Handan Özgüven

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Last Statements

Ich frage die Landesregierung:
Wie schätzt sie die Chance ein, dass die Geschwindigkeit auf der sogenannten Stadtautobahn B 3a in Marburg in den Abend- und Nachtstunden – von 18 Uhr bis 6 Uhr – zwecks Lärmreduzierung auf Tempo 80 km/h beschränkt wird?
Ich frage die Landesregierung:
Wie hat sich das Stellenkontingent in der Biochemie in Marburg in den letzten drei Jahren entwickelt?
Ich frage die Landesregierung:
Wie sieht der Zeitplan für Sanierungsbeginn und Sanierungsende der Erwachsenenpsychiatrie am Universitätsklinikum in Marburg aus?
Ich frage die Landesregierung:
Plant sie für den Fall der Umwidmung der autobahngleich ausgebauten B 3a zwischen dem Gießener Nordkreuz und Niederweimar, die Linienführung der A 49 infrage zu stellen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte meine Rede mit folgendem Zitat beginnen:
Der Personalmangel führt zu Bearbeitungszeiten, die uns als Vertreter einer zügigen Justiz nicht gefallen. Zumal die Aufgaben, die wir zu erfüllen haben, weder kleiner noch weniger komplex werden.
Dieses Zitat und den dazugehörigen Artikel können Sie in der „Oberhessischen Presse“ vom 24. April 2017 nachlesen.
Das Zitat stammt vom ehemaligen Direktor des Amtsgerichts Marburg, Herrn Cai Adrian Boesken. Herr Boesken hat im April dieses Jahres das Handtuch geworfen und nicht nur seinem Amt als Amtsgerichtsdirektor den Rücken gekehrt, sondern auch sein Amt als Richter an den Nagel gehängt, um zukünftig in der Werkzeugbaubranche zu arbeiten.
Dieser Akt des ehemaligen Marburger Amtsgerichtsdirektors ist das Resultat des jahrelangen systematischen Personalabbaus in der hessischen Justiz durch diese und die vorangegangenen Landesregierungen.
Schauen wir uns einmal die Zahlen genauer an. Von 2012 bis 2016 haben die CDU-geführten Landesregierungen in Hessen rund 430 Stellen in der Justiz abgebaut, seit 2003 betrachtet sogar rund 1.200 Stellen. Auch an Ausbildungsplätzen ist deutlich gespart worden. Während es im Jahr 1999 noch 215 Ausbildungsplätze für den Beruf der Justizfachangestellten gab, ist die Zahl der Ausbildungsstellen bis heute um 53 % reduziert worden.
Meine Damen und Herren aus den Regierungsreihen, Sie haben über Jahre hinweg einen Ausverkauf der hessischen Justiz vorgenommen, der für einen funktionierenden Rechtsstaat nicht mehr tragbar ist.
Was ist das Ergebnis dieses Ausverkaufs? Wie aus den Antworten zu der Großen Anfrage hervorgeht, ist der Zustand der hessischen Justiz höchst besorgniserregend. Die über dem Bundesdurchschnitt liegenden Verfahrensdauern in Hessen ziehen sich wie ein roter Faden durch die ordentliche Gerichtsbarkeit und durch die Fachgerichtsbarkeit: immer länger werdenden Verfahrensdauern in Zivil- und Strafsachen, im Bereich des Jugendstrafrechts, im Bereich der Ordnungswidrigkeiten, in Familienrechtsverfahren, in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in der Sozialgerichtsbarkeit, in der Finanzgerichtsbarkeit.
Die Belastungssituation der Justizbediensteten ist enorm. Da wundert es auch nicht, dass in einzelnen Bereichen die Anzahl der Verzögerungsrügen im Jahr 2016 den Höchststand erreicht hat. Es verwundert nicht, dass die Personalbelastungsquote in der hessischen Justiz mittlerweile chronisch und grundsätzlich bei deutlich über 100 % liegt, bei Richtern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zuletzt bei 159 %.
