Ulrich Müller
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Herr Präsident, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Untersuchungsausschüsse erbringen manchmal Ergebnisse abseits des eigentlichen Untersuchungs themas. Wir haben eine Erkenntnis gewonnen: Die SPD-Land tagsfraktion ist klüger als der SPD-Landesparteitag. Denn die SPD-Fraktion wollte diesen Ausschuss nicht – in der Annah me, es kommt nichts heraus.
Sie hat recht behalten.
Um das gewünschte Ergebnis zu retten, haben Sie bei dem Verfassen Ihres Abschlussberichts einen Romanschriftsteller ans Werk gesetzt. Ich glaube, Baron Münchhausen war das elfte Ausschussmitglied.
Entschuldigung, Sie wollten Wahlkampf. Den bekommen Sie.
Wie hätte eigentlich eine Beweisaufnahme ablaufen müssen, damit ein anderes Ergebnis herausgekommen wäre als das, was Sie sich von vornherein vorgenommen hatten? Wenn al le Zeugen nicht nur nicht belegen, sondern widerlegen, was Sie als Ergebnis vorher und nachher hatten, was hätte dann ei gentlich geschehen müssen?
Sie bezichtigen damit alle Zeugen der Unwahrhaftigkeit, und Sie bezichtigen die Polizei, als Büttel der Politik tätig gewe sen zu sein, was natürlich nicht der Fall ist.
Denn die Polizei war von vornherein in das Geschehen ein bezogen in dem Sinn, dass ab Frühsommer klar war, dass sie einen rechtswidrigen Zustand im Schlossgarten wird beseiti gen müssen. Sie war nicht deswegen im Schlossgarten, weil sie geschickt worden ist. Vielmehr hatte sie einen Auftrag zu erfüllen. Sie hatte das Recht gegenüber einer rechtswidrigen Blockade durchzusetzen. Das war der eigentliche Grund.
Ihre These, Ihre Ausgangs- und Ihre Schlussthese, ist nicht nur nicht belegt, sondern sie ist widerlegt.
Deswegen haben Sie Ihre Behauptung auch modifiziert. Sie haben zunächst davon gesprochen, dass es hier um eine un zulässige Einflussnahme gehe. Dann haben Sie gesagt, es sei ein allgemeines Klima geschaffen worden. Zum Schluss ha ben Sie gesagt: „Nein, der Fehler bestand eigentlich darin, dass man nicht interveniert hat.“ Meine Damen und Herren, was denn jetzt, bitte schön?
Jeder dieser Vorwürfe ist falsch. Aber alle drei sind noch da zu untereinander widersprüchlich.
Deswegen kann ich nur sagen: Wenn dieser Untersuchungs ausschuss ein Biathlonwettbewerb wäre, dann müsste man sa gen: Schlecht gelaufen und zum Schluss nicht ins Schwarze getroffen.
Das sieht man übrigens auch daran, dass dies ein Ausschuss war mit einer unglaublichen Diskrepanz zwischen dem eigent lichen Untersuchungsauftrag, dem Ablauf des Untersuchungs ausschusses und dem, was Sie zum Schluss in einer, wie ge
sagt, bemerkenswerten literarischen Ausarbeitung dazu fest gestellt haben.
Sie sollten Beweiswürdigungen vornehmen und keine Krimi nalromane schreiben.
Meine Damen und Herren, wenn wir feststellen, dass es keine politische Einflussnahme gege ben habe, dann ist das keine Distanzierung von der Polizei. Vielmehr hat die Politik das Recht und die Pflicht, sich auch zu informieren. Sie will zum Zweiten sehen, wie der Einsatz abläuft. Sie respektiert, was aus polizeifachlicher Sicht dazu gesagt worden ist – einmal unabhängig davon, ob der Einsatz insgesamt gelungen ist. Die Politik sagt ferner ein klares Ja zu der Notwendigkeit dieses Einsatzes. Was hätte die Politik denn anderes tun sollen? Hätte sie die Polizei im Regen ste hen lassen sollen? Oder hätte sie etwa dem Druck der Straße nachgeben und sagen sollen: „Da findet nichts statt“?
Das kann es wohl nicht sein.
Deswegen: Regierung und Mehrheitsfraktionen stehen hinter der Polizei und hinter dem Auftrag. Unsere Polizei darf nicht verunsichert werden. Es ist auch ein wichtiges Signal, das wir gegenüber der Öffentlichkeit deutlich machen müssen: Die Polizei greift nicht den Bürger an, sondern sie verteidigt das Recht.
Klatscht nicht so lange, sonst läuft mir die Zeit davon.
Nun sind Fehler passiert. Die Fehler sind beispielsweise von Herrn Stumpf von seiner ersten Vernehmung als Zeuge an ge nannt worden. Er hat seine Ausführungen mit dem Satz be gonnen: „Der Einsatz ist anders gelaufen als geplant.“ Es wa ren keine politischen Fehler, es waren keine rechtlichen Feh ler. Es waren polizeifachliche, es waren handwerkliche Feh ler. Es waren Fehleinschätzungen und Organisationsmängel. Das kann man wohl feststellen.
Das stört die Polizei selbst. Es gab polizeifachliche Fehler, in der Tat. Das hat die Polizei von sich aus gesagt,
und das stört sie selbst am allermeisten. Was macht sie? Sie ist fähig zur Selbstkritik.
Sie wird eine Nachbearbeitung vornehmen. Übrigens haben wir – nicht Sie – diese Nachbearbeitung in unserer Beschluss empfehlung gefordert. Wir meinen, dass dabei auch externer Rat und Experten von außen hinzugezogen werden sollten.
Wir sind es auch, die gewünscht haben, dass das Ergebnis die ser Selbstüberprüfung durch die Polizei auch dem Landtag vorgelegt wird.
Jetzt gibt es einen kleinen Unterschied zwischen uns. Sie wol len Köpfe rollen lassen,
und wir wollen ein Ergebnis in der Sache.
Die Rücktrittsforderung gegenüber Herrn Polizeipräsident Stumpf ist nicht nur in der Sache falsch, sondern sie ist auch ein verheerendes Signal an die Polizei insgesamt.
Wohin sind wir gekommen – vielleicht sollte ich auch fragen: wohin ist die SPD gekommen? –,
wenn eine Polizeigewerkschaft einen führenden Repräsentan ten der Polizei vor der SPD in Schutz nehmen muss?
Aber, meine Damen und Herren von der SPD, ich muss Ihnen eines sagen: Wer mit den Grünen ins Bett geht, kann morgens nicht mit der Polizei frühstücken.
Sie verlassen Ihre Prinzipien, Sie verlassen Ihre Wählerschaft. Sie waren einmal für Stuttgart 21. Mittlerweile sagen noch ge nau 6 % der Bevölkerung, dass die Position, die Sie in Sachen
Stuttgart 21 vertreten, auch ihre Position sei – 6 %! Sie haben – auch in diesem Ausschuss – an der Seite der Grünen eine Selbstmarginalisierung betrieben, und das ist das Ergebnis.
