Protocol of the Session on June 30, 2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 82. Sitzung des Landtages. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gestatten Sie mir, nochmals auf den Beschluss des Landtages zur Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses gemäß Paragraf 10 Absatz 2 des Gesetzes zur Behandlung von Vorschlägen, Bitten und Beschwerden der Bürger sowie über die Bürgerbeauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 4/2339, zurückzukommen. Aufgrund eines technischen Versehens war in der in der Drucksache 4/2339 enthaltenen Sammelübersicht eine Petition nicht aufgelistet. Diese ist in der Ihnen vorliegenden Berichtigung auf Drucksache 4/2357 enthalten. Sind Sie damit einverstanden, dass wir insoweit einen ergänzenden Beschluss zu unserem einstimmig gefassten Beschluss vom 28. Juni 2006 zum Tagesordnungspunkt 19 fassen? – Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Wer auch dieser Empfehlung des Petitionsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist auch dieser Empfehlung des Petitionsausschusses einstimmig gefolgt worden.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 37: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und Linkspar tei.PDS – Wirtschaftliche Situation in Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 4/2315.

Antrag der Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS: Wirtschaftliche Situation in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 4/2315 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Schildt von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Turnusmäßig alle zwei Jahre – und das betone ich – erstellt der Wirtschaftsminister mit seinem Haus den Wirtschaftsbericht für Mecklenburg-Vorpommern.

(Zuruf von Renate Holznagel, CDU)

Darin enthalten sind die wirtschaftlichen Daten für die einzelnen Branchen unseres Landes und der Vergleich mit den Branchen in der Bundesrepublik sowie darüber hinaus. Wir erkennen in dem Bericht, wo unsere Stärken sind. Wir wissen, wo wir unsere Stärken, unsere Schwächen haben und wie wir auf diese Schwächen reagiert haben. Dieser Bericht 2006, meine Damen und Herren, ist seit der vergangenen Woche veröffentlicht. Er hat eine positive Bilanz. Das sage ich mit aller Deutlichkeit, denn die Arbeitslosenzahlen, die jetzt veröffentlicht sind für den Juni, sprechen ihre Sprache und fi nden sich in der Entwicklung, die in diesem Bericht dargestellt wird, wieder. Wir als Koalitionsfraktionen sind dankbar, dass dieser Bericht erarbeitet wurde, dass er so qualitativ hochwertig ist, und wir sind der Meinung, dass das Hohe Haus sich mit dem Inhalt dieses Berichtes heute intensiv befassen sollte. Deshalb haben wir ihn auf die Tagesordnung gesetzt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Detlef Müller, SPD: Sehr richtig.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schildt.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Harald Ringstorff.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! „Das Glas ist mehr als halb voll.“ – so hat der Präsident der IHK Rostock vor Kurzem die wirtschaftliche Situation in Mecklenburg-Vorpommern beschrieben. Der Blick ist nach vorn gerichtet. Wir haben es mit einer guten Stimmung in der Wirtschaft zu tun. Die Stimmung ist so positiv wie lange nicht mehr. Das zeigen auch amtliche Statistiken und aktuelle Umfragen der Kammern und Verbände. In der Konjunkturanalyse der IHK in MecklenburgVorpommern wird der Aufschwung bestätigt. „Hoffnung keimt in der Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns“ ist der Zustandsbericht übertitelt. Aktuell spricht der Deutsche Industrie- und Handelskammertag von einem neuen Hoch, was das Wachstumstempo betrifft. Dass es aufwärtsgeht, dokumentiert auch der Wirtschafts bericht 2006 für Mecklenburg-Vorpommern.

Statistiken und Berichte werden in ihren Aussagen aber um so eher akzeptiert, je mehr sie von der Erfahrung bestätigt werden. In Gesprächen und Begegnungen bejahen Unternehmer die getroffenen Einschätzungen. Das Investitionsgeschehen brummt. Die Unternehmen stellen Arbeitskräfte ein. Das Handwerk verweist auf gut gefüllte Auftragsbücher. Der vorhandene Optimismus ist ein Handlungsmotor ersten Ranges und er darf nicht kleingeredet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Mecklenburg-Vorpommern braucht ein gesundes Selbstbewusstsein mit der Einsicht, dass wir uns aus eigener Kraft voranarbeiten müssen und können. Der Stolz auf die eigene Heimat ist wichtig. Je mehr Menschen sich in unserem Land als Botschafter der Kampagne „MV tut gut.“ verstehen, umso stärker werden sie die Zukunft des Landes in seiner Entwicklung aktiv mitgestalten. Wir haben das Ziel, Mecklenburg-Vorpommern bis spätestens 2019 wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt läuft der Solidarpakt und damit die überdurchschnittliche Hilfe für die ostdeutschen Länder aus. Die fi nanzielle Hilfe vom Bund verstehen wir nach wie vor als Hilfe zur Selbsthilfe. Deshalb müssen wir sie einsetzen für die Investitionsförderung der gewerblichen Wirtschaft, für die Technologie- und Innovationsförderung, für den Ausbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur sowie für Ausbildung und Bildung der künftigen Fachkräfte.