Im höheren und im gehobenen Dienst beim Landessozialgericht lag sie zuletzt bei 149 %, im Familienrechtsbereich zuletzt bei 120 %, usw. – Das sind Ihre Bilanzen, meine Damen und Herren aus den Reihen der Landesregierung, und das ist Ihr Versagen, Frau Justizministerin.
Bundesweit zählt der Richterberuf seit jeher zu den angesehensten Berufen. In Hessen hat sich allerdings die entsprechende Selbstwahrnehmung der Richterinnen und Richter negativ gewandelt. Die Attraktivität des Richterberufs hat abgenommen. Die Gehälter in der hessischen Justiz haben sich längst von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt. Justizbedienstete leisten sehr gute, intensive und hoch qualifizierte Arbeit. Sie setzen sich mit all ihren Kapazitäten für unseren Rechtsstaat, für unsere Demokratie und für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit ein.
Diese Landesregierung ist jedoch nicht in der Lage, Justizbediensteten die erforderliche Wertschätzung und Anerkennung entgegenzubringen.
Abend- und Wochenendarbeit, Erschöpfung, Burn-outs und Frustration sind für hessische Justizbedienstete häufige Vorkommnisse.
Ob Sie all dies gerne hören oder nicht, Frau Justizministerin: Tatsache ist, dass Ihr Maßnahmenplan zur Stärkung der hessischen Justiz nicht geeignet ist, all diese Missstände zu beseitigen. Ja, Sie haben vergangenes Jahr beschlossen, Ihr Personalabbauprogramm vorerst zu stoppen und zusätzlich 250 Stellen in der Justiz zu schaffen. Angesichts der Tatsache, dass Sie in den letzten Jahren 430 Stellen bzw. seit 2003 sogar 1.200 Stellen abgebaut haben und zusätzlich die Reduzierung der Wochenarbeitszeit für Beamte von 42 auf 41 Stunden kompensiert werden muss, kann Ihr Maßnahmenpaket nur als Tropfen auf den heißen Stein gewertet werden.
Erst gestern gab es in der „hessenschau“ einen Bericht über die gnadenlos überlasteten Verwaltungsgerichte. Der Frankfurter Verwaltungsgerichtspräsident Gerster wertete die in diesem Jahr in der Verwaltungsgerichtsbarkeit geschaffenen Stellen als unzureichend und forderte noch mehr Personal.
Genau. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich nenne Ihnen gerne zur Veranschaulichung des Problems zwei weitere Beispiele, dieses Mal aus dem Rheingau-TaunusKreis, beide aktuell aus diesem Jahr. Der Rüdesheimer CDU-Bürgermeister ist gerade wegen Vorteilsannahme und versuchter Erpressung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt worden. Er sieht keinen Grund, zurückzutreten, weil er ja nicht vorbestraft sei. Warum ist er das nicht? Nach Gesetzeslage gilt man ab einer Verurteilung zu mindestens 91 Tagessätzen als vorbestraft, er aber hat nur 70 bekommen.
Ich zitiere aus der „FAZ“ vom 21. Juni 2017:
Das Gericht erkannte damals ein „eklatantes Fehlverhalten“ und warf sogar die Frage nach dem Amtsverständnis … [des Bürgermeisters] auf. Das Gericht hätte deshalb „unter Abwägung aller Gesichtspunkte eine Geldstrafe von 140 Tagessätzen als schuldangemessen erachtet“, wenn nicht zwi
schen Tat und Hauptverhandlung ein Zeitraum von mehr als 18 Monaten gelegen hätte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur weil die Staatsanwaltschaft wegen Überlastung so lange für ihre Ermittlungen brauchte, ist der Rüdesheimer CDU-Bürgermeister heute nicht vorbestraft.