Die Polizei hat insgesamt rechtmäßig gehandelt.
Es kann nicht sein, dass das Baurecht dem Faustrecht weicht.
Hier lag das Problem. Wer etwas anderes sagt, der verwech selt Ursache und Wirkung.
Angesichts des massiven, des organisierten, des hoch moti vierten und des rechtswidrigen Widerstands war das Verhal ten der Polizei insgesamt verhältnismäßig. Es ist schon be merkenswert, welches Selbstverständnis die Blockierer hat ten:
ein selbst geschaffenes Recht, eine eigens geschaffene Defi nition, was man als Gewalt ansieht, eine ungewöhnliche Ag gressivität und das Gefühl der moralischen Überlegenheit. Meine Damen und Herren, wenn wir dem entgegentreten, dann tun wir das nicht nur in unserem Interesse, sondern auch im Interesse unseres Landes.
Ich will es einmal ganz exakt sagen: Herr von Herrmann, den wir vernommen haben, hat sich in eine bemerkenswerte Tra dition gestellt. Er sprach von Gandhi, aber wir sind kein ko lonialistischer Staat. Er sprach von Martin Luther King, aber wir sind nicht rassistisch. Er sprach von den Montagsdemons trationen, aber wir sind keine Diktatur, sondern wir sind eine parlamentarische, rechtsstaatliche Demokratie, die das De monstrationsrecht auch derjenigen verteidigt, die eine andere Auffassung vertreten als wir.
Demonstrationsrecht ja, Widerstandsrecht nein. Das muss klar sein. Dazu brauchen wir Konsens in diesem Haus, nicht nur wegen des 30. September, sondern auch im Blick auf das, was in Zukunft noch vor uns steht: ein 7-Milliarden-€-Projekt und viele andere Maßnahmen in diesem Land. In diesem Land geht nichts mehr, wenn das Faustrecht herrscht.
Wenn unser Ministerpräsident und viele andere gesagt haben, die Bilder des 30. September dürften sich nicht wiederholen,
dann kann man dies nur unterstreichen und muss sagen: Die Bilder dürfen sich vor allem deswegen nicht wiederholen, weil es eine Selbstverständlichkeit sein muss, dass ein Bauarbei ter in Deutschland ohne Polizeischutz arbeiten kann.
Die Moral haben nicht die Blockierer auf ihrer Seite, sondern diejenigen, die das Recht auf ihrer Seite haben. Dabei diffe renzieren wir.
Im Rahmen des Dialogforums machen wir ein Gesprächsan gebot an diejenigen – gerade am gestrigen Tag ist das gesche hen –, die etwas verbessern wollen, die sachliche Kritik ha ben und die die Dinge besser machen wollen.
Wir nehmen hin, dass es Demonstrationen gegen dieses Pro jekt gibt.
Ja. Wir nehmen das aus rechtlichen Gründen hin. Wir res pektieren das, aber wir teilen das nicht.
Auch Sie würden vieles nicht hinnehmen. Wenn wir in ir gendeiner Frage einer anderen Auffassung sind, dann nehmen Sie das hoffentlich hin. Das darf man doch noch sagen.
Aber wir lehnen ab, dass es daneben eine Art von selbst ge schaffenem Recht, ein Widerstandsrecht und ein Blockade recht gibt. Das werden wir bekämpfen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen Deeskalation aus Re spekt vor dem Recht, vor den Mehrheitsentscheidungen, z. B. auch dieses Hauses, und im Interesse des inneren Friedens, der Vernunft und eines zivilisierten Umgangs. Dazu haben al le Verantwortung und Veranlassung. Deeskalation ist vor al lem eine Sache derjenigen, die Eskalation betrieben haben.
Den Demonstranten geht es ja auch um die Ablösung der Lan desregierung und der Regierungsmehrheit am 27. März.
Darum geht es legitimerweise auch Ihnen. Das bestreite ich logischerweise gar nicht. Aber in dieser Situation müssen Sie sich schon überlegen: Mit wem machen Sie sich gemein? Ha ben Sie unter Umständen nicht die falschen Freunde?
Denn immerhin muss man daran denken: Die SPD ist eigent lich für Stuttgart 21. Herr Kretschmann sagt über das Ergeb nis von Geißler: 95 % sind von uns. Dann können Sie dem Protest eigentlich schlecht noch die Hand reichen.
Meine Damen und Herren, noch einige Bemerkungen zu den Grünen. Das muss jetzt doch noch sein. Die SPD war schon dran. Jetzt noch etwas zu den Grünen.
Sie haben den Protest angeheizt. Sie profitieren von ihm. Das haben wir gesehen. Sie haben ihn verherrlicht. Sie haben ihm in diesem Untersuchungsausschuss eine Tribüne geliefert, ob wohl dies eigentlich gar nichts mit dem Untersuchungsgegen stand zu tun hatte. Sie sind wie die Zauberlehrlinge, die die Geister nicht mehr loswerden, die sie gerufen haben.
Es muss einen Grundkonsens geben, meine Damen und Her ren, den ich einmal in folgende Worte fassen will:
Ich unterstütze keine Bauplatzbesetzung... Ziviler Unge horsam muss immer symbolischer Natur sein... Blocka den und Bauplatzbesetzungen seien nicht zu rechtfertigen. Wer sich daran beteilige, müsse auch die Folgen seines zivilen Ungehorsams tragen.
Das sind Sätze, auf die sich doch alle verständigen könnten, vor allem deswegen, weil sie – man höre und staune – von Winfried Kretschmann stammen. Kaum zu glauben!
Sie stammen aus einem Artikel der „Badischen Zeitung“ vom 19. Januar 2011. Hervorragend! Ich stimme dem zu.
Das war so schön. Ich stimme dem zu.
Nicht zustimmen kann ich jedoch dem doppelten Spiel inso fern, als wir hier auf der einen Seite den Staatsmann haben, auf der anderen Seite aber gezündelt wird.
Meine Damen und Herren von den Grünen, ich will Ihnen ein mal Folgendes sagen: Wer monatelang in Stuttgart zündelt, der eignet sich nicht zum Landesbranddirektor.
Das, was Kretschmann kritisiert, ist bei Herrn Sckerl gelebte Demonstrationskultur. Die Arbeit dieses Hauses als einer In
stitution der repräsentativen Demokratie wird als Arbeit in ei ner Staatsform angesehen, die „restlos verbraucht“ sei.
Wenn ein Vertreter der Justiz irgendetwas tut, was einem Mit glied dieses Hauses nicht gefällt, dann soll er ausgewechselt werden. Meine Damen und Herren von den Grünen, Sie ha ben ein Problem mit dem Rechtsstaat und der Demokratie.
Wir akzeptieren das doppelte Spiel nicht. Sie müssen sich un tereinander einigen, was Sie eigentlich wollen.
