Frauen und Männer, die Vollzeit gearbeitet haben.
Und vor dem Hintergrund möchte ich noch einmal deutlich machen, das sind Frauen und Männer, das sind Beschäftigte, die jede Woche von Montag bis Freitag acht Stunden hart arbeiten, und diese Menschen haben am Ende des Monats so wenig in der Tasche, dass sie mit diesem Geld noch nicht einmal ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien bestreiten können.
Nur durch die Aufstockung ihres Einkommens, durch die steuerfi nanzierte Leistung, Transferleistung, Arbeitslosengeld II, kommen diese Menschen überhaupt mit ihren Familien über die Runden. Und wenn ich sage, sie brauchen staatliche Hilfe, um über die Runden zu kommen, dann heißt das, dass damit gerade einmal das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum dieser Menschen sichergestellt ist. Und ich betone an der Stelle noch einmal ausdrücklich: Einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II, auch auf aufstockendes Arbeitslosengeld II, wird nur nach einer restriktiven Rechtsprüfung, einer Bedürftigkeitsprüfung anerkannt, eine Prüfung nämlich, die das eigene Einkommen, gegebenenfalls aber auch das Einkommen des Partners sowie weitere Ersparnisse, wenn sie denn vorliegen, einbezieht.
Ich betone dies deshalb, meine Damen und Herren, noch einmal so besonders und so dezidiert, um endlich einmal Schluss zu machen mit diesem oft zitierten meines Erachtens Pseudoargument, das Einkommen auch bei Niedriglohnjobbern sei im Regelfall zusammen mit einem Partnereinkommen so hoch, dass man sich damit problemlos über Wasser halten könne. So wird es jedenfalls lapidar in einem Beitrag des Institutes der deutschen Wirtschaft vom 15. Juni 2006 zum Thema Niedriglohn behauptet. Kollegin Lück hatte dazu auch schon entsprechende Passagen zitiert. Ich denke, meine Damen und Herren, diese Herrschaften verkennen offensichtlich die Realität von 300.000 arbeitenden Menschen. Und an dieser Stelle frage ich Sie: Ist die von mir beschriebene Situation gerecht? Ist das gerecht, dass Leute hier Fulltime arbeiten und trotzdem nicht ein hinreichendes Einkommen beziehen, um über die Runden zu kommen und ihren Existenzunterhalt sicherzustellen?
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Strenz, nur zum Vergleich: Nach einer Kienbaum-Studie aus dem April 2006 beläuft sich derzeit das durchschnittliche Jahresbruttogehalt von Geschäftsführern in Deutschland in Unternehmen mit bis zu 100 Beschäftigten auf 251.000 Euro. Meine Damen und Herren, nur damit das hier an der Stelle noch einmal klargestellt ist, es geht mir nicht um irgendwelche Neiddebatten. Leitende Angestellte in Betrieben und Unternehmen dieses Landes sollen ganz selbstverständlich ihre verantwortungsvolle und häufi g äußerst zeitintensive Tätigkeit angemessen vergütet bekommen. Das ist überhaupt nicht die Frage. Und wenn ich mir hier die entsprechenden Gehaltsstatistiken ansehe, ist das in der Regel auch der Fall, denn mit der von mir genannten durchschnittlichen Jahresvergütung stehen deutsche
Chefs zum Beispiel im internationalen Vergleich mit an der Spitze. Das müssen wir konstatieren. Aber, meine Damen und Herren, ich komme zurück auf meine Frage von vorhin.
Ist das gerecht? Und ich sage Ihnen, eine Situation, wo immer mehr Menschen in diesem Land trotz Vollzeitjob nicht genug Geld bekommen, um hier einen Lebensunterhalt sicherzustellen, angesichts der Gehaltsentwicklung zum Beispiel bei leitenden Angestellten, ist aus meiner Sicht und aus unserer Sicht nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, gerecht und angemessen ist es vielmehr, sicherzustellen, dass Vollzeitbeschäftigte zukünftig nicht mehr auf die Grundsicherung angewiesen sind. Das sagen im Übrigen auch internationale Arbeitsmarktexperten. Beispielsweise hat der Leiter der Abteilung Arbeitsmarktforschung bei der ILO, Dr. Peter Auer, am 12. Juni 2006 im Gespräch mit der „Berliner Zeitung“ gesagt, dass die Tarifbindung, die jahrzehntelang als Garant des sozialen Friedens in der Bundesrepublik galt, dramatisch abgenommen hat. Und wörtlich hat er ausgeführt, ich zitiere das noch einmal: „Faktisch ist der Arbeitsmarkt in Deutschland hinsichtlich der Löhne heute anscheinend weitgehend dereguliert. Da ist es dann sinnvoll, eine untere Haltelinie einzuziehen.“
Und an dieser Stelle, meine Damen und Herren, sei die Anmerkung erlaubt, Herr Auer ist nicht irgendein Experte, sondern der Fachmann für Arbeit und Beschäftigung bei der ILO, einer wichtigen Unterorganisation der Vereinten Nationen. Diese untere Haltelinie einzuziehen, von der hier Dr. Auer gesprochen hat, ist aus Sicht der SPD-Fraktion ein richtiges und ein wichtiges politisches Anliegen. Und diesem Anliegen tragen wir durch unsere Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn Rechnung.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, was Ihren Änderungsantrag, den Sie hier vorgelegt haben, betrifft, lehnen wir diesen ab,
ganz klar, ohne Wenn und Aber, und zwar vollständig, denn aus diesem Antrag, liebe Frau Strenz, wird deutlich, dass Sie in Wahrheit keinen gesetzlichen Mindestlohn wollen.
Und ich würde an der Stelle sagen: Sagen Sie das so klipp und klar doch einfach mal den Leuten!
Sprechen Sie es aus und kommen Sie hier nicht wieder mit einem Antrag, der zu einem Prüfauftrag umformuliert wird. Klar ist, die Fakten sind hinreichend bekannt. Wir müssen hier nicht mehr prüfen. Es gibt ganze Bibliotheken, ganze Bücherbestände über Sachverständigengutachten, über Bewertungen, über Zahlenwerke, Statistiken et cetera. Klar ist hier, die Fakten sind hinreichend bekannt, sie liegen auf dem Tisch. Nun ist Handeln
gefragt, meine Damen und Herren.
Und wir wollen handeln, weil wir mehr Gerechtigkeit für die Menschen in unserem Land, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, schaffen wollen, die hart arbeiten. Mindestlöhne, wie wir sie wollen, schützen im Übrigen nicht nur die Arbeitnehmer vor Ausbeutung, sondern sie schützen auch die Arbeitgeber,
und zwar gerade Kleinarbeitgeber, nämlich vor einem Vernichtungswettbewerb durch Mitbewerber, die hier mit Dumpinglöhnen arbeiten.
Ich bitte deshalb noch einmal ausdrücklich um die Unterstützung unseres sehr vernünftigen Antrages. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In seiner 70. Sitzung am 26. Januar 2006 hatte der Landtag Mecklenburg-Vorpommern auf Antrag der Fraktion der CDU die Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses beschlossen. Beratungsgegenstand war ursprünglich der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/2052(neu). Hierzu hat die Fraktion der CDU Änderungsanträge auf den Drucksachen 4/2079 und 4/2082 vorgelegt. Interfraktionell ist zur besseren verfahrensmäßigen Abwicklung vereinbart worden, die vorgenannten Drucksachen in einer Vorlage der Drucksache 4/2092 zusammenzufassen. Diese wurde damit Grundlage der weiteren Beratung und Beschlussfassung.
Der Untersuchungsausschuss ist am 22. Februar 2006 durch die Präsidentin des Landtages Frau Sylvia Bretschneider konstituiert worden. In der Zeit vom 22. Februar bis zum 19. Juni 2006 hat der Ausschuss 15 Sitzungen durchgeführt. Davon dienten acht Sitzungen der öffentlichen Beweisaufnahme. Die Vernehmung und Anhörung von 22 Zeugen und 9 Sachverständigen haben insgesamt 76 Stunden gedauert und sind auf 1.540 Seiten Protokollniederschriften festgehalten.
Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss hat dem Landtag gemäß Paragraf 39 Absatz 1 Untersuchungsausschussgesetz Mecklenburg-Vorpommern nach Abschluss der Untersuchungen einen schriftlichen Bericht zu erstatten. Da der Ausschuss seine Untersuchung jedoch aus zeitlichen Gründen nicht abschließen konnte, hat er dem Landtag gemäß Paragraf 39 Absatz 4 Untersuchungsausschussgesetz Mecklenburg-Vorpommern rechtzeitig einen Sachstandsbericht über den Gang des bisherigen Verfahrens sowie über das bisherige Ergebnis der Untersuchungen vorzulegen. Dieser Bericht liegt Ihnen jetzt vor. Er wird ergänzt durch ein Sondervotum der CDU-Fraktion. Der Verfahrensteil des Berichts wurde vom Ausschuss einvernehmlich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung seitens der CDU-Fraktion beschlossen. Der Feststellungsteil und auch der Bewertungsteil wurden vom Ausschuss mehrheitlich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion der CDU angenommen. Der Ausschuss hat den Sachstandsbericht insgesamt mehrheitlich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Kollegen der CDU-Faktion angenommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses möchte ich Ihnen chronologisch erläutern, welche Antworten der Ausschuss auf die im Einsetzungsbeschluss aufgeworfenen Fragen zum Mordfall Carolin gefunden hat. Unter Punkt 1.1 Buchstabe a) heißt es: „Das Landgericht Stralsund hat in seinem Urteil vom 25.03.1998 dringend empfohlen, Maik S. in sozialtherapeutische Maßnahmen einzubinden. Wie ist dieser Empfehlung im Rahmen des Strafvollzugs Folge geleistet worden? Wie gestaltete sich der Vollzug im Einzelnen in den Jahren 1998 bis 2000, 2000 bis 2002 und von 2002 bis zur Haftentlassung 2005?“
Der Ausschuss ist zunächst der einhelligen Auffassung von Sachverständigen und Zeugen gefolgt und zu dem Ergebnis gelangt, dass die Empfehlung des Landgerichts Stralsund im oben genannten Urteil keinen rechtlich verbindlichen Charakter hat. Diese Auffassung wird vor allem gestützt durch den geltenden Gesetzeswortlaut, denn die einschlägige Vorschrift in der Strafprozessordnung schreibt vor, dass alle Rechtsfolgen einer Straftat in die Urteilsformel, also in den Urteilstenor aufzunehmen sind.