Das zweite Beispiel. Ein ehemaliger Bürgermeister wird von seinem Nachfolger im Amt angezeigt. Seit einem halben Jahr ruhen die Ermittlungen. Warum? – Ich zitiere aus einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Wiesbaden vom März 2017:
In dem Ermittlungsverfahren wird mitgeteilt, dass das Hessische Landeskriminalamt bedauerlicherweise mitgeteilt hat, dass die Ermittlungen mangels personeller Ressourcen derzeit nicht vorangebracht werden können. Aus diesem Grunde ist auch die Auswertung der sichergestellten Beweismittel noch nicht abgeschlossen, weshalb ein Verfahrensabschluss derzeit nicht absehbar ist.
Frau Justizministerin, Herr Innenminister, hier geht es schon lange nicht mehr um komplizierte Verfahren, die eben leider mal länger dauern.
Hier geht es um einen Rechtsstaat, der kapituliert, weil ihn diese CDU-geführte Landesregierung und die vorherigen personell kaputtgespart haben.
Das ist ein Skandal, den Sie verursacht haben. Sie haben den Skandal verursacht.
Seien Sie ehrlich, und hören Sie endlich auf, den Menschen vorzugaukeln, die Partei zu sein – –
Hören Sie endlich auf, den Menschen vorzugaukeln, die Partei zu sein, die sich für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger einsetzt.
Fangen Sie endlich an, die Justiz als das zu behandeln, was sie ist, nämlich die dritte Staatsgewalt im Land. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es verwundert mich, dass die CDU das Thema Universitätsklinikum Gießen und Marburg zu ihrer Aktuellen Stunde macht. Schließlich arbeitet Herr Minister Rhein bei jeder Gelegenheit heraus, dass das UKGM verkauft sei und die Landesregierung daher mit den dortigen Entwicklungen und Zuständen nichts mehr zu tun habe. Als derjenige Teil der Landesregierung, der die beiden Universitätskliniken fusioniert, privatisiert und verkauft hat, trifft die CDU zumindest eine moralische Garantenpflicht.
Zudem ist das Land mit 5 % Anteilseigner, sodass der fortwährende Versuch der Landesregierung, sich aus der Verantwortung zu ziehen, einen Affront gegenüber allen Beschäftigten, Patienten und Studierenden darstellt.
Sie werden jetzt behaupten, Sie hätten sich ja gekümmert und diese von Ihnen als Zukunftskonzept gefeierte Vereinbarung abgeschlossen. Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Sie mussten sich doch kümmern und auf eine Einigung hinwirken. Es blieb Ihnen doch nichts anderes übrig. Die Klinikbetreiberin hat Ihnen das Messer auf die Brust gesetzt und mit einer Millionenklage gedroht, bei der Sie wirklich alt ausgesehen hätten.
Was aber genau feiern Sie eigentlich mit diesem Antrag? – Sie feiern, dass der Streit um die Trennungsrechnung beigelegt ist, was wir begrüßen.
Sie feiern, dass Sie einen einmaligen Investitionszuschuss von 13 Millionen € zahlen und damit weitere Investitionen durch die Klinikbetreiberin im 100-Millionen-€-Umfang gesichert werden. Allerdings hatte sich die Klinikbetreiberin doch bereits 2006 kaufvertraglich verpflichtet, unter anderem genau diese Investition innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmen, und zwar ohne einen Finanzzuschuss durch das Land.
Die Fristen sind längst abgelaufen. Sie feiern, dass die Klinikbetreiberin nach elf Jahren zusichert, ihre vertraglichen Pflichten von vor elf Jahren nun endlich umzusetzen. Ist das Ihr Ernst?
Weiterhin feiern Sie Ihre Einigung darüber, dass in den nächsten fünf Jahren keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden. Wissen Sie denn nicht, dass die Klinikbetreiberin ohnehin nie betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen hat? Personalabbau realisiert sich am UKGM seit Jahren durch eine fehlende Nachbesetzung von
Stellen bei natürlicher Fluktuation oder bei auslaufenden befristeten Verträgen.