Die Schlussbemerkung ist ganz einfach: Dieser Untersu chungsausschuss ist in die Mühlen des Wahlkampfs geraten. Sie haben diesen Untersuchungsausschuss missbraucht, ob wohl er die schärfste und beste Waffe der Opposition ist. Ich bedaure das vor allem deswegen, weil Sie als Opposition auf dieses Instrument auch in der nächsten Legislaturperiode viel leicht noch angewiesen sein werden.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren Kollegen! Ich frage die Landesre gierung:
a) Stellt das Wirtschaftsministerium Überlegungen an, durch
eine Gesetzesänderung wesentliche bauliche Änderungen oder Ersatzbauten unter den Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB zuzulassen?
b) Befürwortet das Wirtschaftsministerium Überlegungen,
durch eine Gesetzesänderung auf das Erfordernis der seit herigen längeren Selbstnutzung und des künftigen Eigen bedarfs zu verzichten (vgl. § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB)?
Herr Kollege Schmiedel, Sie ha ben das Interview mit Herrn Polizeipräsident Stumpf genannt und sagen, da hätte sich etwas geändert, also müsse das auf politischer Intervention beruhen. Könnte es auch sein – ich drücke mich sehr vorsichtig aus –, dass sich die polizeiliche Lage in der Zwischenzeit vielleicht geändert hat?
Frau Präsidentin, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Das ist der letzte Tagesordnungs punkt, zu dem gesprochen wird. Bevor sich der Saal leert, möchte ich ankündigen, dass ich im zweiten Teil meiner Re de an einem konkreten Beispiel, nämlich dem Integrierten Rheinprogramm, genau auf den soeben abgehandelten Tages ordnungspunkt noch einmal exemplarisch eingehe. Zwischen diesen Punkten gibt es nämlich einen Zusammenhang. Viel leicht interessiert Sie dadurch das, was ich jetzt sagen will, noch etwas stärker.
Zunächst, meine Damen und Herren, konzentriere ich mich auf das Integrierte Rheinprogramm und verzichte auf Ausfüh rungen zur Wasserrahmenrichtlinie. Es ist ein bemerkenswer
ter Tatbestand, dass der Rechnungshof bei einer nicht unwe sentlichen Ausgabe des Landes nicht für Sparsamkeit plädiert, sondern uns vorrechnet, wie viel Geld wir in der Zukunft aus zugeben hätten. Das kommt nicht alle Tage vor. Er plädiert hier für ein bestimmtes Maß von Ausgaben; ich komme dar auf zu sprechen. Das spricht aus seiner Sicht und, wie ich weiß, aus der Sicht des ganzen Hauses für die Dringlichkeit und die Unabweisbarkeit der Ausgaben zugunsten des Integ rierten Rheinprogramms, eines gigantischen Hochwasser schutzprojekts in Milliarden-Größenordnung.
Wir mussten dann in den Vorberatungen, bis die Unterlage jetzt ins Plenum gekommen ist, etwas einfügen, was eigent lich eine Selbstverständlichkeit ist; wir mussten diese Aufga be nämlich bei aller Unabweisbarkeit der Ausgaben unter den Finanzierungsvorbehalt und den Vorbehalt der Einbettung in den Gesamthaushalt stellen. Wir können keine Ausgabe abso lut setzen, und auch bei einer Aufgabe, die wir als sehr wich tig ansehen, können wir nicht sagen: Unbedingt und unter al len Umständen wird es dafür so und so viel Geld geben.
Wir streben aber an – vermutlich auch das in Übereinstim mung mit allen Fraktionen –, die Ausgaben in der vom Rech nungshof vorgeschlagenen Höhe tatsächlich in den nächsten Doppelhaushalt einzustellen. Insofern sind wir dem Rech nungshof, der normalerweise darauf angelegt ist, auf die Sen kung der Ausgaben hinzuwirken, dankbar für das, was er uns ins Stammbuch geschrieben hat.
Wo stehen wir? Wir haben 40 % der nationalen und interna tionalen Verpflichtungen beim Integrierten Rheinprogramm erfüllt, und wir werden bis 2028 pro Jahr ungefähr 25 Milli onen € allein für das IRP ausgeben müssen; dieser Zeitraum ist bereits 13 Jahre länger als der, den wir uns eigentlich vor genommen hatten. Ursprünglich wollten wir bis zum Jahr 2015 mit dem Programm fertig sein.
Wenn man es unter praktischen und finanziellen Gesichts punkten sieht, kann man noch mehrere Komponenten dazu nehmen. Erschwerend kommt möglicherweise ein Klimazu schlag hinzu. Man muss in der Zukunft mit dramatischeren Hochwassern rechnen, als das bisher der Fall war.
Umgekehrt können wir sagen, dass der Hochwasserschutz in der Fläche, der gut vorangekommen ist, vielleicht ein Stück weit auch eine Entlastung der Hochwassersituation am Rhein bringt. Das heißt, was in den Nebenflüssen zurückgehalten wird, kann zu diesem Zeitpunkt schon einmal nicht im Rhein landen.
Wir können unter finanziellen Gesichtspunkten auch feststel len: Bislang ist das Integrierte Rheinprogramm in seinem Fort kommen nicht an mangelnden finanziellen Mitteln geschei tert.
Aber wir wollen ja Planfeststellungsbeschlüsse produzieren. Da kann schon sehr bald der Zeitpunkt eintreten, an dem es bei der Finanzierung klemmt. In der Zukunft kann es also ein Problem geben.
Wir wissen auch, dass wir neben der Ausweitung des Reten tionsvolumens erstens natürlich Dammsanierungen im Rhein gebiet durchführen müssen und zweitens auch an anderen Ge wässern I. Ordnung noch etwas zu tun haben. Insofern sind die 25 Millionen € jährlich rein für die Erhöhung des Reten tionsvolumens erforderlich. Wir haben also ein differenzier tes Bild. Die 25 Millionen € jährlich allein dafür sind die Un tergrenze dessen, was wir brauchen werden.
Warum ist die ganze Geschichte so dringlich? Sie ist es nicht nur wegen der internationalen Vereinbarung, obwohl schon allein das für ein Bundesland, das zusammen mit anderen Bundesländern eine Vereinbarung mit Frankreich geschlossen hat, ein guter Grund wäre. Vielmehr geht es vor allem ganz handfest um den Schutz unserer Bürger, und es geht um eine klassische politische Aufgabe.
Jetzt komme ich schon zu dem Aspekt, den ich vorhin ange kündigt habe: Es geht nämlich um den Lastenausgleich. An der einen Stelle muss eine Last getragen werden, damit an ei ner anderen Stelle eine Entlastung stattfindet. Man kann das in Bezug auf das Integrierte Rheinprogramm an einem Punkt festmachen: Das ist die Staustufe Iffezheim. Oberhalb der Staustufe muss etwas getan werden, damit unterhalb der Stau stufe der Bürger geschützt wird. So einfach ist eigentlich die Situation.
Vor diesem Hintergrund sind die Verzögerungen, die sich durch viele, viele Einsprüche, durch Proteste, durch Befürch tungen, auch durch Emotionen im Laufe der Jahre ergeben ha ben,
auch ein Grund dafür, dass sich die Dinge in die Länge gezo gen haben. Sie sind auch ein Grund dafür, dass die Dinge teu rer geworden sind.