Die Empfehlung der Einbindung von Maik S. in sozialtherapeutische Maßnahmen findet sich aber hier gerade nicht im Tenor, sondern lediglich in der Begründung des Urteils, und entfaltet insofern schon keine Bindungswirkung. Im Übrigen ist die maßgebende Vorschrift hier Paragraf 9 des Strafvollzugsgesetzes. Danach sind die Justizvollzugsanstalten verpflichtet, einen Gefangenen dann in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, wenn die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Zuständig für die Prüfung von Paragraf 9 Strafvollzugsgesetz ist aber ausschließlich der Strafvollzug und eben nicht das erkennende Gericht. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht, was im Übrigen durchaus üblich ist, dem Vollzug eine Anregung gegeben. Aufgabe und Pflicht des Vollzugs war es jedoch, selbst zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind oder nicht.
Der Ausschuss hat sich hinsichtlich des Umfangs der Empfehlungen den Aussagen der Zeugen Döring und Jesse angeschlossen. Danach sind sowohl Maßnahmen der Arbeitsintegration als Teil der Sozialtherapie – und die Sozialtherapie hier im engeren Sinne – von der Empfehlung umfasst. Was die Arbeitsintegration angeht, ist wich
tig festzustellen, der Strafvollzug hat insgesamt über mehrere Jahre verteilt sechs Versuche unternommen, Maik S. während seiner Haftzeit in Arbeit zu integrieren. Dies waren nach Auffassung des Ausschusses hinreichende Versuche. Maik S. hatte jedoch kein Interesse an einer Arbeitsintegration, denn zum einen nahm er die Möglichkeiten zu arbeiten jeweils nur für einen kurzen Zeitraum wahr, zum anderen brach er auch einen Realschulkurs ab, was seine fehlende Leistungsbereitschaft erkennen ließ.
Diese Umstände, meine Damen und Herren, machen deutlich, dass Maik S. nicht bereit war, sich in Arbeitsund Lernprozesse zu integrieren. Und klar wird auch, dass weitere Angebote ebenfalls an einer fehlenden Bereitschaft von Maik S. gescheitert wären. Zwar bestand nach dem Strafvollzugsgesetz für den Gefangenen die Pflicht, an ihn zugewiesene Arbeit auszuüben, aber es bestand indes für die zuständige JVA keine Möglichkeit, Maik S. zur Arbeitsaufnahme zu zwingen. Darüber hinaus ist klar geworden, dass ein Gefangener gegen seinen Willen nicht zu einer Schulausbildung oder einer Berufsausbildung verpflichtet werden kann. Was die Sozialtherapie angeht, hat der Ausschuss festgestellt, dass diese bei Maik S. angewandt wurde. Damit wurde auch der Empfehlung des Landgerichts Stralsund aus dem Jahr 1998 Folge geleistet.
Maik S. wurde am 1. April 2004 in die Therapiegruppe der JVA Bützow aufgenommen. Dort wandte man das Konzept der Sozialtherapie an. Zunächst wurde der deliktunspezifische Teil behandelt, am 11. Januar 2005 setzte Maik S. die Therapie in der sozialtherapeutischen Abteilung der JVA Waldeck mit dem deliktspezifischen Teil fort. Dies stellt nach Aussagen von Zeugen und Sachverständigen bereits einen Teil der Sozialtherapie dar.
Unter Punkt 1.1 Buchstabe b) wird dann die Frage gestellt: „Wann hätte der Beginn einer Sozialtherapie vor dem Hintergrund von § 57 Absatz 1 StGB, Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe zur Bewährung, spätestens erfolgen müssen?“ Die Beantwortung dieser Frage fällt relativ kurz aus, denn die Voraussetzungen der Strafaussetzung zur Bewährung waren bei Maik S. zu keinem Zeitpunkt gegeben. Aus diesem Grund war auch die Feststellung des Beginns einer Sozialtherapie nach Paragraf 57 Absatz 1 StGB hier nicht möglich.
Dann wird unter Punkt 1.1 Buchstabe c) gefragt: „Welche gerichtlichen Entscheidungen hat es während des Vollzugs gegeben? Sind diese Entscheidungen im weiteren Vollzug berücksichtig worden?“ Hierzu hat der Ausschuss festgestellt, dass alle gegen Maik S. ergangenen gerichtlichen Entscheidungen, zu denen ich noch kommen werde, im weiteren Vollzug berücksichtig worden sind.
Unter Punkt 1.1 Buchstabe d) stellt sich für den Ausschuss die Frage, wie das Erreichen des Vollzugsziels nach Paragraf 2 Strafvollzugsgesetz sichergestellt werden sollte. Wie bereits ausgeführt, sind Maik S. Angebote zur Schulausbildung und zur Arbeit gemacht worden. Darüber hinaus hat die JVA Waldeck empfohlen, dessen begonnene sozialtherapeutische Behandlung nach der Haftentlassung ambulant in einer sozialtherapeutischen Abteilung in Waldeck fortzusetzen. Schließlich ist eine entsprechende Weisung aus dem Führungsaufsichtsbeschluss des Landgerichts Rostock vom 28. Juni 2005 zu nennen. Die genannten Maßnahmen sieht der Ausschuss als ausreichende Mittel an, um hier den gesetzlichen
Anforderungen des Paragrafen 2 Strafvollzugsgesetz Rechnung zu tragen.
Punkt 1.1 Buchstabe e) wirft weiterhin die Frage auf, ob Beginn und Ausgestaltung der Sozialtherapie als ausreichend angesehen wurde, das Vollzugsziel des Paragraf e n 2 Strafvollzugsgesetz zu erreichen. Der Ausschuss konnte zu dieser Fragestellung zwar keine eindeutigen Feststellungen treffen, er ist aber auf der Grundlage seiner Beweisaufnahmen zu der klaren Erkenntnis gelangt, dass Maik S. nicht therapierbar gewesen ist. Daraus folgt, dass auch ein Mehr an Therapie sich nicht positiv ausgewirkt hätte.
Unter Punkt 1.1 Buchstabe f) wird gefragt, welche Vorkehrungen angesichts der sich abzeichnenden Tatsache getroffen wurden, dass die deliktspezifische Therapie bis Ende der Haftzeit nicht abgeschlossen sein würde. Hier ist nochmals auf den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 28. Juni 2005 zu verweisen, der Maik S. im Rahmen der Führungsaufsicht auch dazu anwies, die Therapie in der JVA Waldeck fortzusetzen.
In Punkt 1.1 Buchstabe g) heißt es dann: „Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 wurde § 9 StVollzG neu gefasst.“ Es folgt die Frage, welche Maßnahmen die Landesregierung ergriffen hat, um die Voraussetzungen für die Errichtung einer sozialtherapeutischen Anstalt in Mecklenburg-Vorpommern zu schaffen, damit die gesetzlichen Vorgaben zur Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt umgesetzt werden konnten.
Meine Damen und Herren, damit wir wissen, worüber wir hier sprechen, der genaue Wortlaut von Paragraf 9 Absatz 1 Satz 1 Strafvollzugsgesetz lautet, ich zitiere: „Ein Gefangener ist in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, wenn er wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 oder § 7 Abs. 4 angezeigt ist.“
Diese Regelung trat zum 01.01.2003 in Kraft. Seit dem 01.01.2003 musste also durch die Landesregierung sichergestellt sein, dass jeder Straftäter, der die Voraussetzungen des Gesetzes erfüllt, in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt wird. Dieser Verpflichtung ist die Landesregierung auch nachgekommen, denn Paragraf 9 besagt eben nicht, dass die sozialtherapeutische Behandlung eines Strafgefangenen seit Anfang 2003 in Mecklenburg-Vorpommern zu erfolgen hat. Vielmehr kann die Behandlung auch in einem anderen Bundesland vorgenommen werden. Entsprechend wurde beispielsweise auch ein Gefangener, bei dem Sozialtherapie angezeigt war, in eine Anstalt nach Lübeck in Schleswig-Holstein verlegt.
Die Tatsache, dass in Mecklenburg-Vorpommern erst ab dem 01.01.2005 eine eigene sozialtherapeutische Abteilung in der JVA Waldeck bestand, spricht nicht gegen die fristgerechte Umsetzung von Paragraf 9 Strafvollzugsgesetz, denn wichtig ist die Feststellung, meine Damen und Herren, dass dem Ausschuss kein Fall bekannt geworden ist, in dem die Sozialtherapie bei einem Gefangenen im Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 01.01.2005 angezeigt war, der diese Behandlung aber nicht bekommen hat. Versäumnisse bei der fristgerechten Umsetzung des Paragrafen 9 des Strafvollzugsgesetzes konnte der Ausschuss daher nicht feststellen.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf die Angezeigtheit zurückkommen. Die Sachverständigen und Zeugen haben klargestellt, dass eine sozialtherapeutische Behandlung dann angezeigt ist, wenn der Gefangene jedenfalls behandlungswillig und auch behandlungsfähig ist. Bereits die Frage der Behandlungswilligkeit von Maik S. blieb für den Ausschuss offen. Dessen Strafvollzug war zwar immer geprägt von Anträgen auf Behandlung, allerdings wurde in den Anhörungen auch immer wieder deutlich, dass Maik S. hier sehr manipulativ vorging. Die Zeugen und Sachverständigen waren sich aber darin einig, dass es sich bei Maik S. bereits zu Beginn der Haft um einen Täter mit einer verfestigten Persönlichkeitsstörung handelte. Die einhellige Auffassung ist, dass ein Täter mit einer solchen Diagnose nicht behandelbar, also nicht therapierbar ist.
Beim Punkt 1.2 geht es dann im Wesentlichen um die Frage, wieso vor dem Hintergrund des Fellert-Gutachtens vom März 2005, in dem festgestellt wurde, dass eine Gefährlichkeit von Maik S. fortbesteht, die Frage eben jener Gefährlichkeit nicht im Hinblick auf Paragraf 66 b StGB einer weiteren gutachterlichen Untersuchung unterzogen wurde.