Personalabbau realisiert sich durch das Anbieten von Aufhebungsverträgen mit Abfindungen. Anstelle dieser völlig wirkungslosen Einigung sollten Sie sich notwendigerweise dafür einsetzen, dass Sollstellenpläne nach oben angepasst und Personalmindeststandards eingeführt werden, um einen eklatanten ärztlichen und Pflegenotstand zu verhindern.
Noch drastischer ist allerdings Folgendes. Erst vor vier Jahren hat die Landesregierung ausgehandelt, dass das Land zwei Sitze im Aufsichtsrat erhält. Ohne dass die damalige Einigung jemals umgesetzt wurde, verzichten Sie in der jetzigen Vereinbarung auf diese Aufsichtsratsposten und somit auf mehr Mitwirkungs- und Kontrollrechte für das Land.
Frau Wolff und Herr May haben in ihren Jubelpressemitteilungen von vorletzter Woche zum jetzigen Zukunftskonzept die Information über den Verzicht auf die Aufsichtsratsposten einfach unterschlagen. Meine Damen und Herren, das ist unredlich, unehrlich und täuscht hinsichtlich der wahren Gegebenheiten.
Warum reden Sie nicht darüber, dass die Schere zwischen der Mitarbeiterzahl und der Gesamtpatientenzahl immer weiter auseinanderklafft? Weshalb berichten Sie nicht davon, dass die Überlastungsanzeigen am Gießener Standort von 2015 auf 2016 um über 90 % zugenommen haben? Weshalb erwähnen Sie nicht die gesellschaftsrechtlichen Folgen, die die muntere Aufstockung von Aktienbeständen einflussreicher Gesellschafter auf jeweils über 25 % auslösen?
Ich komme zum Schluss. – Die CDU ist seit 2006 damit beschäftigt, Privatisierung und Verkauf hoch zu loben. Die GRÜNEN haben sich das Prinzip „Ich sehe nichts, ich höre nichts, ich sage nichts“ zu eigen gemacht. – Danke schön.
Herr Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Zusammenarbeit der Philipps-Universität Marburg, der JustusLiebig-Universität Gießen und der Technischen Hochschule Mittelhessen hat eine lange Tradition.
Mit der Gründung des Forschungscampus Mittelhessen haben die drei Hochschulen nun einen sehr bedeutenden weiteren Grundstein gelegt, um die Forschung auf Spitzenniveau in Mittelhessen voranzubringen und zu etablieren. Die beteiligten Hochschulen weisen einerseits eine breite Schnittmenge auf, sind andererseits aber auch fachlich ergänzend zueinander aufgestellt, sodass sie gemeinsam stärker sind als jede Hochschule für sich alleine. Das Augenmerk der Kooperation liegt dabei insbesondere auf gemein
samen Forschungsprojekten und auf der Gewinnung und Ausbildung exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchses.
Meine Damen und Herren, all das ist zwar wunderbar und in jedem Fall zu unterstützen; allerdings dürfen wir die Augen vor den Schwierigkeiten und Hindernissen, denen die drei Hochschulen weiterhin begegnen, nicht verschließen.
Der Forschungscampus Mittelhessen steht vor dem Problem, dass sich Studierende nicht an zwei Hochschulen gleichzeitig einschreiben können. Dies wäre aber – auch nach Einschätzung der Akteure und der Studierenden – insbesondere in Masterstudiengängen von wesentlicher Bedeutung. Bei gemeinsamen Studiengängen setzen sich Studierende, die an der einen Universität immatrikuliert sind, selbstverständlich auch in Vorlesungen an der anderen Hochschule. Für die Entwicklung gemeinsamer Studiengänge ist daher die Möglichkeit zur Doppelimmatrikulation erforderlich. Die Aufhebung einer bürokratischen Hürde durch die Schaffung der Möglichkeit der Doppeleinschreibung wäre also eine große Erleichterung in der Lehre.
Auf diese Weise würde sich das Problem, wie die Landesmittelzuweisungen zwischen den Hochschulen zu gewichten sind, in den genannten Fällen nicht mehr stellen.