Frau Dr. Splett, ich würde sagen, es wäre gut, wenn Sie und viele andere auch einmal vor Ort für etwas hinstehen würden.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie zäh die Verfahren lau fen.
Herr Fleischer hat nichts verzögert.
Vielmehr waren unheimlich viele Kräfte vor Ort, die uns da Schwierigkeiten machen.
Deswegen will ich jetzt einfach einmal sagen: Wir brauchen nicht nur den Konsens im Parlament, nicht nur einen Konsens
hinsichtlich der Finanzierung. Vielmehr brauchen wir auch ei nen Konsens vor Ort, dass sich diejenigen, die sich zum Inte grierten Rheinprogramm bekennen – das sind alle vier Frak tionen –, auch wenn die Luft bleihaltig wird, hinstellen und sagen: Wir haben hier eine komplizierte Geschichte. Wir ha ben eine differenzierte, eine belastende Situation. Es gibt in der Tat den Effekt, dass die einen zugunsten der anderen eine Last tragen müssen. Genau dafür haben wir dann einzustehen.
Auch vor diesem Hintergrund finde ich es deplatziert, wenn Sie, Herr Kollege Sckerl, davon sprechen, dass die repräsen tative Demokratie restlos überholt sei. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Ich komme gern zum Ende.
Genau das Gegenteil ist der Fall: Das Integrierte Rheinpro gramm ist ein klassisches Beispiel dafür, dass man im Inter esse eines größeren Zusammenhangs gelegentlich auch gegen örtlichen Widerstand etwas durchsetzen muss. Es gibt einen schönen Spruch dazu, der heißt: Wer den Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen.
Genau diese Situation haben wir. Das heißt aber nicht, dass wir ein autoritäres Staatsverständnis hätten, dass wir mit der Dampfwalze alles niederwalzen würden. Vielmehr sind wir mit unglaublichem Aufwand, der schon zu Verzögerungen im Umfang von Jahrzehnten geführt hat, auf Bedenken und Ein wände der Bürger eingegangen. Aber wir können nicht davon ausgehen, dass wir die Betroffenen einfach fragen können und damit die Probleme gelöst wären. Wir würden dadurch die Probleme verschärfen. Wir haben eine Gesamtverantwortung, und dieser Gesamtverantwortung haben wir uns zu stellen, hier und vor Ort.
Dazu möchte ich alle aufrufen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass Rot-Grün sich durch den Ausgang der Bundestagswahl um die Früchte seiner Arbeit gebracht fühlt,
kann man verstehen. Dass Sie frustriert sind, kann man auch verstehen.
Damit hört das Verständnis allerdings auch schon auf.
Für mich ist das Erste, was unverständlich ist, dass Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, diese Debatte unter dem Stichwort: „Risiken der Laufzeitverlängerung für BadenWürttemberg“ führen.
Ich erinnere einmal daran, dass der Vertrag, der sogenannte Atomkonsens zwischen Rot-Grün und den Energieversorgern, seinerzeit ausdrücklich nicht aufgrund von Sicherheitsproblemen geschlossen worden ist, sondern zur Beendigung politischer Streitfragen und deshalb, weil man gesagt hat, man wolle einen ungestörten Betrieb. Der Staat versprach damit also etwas, was er sowieso zu erbringen hat, nämlich dass er nach Recht und Gesetz handelt. Das war das Motiv. Hätte es damals ein Sicherheitsproblem gegeben, dann hätte man nicht Laufzeiten vereinbaren können, sondern dann hätte man abschalten müssen.
Jetzt ist die Situation eine andere. Ich würde Ihnen empfehlen: Instrumentalisieren Sie Sicherheitsfragen nicht, und versuchen Sie nicht, die Bevölkerung wieder mit Angstparolen zu erschrecken.
Denn schon bisher war es so, meine Damen und Herren, dass Sie gerade in zwei zentralen Fragen die Sicherheitsaspekte instrumentalisiert haben, ohne sie zu lösen. Das gilt erstens für die Endlagerfrage. Sie haben sich in dieser Vereinbarung – –
Und wer war zehn Jahre lang Bundesumweltminister? Wie schaut es aus?
Vielleicht hätte der Bundesumweltminister auch etwas dazu beitragen können.
Zur Endlagerfrage: Sie haben sich in diesem sogenannten Atomkonsens eine zehnjährige Auszeit gegönnt. Wahrscheinlich haben Sie ungefähr eingeschätzt, wie die Wahlen 2009/2010 ausgehen.
In dieser Zeit ist zur Lösung der Endlagerfrage substanziell nichts geschehen.
Was geschehen ist, war, dass es in Baden-Württemberg Zwischenlager vor Ort mit einer Laufzeit von 40 Jahren gegeben hat. Sie beklagen ein Problem, das Sie in der Argumentation gegenüber den Vertretern der Kernkraft brauchen. Wir werden dieses Problem lösen.
Wir sind mit dem Problem noch nicht am Ende. Aber so, wie wir uns in den vergangenen Jahren dem Problem genähert haben,
werden wir es auch in der Zukunft lösen.
Zweites Stichwort: durch Terroristen herbeigeführte Flugzeugabstürze. Auch da muss man sagen: Wenn das aus der Sicht von Trittin und Gabriel ein ernsthaftes Problem gewesen wäre, hätten sie handeln müssen. Sie haben nicht gehandelt.
Es ist doch einigermaßen unwahrscheinlich, dass sich die Gefährdung durch Terroristen genau seit dem 27. September erhöht hat. Es ist auch unwahrscheinlich, dass ein neuer Minis ter ein erhöhtes Problem in dieser Hinsicht darstellen würde. Wir haben die Bereitschaft, auch dieses Problem anzugehen.
Jetzt lassen Sie mich, wenn wir gerade von Ministern und anderen Politikern sprechen, auch noch ein aktuelles Wort zum bisherigen Umweltminister und künftigen SPD-Vorsitzenden Gabriel sagen. Der künftige SPD-Vorsitzende hat im Bundestagswahlkampf mehr oder weniger redlich –
ich sage einmal: eher weniger redlich; aber das nur am Rande – den Ausgang dieser Wahl dadurch zu beeinflussen versucht, dass er aus dem Wahlkampf eine Atomdebatte gemacht hat, dass dies auch ein „Atomwahlkampf“ war.
Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben diesen Bundestagswahlkampf auch zu einem Plebiszit über die Kernkraft gemacht.
Wir haben unsere Position seit Jahren und bis in die letzten Tage dieses Wahlkampfs hinein klar und offen ausgesprochen. Der Bürger hat entschieden, und das Ergebnis ist bekannt. Deswegen bestreiten Sie uns nicht die Legitimität, eine andere Politik zu machen als diejenige, die Sie bisher gemacht haben.
Wir haben das Mandat, jetzt zu handeln und auch mit den Ener gieversorgern zu verhandeln. Wir werden das nicht so machen, wie es seinerzeit war, mit politischem Druck – Stichwort „ungestörter Betrieb“ –, sondern wir werden das fair und sach orientiert machen.