Meine Damen und Herren, nur zum besseren Verständnis schicke ich voraus, die zuständige Staatsanwältin, die Zeugin Kampen, hat die rechtliche Frage, ob die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung von Maik S. möglich ist oder nicht, nach Überzeugung des Ausschusses im Juni 2005 geprüft. Insbesondere aus dem Fellert-Gutachten, das der Staatsanwältin zu diesem Zeitpunkt vorlag, war ersichtlich, dass Maik S. weiterhin als gefährlich anzusehen war. Diese Gefährlichkeit reicht aber für sich genommen nicht aus, um den Täter in Haft zu halten, sondern es müssen zunächst neue Tatsachen im Sinne von Paragraf 66 b StGB vorliegen. Liegen diese neuen Tatsachen nicht vor, scheidet die Sicherungsverwahrung des Täters bereits an dieser Stelle aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann man vernünftig finden oder nicht. Dies ist jedoch die geltende Rechtslage in unserem Land. Die Frage also, ob diese neuen Tatsachen vorliegen oder nicht, ist einzig und allein eine Rechtsfrage. Und die Prüfung dieser Rechtsfrage durch die Staatsanwältin auf der Grundlage des FellertGutachtens und der Entscheidung des OLG Rostock vom 18.01.2005 hat ergeben, dass solche neuen Tatsachen bei Maik S. hier nicht gegeben waren. Der Ausschuss hält die Entscheidung der Zeugin Kampen für richtig. Dies hat die überwiegende Zahl der angehörten Sachverständigen und Zeugen bestätigt.
Die Anhörung der juristischen Sachverständigen und die Vernehmung der Zeugen hat auch ergeben, dass das Prüfungsergebnis zur Frage, liegen neue Tatsachen vor, ja oder nein, selbst bei Einholung eines weiteren Gutachtens nicht anders gewesen wäre. Ob hier die Staatsanwältin überhaupt rechtlich befugt gewesen wäre, ein weiteres Gutachten neben dem Fellert-Gutachten einzuholen, ist unter den angehörten Rechtsexperten streitig geblieben. Sie sehen, meine Damen und Herren, die Bewertung von Rechtsfragen bringt es des Öfteren mit sich, dass unterschiedliche Meinungen vertreten werden. Der Ausschuss ist jedenfalls hier zu dem Ergebnis gekommen, dass der Staatsanwältin wegen der Nichteinholung weiterer gutachterlicher Informationen kein Vorwurf zu machen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Ausschuss hat sich dann – zusammengefasst unter Punkt 1.3 – mit der Frage beschäftigt, wie der Erlass des Justizministeriums vom 25.08.2004 hinsichtlich der Handhabung der neuen gesetzlichen Vorschriften über die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vor der Haftentlassung von Maik S. im Einzelnen umgesetzt worden ist. Zum Hintergrund: Am 29.07.2004 ist das Bundesgesetz über die nachträgliche Sicherungsverwahrung in Kraft getreten. Das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern hatte in Anbetracht dieses neuen Gesetzes gemeinsam mit anderen Bundesländern einen Erlass zur Umsetzung des neuen Gesetzes in unserem Land erarbeitet. Der Erlass des Justizministeriums datiert vom 25.08.2004. Eine Korrektur erfolgte durch weiteren Erlass vom 20.12.2004. Der Ausschuss kommt hier im Rahmen seiner Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass die Arbeit mit dem Erlass den Vollzugsanstalten anfänglich Schwierigkeiten bereitete.
Worum ging es konkret? Die Justizvollzugsanstalten hatten die Aufgabe, den Staatsanwaltschaften insbesondere bei den laufenden Vollstreckungsverfahren zuzuarbeiten. Noch einmal: Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung erfolgt auf der Grundlage von Paragraf 66 b StGB und nach dem besagten Erlass war den Vollzugsanstalten beim Prüfungsverfahren zum Paragrafen 66 b eine wichtige Funktion zugedacht. Sie sollten insbesondere bei den laufenden Vollstreckungsverfahren das Vorliegen der formellen Voraussetzungen des Paragrafen 66 b anhand einer Checkliste prüfen und den zuständigen Staatsanwaltschaften mitteilen, ob während des Vollzugs Tatsachen erkennbar geworden sind, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Gefangenen hindeuten.
An dieser Stelle zeigte sich gerade am Fall Maik S., dass der Begriff der formellen Voraussetzung des Paragrafen 66 b StGB den zuständigen Psychologen, den Zeugen Schwark, hier vor Schwierigkeiten stellte, denn offensichtlich füllte er, als er den Vorgang Maik S. am 28.01.2005 prüfte, die besagte Checkliste zwar richtig aus, verneinte dann aber in seinem schriftlich niedergelegten Vermerk das Vorliegen eben jener formellen Voraussetzung, wobei, meine Damen und Herren, an dieser Stelle noch einmal die Feststellung wichtig ist, dass selbst unter Juristen die Definition der formellen Voraussetzung bei Paragraf 66 b StGB nicht zweifelsfrei geklärt ist. Dies ergibt sich anschaulich aus den Ausführungen des Generalstaatsanwalts Wolf aus Niedersachsen.
Meine Damen und Herren, der Ausschuss konnte im Rahmen seiner Untersuchungen Kommunikationsprobleme zwischen Vollzugsanstalten und Staatsanwaltschaften feststellen. So hat die Staatsanwaltschaft Schwerin von zwei Fällen berichtet, in denen die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung in Betracht kam und infolgedessen eigentlich eine Meldung der Vollzugsbehörden hätte erfolgen müssen, jedoch nicht erfolgte.
Für den Ausschuss ist schließlich auch klar, dass es wünschenswert gewesen wäre, wenn die Verantwortlichen in den Vollzugsanstalten intensiver über die neue Gesetzesmaterie unterrichtet worden wären. So hat beispielsweise der bereits genannte Zeuge Schwark angegeben, dass er sich den Umgang mit dem Erlass und der besagten Checkliste selbst erarbeiten musste. Auch wenn
er sich nach eigenem Bekunden trotzdem als kompetent zum Ausfüllen der Checkliste gefühlt hat, hätte eine spezifische Einweisung der Verantwortlichen in den Vollzugsbehörden diesen sicherlich eine größere Sicherheit im Umgang mit den neuen Vorschriften gegeben.
Meine Damen und Herren, wichtig ist dem Ausschuss aber hier der Hinweis darauf, dass der Zeuge Schwark, als er den Vorgang Maik S. im Januar 2005 gemäß dem Erlass geprüft hat, zu einem richtigen Ergebnis gekommen ist, denn die Entscheidung, dass bei Maik S. vor Ende des Vollzugs keine neuen Tatsachen im Sinne von Paragraf 66 b StGB erkennbar geworden sind, welche auf dessen erhebliche Gefährlichkeit für die Allgemeinheit hindeuten, war, wie bereits oben dargelegt, richtig. Insofern hält es der Ausschuss für nachvollziehbar, dass der Zeuge Schwark keine Mitteilung an die zuständige Staatsanwaltschaft in Stralsund gemacht hat.
Was die Prüfung der nachträglichen Sicherungsverwahrung durch die Staatsanwältin Kampen im Juli 2005 angeht, so vermag der Ausschuss keine Beurteilung der Intensität und der Gründlichkeit der Prüfung zu treffen. Er geht aber davon aus, dass die Staatsanwältin die hier vorgelegten Akten, darunter insbesondere das 130 Seiten umfassende Fellert-Gutachten, hinreichend studiert hat. Die Staatsanwältin hat bei ihrer Prüfung des Paragrafen 66 b keine Veranlassung gesehen, neben den ihr vorliegenden Unterlagen die Gefangenenpersonalakte von Maik S. bei der JVA Waldeck anzufordern, denn sie ging davon aus, dass diese Unterlagen eine ausreichende Informationsbasis für die vorzunehmende Rechtsprüfung darstellen. Der Ausschuss hält dies für nicht pflichtwidrig, weil die wesentlichen und für die Rechtsprüfung notwendigen Informationen aus der Gefangenenpersonalakte bereits im besagten Fellert-Gutachten auf 130 Seiten zusammengefasst enthalten waren.
Zwar ist für den Ausschuss aufgrund der Sachverständigenanhörungen klar, dass die Gefangenenpersonalakte eine wichtige Beurteilungsgrundlage für die Entscheidung über die nachträgliche Sicherungsverwahrung sein kann – dies im Hinblick auf die Frage nach dem Vorliegen erheblicher neuer Tatsachen –, die Herbeiziehung der Akte scheint dem Ausschuss jedoch nur dann geboten, wenn der zuständigen Staatsanwaltschaft hier die notwendigen Informationen sonst nicht zur Verfügung stehen.
Der Ausschuss sieht es auch nicht als Fehlverhalten der Staatsanwältin Kampen an, dass sie ihr negatives Prüfungsergebnis bezüglich des Paragrafen 66 b StGB zunächst nicht schriftlich niedergelegt hat, denn hierfür hat es weder eine Dienstanweisung gegeben noch ist d i e Anfertigung von Vermerken über Negativprüfungen üblich. Der Ausschuss hält es jedoch für sinnvoll, die Prüfung des Paragrafen 66 b StGB zukünftig durch den bearbeitenden Staatsanwalt schriftlich zu dokumentieren. Insofern begrüßt er eine Ankündigung des Justizministers Sellering, in seiner Vernehmung vor dem Ausschuss ein solches Verfahren einzuführen.
Meine Damen und Herren, für den Ausschuss steht fest, dass nach der seinerzeit geltenden Rechtslage und unter Berücksichtigung der obergerichtlichen Rechtsprechung für die Staatsanwaltschaft Stralsund keine rechtliche Möglichkeit bestanden hat, einen Antrag auf nachträgliche Sicherungsverwahrung von Maik S. bei Gericht zu stellen. Gleiches würde im Übrigen auch bei Würdigung der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung gelten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu Punkt 1.4 kommen. Hier lautete die Fragestellung: „Zur vollzuglichen Entwicklung des Maik S. ist festzustellen, dass sein Verhalten von einer Vielzahl von Auffälligkeiten geprägt war. Er wurde mehrfach disziplinarisch zur Verantwortung gezogen. Was folgt daraus für das Tatbestandsmerkmal ,neue Tatsachen‘ vor dem Hintergrund des Beschlusses des BGH vom 08.12.2005 …?“
Zunächst einmal ist anzumerken, dass der Fall Maik S. nach Überzeugung des Ausschusses nicht mit dem Fall vergleichbar ist, der der oben genannten BGH-Entscheidung zugrunde lag. Die hierzu angehörten Sachverständigen und Zeugen waren sich in dieser Bewertung einig. Eine detaillierte Begründung lässt sich dem Bericht auf Seite 136 entnehmen. Des Weiteren will ich auf die von Maik S. während seines Strafvollzugs begangenen Disziplinarverstöße eingehen:
Maik S. war während seiner siebenjährigen Haft beispielsweise mehrfach unerlaubt im Besitz von Handys und Tätowiermaschinen.