Ein weiteres Problemfeld bilden die existierenden extremen Wettbewerbsformen. Diese sind auch im Falle des Forschungscampus Mittelhessen nicht förderlich, da sich die Hochschulen in Teilbereichen weiterhin im Spannungsfeld zwischen Konkurrenz und Zusammenarbeit befinden. Eine gänzliche Aufhebung des Konkurrenzverhältnisses kann also auch durch den Verbund des Forschungscampus nicht erzielt werden. Die sehr auf Wettbewerb ausgerichtete Finanzierungsstruktur der Hochschulen müsste sich deutlich ändern, um eine uneingeschränkte Kooperation und Arbeitsteilung zwischen den Hochschulen zu gewährleisten.
Die Förderung des Forschungscampus mit einem Gesamtvolumen von 7,3 Millionen € für die Dauer von fünf Jahren ist positiv hervorzuheben. Jedoch hilft dieser Betrag lediglich, eine gemeinsame Geschäftsstelle aufzubauen. Die eigentlichen Mittel für die Forschung müssen weiterhin ausschließlich aus Drittmittelprojekten und dem LOEWE-Programm fließen.
Abschließend möchte ich auf Punkt 4 des Antrags zu sprechen kommen. Die SPD hat auf Bundesebene gegen den Widerstand des Koalitionspartners die zusätzlichen Tenure-Track-Professuren im Rahmen des Pakts für den wissenschaftlichen Nachwuchs mit einem Zuschuss von 1 Milliarde € über die Paktlaufzeit durchgesetzt. In dem Zusammenhang ist es doch sehr positiv, dass die CDULandtagsfraktion die gute Arbeit der SPD auf der Bundesebene anerkennt und unter Punkt 4 des Antrags lobend hervorhebt.
Dennoch reicht es nicht, nur Tenure-Track-Stellen zu schaffen. Bund und Länder müssen gemeinsam Dauerstellen für den Mittelbau an den Hochschulen finanzieren. Hierfür müssen neue Personalkategorien entwickelt und umgesetzt werden.
Herr Minister Rhein, Sie stellten in einer der vergangenen Plenarsitzungen in Aussicht, dass es künftig Dauerstellen für Daueraufgaben an den Hochschulen geben werde. Dies ist ein längst überfälliger Schritt, der den Forderungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Hochschulen entspricht und zur Entlastung der Beschäftigten führen wird. Wir sind gespannt, ob Ihrem Versprechen Taten folgen und Dauerstellen für Daueraufgaben verankert werden. Seien Sie sicher: Wir werden das beobachten.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit der Demokratisierung der Gesellschaft seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich der Journalismus in unserem Land zunehmend zur sogenannten vierten Gewalt entwickelt, die die drei staatlichen Gewalten Exekutive, Judikative und Legislative überwacht. Genau das ist Pressefreiheit, so wie sie sein muss und wie sie in unserem Grundgesetz garantiert ist.
Nun zeigen die Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit, dass die freie Berichterstattung insbesondere im rechtspopulistischen und rechtsextremen Milieu nicht nur behindert wird, sondern Journalisten regelrecht Beschimpfungen und Bedrohungen ausgesetzt sind. Auf PegidaKundgebungen tritt die aggressive Haltung der Veranstalter und Teilnehmer gegenüber der Presse deutlich zutage. Auf Landesparteitagen der AfD wird Journalisten der Zutritt verweigert. Im Vorfeld eines Treffens von rechtspopu
listischen EU-Parlamentariern in Koblenz verkünden die Veranstalter, sich vorzubehalten, Journalisten auszuschließen. Die Bedrohung von Journalisten auf NPD-Veranstaltungen ist gang und gäbe. Der Umgang von AfD und Co. mit der Presse ist für deutsche Journalisten einer, den sie bisher aus eigener Erfahrung nicht kannten. Es muss selbstverständlich sein und bleiben, dass Journalisten unter anderem über politische Themen uneingeschränkt berichten dürfen.