Dem seinerzeitigen Vertrag hat die Legitimität gefehlt, unserer Politik fehlt sie nicht. Wir haben das Mandat. Wir verhandeln neu, zukunftsgerichtet, sicherheitsorientiert, energiepolitisch vernünftig und ökologisch verantwortlich.
Wenn ich „wir“ sage, dann bezieht sich das auf Baden-Würt temberg,
auf diese Landesregierung ganz speziell. Denn wir waren diejenigen, die in das Bundestagswahlprogramm der CDU den Gedanken gebracht haben, dass Mehrerlöse durch Laufzeitverlängerung zu einem erheblichen Teil in ökologisch fortschrittliche Energiepolitik gesteckt werden sollen.
In unserem Land befinden sich die sichersten Kernkraftwerke. Es ist schon ein Treppenwitz, dass gerade das Kernkraftwerk, das als Nächstes – konkret im nächsten Frühjahr – zur Abschaltung angestanden hätte, nämlich Neckarwestheim I, durch die Internationale Atomenergie-Organisation mit der OSART-Mission ein glänzendes Zeugnis ausgestellt bekommen hat.
Daran wollen wir festhalten. In unserem Land ist natürlich der Anteil der Kernkraft an der Stromproduktion mit 50 % besonders hoch. Deswegen sind wir von diesem Thema besonders betroffen.
Unsere Kurskorrektur ist jetzt in der Koalitionsvereinbarung durchzusetzen.
Nach dem, was ich heute früh gehört habe, vertraue ich auf die FDP Baden-Württemberg, dass dort die Dinge wieder gerichtet werden.
Wir werden anschließend mit den Energieversorgern verhandeln. Wir sind noch ganz am Anfang des Prozesses. Der Prozess ist zehn Tage alt, aber Ihre Kritik ist schon fertig: Erstens: Wir würden uns nicht durchsetzen. Zweitens: Wir würden den Energieversorgern Geld in den Rachen schmeißen. Und drittens: Wir würden den Ausbau der regenerativen Energien durch die Laufzeitverlängerung behindern.
Lassen Sie mich dazu abschließend drei Dinge sagen. Zu der Frage, wie weit wir uns durchsetzen, sage ich einfach: Warten Sie es ab.
Warten Sie es ab. Unkenrufe gehören in den Krötenteich und nicht in den Plenarsaal.
Füttern wir die Energieversorgungsunternehmen? Wenn jetzt, meine Damen und Herren, von hohen Milliardengewinnen die Rede ist – es war ja von 18 Milliarden € allein bei der EnBW die Rede –, dann will ich zunächst einmal nur sagen: Je höher Sie die Summe schrauben, desto deutlicher und größer wird der Schaden, den Sie angerichtet hätten, wenn Ihre Politik fortgesetzt worden wäre.
Ja, so ist es. – Aber die 18 Milliarden € stimmen aus zwei Gründen nicht: Erstens: Wir sagen: Solange es technisch verantwortbar und sicherheitsmäßig verantwortbar ist, sollen die Kernkraftwerke weiterlaufen. Das heißt aber andererseits: Gleichzeitig gibt es die permanente Aufgabe der Nachrüstung, so wie es auch in der Vergangenheit schon der Fall war. In Neckarwestheim ist beispielsweise im Wege der Nachrüstung mehr Geld hineingesteckt worden als seinerzeit beim Bau. Das wird auch in Zukunft so sein. Wir lassen diese Kernkraftwerke nicht einfach laufen. Bei uns gibt es keinen Sicherheitsrabatt, und wenn es keinen Rabatt gibt, dann kostet es Geld, und wenn es Geld kostet, dann vermindert das natürlich die theoretischen Gewinne, die man hätte, wenn man nicht nachrüsten würde.
Wir haben den Ehrgeiz, dass die sichersten Kernkraftwerke der Welt nach wie vor in Baden-Württemberg stehen, und wir werden uns in der Sicherheitsforschung und auch in der internationalen Sicherheitsdebatte zurückmelden.
Zum Zweiten: Wir schöpfen einen beträchtlichen Teil der dann noch verbleibenden Gewinne ab, und zwar für einen überbetrieblichen, außerbetrieblichen Fonds zum Zweck der Energieforschung und der Energieanwendung und im Bereich des Umweltschutzes, ob es die Batterieforschung ist, ob es die Einspartechnologien sind oder ob es die Förderung regenerativer Energien ist.
Auch mir ist das Wort vom Obolus aufgefallen. So billig wird es nicht. Das kann ich schon heute mit Sicherheit voraussagen. Ich weiß jetzt nicht, wie der Begriff Obolus zu verstehen war, aber falls er im Sinn des von Ihnen zitierten Dudeneintrags gemeint sein sollte: So billig wird es nicht.
Bleibt, meine Damen und Herren, der Einwand, dass die Verlängerung der Laufzeiten die regenerativen Energien verdränge. Da will ich zunächst einmal sagen: Wenn es so gewesen wäre, dann hätte sich das ja eigentlich schon in den letzten zehn Jahren zeigen müssen. Denn wir hatten das Nebeneinander von beidem.
Weit gefehlt! Regenerativer Strom ist und bleibt gefördert. Das Ziel, zu dem wir uns gegenüber der Europäischen Union verpflichtet haben, ist unverändert, und regenerativer Strom ist und bleibt privilegiert, was die Einspeisung in das Netz anbelangt. Was wir verhindern, ist der Zubau von Kohlekraftwerken, der nötig würde, wenn wir Kernkraftwerke abschalten würden.
Das heißt ganz einfach: Die Regenerativen sind neben der Kernkraft nicht ohne Chance, sondern sie wären ohne Kernkraft ohne Nutzen
ja –, einfach deswegen, weil wir damit eine Verschlechterung der CO2-Bilanz vermeiden. Die Kombination aus Kernkraft und Regenerativen gegen die Fossilen, das ist die richtige Strategie.
Meine Damen und Herren, wir machen nach der Wahl die Politik, die wir vor der Wahl versprochen haben. Unser Land wird sich dabei in besonderem Maß in die Debatte einbringen. Wir werden Probleme lösen, statt sie nur zu instrumentalisieren und ein politisches Spiel mit ihnen zu betreiben. Wir wollen eine sichere, umweltverträgliche und bezahlbare Stromproduktion, und wir werden für die Umwelt mehr tun, als in den letzten zehn Jahren geschehen ist.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sollten immer diejenigen reden, die etwas zu sagen haben.
Zunächst einmal muss man feststellen: Supranationale Politik hat zunehmend das Problem eines Defizits an demokratischer Legitimation. Das hat das Bundesverfassungsgericht formuliert und festgestellt. Es hat gleichzeitig festgestellt, dass dieses Defizit durch das Europäische Parlament nicht vollständig kompensiert wird.
Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag und dem Bundesrat zusätzliche Rechte zuerkannt, die wir selbst – das müssen wir ganz selbstkritisch sagen – so gar nicht gesehen haben. Wir haben Rechte und – wie Herr Minis ter Reinhart gerade gesagt hat – damit auch Pflichten. Wir sind verpflichtet, uns mit den betreffenden Themen zu befassen, durch Beschlüsse zu handeln und schleichende Kompetenzverlagerungsprozesse nicht einfach laufen zu lassen.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns an unsere Rechte und Pflichten erinnert. Deshalb ist das Urteil nicht europafeindlich, sondern demokratiefreundlich. Dagegen kann man schlechterdings nichts haben.
Es gibt im Übrigen jede Menge guter Gründe für das Handeln der Europäischen Union, und es gibt unstreitige Kompetenzen der Europäischen Union. Es gibt aber auch Fälle, in denen man sich sehr wohl fragen kann, was eine Angelegenheit der Europäischen Union ist und was nicht.
Meine Damen und Herren, Herr Minister, zum geplanten Begleitgesetz will ich nur sagen, dass die vorliegenden Eckpunkte der Länder grundsätzlich unsere Zustimmung finden. Wir halten es auch für richtig, dass so schnell gehandelt wird, obwohl das schon eine relativ heiße Nummer ist. Wir reden hier über grundlegende verfassungsrechtliche Angelegenheiten zwischen der EU und der Bundes- und der Länderebene. Das alles sozusagen in einer Parlamentspause innerhalb von sechs Wochen zu erledigen ist kühn.
Trotzdem: Wir wissen um unsere Verantwortung, und wir wissen, dass die Abstimmung in Irland vor der Tür steht. Deswegen will Deutschland sozusagen keine Vorlage liefern, indem es sich sperrig zeigt. Wir halten das Tempo, in dem hier gehandelt wird, für richtig.
Ich will auf zwei Punkte eingehen, die wir vonseiten der Unionsfraktion für erörterungsbedürftig halten. Der eine ist die Frage: Was machen wir eigentlich im Subsidiaritätskonfliktfall? Das heißt, wenn wir die Subsidiaritätsrüge erheben möchten, ist auch dies eine Frage des Kompetenzkonflikts, für den dann die Regeln gelten sollten, die jetzt im Begleitgesetz zur Anwendung kommen werden. Der zweite Punkt ist in der Tat das Binnenverhältnis zwischen Landesregierung und Landtag.
Zunächst ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klar: Wir brauchen formelle Übertragungsakte, wenn es um das Delegieren von Hoheitsrechten des Bundes oder der Länder geht. Aber was machen wir in dem Fall, in dem sich die Europäische Union ein Recht nimmt und wir glauben, dass sie sich dieses Recht zu Unrecht nimmt? Das ist ja der Fall der Subsidiaritätsrüge. Ich glaube, dass wir in diesem Kompetenzkonflikt dieselben Verfahren, die jetzt im Begleitgesetz formuliert werden, anwenden müssen. Das heißt, es geht nicht nur um ein Klagerecht, das der Bundestag oder der Bundesrat beim Europäischen Gerichtshof hätten, sondern es geht auch darum – damit wird die Schwelle der Möglichkeiten, von unserer Seite aus zu intervenieren, deutlich abgesenkt –, dass wir unsere Zustimmung an Stellen, an denen unsere Zustimmung erforderlich ist, verweigern.
Ich glaube, dass es dazu einen rechtstechnisch guten Platz gibt, nämlich die Vereinbarung zwischen Bundestag und Bundesrat. Wir sollten an der Stelle, an der geregelt wird, wann wir überhaupt diese Prozesse in Gang zu setzen haben, etwas ergänzen. In dieser Vereinbarung heißt es z. B.: Das Verfahren nach dem Begleitgesetz gilt auch schon für Grün- und Weißbücher, also im Vorfeld. So könnte man jetzt zusätzlich sagen: In dem Fall, in dem die Subsidiaritätsrüge etwa vom Bundesrat erhoben wird, ist ein entsprechender positiver Beschluss erforderlich, um diese Subsidiaritätsbedenken überwinden zu können.
Die zweite Bemerkung betrifft das Binnenverhältnis zwischen Landtag und Landesregierung. Ich habe mich darüber gefreut,
Herr Minister, dass Sie die Dinge jetzt gerade etwas parlamentsfreundlicher formuliert haben als in der Stellungnahme zum Antrag des Kollegen Hofelich. Da gab es ein wenig die Philosophie: Es geht um den Bundesrat, und der Bundesrat ist schon das Parlament. Ich möchte aber doch sagen: Der Bundesrat ist zwar ein Bundesorgan, das an der Gesetzgebung des Bundes mitwirkt, aber ob es ein Parlament ist, das kann man schon fragen.
Und Sie schrieben: Wir, die Landesregierung, nehmen die Rechte Baden-Württembergs im Bundesrat wahr.
In Ihrer Rede haben Sie gerade gesagt, in diesen Bundesratsangelegenheiten seien Sie offen für weitere Zuständigkeiten des Landtags gegenüber der Landesregierung. Es geht nicht um andere Bundesratsangelegenheiten, aber um diese.
Denn das Bundesverfassungsgericht hat kein Föderalismusdefizit, sondern ein Demokratiedefizit beklagt. Wenn es jetzt um Gesetzgebungskompetenzen der Länder geht, dann muss der Gesetzgeber in den Ländern – das sind die Landtage – zustimmen. Ich glaube, insofern gibt es im Bundesrat eine Bindung der Landesregierung an das, was im Landtag gesagt wird. Denn die Gesetzgebungskompetenz können wir nicht an die Landesregierung delegieren.
Jawohl. – Übrigens ist auch die Frage zu erörtern – der Bundesrat kann beim Europäischen Gerichtshof die Subsidiaritätsklage erheben –, ob es nicht auch angemessen ist, dass die Landtage beim Bundesverfassungsgericht die Subsidiaritätsklage – bei einer Verletzung des Subsidiaritätsprinzips – entsprechend erheben können sollten, wie das in Fällen der konkurrierenden Gesetzgebung ohnehin der Fall ist.
Insofern glaube ich: Hier gibt es Nachbesserungsbedarf hinsichtlich des Themas Subsidiarität einerseits und beim Binnenverhältnis zwischen Landtag und Landesregierung andererseits.
Insgesamt aber: Das Urteil ist, wie gesagt, nicht europafeindlich, aber es mahnt uns, dass wir uns unserer eigenen Rechte und Pflichten bewusst sind und sie wahrnehmen. Insofern ist dies eine Chance für die Parlamente und damit auch für den Landtag von Baden-Württemberg.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt wird es ein bisschen eng mit den Redezeitminuten, weil unheimlich viel ansteht. Ich will mich auf Leitlinien der Europapolitik der CDU-Landtagsfraktion konzentrieren und mache das jetzt im Stakkato und fast in Form von Überschriften.