Meine Damen und Herren, der zweite Strukturwandel für Mecklenburg-Vorpommern seit 1990 ist noch nicht abgeschlossen. Er hat mit Ende des Baubooms in Ostdeutschland Mitte der 90er Jahre eingesetzt. Die Bauwirtschaft verzeichnete seitdem Jahr für Jahr deutliche Rückgänge. Dieses Jahr läuft es erstmals seit zehn Jah

ren wieder besser. Die Unternehmen in der Bauwirtschaft suchen inzwischen auch aktiv Marktlücken im Ausland. Anlässlich meiner Schwedenreise vor einem Monat haben sich Firmen aus dem Land vor Ort ein Bild vom beachtlichen Auftragspotenzial gemacht, das der schwedische Markt bietet. Es lohnt sich also, meine Damen und Herren, über den Tellerrand des eigenen Marktes hinauszuschauen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Der zweite Abbaubereich im Land ist der öffentliche Dienst, politisch gewollt, weil für die Zukunftsfähigkeit des Landes notwendig. Beide Bereiche, Bauwirtschaft und die notwendigen Einsparungen in den öffentlichen Haushalten, hinterlassen allerdings Bremsspuren. Meine Damen und Herren, diese Verluste an Wertschöpfung und Beschäftigung werden aber inzwischen mehr als ausgeglichen durch die Wachstumsbereiche des Landes wie das verarbeitende Gewerbe und die unternehmensnahen Dienstleistungen als Konjunkturmotor sowie den Tourismus. Gesunde und zukunftsträchtige Wirtschaftsbereiche im Land wachsen, die Wirtschaftsstruktur im Land verbessert sich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Vor allem das verarbeitende Gewerbe wächst mit beachtlicher Dynamik. Im Jahr 2004 gab es einen Zuwachs von 7,9 Prozent, für das Jahr 2005 liegt der Zuwachs nach vorläufi gen Angaben bei 7,7 Prozent. Und das, meine Damen und Herren, sind Spitzenwerte im Ländervergleich.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Dabei macht sich auch bemerkbar, dass sich die industrielle Basis besonders der mittelständischen Unternehmen in unserem Land entscheidend erweitert hat. Diese Erfolge zeigen sich mittlerweile auch bei der Beschäftigung. Hier gibt es Anzeichen für eine Trendwende: Im April gab es 1.600 oder plus 0,3 Prozent mehr sozialversicherungspfl ichtig Beschäftigte als vor einem Jahr. Wir helfen mit unserer Wirtschaftsförderung direkt und indirekt, dass jedes Jahr wie zuletzt unter anderem bei Liebherr, Rücker, HanseNet, Sweet Tec, LIDL, Kamps oder Torgelower Eisengießerei rund 10.000 neue Dauerarbeitsplätze entstehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Weitere Unternehmen sind an Produktionsstandorten in Mecklenburg-Vorpommern interessiert oder wollen expandieren. Wachstumsbranchen wie die Ernährungswirtschaft, die maritime Industrie, Holz-, Metall- und Elektroindustrie, Maschinenbau, Biotechnologie, Medizintechnik, Informations- und Kommunikationstechnik oder die zahlreichen Callcenter brummen. Beharrlichkeit und Kontinuität zahlen sich aus. Die Saat unserer Wirtschaftspolitik geht auf.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Unternehmen von außen sind uns herzlich willkommen. Wir brauchen und wir wollen sie, die Unternehmerinnen und Unternehmer, die anpacken und dazu beitragen, MecklenburgVorpommern und den Aufbau Ost weiter voranzubrin

gen. Denn für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Mecklenburg- Vorpommern reicht es nicht aus, nur den Bestand einheimischer Unternehmen zu sichern. Auch das tun wir mit der Förderung von Erweiterungsinvestitionen, der Gewährung von Investitionszulagen – demnächst auch für das Beherbergungsgewerbe – und diversen Instrumenten der Unternehmensfi nanzierung.