Dieses hohe Gut der Pressefreiheit, auf das wir stolz sein können, müssen wir alle, alle demokratischen Kräfte und Parteien, schützen und verteidigen, um weiterhin eine ungehinderte Berichterstattung zu gewährleisten.
Ein weiteres, relativ neues Phänomen sind sogenannte Fake-News. Diese sind gezielt in sozialen Netzwerken gestreute Falschmeldungen, die sich rasant massenhaft verteilen, um die öffentliche Stimmung zu beeinflussen, Wahlentscheidungen zu manipulieren, und somit demokratiefeindlichen Interessen dienen. Die Antwort auf Fake-News kann aber, entgegen der Ansicht einzelner Unionspolitiker auf Bundesebene, nicht die Schaffung von neuen Straftatbeständen sein. Solche Rufe nach Gesetzesverschärfungen sind nur hilflose Reflexe.
Wir haben in Deutschland gute und funktionierende Gesetze, die sehr wohl geeignet sind, im Falle einer Verleumdung, üblen Nachrede, Beleidigung oder Bedrohung durch die Verbreitung von sogenannten Fake-News eine konsequente juristische Verfolgung nach sich zu ziehen. Vielmehr ist es notwendig, dass milliardenschwere soziale Netzwerke wie Facebook mehr gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, Falschmeldungen unverzüglich und konsequent löschen und die Möglichkeit vereinfachen, Hassbotschaften oder Falschnachrichten zu melden.
Um die Rahmenbedingungen für ein solches konsequentes Handeln zu schaffen, müssen die sozialen Netzwerke mehr in die Pflicht genommen werden. Die Androhung von Bußgeldern gegen solche Unternehmen wäre ein Weg in die richtige Richtung. Darüber hinaus stellt der Kampf gegen Fake-News natürlich auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung dar. Wir alle sind gehalten, Nachrichten, die uns ereilen, nicht ungeprüft entgegenzunehmen oder gar zu verteilen. Insbesondere uns Politiker trifft hier die Pflicht des kritischen Umgangs, nicht nur, aber insbesondere auch in Wahlkampfzeiten.
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie, meine Damen und Herren von der CDU, an einen Vorfall vom Sommer des letzten Jahres erinnern, als ein Kollege aus Ihren Reihen eine nachweisliche Falschmeldung aus dem Netz ungeprüft weiterverbreitete, mit dem Titel: „Vorsicht – Dschihadisten in Deutschland bewaffnen sich“.
Laut „Frankfurter Rundschau“ löste die Meldung von Herrn Tipi eine Lawine im Netz aus. Damit sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt, Ängste nicht weiter geschürt werden und extremes Gedankengut keine Bestätigung findet, müssen wir uns alle mit einem kritischen und prüfenden Weitblick unserer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung stellen. – Danke schön.
Ich frage die Landesregierung:
Wie sieht der Zeitplan für Baubeginn, Bauende und Einzug für den Neubau der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marburg aus?
Ist der Landesregierung bekannt, dass Informationen zufolge von dem Bauvorhaben am Ortenberg abgesehen wird und man sich darauf fokussiert, auf den Lahnbergen zu bauen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Alleinerziehende sind leider auch in unserem Bundesland die Schlusslichter der Gesellschaft. Dieses Resultat muss ich aus der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD-Fraktion durch die Landesregierung betreffend die Situation der Alleinerziehenden in Hessen ziehen.
Laut dem Hessischen Statistischen Landesamt lebten im Jahr 2014 in ganz Hessen 194.000 Alleinerziehende mit zusammengerechnet 259.000 Kindern. 169.000 der Alleinerziehenden waren Mütter. Von 1996 bis 2014 stieg der prozentuale Anteil der Einelternfamilien im Bundesgebiet, gemessen an der Gesamtzahl aller Familien, von 17 auf 29 %. Wie der Antwort der Landesregierung zu entnehmen ist, haben rund 30 % der Alleinerziehenden einen Migrationshintergrund. Rund 8 % der Alleinerziehenden befinden sich im ALG I-Bezug, und 21 % beziehen ALG-II-Leistungen. Bei über einem Drittel der alleinerziehenden ALG-IIBezieher handelt es sich um Aufstocker und Aufstockerinnen.