Erstens: Wir stärken, begrüßen und unterstützen die Arbeit, die Zuständigkeit und das Handeln der Europäischen Union in der Außen- und der Sicherheitspolitik, der Welthandelspolitik, der Klimaschutzpolitik und der Bekämpfung der Finanzkrise. Ich glaube, dass die EU in all diesen Feldern in den letzten Jahren und in den letzten Monaten ein gutes Bild abgegeben hat.
Zweitens: Wir sind der Auffassung, dass es eine Reihe von großen Aufgaben gibt, die nur im europäischen Maßstab gelöst werden können. Der Wegfall der Grenzen, die Einführung des Euro, eine entsprechende Stabilitätspolitik, eine Antiverschuldenspolitik, der Binnenmarkt und der faire Wettbewerb, die Großforschung und die Energiepolitik sind solche Beispiele. Auch hier begrüßen wir, was in den vergangenen Jahren auf europäischer Ebene geschaffen worden ist, und wollen auf diesem Weg fortfahren.
Drittens: Wir sehen den Gedanken der Freizügigkeit auch nach der Abschaffung der Grenzen noch immer nicht in dem Um
fang erfüllt, in dem wir uns das vorstellen. Deswegen begrüßen wir alles, was geschieht, um den grenzüberschreitenden Verkehr von Jugendlichen und von Arbeitnehmern zu fördern, einen einheitlichen Verbraucherschutz zu erreichen, die Landwirtschaftspolitik zu harmonisieren und ein öffentliches Auftragswesen zu haben, das dem großen Markt Europas gerecht wird. Gerade die Bundesrepublik Deutschland profitiert ja besonders von einem europäischen Markt. Denken wir nur daran, dass 60 % aller Exporte aus Deutschland in den europäischen Raum gehen.
Viertens: Wir begrüßen den Vertrag von Lissabon, weil wir davon ausgehen, dass Europa – jetzt kommen schon die ers ten kritischen Anmerkungen – in Sachen Transparenz, in Sachen Effizienz und in Sachen der demokratischen Legitimation einen Nachholbedarf hat. Wir begrüßen den Vertrag von Lissabon auch, weil hier am Subsidiaritätsprinzip festgehalten werden soll. Auf all diesen Gebieten gibt es Nachholbedarf. Es ist eine Paradoxie, dass die Euroskeptiker in Irland und in Tschechien diesen Vertrag nicht wollen, der genau ihrer Kritik Rechnung tragen würde.
Fünftens: Wir sind der Auffassung, dass man in der Öffentlichkeit deutlich machen muss, dass Deutschland nicht der Zahlmeister Europas ist. Schauen wir einmal an, wie viel wir netto pro Kopf und Jahr in den europäischen Haushalt geben: Das sind ungefähr 80 bis 90 € pro Kopf und Jahr. Vergleichen wir das mit dem, was Baden-Württemberg in den Länderfinanzausgleich gibt: Das sind 200 bis 250 € pro Kopf und Jahr zulasten der Steuerzahler. Ich glaube, diese 80 bis 90 € darf Europa uns wert sein.
Aber wenn wir über das Geld sprechen, muss man dazusagen: Es muss uns auch darum gehen, dass wir die Verwendung der europäischen Gelder entsprechend kontrollieren. Hier gibt es Defizite, übrigens weniger im Landwirtschaftsbereich als im Bereich des Strukturfonds und des Sozialfonds. Wir brauchen mehr Finanzkontrolle. Wir brauchen in vielen Ländern eine bessere Verwaltung, und wir brauchen eine stärkere Korruptionsbekämpfung.
Sechstens: Wir sind der Auffassung, dass die Europäische Union durch die Beitritte von Ländern wie der Türkei oder der Ukraine nicht überfordert werden darf.
Siebtens: Wir lehnen die Vorschläge der Europäischen Union zur Asylpolitik ab, weil sie den Asylkompromiss, der hier glücklicherweise innenpolitisch bundesweit in den Neunzigerjahren gefunden worden ist, wieder unterminieren würden. Wir sind der Landesregierung dankbar, dass sie im Bundesrat zusammen mit anderen unionsregierten Ländern erfolgreich war, während die SPD in dieser Frage eine diffuse Haltung eingenommen hat.
Achtens: Wir sind der Auffassung, dass es Bereiche der Daseinsvorsorge gibt, in denen ein Marktradikalismus fehl am Platze wäre. Es gibt bestimmte deutsche Traditionen, die ich nur einmal mit drei Begriffen ausdrücken will: das Sparkassenwesen, das öffentliche Rundfunkwesen und die Wasser
versorgung. Bei denen muss man sagen: Nicht alles, was man in den Markt überführen könnte, ist dort auch richtig aufgehoben.
Neuntens: Wir sind der Auffassung, dass wir insgesamt weniger Regeln, weniger Bürokratie und in denjenigen Bereichen, in denen der europäische Wettbewerb nicht tangiert ist, auch einen größeren nationalen Handlungsspielraum brauchen.
Zehntens: Wir brauchen das Prinzip der Subsidiarität, den Vorrang der kleineren Einheit, bürgernahe Lösungen, sachnahe Lösungen, Lösungen von Vielfalt unter Berücksichtigung der föderalen Ordnung der Bundesrepublik, unter Berücksichtigung der kommunalen Selbstverwaltung.
Ich sage aus aktuellem Anlass dazu: Wir brauchen auch einen Schutz der Verfassungsordnung und der Verfassungsrechtsprechung. Ich spiele damit auf das Verhältnis zwischen dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof an. Wir feiern in diesen Tagen das 60-Jahr-Jubiläum unserer Verfassungsordnung, und wir haben auch gegenüber der Europäischen Union diese Ordnung zu verteidigen.
Was Kompetenzabgrenzung anbelangt, brauchen wir ausdrückliche Kompetenzermächtigungen. Sache von Europa ist es nicht zwingend, wenn einem irgendetwas gefällt, was in Brüssel gesagt wird. Es ist noch keine Kompetenzbegründung, wenn irgendein Problem überall in Europa existiert. Deswegen kann es immer noch eine kommunale Angelegenheit sein, eben dann von europäischen Kommunen. Sache von Europa wird etwas nicht dadurch, dass Europa Geld bietet. Denn einen Einkauf in Zuständigkeiten darf es nicht geben.
Aber Sache von Europa ist es, globale Verantwortung zu übernehmen, den Binnenmarkt zu stärken und die grenzüberschreitenden Probleme zu lösen.
Meine Damen und Herren, die Union versteht sich als eine Partei, als eine politische Richtung, die traditionell europafreundlich ist. Wir wollen ein Europa der Bürger, der Vielfalt, der westlichen Wertegemeinschaft, der weltweiten Verantwortung, der Verteidigung unserer Verfassungsordnung, der Dezentralität. Dazu brauchen wir auch Europa, aber manchmal müssen wir uns gegenüber der Europäischen Union wehren, um diese Prinzipien auch in Zukunft aufrechtzuerhalten.
Den Appell, zur Wahl zu gehen, kann man nur unterstreichen. Damit könnten wir zum Ausdruck bringen, dass die Bürger hinter Europa stehen.
Vielen Dank.