Außerdem entfernte er unerlaubt ein Anstaltssiegel und beging eine geringfügige Sachbeschädigung. Alle Sachverständigen – mit einer Ausnahme, auf die ich gleich noch kommen werde – waren sich darin einig, dass dies keine erheblichen neuen Tatsachen im Sinne von Parag r a f 66 StGB sind. An dieser Stelle sei nur der Sachverständige Professor Dr. Renzikowski genannt, der hier von der im Strafvollzug „üblichen Subkultur“ sprach.
Im Gegensatz dazu war die Anlasstat, die Maik S. im Jahr 1997 beging, ein räuberischer Angriff auf einen Kraftfahrer in Tateinheit mit einer Vergewaltigung, einer Geiselnahme, einem Raub, einer gefährlichen Körperverletzung. Mithin handelte es sich um Verstöße gegen hochrangige Rechtsgüter und vor diesem Hintergrund lag offensichtlich der nach der Rechtsprechung des BGH erforderliche so genannte prognoserelevante symptomatische Zusammenhang der Auffälligkeiten im Vollzug mit der Anlasstat nicht vor.
Erwähnenswert an dieser Stelle ist sicherlich die Meinung der Sachverständigen Frau Dr. Rissing-van Saan. Auch die BGH-Richterin bewertete die Disziplinarverstöße zwar als Banalitäten, sie vertrat jedoch die Auffassung, dass eine Gesamtschau dieser Auffälligkeiten, welche die Persönlichkeit von Maik S. widerspiegelten, das Tatbestandsmerkmal der erheblichen neuen Tatsachen erfüllen würde. Auf Nachfrage betonte sie aber, dass es sich dabei um ihre persönliche Auffassung handele, die allerdings nicht von der Rechtsprechung des BGH gedeckt sei.
Der Ansicht von Frau Dr. Rissing-van Saan widersprach der Sachverständige Dr. Dally, Richter am Oberlandesgericht in Rostock, der die Vornahme einer solchen Gesamtschau der Disziplinarverstöße an dieser Stelle der rechtlichen Prüfung des Paragrafen 66 b StGB nicht für zulässig hielt.
Der Vollständigkeit halber ist nachzutragen, dass Maik S. vom Tatvorwurf der Vergewaltigung eines Mitgefangenen im Jahr 1999, da war er schon in Haft, vom AG Güstrow freigesprochen wurde, wobei dieses Urteil auch rechtskräftig geworden ist. Dieser Vorfall war aus Sicht aller
Sachverständigen und Zeugen nicht relevant für die Prüfung des Paragrafen 66 b StGB.
Bei Punkt 1.5 steht die Frage im Mittelpunkt, wie sich die Führungsaufsicht für Maik S. gestaltete. Ich verweise hier hinsichtlich der Einzelheiten auf die Seiten 141 und folgende des Sachstandsberichts.
Zusammengefasst lässt sich Folgendes sagen: Maik S. wurde am 08.07.2005 aus der Haft in der JVA Waldeck entlassen. Zuvor war durch das Landgericht Rostock am 28.06.2005, ich hatte bereits darauf hingewiesen, Führungsaufsicht gegen ihn angeordnet worden. Am 14.07.2005 sollte Maik S. erstmalig seit seiner Haftentlassung an der Sozialtherapie in der JVA Waldeck teilnehmen. Am selben Tag sollte auch das erste Gespräch mit seiner Bewährungshelferin, der Zeugin Zeuge, stattfinden. Nachdem diese auf Einhaltung des Termins bestanden hatte, Maik S. hatte sich am Morgen des 14.07.2005 telefonisch gemeldet und das Treffen wegen eines angeblichen Arzttermins absagen wollen, erschien er dann doch bei der Bewährungshelferin. Den Termin zur Sozialtherapie am selben Tag hatte er jedoch nicht wahrgenommen.
Gegenüber der Bewährungshelferin gab er wahrheitswidrig an, an der Außenpforte der JVA Waldeck erschienen, dort jedoch abgewiesen worden zu sein, weil er keinen gültigen Personalausweis besessen habe. Frau Zeuge erschien diese Erklärung nicht abwegig, da ihr von einem Kollegen schon einmal ein ähnlicher Fall geschildert worden war. In der JVA dagegen galt Maik S. aufgrund der Mitteilung eines Mitgefangenen als entschuldigt. Im Ergebnis gab es hier keine Rücksprache zwischen der Bewährungshelferin und der JVA hinsichtlich des nicht eingehaltenen Termins durch Maik S. Am Tag darauf, am 15.07.2005, ereignete sich dann das schreckliche Verbrechen an Carolin.
Meine Damen und Herren, der Ausschuss ist zu der Überzeugung gelangt, dass dieses Verbrechen mit dem geltenden rechtlichen Instrumentarium der Führungsaufsicht nicht zu verhindern gewesen wäre, denn selbst wenn die JVA die Bewährungshelferin über das Nichterscheinen von Maik S. zur Therapie informiert hätte, wären keine Eingriffsmöglichkeiten vorhanden gewesen, die es hier der Justiz ermöglicht hätten, Maik S. vor der Tat am 15.07.2005 festzuhalten. Insbesondere hätte die Bewährungshelferin hier nicht auf die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Maik S. hinwirken können, denn die Nichtteilnahme an der Therapie war im vorliegenden Fall nicht strafbar, weil es sich nicht um eine strafbewährte Weisung des Gerichts gehandelt hat.
Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, dass bei einem Haftentlassenen, der sich nicht an Weisungen hält oder bei dem Anzeichen bestehen, dass von ihm möglicherweise Straftaten zu befürchten sind, man allenfalls ein kurzfristiges Gespräch erreichen kann. Die Verantwortlichen verfügen jedoch nicht über die rechtliche Handhabe, ihn unverzüglich festzuhalten, selbst bei einem Verstoß gegen eine strafbewährte Weisung nicht, denn ein solcher Verstoß ist mit einer Höchststrafe von nur einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht. Das bedeutet, dass hier Untersuchungshaft als sofortige Sanktion nicht möglich ist.
Für den Ausschuss sind daher vier Dinge wichtig:
Erstens. Er kommt überwiegend zu der Auffassung, dass das Rechtsinstitut der Führungsaufsicht konsequenter und effektiver ausgestaltet werden muss, damit die All
gemeinheit besser vor hochgefährlichen Straftätern geschützt wird.
Zweitens. Die Zusammenarbeit der Verantwortlichen in Führungsaufsichtsstellen, Bewährungshilfe und Vollzugsanstalten mit der Polizei muss weiter intensiviert werden.
Drittens. Die festgestellten Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Vollzugsanstalten und Bewährungshilfe erfordern zukünftig eine bessere, eine engere Verzahnung von Vollzug und sozialen Diensten.
Viertens. Im Bereich der Bewährungshilfe erscheint es sinnvoll, für entlassene Strafgefangene eine deliktspezifische Betreuung durchzuführen.
Meine Damen und Herren, beim Punkt 1.6 stellte sich dem Ausschuss die Frage, wie sich der Verlauf eines Strafverfahrens im Fall der Vergewaltigung eines zwölfjährigen Jungen, in dem Maik S. verdächtig war, gestaltete. Im Rahmen der Ermittlungen zum Verbrechen an Carolin hat die KPI Rostock im August 2005 von der Polizeidirektion Künzelsau ein Ersuchen erhalten. Darin wurde mitgeteilt, dass sich dort ein junger Mann namens Andreas O. gemeldet habe. Dieser gab an zu glauben, MaikS. auf Lichtbildern im Zusammenhang mit der öffentlichen Berichterstattung über den Fall Carolin wiedererkannt zu haben. Maik S. gleiche möglicherweise einem Mann, der ihn im Alter von damals zwölf Jahren – im Jahr 1995 – im Raum Laage sexuell missbraucht habe. Daraufhin wurde ein neues Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen gegen Maik S. eingeleitet. Die zuständige Staatsanwältin, die Zeugin Below, stellte dieses Verfahren jedoch am 09.12.2005 ein, da der mutmaßlich Geschädigte Maik S. zuvor nicht zweifelsfrei identifizieren konnte.
Dieselbe Staatsanwältin hatte bereits im Jahr 1995 ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen der mutmaßlichen Straftat geführt. Dieses Verfahren war seinerzeit im Januar 1996 eingestellt worden. Die entsprechende Ermittlungsakte ist dann am 19.06.2002 vernichtet worden, obwohl die angezeigte Tat erst am 05.06.2005 verjährt gewesen wäre. Diese vorzeitige Vernichtung der Akte hat dem Ausschuss die vollständige Rekonstruktion des 1995 geführten Verfahrens erschwert. Der Ausschuss sieht deshalb Anlass, dass zukünftig die Aktenführung noch besser kontrolliert wird.
Wichtig ist aber die Feststellung, dass auch, wenn die Akte regelgerecht vernichtet worden wäre, der Geschädigte sich erst im August 2005 erneut an die Polizei gewandt hat. Zu diesem Zeitpunkt war die Tat jedoch, wie ich bereits erwähnt hatte, verjährt. Zudem ist auch in keiner Weise ersichtlich, dass Maik S. die fragliche Tat überhaupt begangen hat. Hier wie selbstverständlich eine wahrscheinliche Täterschaft von Maik S. zu unterstellen wird den objektiven Umständen, und auf die kommt es an, nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, abschließend bleibt die Feststellung, dass auch die im Jahr 1995 sichergestellten Spuren – zwei Abstriche, ein Bonbonpapier und eine Zigarettenkippe – nicht mehr auffindbar waren. Ob aus diesen Spuren DNA-fähiges Material hätte gewonnen werden können, welches dann in die ab 1998 beim Landeskriminalamt geführte DNA-Datei hätte eingestellt werden können, konnte vom Ausschuss zumindest nicht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme geklärt werden. Alle Mutmaßungen diesbezüglich fallen daher in den Bereich der Spekulationen.
Meine Damen und Herren, so weit mein Bericht zum ersten Untersuchungsauftrag. Wie ich eingangs meiner Ausführungen gesagt hatte, war es dem Ausschuss aus zeitlichen Gründen nicht möglich, den zweiten Untersuchungsauftrag hinsichtlich der Situation an der Staatsanwaltschaft in Neubrandenburg zu erfüllen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an der Stelle all denjenigen, die in diesem Untersuchungsausschuss in den vergangenen vier Monaten mitgewirkt haben, also selbstverständlich allen Abgeordneten und Fraktionsmitarbeitern, ganz besonders aber den Mitarbeitern im Ausschusssekretariat unter der Leitung von Frau Frohriep, sehr herzlich für ihre engagierte Arbeit danken. Das haben sie verdient.
Meine Damen und Herren, ich glaube, kein Untersuchungsausschuss zuvor hat unter einem solchen Zeitdruck bei seiner Arbeit gestanden wie dieser.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir am Schluss noch eine persönliche Anmerkung. Ich glaube, niemand kann wirklich das Leid ermessen, das die Angehörigen von Carolin empfinden. Ich kann nur sagen, auch wenn die Untersuchung heute ihr Ende findet, dieser Fall ist mir sehr nahe gegangen, er geht mir sehr nahe und er wird mich sicher noch lange begleiten.
Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss hat einstimmig beschlossen, dem Landtag die Kenntnisnahme des Sachstandsberichts zu empfehlen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich wollte vom Grundsatz hier zumindest Stellung nehmen zu dem, was der Kollege Koplin ausgeführt hat,
aber Herr Kollege Koplin hat seine Rede abbrechen müssen. Herr Koplin, deswegen ganz kurz nur zwei Sätze: Ich dachte eigentlich, wir wären in dieser Debatte schon sehr viel weiter gewesen.
Ich habe von Ihnen heute unheimlich viele alte Kamellen gehört, die Sie hier zum wievielten Male wieder auftischen.
Vor dem Hintergrund habe ich dafür kein Verständnis. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Ich habe hier keinen, überhaupt keinen konstruktiven Ansatz gesehen,
wie Sie gedenken,
die große Problematik, diese strukturelle Arbeitslosigkeit, die wir auf dem Arbeitsmarkt haben, bekämpfen zu wollen.
Dazu habe ich nichts gehört und dazu habe ich nichts mehr hinzuzufügen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Beschlussfassung findet ein Prozess intensiver parlamentarischer Arbeit seinen Abschluss. Im Jahr 2002, der Ausschussvorsitzende Kollege Baunach hatte schon darauf hingewiesen, hatte die Bauministerkonferenz eine Musterbauordnung mit entsprechenden Freiheitsgraden für die Länder beschlossen. Dieses ist sicher ein gewichtiger Beitrag zur Rechtseinheit im Bauordnungsrecht in Deutschland.
Etwa zwei Jahre danach, am 21. Dezember 2004, lag der Landesregierung die neu gestaltete Landesbauordnung auf dem Tisch, und zwar einschließlich der Änderung einiger einschlägiger Landesgesetze, wie der des Vermessungs- und Katastergesetzes, des Denkmalschutzgesetzes, des Wassergesetzes sowie der des Naturschutzgesetzes.
Meine Damen und Herren, 50 Fachverbände wurden zum Entwurf der neuen Bauordnung angehört. Viele Vorschläge wurden sorgfältig geprüft, gewürdigt und schließlich auch gewogen.
Frau Strenz, eine Reihe von Anregungen und Empfehlungen sind schließlich berücksichtigt worden und finden in diesem vorliegenden Entwurf ihren Niederschlag.
Meine Damen und Herren, nach der Ersten Lesung des Gesetzentwurfs am 5. Oktober 2005 und anschließender Überweisung in den federführenden Bauausschuss erfolgten am 11. und am 18. Januar öffentliche Anhörungen. Genau in diesen Zeitraum fiel das verheerende Unglück in Bad Reichenhall. Es hat zunächst Unruhe in der Bevölkerung und auch bei vielen Politikern und Baufachleuten ausgelöst. Es wurden Überlegungen nach einem BauTÜV laut. Ich denke, mittlerweile haben sich die Gemüter aber wieder beruhigt. Eins ist klar: Aktionismus ist hier völlig fehl am Platze, meine Damen und Herren! Genauso gilt, und das ist natürlich auch richtig, bundesweit bedarf es einheitlicher Standards, um statische Probleme rechtzeitig aufzudecken. Ich denke, hier müssen wir aufmerksam und vor allem konstruktiv die weiteren Entwicklungen auf Bundesebene begleiten.
Meine Damen und Herren, um noch einmal auf die Anhörungen zurückzukommen, möchte ich abgewandelt nach Wilhelm Busch feststellen: Jedem Verband Recht getan, ist eine Kunst, die keiner kann! Wir haben den Eindruck gewonnen, dass die Forderung nach Deregulierung nicht immer im Vordergrund der zahlreichen Anträge von Fachverbänden und auch von der Opposition stand. Um das noch einmal an der Stelle klar zu betonen: Es war und ist das Ziel, dass Regelungen abgebaut werden sollen. Das Bauen soll insbesondere für den Bürger erleichtert werden.
Meine Damen und Herren, dieses Ziel setzen wir auch um. Das Bauordnungsrecht in Mecklenburg-Vorpommern wird durch den Entwurf vielmehr vereinfacht und übersichtlicher und vor allem bürgerfreundlicher gemacht. Das wird von fast allen Seiten so gesehen und auch anerkannt. Notwendige Regeln werden vereinfacht. Ich weise ausdrücklich darauf hin, die Koalitionsfraktionen haben wichtige Korrekturen zur Verbesserung der Rechtsklarheit und zum besseren Verständnis für den bauwilligen Bürger eingebracht, die nunmehr umzusetzen sind, wenn der Landtag heute darüber abschließend befindet.
Meine Damen und Herren, ich möchte an der Stelle noch einmal auf zwei Punkte besonders eingehen und diese beiden Aspekte auch herausstreichen. Es geht uns in erster Linie um Verbesserungen beim behinderten- und altengerechten Wohnen. Das ist der erste ganz wichtige Punkt.
Zweitens geht es uns um mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowohl für den Bürger als natürlich auch für die Verwaltung.
Zum ersten Punkt. Zu der Anmerkung, dass hier eine fraktionsübergreifende Zustimmung im Ausschuss erfolgt ist, und wie hier im Paragraphen 50, der bekannterweise das barrierefreie Bauen regelt, aufgenommen wurde, dass in Wohngebäuden mit mehr als sechs Wohnungen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein müssen, zum Vergleich: Im ursprünglichen Entwurf war nur von einer Wohnung in Wohngebäuden mit mehr als drei oberirdischen Geschossen die Rede. Ich denke, das ist eine erhebliche Verbesserung.
Meine Damen und Herren, ich möchte an der Stelle auch noch einmal nachtragen, dass es keine einfache Abwägung war. Klar ist, dass man sich vom Prinzip her noch bessere Regeln für ein alten- und behindertengerechtes Bauen und Wohnen hätte vorstellen können. Aber wichtig sind hier auch die anderen Interessen, die von Bedeutung sind, die zu sehen, zu wägen und zu berücksichtigen sind. H i er – ich denke, das liegt auf der Hand – mussten auch wirtschaftspolitische Aspekte eine Rolle spielen. Klar ist, dass wir hier zum Beispiel insbesondere an kleine Betriebe, an Gewerbetreibende, an kleine Imbisse, an kleine Läden et cetera denken müssen, die in gewisser Weise vor kostenintensiverem Bauen geschützt werden mussten. Ich denke, das ist angemessen berücksichtigt worden.
In Paragraf 50 Absatz 4 haben wir uns für die Beibehaltung der eindeutigen Formulierung in der zurzeit gültigen Landesbauordnung entschieden, wonach Ausnahmen für barrierefreies Bauen gestattet werden, ich zitiere, „soweit dies aus Gründen des Denkmalschutzes erforderlich ist oder die Anforderungen... nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können.“ Dieser Tatbestand, meine Damen und Herren, ist für alle Beteiligten handhabbar und erleichtert die Gesetzesanwendung.
Mehr Rechtssicherheit für die Bürger erzielen wir durch unseren eingebrachten Änderungsantrag, und zwar unsere Änderung im Paragrafen 69. Dort geht es um die Behandlung des Bauantrages durch die Bauaufsichtsbehörde. Konkret ist von uns der Absatz 2 modifiziert worden. Es geht darum, dass bei Mängeln im Bauantrag oder bei Unvollständigkeit, die innerhalb einer von der Behörde gesetzten Frist nicht behoben worden sind, der Bauantrag offiziell, das heißt per Verwaltungsakt, zurückzuweisen ist und nicht als zurückgenommen im Sinne des Gesetzes zu betrachten ist, wie das im Entwurf noch steht.
Meine Damen und Herren, der Bürger erhält durch diese Modifizierung und durch diese Änderung einen rechtsmittelfähigen Bescheid in die Hand. Das ist sehr wichtig, denn wenn der Bürger meint, dass er mit der Entscheidung der Verwaltung nicht zufrieden ist, kann er in Widerspruch gehen beziehungsweise anschließend bei einem ablehnenden Widerspruch den Verwaltungsgerichtsweg beschreiten.
Meine Damen und Herren, ein kurzes Wort noch zu den Anträgen der Opposition: Sie haben über 40 Änderungsanträge vorgelegt. Hierzu muss man feststellen, dass Quantität nicht immer gleichzusetzen ist mit Qualität, meine Damen und Herren von der CDU. Deswegen hier noch einmal ganz klar: Wir haben alle Änderungsanträge ernsthaft und gewissenhaft geprüft
und sind Ihnen in zwei Punkten, und zwar im Paragrafen 6 und im Paragrafen 48, Stichwort Rauchwarnmelder,
gefolgt beziehungsweise haben gesagt: Gut, diese Regelungen sind vernünftig und sie verbessern den Entwurf. Deswegen werden sie auch von uns mitgetragen.
Dazu haben wir ausführlich diskutiert, Herr Kollege Dr. Born. Ich kann mich erinnern, dass Sie im Rahmen dieser Diskussion nicht anwesend waren. Wir haben das mit den Kollegen sehr sachlich und sehr ernsthaft diskutiert,
Frau Strenz. Unser Ergebnis dazu steht fest, ich habe das gerade wiedergegeben. Im Übrigen kann das auch aus den Ausschussprotokollen entnommen werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss ausführen, dass das Ziel, mit dem Entwurf der Landesregierung die Musterbauordnung des Bundes in angemessener Weise in unser Landesrecht zu überführen, erreicht worden ist. Die Fraktion der SPD wird deshalb der vorliegenden Beschlussempfehlung mit der Änderung zustimmen, die der Ausschussvorsitzende Kollege Baunach hier bezogen auf die Ziffer 1 Buchstabe b) der Beschlussempfehlung angeführt hat, und ich füge hinzu, ausdrücklich mit der Änderung, die sich aus dem Antrag der Koalitionsfraktionen ergibt, wonach ein neuer Paragraf 57 Absatz 4 einzuführen ist. Nun noch eine kurze Erklärung dazu: Wir denken, dass es Sinn macht, die Korrespondenz zwischen Bürger und Bauaufsichtsbehörde streckenweise in ganz bestimmten Belangen zu erleichtern. Vor di e s e m Hintergrund halten wir es für erforderlich und angemessen, dass hier eine Übermittlung von elektronischen Daten erfolgen kann. Dies erleichtert die Korrespondenz und ist ein wesentlicher Beitrag für ein bürgerfreundliches Gesetz. Ich bitte deswegen um Ihre Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Kollege Dr. Born, erlauben Sie mir vorab eine Anmerkung: Herr Dr. Born, die Schärfe und die Polemik, die Sie hier in Ihrer Einbringung an den Tag gelegt haben,
wird dem sehr ernsten Anlass unserer heutigen Sitzung nicht gerecht.
Erwarten Sie nicht, Herr Dr. Born, dass ich Ihren Ausführungen Gleichartiges entgegenstelle.
Sehr geehrte Damen und Herren, zunächst einmal ist es mir wichtig zu betonen, dass es natürlich das gute Recht der Opposition ist, die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu beantragen. Ein solcher Untersuchungsausschuss muss dabei immer verbunden sein mit dem Ziel, einen Sachverhalt oder, wie es im einschlägigen Gesetz auch heißt, Tatbestände im öffentlichen Interesse aufzuklären.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag definiert zwei Themenkomplexe, die hier von der CDU zum Untersuchungsgegenstand gemacht werden: Zum einen handelt es sich um den Mord an der 16-jährigen Carolin aus Graal-Müritz am 15. Juli des vergangenen Jahres, und hier konkret um den Umgang der Justizbehörden mit dem Täter Maik S., zum anderen geht es um die Arbeitsfähigkeit der Staatsanwaltschaft in Neubrandenburg, hier konkret bezogen auf die strafrechtlichen Verfehlungen des Staatsanwalts F. und das Dienstverhältnis zwischen Staatsanwälten und Behördenleitungen dort.
Hierzu möchte ich feststellen, dass sich der Rechtsausschuss, dessen Mitglied ich bin, mit beiden oben genannten Themenkomplexen intensiv in den vergangenen Wochen und Monaten beschäftigt hat. Und wie Sie wissen, ist der Rechtsausschuss, wie die Bezeichnung auch schon sagt, der zuständige Ausschuss für alle die Justiz betreffenden Fragen. Insofern obliegt es diesem Ausschuss natürlich auch, alle strittigen Fragen im Zusammenhang mit dem Handeln der Justizbehörden in unserem Land zu klären. Dieser Aufgabe und dieser Pflicht, meine Damen und Herren, zur Aufklärung ist der Rechtsausschuss auch hinsichtlich der hier streitgegenständli
chen Themen bislang sehr umfangreich und verantwortungsvoll nachgekommen. Dies möchte ich kurz näher erläutern:
Bereits am 25. August des vergangenen Jahres hat der Justizminister dem Rechtsausschuss zum Mordfall Carolin ausführlich Bericht erstattet. Ich halte fest, nach dieser Sitzung des Rechtsausschusses hat die CDU keine weiteren Fragen gestellt und auch keine weitere Ausschusssitzung zu diesem Thema beantragt. Nachdem aber von Abgeordneten der CDU, wohlgemerkt in den Medien, schwere Vorwürfe gegen die Justizbehörden erhoben wurden, entsprach der Rechtsausschuss der Bitte des Justizministers, am 8. Dezember nochmals zum Thema zu berichten und zu den Anschuldigungen Stellung nehmen zu können. Am 8. Dezember 2005 informierten dann der Minister und die Generalstaatsanwaltschaft den Ausschuss nochmals ausführlich über den Mordfall Carolin und die Situation an der Staatsanwaltschaft in Neubrandenburg. Angesichts eines in dieser Sitzung nunmehr von Abgeordneten der CDU vorgelegten sehr weitgehenden Fragenkatalogs einigten sich die Ausschussmitglieder auf die Einberufung einer zusätzlichen Sondersitzung des Rechtsausschusses am 4. Januar dieses Jahres, um wirklich die Beantwortung aller Fragen der Kollegen der CDU abschließend zu ermöglichen.
Um eine angemessene Vorbereitung der Sitzung zu gewährleisten, erhielten auch alle Mitglieder des Rechtsausschusses die Gelegenheit, Akteneinsicht im Ministerium zu nehmen. Davon ist Gebrauch gemacht worden.
Meine Damen und Herren, am 4. Januar fand die dritte Sitzung des Rechtsausschusses zum Thema Mordfall Carolin statt. Im Rahmen dieser Sitzung beantworteten der Minister, dessen Vollzugsabteilungsleiter und der Generalstaatsanwalt detailliert alle die von der Opposition zuvor gestellten schriftlichen Fragen. Nachdem dieser Komplex abgeschlossen war, wurden seitens der CDUAbgeordneten weitere Fragen gestellt, Fragen – und das möchte ich betonen –, die jedoch nicht darauf gerichtet waren, für die Bewertung der Sachverhalte weitere erhebliche Informationen zu erlangen,
sondern Fragen, die eher allgemeiner Natur waren. So wurde beispielsweise – ich glaube, das kann ich sagen – der Minister gebeten, allgemeine Ausführungen zu Zuständigkeiten bei der Führungsaufsicht zu machen oder diese Führungsaufsicht zu erklären,
dieses Instrument sehr ausführlich zu erklären. So weit zunächst zur dritten Sitzung des Ausschusses.
Meine Damen und Herren, nach drei Sitzungen einer insgesamt über zehnstündigen Beratung der beiden streitgegenständlichen Themen sind die Vertreter der SPD-Fraktion im Rechtsausschuss zu der Auffassung gelangt, dass alle für die Bewertung der Sachverhalte relevanten Themen auf dem Tisch liegen. Um es klar zu sagen: Die gegen die Justizbehörden im Fall Carolin erho
benen Vorwürfe halten wir demnach für nicht begründet. Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen der nachträglichen Sicherungsverwahrung
im Sinne von Paragraf 66 b Strafgesetzbuch im Urteil vom 25. November 2005 gelangen wir zu der Auffassung, dass die Justizbehörden hier keine rechtlichen Möglichkeiten hatten, den Täter Maik S. über die Haftzeit hinaus festzuhalten. Und weiterhin ergaben sich aus unserer Sicht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es hier zu Versäumnissen bei den Strafvollzugsbehörden gekommen wäre.
Da die Abgeordneten der CDU aber offensichtlich eine andere Rechtsauffassung zur Anwendbarkeit des Paragrafen 66b StGB im vorliegenden Fall haben und die CDU darüber hinaus auch mangelnde oder falsche Therapie für den Täter während seiner Haft behauptet, schien es uns angezeigt, im zuständigen Ausschuss, im Rechtsausschuss, eine Anhörung von unabhängigen Sachverständigen zu genau diesen Fragen durchzuführen.
Entsprechend habe ich noch in der besagten Sitzung am 4. Januar eine solche Expertenanhörung beantragt. Die Abgeordneten der CDU haben daraufhin die Sitzung verlassen. Dessen ungeachtet haben die Mitglieder der Koalitionsfraktionen den gestellten Antrag angenommen. Für die SPD, meine Damen und Herren, kann ich sagen, dass wir im Rechtsausschuss auf der Grundlage von unabhängigen Expertenbefragungen klären möchten und auch klären werden, ob unsere Bewertung der Dinge zutreffend ist oder nicht. Oder mit anderen Worten: Wir wollen, dass uns die Gutachter erklären, ob aus ihrer Sicht Fehler begangen wurden. Sollte dies der Fall sein, dann sind selbstverständlich alle notwendigen Konsequenzen zu ziehen, meine Damen und Herren, ohne Ansehen von Personen.
Der Rechtsausschuss hat zu den Umständen des Haftvollzuges, der Minister hatte das gesagt, bereits in der vergangenen Woche den Gutachter und Psychiater Dr. Stefan Orlob angehört. Dieser hat, ich muss das an der Stelle auch noch einmal sagen, bekräftigt, dass der Täter Maik S. für eine Therapie praktisch nicht erreichbar war, nicht erreichbar ist. Die CDU, meine Damen und Herren, war diesem Termin auch ferngeblieben.
Die Anhörung weiterer Sachverständiger zur Frage der rechtlichen Würdigung von Paragraf 66b StGB, also der Frage nach dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung, werden wir am 2. Februar fortsetzen. Hierzu werden wir die Vorsitzende Richterin am 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, Frau Dr. Rissing-van Saan, und den Rechtsgelehrten Herrn Professor Dr. Joecks aus Greifswald in den Ausschuss kommen lassen und anhören.
Auch an dieser Sitzung wird die CDU – das hat sie bereits angekündigt – nicht teilnehmen.
Meine Damen und Herren, es steht nun jedem frei, das Verhalten der CDU zu würdigen. Festhalten möchte ich
aber an dieser Stelle eines ganz unmissverständlich: Der CDU wird es nicht gelingen, mit ihrem Einsetzungsantrag dem Rechtsausschuss, der für sämtliche Justizbelange zuständig war und immer noch ist, vorzuschreiben, wie er zu arbeiten hat.
Meine Damen und Herren, wer also gemeint hat oder vielleicht immer noch meint, der Rechtsausschuss habe, nur weil heute voraussichtlich ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, seine Arbeitsberechtigung und seine Kompetenz zur Klärung der Sachverhalte verloren, der irrt ganz gewaltig.
Meine Damen und Herren, ich denke, es ist deutlich geworden, dass der Rechtsausschuss alles getan hat und alles Notwendige auch noch veranlassen wird, um das schreckliche Verbrechen an Carolin restlos zu klären.
Was die Fragen nach der Arbeitsfähigkeit der STA Neubrandenburg betrifft, sehen wir diesen Themenkomplex als abgearbeitet an.
Es hat hier offene Fragen gegeben. Diese sind aber rückhaltlos vom Generalstaatsanwalt und auch vom Minister beantwortet worden. Die Behörde steht mit dem vorstehenden Ausscheiden ihres Leiters vor einem Neuanfang.
Meine Damen und Herren, vor dem aufgezeichneten Hintergrund erschließt sich mir zwar nicht so recht der Sinn der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, die SPD will und wird die Einsetzung eines solchen Gremiums aber nicht verhindern. Nach geltendem Recht könnte sie es auch gar nicht.
Es ist aber absehbar, meine Damen und Herren, dass sich die Arbeit des Ausschusses in einem äußerst engen Zeitrahmen bewegen wird. Paragraf 39 des PUA-Gesetzes schreibt grundsätzlich vor, dass der Ausschuss dem Landtag spätestens zu seiner letzten Sitzung in der Legislatur –
also bei uns wäre das im kommenden Juni – einen abschließenden schriftlichen Bericht zu erstatten hat.
Das heißt, bis dahin müsste die Untersuchung abgeschlossen sein. In Anbetracht der knappen Zeit haben wir unsere Bedenken hinsichtlich der ausreichenden Bestimmtheit des Untersuchungsgegenstandes, die wir insbesondere mit Schreiben unseres Fraktionsvorsitzenden Volker Schlotmann an den Kollegen Dr. Jäger vom 20.01.2006 geäußert haben, zurückgestellt, damit der Ausschuss nunmehr zügig seine Arbeit aufnehmen kann.
Meine Damen und Herren, wir, die Mitglieder der SPDFraktion, gehen davon aus, dass der Untersuchungsausschuss die Erkenntnisse, die wir bei der Befassung im Rechtsausschuss gewonnen haben und auch noch gewinnen werden, bestätigen wird. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion! Um es vorwegzunehmen, wir sind von Ihrem Antrag wenig angetan. Einige Gründe für die Skepsis haben wir ja schon vom Arbeitsminister Herrn Holter gehört. Ich möchte, meine Damen und Herren, weitere Ausführungen hinzufügen, um unsere Skepsis hier noch einmal gesondert zum Ausdruck zu bringen.
Frau Strenz, Ihr Antrag schlägt als angeblich ideales Modell des Förderns und des Forderns, so der Begründungstext wörtlich, ein Kombilohnmodell vor, die so genannte Magdeburger Alternative, haben Sie gesagt. Und Antragsintention ist, Mecklenburg-Vorpommern als Modellregion für dieses Arbeitsmarktprojekt zu entwickeln. Meine Damen und Herren, ich habe das Gutachten der Professoren Schöb und Weimann aus Magdeburg sehr genau gelesen, denn letzten Endes beruht Ihr Antrag ja im Wesentlichen auf diesem Gutachten. Der Text beginnt dort auf Seite 4. Und hier direkt im zweiten und dritten Satz des Gutachtens werden bereits die beiden entscheidenden Kernthesen angeführt, auf denen alle weiteren inhaltlichen Ausführungen basieren. Dort heißt es zunächst im ersten Satz, ich zitiere: „Deutschland hat ein zweiseitiges Arbeitsmarktproblem“. Das klingt erst einmal sehr bedeutungsschwanger und macht neugierig auf die Fortsetzung. Aber dann heißt es weiter: „Die gegenwärtige Grundsicherung vernichtet die Anreize von Arbeitslosen, Arbeit zu suchen. Die zu hohen Lohnkosten verhindern, dass Unternehmen mehr Arbeitnehmer einstellen.“ Die Magdeburger Alternative setzt mit einem 4-PunktePlan an beiden Marktseiten an. Meine Damen und Herren, und genau hier beginnt meine Kritik auch, denn wenn die Kernthesen im zweiten und dritten Satz nicht stimmig sind, dann kann das Gutachten noch so lange und mit noch so vielen komplexen Berechnungen angereichert sein, dann ist, nein, dann kann dieses Ergebnis des Gutachtens gar nicht stimmig sein.
Meine Damen und Herren, nehmen wir also die erste These, die die Magdeburger Alternative unterstellt, dass es gegenwärtig angesichts des für Langzeitarbeitslose geltenden SGB II keine Anreize zur Aufnahme einer Arbeit gibt. Ich denke, diese Unterstellung ist mehr als abenteuerlich. Tatsache ist, dass die Zumutbarkeitskriterien von Arbeitsangeboten für Langzeitarbeitslose in den vergangenen Jahren
mehrfach verschärft worden sind.
Jeder, der sich in der Arbeitsmarktpolitik auskennt, weiß, dass für einen Langzeitarbeitslosen seit dem 1. Januar 2005 gemäß Paragraf 10 SGB II praktisch jedes Arbeitsangebot, und sei es ein Minijob, zumutbar ist. Selbst ein Arbeitsentgelt, das bis zu 30 Prozent geringer ausfällt als der ortsübliche Lohn, ist dabei zu akzeptieren.
Lehnt der Hilfebedürftige das Angebot eines zumutbaren Jobs unter diesen Bedingungen ab, drohen ihm schärfste gesetzliche Sanktionen.
Im ersten Schritt muss er mit der Kürzung des ALG II um 32 Prozent rechnen, bei jeder weiteren Verweigerung gibt es weitere empfindliche Kürzungen bis auf null herunter. Das betrifft ebenfalls die Kosten der Unterkunft, zumindest bei den über 25-Jährigen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Zuverdienstmöglichkeiten, meine Damen und Herren, für Arbeitslosengeld-II-Empfänger gegenüber der ursprünglichen Gesetzesfassung spürbar verbessert worden sind. Jeder Betroffene kann jetzt auch relativ leicht anhand des einfacheren Gesetzestextes nachvollziehen, wie viel seines Zuverdienstes ihm bei Aufnahme einer Beschäftigung anrechnungsfrei verbleibt. Nicht zu vergessen ist auch, das SGB II sieht im Paragrafen 29 das so genannte Einstiegsgeld vor.
Dieses neue arbeitsmarktpolitische Instrument gibt dem zuständigen Fallmanager die Möglichkeit, dem Arbeitslosengeld-II-Empfänger einzelfallbezogen mittels einer Prämie oder eines Zuschusses maximal für die Dauer von zwei Jahren einen zusätzlichen Arbeitsanreiz zur Arbeitsaufnahme zu bieten. Das Einstiegsgeld erfreut sich, wie man in Fachkreisen auch hören kann, einer immer größeren Beliebtheit, insbesondere im schwarzgelben Sachsen-Anhalt. Dort nämlich baut man intensiv auf das Einstiegsgeld.
Nur so am Rande möchte ich sagen, dass die Magdeburger Alternative in Sachsen-Anhalt eigentümlicherweise keine Rolle spielt, Frau Strenz. Das finde ich bemerkenswert.
Diese Punkte, meine Damen und Herren, muss man kennen, wenn man über angeblich mangelhafte Arbeitsanreize spricht. Und eines kommt hinzu: Aus vielen Unternehmensbefragungen ergibt sich, dass diese in aller Regel keine Schwierigkeiten haben, einfach Arbeitsplätze zu besetzen. Im Gegenteil, Unternehmen melden offene Stellen oftmals nicht der Agentur oder der Arbeitsgemeinschaft, um keine Bewerberflut zu erleben. Besetzungsprobleme betreffen also seltener die Zahl der Bewerbungen, sondern schon eher die Eignung der Bewerber, das ist wahr.
Meine Damen und Herren, ich denke, es ist deutlich geworden, dass bei Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten durch die zuständigen Arbeitsverwaltungen hinreichende Arbeitsanreize für Langzeitarbeitslose generiert werden können. Es mag unter 165.000 arbeitslosen Menschen Personen geben, die nicht wollen, auch Menschen, die sich drücken, die auf Kosten der Gemeinschaft das System ausschließlich für ihre Zwecke nutzen. Aber, meine Damen und Herren, ich behaupte, das sind sehr wenige im Vergleich zu denen, die wirklich alles geben würden, um wieder arbeiten zu können.
Ich komme nun zur zweiten These der Magdeburger Alternative:
Frau Strenz, die zweite These, wonach angeblich zu hohe Lohnkosten in Mecklenburg-Vorpommern die Un
ternehmen von der Einstellung von Arbeitnehmern abhalten würden, ist schlichtweg abenteuerlich und kurios. Tatsache ist doch, meine Damen und Herren, MecklenburgVorpommern ist nicht das Hochlohnland, sondern vielmehr das Niedriglohnland in Deutschland. Und Tatsache ist weiter, nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern in ganz Deutschland gibt es bereits einen real existierenden umfangreichen Niedriglohnsektor, der durch weitere staatliche Eingriffe nun wirklich nicht noch unbedingt ausgedehnt werden muss.
Anders als zu Beginn der Kombilohndebatte vor mehr als zehn Jahren liegt die Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland inzwischen über dem EU-Durchschnitt. Nach aktuellen Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt und Technik in Gelsenkirchen, IAT, die auch Teilzeitbeschäftigte und Minijobs einbeziehen, arbeiten heute sogar 22 Prozent der Beschäftigten in Deutschland für einen niedrigen Stundenlohn im Sinne der OECD-Definition. Meine Damen und Herren, das ist praktisch jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland und das muss einmal so gesagt werden. Das heißt, diese Menschen verdienen weniger als zwei Drittel des Medianlohns, also weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns. Dieser beträgt in Ostdeutschland, um nur einmal eine Zahl zu nennen, plakativ 6,97 Euro brutto je Stunde. Insgesamt arbeiten damit rund 7 Millionen Menschen in Deutschland im Niedriglohnbereich. Hinzu kommt, ich denke, auch das ist eine bemerkenswerte Zahl, die aufhorchen lässt, dass circa 650.000 Menschen in Deutschland so wenig verdienen, dass sie einen Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II haben, so gesehen auch ein Kombilohnmodell.
All das muss man wissen, meine Damen und Herren, wenn man hier über Niedriglöhne spricht, wenn man diese Debatte führt, Frau Strenz, die Sie hier gerne anführen. Des Weiteren verweise ich auf das arbeitsmarktpolitische Instrument der Eingliederungszuschüsse, die nach dem SGB III natürlich in Verbindung mit dem SGB II Arbeitgebern für die Einstellung von Langzeitarbeitslosen gezahlt werden können.
Hier in Mecklenburg-Vorpommern gibt es darüber hinaus – ich denke, das ist den meisten bekannt, sollte es zumindest – noch die so genannten Einstellungshilfen für arbeitsmarktpolitische Zielgruppen. Jedes Unternehmen, jeder Arbeitgeber hier in Mecklenburg-Vorpommern erhält bei Einstellung eines Arbeitslosen einen monatlichen Lohnkostenzuschuss von maximal 500 Euro von unserem Arbeitsministerium für die Dauer von einem Jahr unter der Bedingung einer Nachbeschäftigungsfrist von einem weiteren Jahr. Meine Damen und Herren, um es klar zu sagen: Das, was hier mit dem Kombilohn erreicht werden soll, kann grundsätzlich, wenn man es möchte, bereits heute mit den bestehenden arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumenten des Bundes, aber auch des Landes erreicht werden.
Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist mir wichtig. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer darauf vertrauen, dass der Staat die Lücke zwischen Arbeitslohn und lebensnotwendigem Einkommen schließt, besteht die Gefahr, dass das Lohnniveau unter Druck gerät. Hierzu, Frau Strenz, meine Damen und Herren von der CDU, sagt Ihre Magdeburger Alternative nichts, rein gar nichts.
Unbedingt notwendig wäre aber an dieser Stelle nach unserer Auffassung insbesondere eine Diskussion über existenzsichernde Mindestlöhne.
Meine Damen und Herren, ich meine, dass wir unsere Energie und unsere knappen finanziellen Mittel nicht dafür einsetzen sollten, den Status von Mecklenburg-Vorpommern als Niedriglohnland mittel- und langfristig noch auszubauen und zu verfestigen, sondern ich glaube, der Weg ist gerade ein anderer. Wir haben nur eine Zukunftschance, wenn wir das, was wir haben, in die Köpfe dieses Landes investieren.
Was wir brauchen, ist nicht Niedriglohn forever, wenn Sie so wollen, sondern Bildung, Ausbildung, Weiterbildung, Qualifizierung, Herr Riemann, für unsere Menschen und auskömmliche Löhne,
denn eins, meine Damen und Herren, sollte eigentlich unstreitig sein: Den Wettlauf um die niedrigsten Löhne, insbesondere gegen die osteuropäischen Mitgliedsstaaten der EU, können wir nicht gewinnen. Das ist so.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend feststellen – Frau Strenz, Sie hatten eingangs Ihrer Rede darauf hingewiesen: Es stimmt, die Bundesregierung hat vereinbart, dass Bundesarbeitsminister Franz Müntefering im Herbst Vorschläge zu Kombilöhnen machen wird, wobei klar geworden sein dürfte, dass es nicht „den“ Kombilohn gibt, sondern sehr viele, sehr unterschiedliche arbeitsmarktpolitische Instrumente, die aktuell unter der Rubrik Kombilohnmodelle diskutiert werden. Auch das muss man wissen und muss man sehen bei der Debatte. Franz Müntefering hat aber, meine Damen und Herren – und das bitte ich noch einmal zu berücksichtigen –, in diesem Zusammenhang, in dieser Debatte deutlich gesagt, dass er keinen weiteren Niedriglohnsektor will. Dies findet natürlich die volle Unterstützung unserer Fraktion und der SPD.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Vielleicht wird es möglich sein, in den nächsten Monaten tatsächlich eine schlüssige Variante zu entwickeln, welche die Idee des Kombilohns mit unserer Forderung nach einem auskömmlichen Mindestlohn sinnvoll verbindet,
und vor allem auch eine Idee, eine Variante, die kompatibel ist für Mecklenburg-Vorpommern, für unser Land. Substituierung und dauerhafte Mitnahmeeffekte müssen dabei jedenfalls vermieden werden, meine Damen und Herren. Deshalb lehnen wir den CDU-Antrag ab. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Sehr geehrte Frau Strenz, Sie haben mich ja direkt angesprochen und ich habe eine ganz klare Antwort dazu. Dieser Antrag macht schon deshalb Sinn und ist auch wichtig, weil er deutlich macht, dass sich die Koalitionsfraktionen der Interessen der Kommunen angenommen haben und sich die Interessen der Kommunen auf die Fahnen geschrieben haben.
Insofern macht dieser Antrag Sinn.
Meine Damen und Herren, die gesetzliche Zielstellung, die im Paragraphen 46 SGB II verfolgt wird, nämlich die Kommunen – das ist ja schon angesprochen worden – um 2,5 Milliarden Euro jährlich bundesweit zu entlasten, diese Zielstellung, diese Intention des Gesetzes ist natürlich sinnvoll und sie ist absolut notwendig.
Dies gilt es zu unterstützen.
Deswegen muss man auch sagen, der ganze Prozess sowie die Berechnungsgrundlagen waren und sind sicherlich sehr, sehr komplex. Die Berechnungsparameter, jetzt diese Entlastung auszurechnen, sind sehr komplex und sehr schwierig gewesen. Dadurch ist auch zu erklären, dass es eine riesige Diskrepanz zwischen den Berechnungen des Bundes auf der einen Seite und den Zahlen auf der anderen Seite gegeben hat, die die Kommunen aufgrund ihrer Datenerhebungen hier dargelegt haben. Das war insgesamt eine Diskrepanz von circa 4 Milliarden Euro und das sind Lichtjahre. Vom Grundsatz her sind diese Unterschiede bei den Berechnungen auch nicht zu erklären, denn sie sind nicht nachvollziehbar. Aber, meine Damen und Herren, ich denke, wichtig ist summa summarum die Geschichte, die Historie, und das ist ja in den vergangen Wochen und Monaten von der Sozialministerin Frau Dr. Linke, aber auch von der Kollegin Lück referiert worden. Die Historie war ein bisschen unübersichtlich und man hat darüber debattiert und gestritten. Ich denke, summa summarum können wir im Land Mecklenburg-Vorpommern und auch die Kommunen zufrieden sein.
Der Vorschlag, der hier vom neuen Arbeits- und Sozialminister Müntefering in der vergangenen Woche am Donnerstag unterbreitet worden ist, nämlich diese Quote von 29,1 Prozent, dahinter stehen ungefähr 3,2 Milliarden Euro an Bundeszuschuss, der hier den Kommunen zugute kommt, dieser Vorschlag vom Arbeits- und Sozialminister ist gut und kommt den Kommunen weitestgehend entgegen. Insofern, denke ich, ist das auch ein Erfolg für die Kommunen hier in Mecklenburg-Vorpommern. Wichtig ist auch, das ist gesagt worden, es finden keine Revisionen mehr statt, zumindest nicht für 2005 und 2006. Das ist zu begrüßen, denn damit haben auch die Kommunen ganz klar Planungssicherheit. Ein wichtiger Punkt ist, dass man sich im nächsten Jahr hinsetzt und überlegt, wie man diese Berechnungsparameter gegebenenfalls klarer, besser und unmissverständlicher ausgestalten kann, um zu einer vernünftigen und angemessenen Quote für 2007 und die Folgejahre zu kommen.
Meine Damen und Herren, ich verstehe den vorliegenden Antrag im Lichte der aktuellen Entwicklungen, die sind dargestellt und geschildert worden, und erwarte von der Landesregierung, dass das, was jetzt vom Arbeitsund Sozialminister Müntefering vorgeschlagen wurde, auch Eingang in das Gesetz findet und definitiv und verbindlich im Paragraphen 46 SGB II geregelt wird.
Frau Gramkow, das ist heute nach meiner Information im Bundestag in der Ersten Lesung erfolgt, in der Ersten Lesung eines Zweiten Änderungsgesetzes zum SGB II. Hinzu kommt, dass es natürlich auch noch durch das weitere parlamentarische Verfahren laufen muss, und der Bundesrat wird hier sicherlich konsultiert werden.
Insofern bin ich der Überzeugung, dass die Landesregierung auch auf dieser letzten Strecke, auf dem letzten
Weg gucken und darauf achten wird, dass diese Vorschläge aus Berlin tatsächlich realisiert werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt, ich hatte es ja angesprochen, ist, dass die Landesregierung natürlich auch wachsam ist und penibel darauf achtet, dass im nächsten Jahr, wenn die Überprüfungen anstehen, eine Regelung beziehungsweise eine Lösung gefunden wird, die natürlich im Einklang mit den Kommunen steht und die Interessen der Kommunen hinreichend berücksichtigt. Ich denke, das ist klar. In Bezug auf diese beiden Punkte, das muss ich sagen, bin ich guten Mutes.
Die Landesregierung ist ja hier schon mehrfach gelobt worden und ich möchte das an dieser Stelle ausdrücklich auch noch einmal tun. Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung ihre Aufgaben zufrieden stellend erfüllen wird. Das hat sie bislang auch immer getan, wenn es darum ging, die Interessen der Kommunen in unserem Land Mecklenburg-Vorpommern vernünftig und gut zu vertreten. Also von daher habe ich keine Probleme.
Ein letzter Punkt, meine Damen und Herren. Wir begrüßen natürlich, „dass das Land die Nettoentlastung im Rahmen der Umsetzung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, Hartz IV, „vollständig“ – ich betone, vollständig – „an die Kommunen weitergibt.“ Das ist ein wichtiger Punkt, der auch schon angesprochen wurde. Aber um das noch einmal deutlich zu sagen und zu beziffern, es gibt die Berechnung der Landesregierung, die Ihnen wahrscheinlich bekannt ist, 26,9 Millionen Euro für das Jahr 2005 an Entlastungen für die Kommunen, das wird verteilt auf die kreisfreien Städte und auf die Landkreise. Hier gibt es auch Unterschiede, das ist klar, denn nicht jeder wird gleich entlastet. Im Ergebnis, das ist wichtig und meines Erachtens auch entscheidend, denke ich, ist hier ein vernünftiger und ausgewogener Schlüssel zur Anwendung gekommen. Letzten Endes ist hier nach dem Handlungsrahmen im Ausführungsgesetz zum SGB II verfahren worden. Die Paragraphen 6 und 7 legen im Ausführungsgesetz ganz klar und dezidiert dar, wie vorzugehen ist. Dieser Schlüssel ist zur Anwendung gekommen und das finde ich gut.
Noch einmal: Die Kommunen haben für 2006 eine Planungsgrundlage. Sie können zukunftsorientiert wirtschaften, sie können investieren und natürlich auch vor Ort versuchen, Arbeitsplätze zu schaffen. Ich denke, das ist es, was wir uns alle wünschen, und darüber bin ich sehr froh.
Frau Strenz, noch einmal zu Ihrem Änderungsantrag. Ich möchte zumindest diesen Antrag kurz kommentieren. Sie fordern, „dass auch zukünftig das Land die Gelder des Bundes in Höhe der Nettoentlastung vollständig an die Kommunen weiterleitet“, so steht es hier. Ich denke, dieser Antrag ist so weit reichend und gleichzeitig auch so unbestimmt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass man ihm überhaupt nicht folgen kann.