Jetzt sind wir auch schon bei einem der wesentlichen Probleme, denen viele Alleinerziehende ausgesetzt sind: dem Problem der Armut. Für Einelternfamilien besteht ein wesentlich größeres Armutsrisiko als für Zweielternfamilien. Hieraus folgt im Rentenalter das Problem der Altersarmut.
Alleinerziehende müssen in vielerlei Hinsicht zurückstecken. Es hapert für sie nicht nur an der fehlenden Möglichkeit, einen Schulabschluss nachzuholen bzw. einen Beruf zu erlernen, sondern für den Fall, dass sie bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung haben, auch daran, dass sie nicht beruflich vorankommen oder gar Karriere machen können. Hintergrund ist, dass sie aufgrund mangelnder zeitumfänglicher und bedarfsorientierter Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder keiner Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen und wegen des fehlenden finanziellen Backgrounds nicht an ihrem Schul- oder Berufsabschluss arbeiten können.
Folge dieser mangelnden politischen Unterstützung ist, wie bereits gesagt, das Angewiesensein auf Arbeitslosengeldleistungen und Sozialleistungen bzw. aufstockende Leistungen. Man kann sich natürlich, so, wie es die Landesregierung macht, auf den Standpunkt stellen, dass es sich bei dem Thema Kinderbetreuung um originäre Aufgaben der Kommunen handelt, und somit versuchen, sich aus der Verantwortung zu ziehen.
Jedoch stellt sich dann die Frage, welchen Sinn beispielsweise ein auf zwei Jahre angelegtes Bundesförderprogramm aus dem Europäischen Sozialfonds wie das Programm „Netzwerke wirksamer Hilfen für Alleinerziehende“ hat, wenn die Landesregierung am Ende nicht bereit ist, die Erkenntnisse aus diesem vielversprechenden Programm zu evaluieren,
zu bündeln und nach Ablauf der Förderfrist selbst initiativ zu werden: War das Förderprogramm erfolgreich? Haben die im Rahmen des Programms vor Ort aufgebauten arbeitsmarktpolitischen, familienpolitischen und vereinbarkeitsorientierten Netzwerkstrukturen tatsächlich die Alleinerziehenden unterstützen können? Konnten bestehende Angebote durch die aufgebauten Netzwerkstrukturen tatsächlich, wie beabsichtigt, transparenter gestaltet, gebündelt und erweitert werden?
Wenn das zweijährige Förderprogramm Erfolge aufweisen konnte, wäre es dann nicht sinnvoll, dass die Landesregierung selbst Fördermaßnahmen auf den Weg bringt und die begonnenen Maßnahmen zugunsten der Alleinerziehenden fortführt? Wir wissen es nicht. Es scheint die Landesregierung auch nicht zu interessieren.
Das ist ein Teufelskreis für Alleinerziehende, die offensichtlich nicht auf eine arbeitsmarktintegrative Unterstützung durch die Landesregierung hoffen dürfen.
Positiv hervorzuheben ist die auf Bundesebene durch das Familienministerium durchgesetzte Steuerentlastung für Alleinerziehende. Aber hiervon können bekanntermaßen nur die Alleinerziehenden profitieren, die über Erwerbseinkommen verfügen.
Ein weiteres Problemfeld für Einelternfamilien sind die Bezugsdauer und die Höhe von Unterhaltsvorschussleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Kinder, die bei nur einem Elternteil leben und von dem anderen Elternteil keine bzw. unregelmäßige Unterhaltszahlungen erhalten, haben für die Dauer von 72 Monaten, höchstens jedoch bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen.
Im Übrigen wird das Kindergeld in voller Höhe auf den Unterhaltsvorschussanspruch angerechnet, obwohl es bei der Anspruchsberechnung unmittelbar gegenüber dem anderen Elternteil nur hälftige Anrechnung findet. Es stellt sich die Frage, weshalb sich die finanziellen Bedarfe der Kinder, die mit deren steigendem Alter wachsen und auch eine entsprechende Berücksichtigung in der Düsseldorfer Tabelle finden, nicht im Unterhaltsvorschussrecht widerspiegeln.
Kinder aus Einelternfamilien müssen auch über ihr zwölftes Lebensjahr hinaus finanziert werden und haben Anspruch auf Unterhalt. Wenn der andere Elternteil nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig ist, muss eben die Unterhaltsvorschussstelle dieser Verantwortung gegenüber dem minderjährigen Kind gerecht werden und versuchen, sich das Geld bei dem anderen Elternteil zurückzuholen.
Hier sind – zumindest in einem ersten Schritt – die Anhebung der Altersgrenze auf die Vollendung des 14. Lebensjahrs, die Verlängerung der Höchstbezugsdauer von 72 Monaten und die Durchsetzung der nur hälftigen Anrechnung des Kindergelds erforderlich. Kinder aus Einelternfamilien, die ihren Unterhaltsvorschussanspruch bereits voll
ausgeschöpft haben und keinen Barunterhalt mehr beziehen, verlieren eine für die Verbesserung ihrer Lebenslage und für ihre Förderung effiziente finanzielle Unterstützung und sind gegenüber anderen Kindern ganz klar sozial benachteiligt.
Selbstverständlich handelt es sich bei dem Unterhaltsvorschussgesetz um ein Bundesgesetz. Jedoch werden Unterhaltsvorschussleistungen zu zwei Dritteln aus Landesmitteln und nur zu einem Drittel aus Bundesmitteln finanziert. Dies bedeutet, dass es sehr wohl in der länderpolitischen Verantwortung liegt, aktiv zu werden und im Rahmen einer Bundesratsinitiative eine entsprechende Änderung des Gesetzes zu initiieren. Auf diese Verantwortung der Länder haben die Regierungsfraktionen im Bund bereits hingewiesen.
Bemerkenswert an der Beantwortung der Großen Anfrage ist weiterhin, dass die Landesregierung offensichtlich keinerlei Informationen und Erkenntnisse über die Wohnsituation und über Probleme von Alleinerziehenden auf dem Wohnungsmarkt hat. Spezielle Projekte für die Verbesserung der Wohnsituation der Einelternfamilien gibt es in Hessen nicht. Auch hier werden die Alleinerziehenden durch die Landesregierung im wahrsten Sinne des Wortes alleingelassen.
Meine Damen und Herren, Einelternfamilien sind vollwertige Familien und auch als solche zu behandeln. Alleinerziehende leisten und schultern einiges allein und müssen doch immer wieder zurückstecken. Sie müssen tagtäglich mit den bereits genannten Problemen und Barrieren umgehen. Sie sind darüber hinaus immer wieder Stigmatisierungen ausgesetzt.
Sie müssen sich rechtfertigen, wenn das Kind schlechte Noten hat; es wird ihnen nämlich schnell Überforderung vorgeworfen. Sie müssen sich rechtfertigen, wenn sie arbeiten gehen; es wird ihnen nämlich die Vernachlässigung des Kindes vorgeworfen. Sie müssen sich rechtfertigen, wenn sie Sozialleistungen beziehen; es wird ihnen nämlich Faulheit vorgeworfen. Lassen Sie mich Ihnen als Familienrechtlerin mitteilen, dass es viele Frauen gibt, die den Weg der Trennung vom anderen Elternteil nicht wagen, da sie Angst vor genau diesen Problemen haben, die ihnen als Alleinstehende bevorstehen.
Für ein Kind ist es allerdings höchst kindeswohlschädlich, in zerrütteten Familienverhältnissen groß zu werden. Die Hessische Landesregierung sollte sich endlich ihrer Verantwortung für Alleinerziehende stellen. – Herzlichen Dank.