Herr Kollege Kretschmann, unabhängig davon, was man von der Windkraft insgesamt hält, und unabhängig von der Tatsache, dass auch wir klar für Re powering sind, wollte ich nur Folgendes fragen – Sie sprechen von 3,5 bis 4 Milliarden € –: Wie viele Anlagen müssten nach Ihrer Einschätzung in Baden-Württemberg gebaut werden, um auf einen solchen Betrag zu kommen? Und wo könnten diese Anlagen stehen?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit einer Information des Ministerpräsidenten und einer Aussprache des Landtags dazu – nicht mit einer Abstimmung – über ein Thema von landesgeschichtlicher Bedeutung.
In diesen Tagen jährt sich zum 90. Mal das Ende des Ersten Weltkriegs und damit das Ende der Monarchie. Seit dieser Zeit gibt es in Salem ein Schloss, das wie jedes andere Schloss im laufenden Betrieb nur defizitär sein kann. Seit dieser Zeit gibt es Diskussionen und Streit über Kunstgegenstände. Daran haben sich Generationen von Gutachtern, Juristen und Regierungen die Zähne ausgebissen und haben 90 Jahre lang dieses Problem vor sich hergeschoben. Jetzt soll es gelöst werden.
Es war ein allgemeiner Konsens, meine Damen und Herren, dass der Streit beendet werden soll, dass die Kunstgegenstände möglichst weitgehend im Eigentum und in der Verfügung des Landes bleiben sollen, dass das Schloss gesichert wird, dass es als Einheit erhalten bleibt, dass es allgemein zugänglich und auf Dauer in seinem Unterhalt gesichert ist.
Die ursprüngliche Lösung – man muss sich schon noch einmal daran erinnern – ging dahin, dass ein Teil der Kunstgegenstände hätten verkauft werden sollen und mit dem Erlös einerseits ein Ablösebetrag für bisherige Erhaltungsaufwendungen in das Schloss Salem gesteckt worden wäre und zum anderen eine Stiftung hätte gegründet werden sollen, mit deren Hilfe der laufende Unterhalt des Schlosses bezahlt werden sollte – ohne Eigentumserwerb des Landes.
Allerdings: Der Charme dieser Lösung wäre gewesen, dass dies mit dem Landeshaushalt überhaupt nichts zu tun gehabt hätte. Deswegen war auch diese Lösung zunächst einmal diskussionswürdig.
Die jetzige Lösung ist eine andere – eine einfache und eine klare. Sie ist eine Kauflösung: Wir kaufen das Schloss, und wir erwerben Kunstgegenstände. Wir geben Geld und bekommen etwas dafür, und zwar etwas besonders Wertvolles, etwas landesgeschichtlich Unterstützenswertes und Einmaliges. Die Kauflösung ist ja grundsätzlich auch deswegen im Lauf der Debatte von allen Fraktionen als prinzipiell richtig angesehen worden.
Deswegen glaube ich schon, dass man in der Logik dieser Lösung bleiben sollte. Es geht halt nicht, nach dem Motto zu handeln: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Ich will etwas kaufen, ich will im Prinzip möglichst nichts dafür bezahlen und später mit dem Unterhalt nichts zu tun haben.“
Der Kaufpreis des Schlosses, meine Damen und Herren – wenn wir uns schon einmal grundsätzlich auf diese Lösung einstellen; die hat ja, wie gesagt, den allgemeinen Konsens aller vier Fraktionen gefunden –,
kann natürlich nicht nur der Ertragswert sein. Es ist richtig, dass vor einiger Zeit die Zahl von 5,4 Millionen € in der Öffentlichkeit erschienen ist.
Aber das ist eben nur ein Teil des Wertes, den die Anlage insgesamt hat. Daneben ging es um den Substanzwert. Was ist der Ertragswert? Das ist das, was man aus einem Objekt, aus einer Immobilie erzielen kann, als Mieteinnahmen beispielsweise.
Was ist der Ertragswert einer Kirche? Was ist der Ertragswert des Kaisersaals im Schloss Salem? Die alleinige Betrachtung
des Ertragswerts ist nicht angemessen. Wir müssen auch über den Substanzwert sprechen, nämlich über das, was eigentlich der Wert dieses Objekts ist. Gerade wenn ich etwas kaufen will, spielt das eine Rolle. Es ist ja schon bemerkenswert, dass der Substanzwert der ganzen Anlage nach dem Gutachten des Landes, in dem auch vom Ertragswert die Rede ist, immerhin bei über 30 Millionen € liegt.
Im Übrigen darf ich eine Bemerkung machen, die sich vielleicht nicht jedem erschließt: Manchmal im Leben haben Dinge einen Wert, der höher ist als ihr Preis.
Bei den Kunstgegenständen erwerben wir Gegenstände, die unstreitig im Eigentum des Hauses Baden sind. Wir erwerben sie endgültig für das Land Baden-Württemberg. Daran besteht auch ein kulturgeschichtliches und ein kulturelles Interesse.
In der Tat ist natürlich die Frage des Ablösebetrags von ca. 15 Millionen € etwas, worüber man trefflich streiten kann. Es gibt keinen objektiven Maßstab dafür, ob das nun 15 Millionen €, 0 Millionen € oder 80 Millionen € wert ist. Aber es kann uns ja etwas wert sein, dass es erstens keinen Streit mehr gibt – das ist ja auch ein Wert – und dass wir zweitens ein Restrisiko beseitigen. Denn man muss immerhin einmal an einen Tatbestand erinnern: Das Gutachten, das uns zuerkannt hat, dass alle diese Kunstgegenstände dem Land gehören, vertritt eine These, die in der Rechtswissenschaft bislang so nicht aufgestellt worden ist.
Das ist die sogenannte Pertinenztheorie;
das will ich jetzt nicht im Einzelnen darstellen. Da ist es nicht so völlig aus der Welt, anzunehmen, dass vielleicht nicht jedes Gericht dieser neuen Theorie folgt.
5 % von der Summe aufzuwenden, um die es geht, um dieses Risiko zu vermeiden, ist vielleicht nicht überzogen. Wenn es zu einem Vergleich gekommen wäre, hätte ein Gericht vielleicht nicht akzeptiert oder angeregt, dass es einen Vergleich nur in diesem Umfang gibt. Insofern ist, glaube ich, dieser Betrag von 15 Millionen € diskussionswürdig, aber durchaus vertretbar.
Der Betrieb des Schlosses Salem soll in Zukunft unter Mitwirkung des markgräflichen Hauses geschehen.
Das markgräfliche Haus hat dieses Schloss bisher gut betrieben und gut gemanagt. Deswegen gibt es ein Interesse auch des Landes daran, dass der Betrieb weiter unter Mitwirkung
des markgräflichen Hauses geschieht. Wir haben es hier mit einem eigenen Markenwert zu tun – das weiß jeder, der sich mit Objekten dieser Art beschäftigt –, einem Markenwert, der durch die Mitwirkung des markgräflichen Hauses sichergestellt ist und andernfalls schwer zu erzielen wäre.