Gegenwärtig haben wir aber noch eine Wertschöpfungslücke von fast 10 Milliarden Euro. Wir erwirtschaften mit etwa 30 Milliarden Euro nur drei Viertel der 40 Milliarden Euro, die wir – Bürger, öffentliche Hand und Unternehmen – jährlich verbrauchen. Spätestens mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II im Jahr 2019 müssen wir fi nanziell auf eigenen Beinen stehen, um eine Zukunft aus eigener Kraft zu haben. Wir konsolidieren unseren Haushalt, wir bauen Verwaltung ab und strukturieren sie effektiver und zugleich bürger- und wirtschaftsfreundlicher. Wir blicken über den Tellerrand

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Und sitzen in der Schüssel.)

und nutzen die Chancen im Ostseeraum und in Norddeutschland. Die Ostsee-Gaspipeline ist ein Beispiel. Sie dient der Versorgungssicherheit Europas mit Gas und sie wird aber auch unserer Energiewirtschaft und unserer Bauwirtschaft weiterhin wirtschaftliche Impulse geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS, und Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Zusammen mit den erneuerbaren Energien setzen wir auf die GuD-Kraftwerke, die einen besonders hohen Wirkungsgrad haben. Dies wertet nicht nur den Energieknoten in Lubmin auf, sondern insgesamt die Bedeutung Mecklenburg-Vorpommerns als Energiestandort und es schafft zusätzliche Wertschöpfung und damit Wirtschaftswachstum im Land.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Wir kooperieren zum Beispiel mit Schleswig-Holstein und mit Hamburg. Beim Besuch von Ole von Beust vergangene Woche in der Staatskanzlei wurde unter anderem vereinbart, für die Hamburger Logistikbranche Flächen in Mecklenburg-Vorpommern anzubieten und gemeinsam zu vermarkten. Durch die moderne Verkehrsinfrastruktur von der A 20 über die Ortsumgehungen bis hin zu den Häfen besteht hier großes Interesse.

(Wolfgang Riemann, CDU: Dafür hat der Koalitionspartner ja gekämpft, für die A 20.)

Die Bedeutung unseres Landes als eine der Logistikdrehscheiben im Ostseeraum wird dadurch weiter zunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen auch deshalb zusätzliche Unternehmen von außen, weil mehr Wirtschaft im Land mehr Aufträge für hiesige Unternehmen und mehr Arbeit für die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern bedeutet. Deshalb setzen wir auch in Zukunft auf ein aktives Standortmarketing, denn gerade dank der Standortinitiative der Landesregierung haben sich die Standortvorteile von Mecklenburg-Vorpommern herumgesprochen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Qualifi zierte und fl exible Arbeitskräfte, große und preisgünstige Grundstücke, eine leistungsfähige Infrastruktur, schnelle Genehmigungsverfahren, eine attraktive Wirtschafts- und Innovationsförderung und nicht zuletzt hervorragende Lebensbedingungen – davon, meine Damen und Herren, lassen sich Investoren überzeugen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dazu kommt eine exzellente Förderkulisse im Land. Allen Kritikern sage ich: Unsere Förderkulisse ist deshalb so attraktiv, weil wir im Standortwettbewerb auf Zuschüsse setzen. Eine Umstellung auf Darlehen würde uns, glaube ich, nicht entscheidend voranbringen.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Schade.)

Meine Damen und Herren, die Entwicklung unserer Wirtschaft ist erfreulich.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ein „Weiter so!“ ist nicht akzeptabel.)

Auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt verbessert sich langsam. Im Vergleich zum Mai letzten Jahres hat die Arbeitslosigkeit um rund 10 Prozent abgenommen, die der arbeitslosen jungen Menschen unter 25 sogar um rund 19 Prozent. Und dabei, meine Damen und Herren, handelt es sich um ehrliche Zahlen, einschließlich der arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger und ohne Zigtausend Wahlkampf-ABM.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich darf Sie nochmals an die potemkinsche Arbeitslosenstatistik der CDU von 1998 erinnern: