Friedbert Pflüger

Appearances

16/1 16/2 16/3 16/4 16/7 16/8 16/9 16/10 16/12 16/13 16/14 16/15 16/16 16/17 16/18 16/19 16/20 16/21 16/23 16/24 16/25 16/26 16/27 16/28 16/29 16/30 16/32

Last Statements

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem eben geäußerten Dank an Herrn Schwarz und die Mitarbeiter, an all die, die zur Realisierung von BBI beitragen, schließt sich meine Fraktion selbstverständlich an. Wir alle haben ein großes Interesse an BBI.
In der Koalitionsvereinbarung der großen Koalition von 1999 heißt es wörtlich:
Die Inbetriebnahme des Flughafens Berlin-Brandenburg International hat für die Region höchste Priorität.
BBI, Herr Regierender Bürgermeister, ist von Anfang an ein Projekt von CDU und SPD, von den tragenden Kräften in Berlin gewesen. Wir sind stolz auf das, was Eberhard Diepgen für BBI getan hat,
und wir stellen uns ganz klar, ganz eindeutig in diese Tradition, wir wollen BBI zum Erfolg führen.
Den Versuch, den Sie immer wieder unternehmen, wenn z. B. der Kollege Ueckert kritische Fragen stellt – was das Recht der Opposition ist –, das als einen Angriff auf BBI zu werten und jede Frage nach dem Zeit- und dem Kostenrahmen als ein Schlechtreden von BBI zu werten, weisen wir zurück. Es ist die Pflicht der Opposition nachzufragen, ob die Steuermittel, die dafür aufgebracht werden sollen, ausreichen und ob die angekündigten Zeitpläne eingehalten werden können. Täten wir das nicht, wären wir eine schlechte Opposition.
Aber noch einmal: Zerreden wir nicht den Konsens in diesem Haus, dass BBI ein Schlüsselprojekt für die Zukunft Berlins ist! Es ist die Chance für die Wiederbelebung der wirtschaftlichen Größe Berlins. Wir hoffen, dass die Chancen vernünftig wahrgenommen werden.
Aber es müssen Fragen gestellt werden. Eine davon – Kollege Ueckert hat es angedeutet – ist die nach den Kapazitäten. Zunächst war BBI für 17 Millionen Passagiere ausgelegt, jetzt sprechen Sie in der Beantwortung der Großen Anfrage von 25 Millionen und mehr. Schon in diesem Jahr werden wir 22 Millionen in Berlin haben. In den letzten drei Jahren hatten wir ein Wachstum von jeweils über 10 Prozent. Selbst wenn wir wegen der gestiegenen Ölpreise ganz vorsichtig schätzen und in den nächsten Jahren nur von 5 Prozent Steigerung ausgehen, liegen wir 2011 bei 25,5 Millionen Passagieren, 2015
bereits bei 31 Millionen. Nun sagen die Fluggesellschaften, der Boom werde trotz der Ölpreise weitergehen, denn Berlin hat großen Nachholbedarf gerade bei den Interkontinentalstrecken. Nehmen wir nur einmal ein Wachstum von 7 Prozent an – das wären immer noch drei Prozent weniger als in den letzten Jahren –, dann landen wir schon im Jahr 2015 bei 35,5 Millionen Passagieren. Ich glaube, es gibt niemand in diesem Haus, der behauptet, der Flughafen, so wie er geplant ist und dann steht, ist dafür gebaut. Jetzt sagen Sie in Ihrer Antwort, man könne das modular erweitern. Ja, das kann man. Nur: Gibt es bereits Planungen für diese Module? Gibt es Kostenplanungen dafür? Man kann das nämlich nicht erst dann machen, wenn der Flughafen bereits in Betrieb ist und man dann irgendwann feststellt, dass die Kapazitäten nicht reichen, sondern man muss jetzt bereits hinsichtlich der Kosten und der Module Vorsorge treffen. Wie soll zudem die Verbindung zwischen dem Hauptterminal und den Modulen geschaffen werden? Früher war dafür ein Tunnel vorgesehen, den haben Sie mittlerweile gestrichen. Vielleicht aus verständlichen Gründen, aber wir möchten gern wissen, ob Sie vorhaben, den großen, modernen Flughafen BBI wieder mit Autobussen zu versorgen. Es ist eine völlig legitime Frage der Opposition, vor dem Hintergrund der 360 000 Flugbewegungen, die laut Planfeststellungsbeschluss nur erlaubt sind, die Frage nach der Kapazität zu stellen, Herr Regierender Bürgermeister.
Gleiches gilt für die Frage nach der einen Runway, die wir noch in Schönefeld haben. Dazu sagen Sie lapidar, wenn die nicht mehr funktioniert, könne man nach Rostock-Lage oder Hannover ausweichen. Ich weiß nicht, ob das die Antwort ist, die die Menschen zufriedenstellt. Außerdem ist diese Runway 1994 das letzte Mal saniert worden. Im Jahr 2011, bei der Inbetriebnahme von BBI, ist das 17 Jahre her. Es gibt Hinweise darauf, dass die Runway bis dahin dringend sanierungsbedürftig ist. Wann soll diese Sanierung durchgeführt werden? Sollte sie bis 2011 vorgenommen werden, werden die Kapazitätsprobleme gewaltig werden, weil Tegel bereits jetzt aus allen Nähten platzt.
Zum Thema Tegel haben Sie ganz geschickt gesagt, dort würden noch einige zusätzliche Kapazitäten aufgebaut. Wir möchten gern konkret wissen, ob die Gerüchte zutreffen, dass Sie nach der Schließung von Tempelhof auf einem Parkdeck ein zusätzliches Terminal bauen wollen. Stimmt es, dass das 10 Millionen € kostet? Ist es nicht ein Schildbürgerstreich, wenn man einerseits vorhandene Kapazitäten schließt und für wenige Jahre in Tegel ein zusätzliches Terminal errichtet? – Das wäre in der Tat falsch.
Nun zur Bahnanbindung: Es ist immer gesagt worden, BBI liege so nah am Hauptbahnhof. Nun wissen wir, dass es die Planfeststellung für die Dresdner Bahn noch nicht gibt. Wir kennen auch die Gründe dafür. Es ist ein entscheidender Nachteil, dass am Tag der Eröffnung von
BBI zwar ein schöner unterirdischer Bahnhof vorhanden sein wird, aber nicht die Anbindung der Dresdner Bahn.
Ich mache jetzt einen Vorschlag, weil wir ein gemeinsames Interesse daran haben müssen, dass es diese Bahnanbindung so schnell wie möglich gibt, und zwar in einer Weise, die auch von den Menschen in Lichtenrade angenommen und verstanden wird. Wir brauchen die Tunnellösung. Ich sage es klipp und klar: Wir wollen die Tunnellösung.
Nun gibt es in der von Ihnen und Ihrer Fraktion so sehr bekämpften Bahnprivatisierung eine Klausel, die besagt, ein Drittel der Privatisierungserlöse sollen für Innovations- und Investitionsprojekte Schiene eingesetzt werden. Mein Vorschlag dazu lautet: Lassen Sie uns doch gemeinsam, sozusagen jeder auf seiner Schiene, den Versuch unternehmen, die Tunnellösung für die Dresdner Bahn über diesen neuen Fonds zu finanzieren, damit endlich die Dresdner Bahn kommt!
Die letzte Frage, die ich ansprechen möchte, ist die des wirtschaftlichen Nutzens. Herr Regierender Bürgermeister! Dass BBI eine Jobmaschine für die ganze Region ist, das wissen wir, darauf freuen wir uns, und es ist eine Chance – ich wiederhole mich – für die Wiederbelebung der wirtschaftlichen Größe Berlins. Aber ich frage: Wohin gehen die Gelder? Gibt es Entwicklungsstrategien? Werden die Ansiedlungen professionell betreut? Was sind die Auswirkungen für Tegel? – Ich lese in der Zeitung, dass Doris Strasen, die Leiterin der Kita Spreewald in Lübben, ganz begeistert ist, weil plötzlich im Dahme-SpreewaldKreis die Kindertagesstätten und Vorschulen so viel Geld mehr zur Verfügung haben: mehr Betreuer, freies Mittagessen, zusätzliches Personal, freier Schülertransport, Musikunterricht in den Kitas, eine wunderbare Welt. Denn – so sagt der Landrat – schon in der Anfangsphase lässt BBI die Steuereinnahmen im Kreis richtig sprudeln. Wir freuen uns für die Brandenburger, aber erlauben Sie uns als Opposition die Frage, wie es denn in Berlin aussieht. Wir möchten wissen, was von den Investitionen in Berlin ankommt.
Wir gestehen sofort zu, für Neukölln, für TreptowKöpenick, für all die Orte an der A 113 ist das eine besondere Chance. Aber gibt es dafür ein Entwicklungsprojekt, eine Strategie für Ansiedlungen, wird das professionell gemacht? Ich habe bislang nicht den Eindruck. Umgekehrt fragen wir: Was ist eigentlich mit Tegel, mit den flughafennahen Dienstleistungen, den Logistikern? Wir haben große Angst, dass es im Norden Berlins zu einem erheblichen Wegzug von Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmern und zu einem Verlust von Gewerbesteueraufkommen kommt. Diese Fragen möchten wir
beantwortet haben. Sie müssen zusammen mit der IHK und anderen eine Studie darüber erstellen lassen, wie der Norden Berlins ohne große Verluste aus dieser Veränderung hervorgehen wird.
Wenn Sie schon diese große Chance haben, weshalb nutzen Sie sie nicht im Süden? Nehmen wir beispielsweise das Hotel Estrel, das sich vergrößern und ein Kongresszentrum bauen will, von Frau Junge-Reyer jedoch ein klares Nein erhält. Wir glauben, dass bislang weder die Chancen professionell genutzt noch die möglichen Nachteile ehrlich aufgearbeitet werden. Das jedoch sind Sie den Berlinerinnen und Berlinern schuldig. Die Auskünfte sind heute nicht erteilt worden.
Ich komme zum Schluss: Wir wollen die optimale Nutzung der Chancen für unsere großartige Stadt. Aber wenn wir dies tun, dann bedarf es einer wirtschaftsfreundlichen Atmosphäre und nicht der Beschimpfung derjenigen, die als Investoren zu uns kommen, als Bonzen oder reiche Onkel aus Amerika. Wenn Berlin wirtschaftsfreundlich ist, dann haben besonders Adlershof, der Süden eine Chance. Die ganze Stadt wird davon profitieren, und darauf freut sich niemand mehr als die christlichdemokratische Union in dieser Stadt.
Ich wollte in den nächsten zehn bis fünfzehn Minuten noch einmal auf alle diese Themen eingehen.
Nein, im Ernst, ich will in dieser Debatte nur Folgendes zu Protokoll geben: Wir als CDU-Fraktion werden uns auch von Herrn Gaebler, Frau Matuschek und allen möglichen Leuten, die hier mit persönlichen Diffamierungen arbeiten, unsere Freude an BBI nicht verderben lassen.
Zweitens werden wir jeden Versuch abwehren, unser Engagement für Tempelhof als ein Engagement gegen BBI darzustellen. Das ist absurd. Wir sind von Anfang an auch die Partei von BBI gewesen.
Drittens, Frau Matuschek: Die Zeiten sind glücklicherweise in Deutschland vorbei, wo Ihre Partei das Urteil darüber fällen konnte, ob eine kritische Sachfrage ein Staatsverrat ist. Wir werden uns das Wort als Opposition nicht verbieten lassen und auch in Zukunft kritische Fragen stellen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der letzten Woche hat es eine Abstimmung im Bundesrat gegeben, bei der es nicht um die EU-Seilbahnverordnung ging – da hätte man sich ohne größeren Schaden enthalten können. Es ging um den Verfassungsvertrag der Europäischen Union, deutschland- und europaweit beobachtet.
Der Wowereit-Senat hat sich enthalten, und das war eine Blamage für die Hauptstadt, das muss heute diskutiert werden.
Gerade unsere Stadt verdankt der europapolitischen Solidarität all unserer Nachbarn sehr viel – politisch und auch materiell. In den letzten Jahren sind über zwei Milliarden € in unzählige Projekte unserer Stadt aus Brüssel geflossen. Herr Wowereit! Das Schlimme ist, Sie wissen das alles, Sie haben im Bundesrat gegen Ihre eigene Überzeugung gestimmt. Sie haben in diesem Haus am 28. Februar in einer Fragestunde auf Fragen der Kollegin EichstädtBohlig und meines Kollegen Oliver Scholz gesagt:
Berlin war immer gut beraten, in europäischen Fragen im Zusammenklang mit den anderen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam aufzutreten.
In der Tat, das war bisher so, und wir fragen Sie, warum haben Sie diese Lehre aus der Vergangenheit nicht auch am letzten Freitag beherzigt?
In den Tagen vor der Abstimmung war zu lesen, dass Europa Herrn Wowereit viel zu wichtig sei, als dass er sich enthalten könne. Der Senatssprecher hat von einer anstehenden Führungsentscheidung Wowereits gesprochen. Alle Welt rechnete damit, der Regierende Bürgermeister würde von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen, dazu ist Europa für die Bundeshauptstadt zu wichtig. Aus der sogenannten Führungsentscheidung Wowereits ist ein Bückling vor Oskar Lafontaine geworden!
Damit haben Sie kurzfristig Ihre Koalition gerettet, aber Sie haben Berlin in Deutschland und Europa Schaden zugefügt!
Sie sind dann durch die Lobby gegangen und haben den Journalisten erklärt, das liege an dem Diktat Lafontaines, die Berliner Linke sei nicht handlungsfähig. Die Linke – Herr Ramelow z. B. – hat darauf reagiert und gesagt, in Wahrheit sei die SPD nicht handlungsfähig. Der eine Koalitionspartner wirft dem anderen Handlungsunfähigkeit vor, der andere tut dies umgekehrt genauso – wie soll da der rot-rote Senat handlungsfähig sein?
Herr Wowereit hat dann selbst von einer Krise gesprochen. Er hat sich lange als Dompteur der Linken geriert – die tun schon, was ich sage, die wollen ja unbedingt mitregieren, ich habe die nicht nötig, die aber mich, ich entzaubere die Linke. Jetzt zeigt sich, dass die Geschichte vom Dompteur nicht wahr ist, jedenfalls nicht mehr wahr ist. In Wahrheit sind Sie auf die Linkspartei angewiesen, denn Ihre bundespolitischen Ambitionen verbinden sich mit dem Projekt Rot-Rot auf Bundesebene. Sie brauchen Rot-Rot für Ihre eigenen politischen Ambitionen. Sie sind auf die Linke heute mehr angewiesen, als die auf Sie. Herr Wowereit! Sie sind nicht mehr der Koch, Sie sind der Kellner, und diejenigen, die demnächst im Senat anrufen, rufen gleich bei Herrn Lafontaine oder Herrn Lederer an und nicht bei Ihnen!
Den Mut zur Richtlinienkompetenz, die wir gerade erst in der Verfassung verankert haben, hat es nicht gegeben. Keine Richtlinien, keine Kompetenz, keine Richtlinienkompetenz – das ist die Lage.
Dass die Linke inzwischen auch in anderen Bereichen diktiert und damit das politische Wertesystem der Stadt verändert, sehen wir bei „Pro Reli“, beim Einheitsschulprojekt, das haben wir bei Tempelhof gesehen, beim öffentlichen Beschäftigungssektor ebenso – überall setzt sich die Linke durch. Herr Müller hat in einem Interview gesagt: „Ich zeige euch, wo der Hammer hängt, wir haben schließlich die 30 Prozent“ – offenbar haben Sie es nötig, darauf hinzuweisen, weil man es sonst nicht glaubt.
Bei den anderen Projekten, bei den anstehenden Tarifauseinandersetzungen, bei der Umweltzone, wo Sie Herrn Wolf zu mehr Wirtschaftsfreundlichkeit gemahnt haben, bei dem Einheitsdenkmal, der Super-Uni – überall gibt es große Meinungsverschiedenheiten bei Rot-Rot. Und wir werden genau beobachten, wer der Koch und wer der Kellner ist. Am letzten Freitag hat sich gezeigt: Die Kräfteverhältnisse in diesem Senat haben sich verschoben – zum Schaden unserer Stadt. Wir werden als Opposition nicht müde, das immer wieder anzusprechen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht doch nicht darum, ob die Linkspartei dieser Meinung ist oder eine andere Meinung hat. Uns als Opposition interessiert, welche Haltung das Land Berlin im Deutschen Bundestag vertritt. Das ist die entscheidende Frage, und um diese Frage können Sie, Herr Regierender Bürgermeister, nicht herum.
Sie wollen am Wochenende nach Warschau fahren. Das begrüßen wir und wünschen Ihnen viel Glück und Erfolg für die Reise. Die „dpa“ titelt heute:
Wowereit will in Warschau für die EU eintreten.
Das finde ich sehr gut, aber, Herr Wowereit, treten Sie doch bitte endlich erst einmal in Ihrer Koalition für die Europäische Union ein – die hat es bitter nötig!
Am 23. Mai wird im Deutschen Bundesrat darüber abgestimmt, wie sich die Bundesländer zu diesem Verfassungsvertrag, dem größten Vertragswerk der EU seit den Römischen Verträgen, verhalten. Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass das Land Berlin sich der Stimme enthält. – Herr Zimmermann! Da nützt es gar nichts, wenn Sie erklären, wie die Sozialisten im Europäischen Parlament abstimmen.
Die Frage ist, ob Berlin, das so viel mit Europa verbindet, das Europa so viel zu verdanken hat – vor der Teilung und nach der Teilung –, das Geld aus Europa bekommt – jeder Bezirk bekommt Geld aus Europa, 1,2 Milliarden € in den letzten sechs Jahren, 1,2 Milliarden € in den nächsten sechs Jahren –, ob dieses Berlin wirklich beiseite steht und sagt: Diese Arbeit sollen andere machen. – Nein! Dieses Europa ist unsere Sache. Wir Berliner müssen die Vorreiter von Europa und europäischen Reformen sein und nicht hintan stehen.
Deshalb ist unsere Forderung an Sie, Herr Regierender Bürgermeister: Machen Sie von der Verfassung Gebrauch – dort gibt es eine Richtlinienkompetenz des Regierenden Bürgermeisters bei Streitfragen –, und sagen Sie ganz eindeutig und klar, wie alle anderen Ihrer Ministerpräsidentenkollegen, Ja zu diesem Reformwerk der Europäischen Union.
Es ist doch so – und das hat die Kollegin Eichstädt-Bohlig sehr gut herausgearbeitet –: Es gibt niemanden von uns, der nicht an der einen oder anderen Stelle andere Schwerpunkte gesetzt hätte, wenn er der Verfasser gewesen wäre. Aber das, was diesen Vertrag gerade auszeichnet, daran haben wir im Deutschen Bundestag mitgearbeitet. Alle Fraktionen haben miteinander dafür geworben, dass das kein Regierungswerk wird, das abgehoben in Hinterzimmern entsteht.
Wir im Europaausschuss, dem ich damals vorgestanden habe, haben darauf Wert gelegt, dass es ein breites Diskussionsverhältnis mit zivilgesellschaftlichen Organisationen gibt, dass die Parlamente beteiligt werden. Wir hatten einen Verfassungskonvent. Das heißt, hieran haben Tausende von Menschen aus den verschiedensten Ländern in Ost und West und Nord und Süd mitgearbeitet.
Da kann man doch nicht – weil einem das eine oder das andere nicht hundertprozentig gefällt – sagen: Da machen wir nicht mit. Da sind wir anderer Meinung. – Nein! Es ist völlig richtig, was gesagt worden ist: Dieser Vertrag ist ein Fortschritt, der offen ist für weitere Fortschritte, die auch notwendig sind, aber das ist besser als das, was wir bisher hatten. Sich dagegenzustellen heißt, gemeinsame Sache mit Rechtsradikalen zu machen wie Le Pen und anderen Organisationen, die an erster Stelle dieses Reformwerk im Europäischen Parlament ablehnen werden. Dazu sollte sich das Land Berlin zu schade sein, Herr Regierender Bürgermeister!
Ja! Die gestatte ich gern. – Herr Gaebler, bitte!
Herr Kollege! Es gibt Koalitionsverträge, die völlig zu Recht so gehalten sind, dass man sich in dem Moment, in dem die eine Fraktion Ja und die andere Nein sagt, enthält.
In grundsätzlichen Fragen kann man durchaus der Auffassung sein, dass dies der richtige Weg ist. Hier geht es um etwas ganz anderes. Hier geht es um ein wesentliches Symbol. Hier geht es um das Selbstverständnis unserer Stadt. Hier geht es um die Frage: Ist man pro-europäisch, oder macht man gemeinsame Sache mit Nationaldemokraten und anderen rechtsradikalen Organisationen? Hier geht es um ein Grundsatzthema, und das weiß der Regierende Bürgermeister ganz genau. Er eiert doch seit dem Februar herum, als mein Kollege Scholz ihn das erste Mal gefragt hat. Hier geht es um eine grundsätzliche Positionierung Berlins und nicht um ein schnödes Thema, das man irgendwann durch Kompromisse beseitigen oder ausklammern kann. Hier sind wir Berlinerinnen und Berliner gefragt, und hier erwarten wir eine klare Antwort, Herr Regierender Bürgermeister, am 23. Mai.
Wir haben vorhin so viel über Nationalismus geredet. In der Tat ist der Nationalismus die schreckliche Geißel der letzten zwei Jahrhunderte. Dieser Glaube, man könne über den anderen hinweg sagen: Meine Nation ist die allerwichtigste! –, den anderen kleinmachen, weil er einer anderen angehört. Da kommt französische Staatstheoretiker Charles de Montesquieu und sagt etwas ganz Entscheidendes für unser Europaverständnis:
Wüsste ich etwas, das zwar meiner Nation nützlich sein könnte, aber schädlich für Europa und die Menschheit, so würde ich es als Verbrechen ansehen.
Das ist doch der Geist Europas. Es geht doch nicht um Einzelheiten, die man kritisieren kann, sondern es geht darum, ob wir diese ungeheure Anstrengung nach dem Schrecken der Kriege des Nationalismus in Europa, die jetzt auf die mittel- und osteuropäischen Staaten erweitert worden ist, abbremsen, ob wir uns davon abwenden oder ob wir sagen: Im Grundsatz sind wir auf der Seite dieses
europäischen Prozesses – und dem können Sie sich doch nicht in einer solchen entscheidenden Frage entziehen.
Sie nennen die Sozialstaatlichkeit, es müsse mehr Sozialpolitik hinein. Das sieht die ganze Welt anders. Die Welt sagt: Es gibt einen marktwirtschaftlichen, neoliberalen Kapitalismus, der sich ausbreitet. Und die ganze Welt sagt: Das Gegenstück dazu ist Europa, weil es in Europa nach Völkerrecht geht, weil es in Europa Rahmenbedingungen ökologischer und sozialer Art gibt. Ein sehr großartiger Politikwissenschaftler aus Amerika, Benjamin Barber, hat das so gesagt: In dieser Welt geht es um McWorld gegen Dschihad. – Wir Europäer versuchen jenseits von uneingeschränktem Kapitalismus und anderen Formen von Ausbeutung, die es auch auf der Welt gibt, einen Weg zu finden, der gerade soziale und ökologische Rahmenbedingungen festlegt. Das ist eine große zivilisatorische Leistung Europas, und das würde ich nicht kleinreden. Das Sozialstaatliche ist ein entscheidender Punkt auch dieses Verfassungsvertrages, jedenfalls so weit, dass man gut darauf aufbauen kann.
Frau Kaufmann ist bereits zitiert worden. Sie sagte im „Neuen Deutschland“ – vielleicht lesen Sie wenigstens das „Neue Deutschland“ – vom 12. April,
Ja! Ab und zu ziehe ich mir einen Artikel da heraus. – es sei eine Farce, mit der Sozialstaatlichkeit zu argumentieren. Das täten die DVU und die anderen Rechtsradikalen auch. Und sie warnt die eigene Partei davor, sich mit einer Ablehnung dieses Vertrages in eine falsche Gesellschaft hineinzubegeben. Sie müssen doch sehen, dass Sie außenpolitisch und europapolitisch auf einem völlig falschen Weg sind. Sie beklagen die Militarisierung Europas. Gleichzeitig umarmen Sie Herrn Chávez, der im Moment ganz Lateinamerika mit Waffen versorgt. Das ist Doppelmoral, die Sie hier an den Tag legen. Das hat doch nichts mit Moral und europäischer Außenpolitik zu tun.
Wir kämpfen in Europa gemeinsam für Menschenrechte, und Ihre Vertreterin im Hamburger Parlament sagt: Na ja, der Dalai-Lama, wir haben immer schon schlechte Erfahrungen mit solchen Religionsführern gemacht. Man schaue sich den Ajatollah Chomeini an. – Das ist Ihr Verständnis von Außen- und Europapolitik. Das zeichnet Sie aus. Herr Wowereit! Sie müssten sich schämen, mit solchen Leuten in einem Boot zu sitzen. Das ist eine Schande für Berlin, mit solchen Leuten in einer Regierung zusammenzuarbeiten.
Wir haben vorhin in der Debatte – Kollege Henkel hat das Seinige völlig zu Recht dazu gesagt – immer wieder darauf hingewiesen, dass es Berührungspunkte zwischen Rechts- und Linksextremen gibt. Das, glaube ich, werden wir wieder bei der Abstimmung im Europäischen Parlament sehen. Ich bin in meinem ganzen politischen Leben von rechts außen, von der „Jungen Freiheit“, von der „Na
tionalzeitung“, von der NPD immer nur massiv kritisiert worden als irgend so ein westlicher Liberaler. Ich bin von denen noch nie gelobt worden. Wissen Sie, wer von denen gelobt wird, und zwar ständig? – Oskar Lafontaine. Da schreibt der NPD-Pressesprecher Klaus Beier am 21. Juni 2007, Überschrift: „Solidarität mit Oskar Lafontaine“. Zitat:
Lafontaine vertritt außen- und europapolitisch lupenreine und völlig authentische NDP-Positionen.
Sie müssen doch einmal darüber nachdenken, ob das die Gesellschaft ist, die Sie wollen: einerseits gegen die Rechtsradikalen zu Felde ziehen und auf der anderen Seite politische Positionen zu beziehen, über die sich die NPD freut. Das passt nicht zusammen, und das gehört nicht zu Berlin. Berlin hat etwas Besseres verdient als eine solche Regierung!
Ich rede meistens frei, Herr Kollege! – Frau Präsidentin! Das, was Herr Dr. Lederer eben wieder gemacht hat, war eine persönliche Beschimpfung und Verunglimpfung nach der anderen. Warum bleiben Sie nicht einmal bei der Sache?
Sie haben soeben wieder über den 8. Mai geredet und damit den Bogen zu der Debatte geschlagen, die wir vorhin geführt haben. Wenn Sie mir schon nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens André Brie. Das ist nun wirklich ein auch von mir respektierter Denker – viele sagen: Chefideologe – Ihrer Partei. André Brie sagt – ich finde, mit großem Recht –:
Die kommunistische Bewegung hat spätestens mit ihrer Stalinisierung Demokratie und Emanzipation abgelegt. Sie hat schon vor 1933 Konzepte verfolgt, denen gleiche Denkweisen und Symbole wie
der NS-Bewegung zugrunde lagen. Hier gibt es eine fatale Kontinuität. Autoritätshörigkeit, Hierarchiedenken, Harmoniesucht der Ostdeutschen sind ein Nährboden für Neonazis. Nur wenn wir diese kulturellen Ursachen des Rechtsextremismus in Ostdeutschland reflektieren, werden wir eine Antwort auf die rechte Gefahr finden.
Solche Töne oder solche, wie wir sie vorhin im Zusammenhang mit dem linken Antisemitismus von Herrn Wolf gehört haben, führen weiter. Wenn Sie sich in die Tradition von Brie oder eben der Rede von Herrn Wolf stellen, dann können Sie nicht zusammen mit Rechtsradikalen dieses Verfassungsvertragswerk – ich bleibe dabei! – ablehnen. Dann müssen Sie einen klaren Schlussstrich zu dem, was an Kontinuitäten gewesen ist – wie Brie es formuliert –, ziehen. Dann müssen Sie einen Trennungsstrich ziehen! Dann können Sie zig Sachen kritisieren. Das ist Ihr gutes Recht, das ich Ihnen nie bestreiten würde. Wir haben konservative Kritik, und wir haben linke Kritik. Das ist doch völlig in Ordnung! Aber wir haben hier eine Grundsatzfrage, und dann müssen Sie, gerade auch wenn Sie so argumentieren, wie es Ihre Kollegin Kaufmann und so manche andere Nachdenkliche bei Ihnen tun, von dieser Position herunterkommen. Wenn Sie es schon nicht tun, dann darf sich zumindest der Regierende Bürgermeister nicht zur Geisel machen lassen.
Ich habe vorhin im RBB mit dem Kollegen Liebich diskutiert. Herr Walther von der Abendschau hat ihn gefragt, was er machen würde, wenn sich der Regierende Bürgermeister nicht enthalten, sondern mit Ja stimmen würde. Da kam ziemlich deutlich: Das würde mich sehr verwundern, denn das darf er eigentlich nicht.
So haben Sie es gesagt! Das war eine sehr deutliche Drohung an den Regierenden Bürgermeister. Wir werden uns das ganz genau ansehen!
Ich sage noch einmal: Wir haben verstanden, die Sozialdemokraten wollen zustimmen. Wir haben verstanden, Herr Wowereit selbst will zustimmen. Wir stellen jetzt die Frage und werden ganz genau beobachten, ob er in einer solch grundsätzlichen Frage in der Lage ist, mit einigen Klugen von Ihnen zusammen die Kurve zu bekommen und Ja zu sagen zu diesem Vertragswerk der Europäischen Union.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht bei der Abstimmung um Tempelhof am nächsten Sonntag um zwei grundsätzliche Konzepte von Stadtentwicklung. Das eine Konzept finden wir in einem Papier der Linken vom 22. April: Erholungsfläche, Freizeitsport, Hundeauslauf, Kinderplanschbecken, Kunstaktionen, Spiel- und Grillplätze.
Das kann man gut und schön finden – und Sie zeigen es auch!
Wir sagen: Berlin braucht keine neuen Grünflächen und Wiesenmeere, keine neuen Freizeitanlagen.
Wir brauchen Ideen. Wir brauchen Investitionen. Wir brauchen Arbeitsplätze in unserer Stadt, deshalb wollen wir Tempelhof offen lassen.
Wir brauchen keine Grillplätze, sondern Arbeitsplätze. Das braucht Berlin heute!
Wir haben die erste Volksabstimmung in der Geschichte unserer Stadt vor uns.
Es geht dabei um eine wichtige Sachfrage, aber es geht vor allen Dingen auch um unser Verhältnis zur Demokratie.
Ich habe die Bürger auf meiner Homepage aufgefordert, mir zum Thema Tempelhof zu schreiben. Ich habe unzählige Briefe bekommen und will einige wenige hiervon vortragen.
Ein ganz wesentliches Thema formuliert zum Beispiel Hans-Joachim Meschzahn aus Reinickendorf:
Was ist das eigentlich für ein Demokratieverständnis, wenn Herr Wowereit sagt: Egal wie das Bürgerbegehren ausgeht, wir machen den Flughafen zu.
Ich finde, das ist eine sehr berechtigte Frage. Herr Wowereit hat am dritten Dezember das erste Mal erklärt:
Ich weiß, dass die Mehrheit der Berliner und Berlinerinnen für die Offenhaltung von Tempelhof sind, aber das kann die Entscheidung des Senats nicht beeinflussen.
Das hat mit Demokratie nichts zu tun, das ist Arroganz der Macht und nichts anderes!
Der Wowereit-Senat hat es doch wirklich geschafft, noch vor dem Volksbegehren eine offizielle Ausschreibung für einen Wettbewerb zur Flächennutzung des Tempelhofer Feldes nach der Stilllegung zu veröffentlichen und in Angriff zu nehmen. Seit gestern ist diese Ausschreibung draußen.
Da wird nicht einmal mehr der Anschein gewahrt, dass man auf das Volk hören würde. Da hat man die Dreistigkeit zu sagen: Sonntag sollt ihr alle abstimmen, Tausende von Menschen gehen zur Wahl, Tausende von Menschen engagieren sich, Hunderte sitzen als freiwillige Wahlhelfer in den Wahllokalen, und die Frau Senatorin hat mit Zustimmung des Herrn Regierenden Bürgermeisters bereits vollendete Tatsachen geschaffen. Das dürfen sich die Berlinerinnen und Berliner nicht gefallen lassen!
Wir alle in diesem Parlament haben direkte Demokratie gewollt und gesagt: Das bringen wir in unsere Verfassung hinein. Wir haben alle zusammen einen entsprechenden Beschluss gefasst. Der große Treiber aber, Herr Wowereit, das war die Koalition.
Sie haben gesagt: Wir wollen jetzt endlich das Volk teilhaben lassen, es soll mit entscheiden. Jetzt, wo Ihnen das Ergebnis nicht passt, ignorieren Sie das. Was hat das mit Demokratie zu tun? In der Verfassung heißt es nicht „Volksratschlag“, sondern Volksentscheid. Erklären Sie bitte heute, Fraktion für Fraktion, ob Sie bereit sind, das Votum der Berlinerinnen und Berliner am 27. April ernst zu nehmen, zu berücksichtigen und zu befolgen. Den Anspruch auf Auskunft haben wir alle!
Gerade die Linksfraktion sollte hier ein wenig ruhiger sein: Herr Gysi hat erkannt, dass es ich um eine schwierige Gefechtslage handelt. Er hat gestern erklärt – Hut ab! –, der Senat solle das Votum der Bevölkerung respektieren. Dann hat Herr Gysi zwei Stunden später erklärt:
Ich habe noch einmal mit dem Senat telefoniert, mich sachkundig gemacht und erfahren, dass das gar nicht geht. – Herr Gysi hat kurz zuvor 300 000 Berlinerinnen und Berliner angeschrieben und für die Schließung von Tempelhof geworben. Was sollen denn diese Leute denken, wenn sie sehen, dass Herr Gysi gar nicht richtig informiert war. Sie müssen sich doch veräppelt fühlen, oder nicht?
Nein!
Ich möchte jedoch Herrn Albers sagen, dass heute im Bundestag – viele wissen es wahrscheinlich noch gar nicht –
Herr Bisky erklärt hat, Gysi I sei doch richtig gewesen: Eine Volksabstimmung über Tempelhof ist eine Volksabstimmung, und man hat sich daran zu halten.
Frau Bluhm! Sie müssen uns nachher noch erklären, was denn nun gilt: Gysi I, Gysi II, Bisky I oder Bluhm. Bitte beenden Sie das Chaos in Ihrer eigenen Fraktion, und sagen Sie endlich, ob Sie das Volk in Berlin ernst nehmen wollen oder nicht!
Dann kommt Herr Wowereit und sagt: Natürlich! Wir werden alles prüfen, und wir nehmen selbstverständlich das Volk ernst, aber rechtlich geht das alles nicht, und ich bin ja an das Recht gebunden. – Komischerweise heißt es in einer Stellungnahme der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vom 3. Mai 2007 zur Frage der Zulassung des Volksentscheids:
Dem Volksbegehren steht keine rechtliche Unmöglichkeit der begehrten Entscheidung entgegen.
Mit anderen Worten: Das, was zur Debatte steht, ist aus Sicht der eigenen Senatsverwaltung rechtlich möglich. Die Frage kann man mit Ja oder Nein beantworten.
Herr Wowereit, Ihnen muss ich sagen: Wenn Sie wirklich der Auffassung sind, rechtlich sei nichts mehr zu machen, dann hätten Sie die Berlinerinnen und Berliner nie am 27. April 2008 zu den Urnen rufen dürfen. Sie machen nichts anderes als Volksveräppelung.
Es wird immer wieder behauptet – dieses Argument nehmen wir sehr ernst –, BBI werde gefährdet.
Ich sage Ihnen zum wiederholten Mal: Es gibt kein einziges Mitglied meiner Fraktion, das nicht sagt, BBI müsse so schnell wie möglich fertiggestellt werden.
Das ist ein Schlüsselprojekt für die Zukunft unserer Stadt. Niemand will BBI gefährden, aber in Wahrheit ist es umgekehrt: Wer BBI zum Erfolg bringen will, muss für die kleineren Flieger, für die Geschäftsflieger einen weiteren Flughafen offen halten. Nur dann kann BBI ein wirklicher Erfolg werden.
Nein, ich gestatte keine Zwischenfragen. – Es ist doch ganz eindeutig: Natürlich gibt es Gerichtsentscheide, die man ernst nehmen muss, aber Gerichtsentscheide beziehen sich auf Recht, das wir hier im Abgeordnetenhaus formuliert haben, auf Recht, das von Politikern geschaffen wurde und das Politiker wieder ändern können. Es steht nicht in den Zehn Geboten und nicht in den Ewigkeitsartikeln des Grundgesetzes, dass Tempelhof geschlossen wird. Wenn wir den politischen Willen haben, können wir Tempelhof offen halten. Niemand soll sich von törichten juristischen Argumenten, die keine sind, Bange machen lassen.
Herr Müller hat heute in den Nachrichten im „Spreeradio“ gesagt:
Bis zur BBI-Eröffnung gibt es kein rechtliches Risiko.
Das ist übrigens allgemeiner Konsens. Gehen Sie doch endlich auf das Angebot der Bundesregierung ein, und zwar nicht nur auf das von Frau Merkel, sondern auch auf das von SPD-Finanzminister Steinbrück! Beschreiten Sie diesen Weg! Lassen Sie Tempelhof erst einmal in den nächsten vier bis fünf Jahren offen, bis BBI endlich kommt! Der Bund zahlt uns Berlinern noch 10 Millionen € im Jahr für das Defizit in Tempelhof. Lassen Sie uns in Ruhe darüber reden, was mit Tempelhof
danach wird, wie wir das rechtlich absichern können! Da sind wir zu allen Gesprächen bereit. Nehmen Sie aber diesen unsinnigen und törichten Beschluss zurück, am 31. Oktober 2008 Tempelhof zu schließen, ohne ein vernünftiges Nachnutzungskonzept vorlegen zu können!
Herr Wowereit! Das ist eine goldene Brücke, die Ihnen die Bundesregierung gebaut hat.
Beschreiten Sie sie! Nehmen Sie diesen Kompromiss an! Das ist gut für uns alle und für Tempelhof. Wenn Sie das nicht tun, werden Sie in die Geschichte Berlins als der Schließer von Tempelhof eingehen.
Dann werden die Leute sagen, Sie seien jetzt nicht mehr arm, aber sexy, sondern reichlich dumm. Man verschenkt eine solche Option nicht ohne Not.
Das tue ich. – Ihre Sozialneidkampagne mit den Bonzen, VIPs und Privilegierten hat nichts genützt. Die Berlinerinnen und Berliner wissen, dass wir gerade Leute mit Geld in der Stadt brauchen, die hier investieren und einkaufen, damit unser Einzelhandel und unser Handwerk florieren können. Die wissen ganz genau, dass es wichtig ist, einen Flughafen für Geschäftsflieger offen zu halten und uns denjenigen gegenüber zu öffnen, die die Geschäfte von morgen machen, sie nicht als Bonzen zu verunglimpfen und Herrn Lauder mit einem 350 Millionen €Projekt keinen Tritt in den Hintern zu geben und zu sagen, er könne sich anderswo bewerben. Wer so mit Investoren von Weltrang umgeht, begeht eine große Sünde gegenüber der Stadt und den Berlinerinnen und Berlinern. Deshalb am 27. April 2008: Ja zu Tempelhof! Ja zur Zukunft Berlins!
Meine Damen und Herren! Es geht bei dem Volksentscheid – wenn Sie den Text durchlesen – erst einmal darum, dass der Senat das Ende der Betreibgenehmigung zum 31. Oktober 2008 aufheben soll.
Das ist erst einmal entscheidend. Es steht zur Debatte, diese unsinnige Entscheidung zurückzunehmen.
Zweitens: Sie versuchen, sich an der Alternative Geschäftsflieger oder Verkehrsflughafen hochzuziehen. Ich erkläre es Ihnen noch einmal: Wir wollen gemäß der Fragestellung, dass Tempelhof nach dem 31. Oktober als Verkehrsflughafen offen gehalten wird, mindestens bis BBI kommt,
und wir wollen, dass der Regierende Bürgermeister das Volksbegehren ernst nimmt und am Tag nach dem Volksbegehren beginnt, mit dem Land Brandenburg und dem Bund eine Dreierveranstaltung durchzuführen, bei der die drei Gebietskörperschaften darüber reden, was nach der Eröffnung mit BBI und Tempelhof zu geschehen hat.
Diese Gespräche führen wir. Entscheidend ist – das werden Sie durch noch so viele Showkämpfe hier nicht wegbekommen –, dass der 31. Oktober als Schließungstermin wegfallen muss. Darum geht es am 27. April.
Dass Sie jetzt vor dem Hintergrund Ihrer armseligen Sozialneidkampagne nervös werden, verstehe ich. Ich sage Ihnen aber ganz klar, Herr Albers: Der Versuch, aus dieser Sache eine parteipolitische Angelegenheit der CDU zu machen, schlägt fehl. Es sind so viele Sozialdemokraten dabei, so viele Helmut Schmidts und Peer Steinbrücks und so viele Leute aus dem Volk, die ihr ganzes Leben Sozialdemokraten sind. Wir haben eine Umfrage: 50 Prozent der Sozialdemokraten sagen Ja zur Offenhaltung von Tempelhof. Sogar der Vater und die Großmutter von Herrn Müller sind dafür.
Alle diese Leute – das sind verdiente Sozialdemokraten – sagen: Wir wollen Tempelhof offen halten. Das hat mit Parteipolitik nichts zu tun, das ist eine Frage der Zukunft der Berlinerinnen und Berliner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Senat – Herr Wowereit selbst – erklärt immer wieder, dieser Volksentscheid sei rechtlich im engeren Sinne nicht bindend. Gleichzeitig aber machen Sie hier ein Riesenbohei über die Formulierung der Fragestellung.
Wenn es wirklich nur ein Signal ist, wie Herr Wowereit behauptet, dann nehmen Sie doch das Signal der Berlinerinnen und Berliner auf – wenn es so kommt, da gebe ich Ihnen recht, Herr Müller, das müssen wir abwarten – und machen etwas Verantwortliches daraus, nämlich Verkehrsflughafen bis 2012/2013, und dann sehen wir gemeinsam weiter! Noch einmal: Niemand will BBI schließen. Alles andere ist eine böswillige Unterstellung.
Ich sage Ihnen ganz klar – lesen Sie es nach in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts! –: Der Spruch des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich auf Landesrecht. Das Landesrecht kann geändert werden. Wir können den Landesentwicklungsplan ändern. Wir können alle Voraussetzungen, die zu diesen Gerichtsurteilen geführt haben, hier verändern. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es keine Gesetze gibt, die man nicht zurücknehmen kann!
Herr Müller, zu dem, was Sie dann wieder so persönlich gesagt haben: Da ist einer gekommen, der hat sich überlegt: Wie kriege ich jetzt mal ein schönes Thema? –, und dann ist er losgegangen und hat das Thema Tempelhof erfunden. Und Helmut Schmidt und Steinbrück und die IHK und 75 führende Manager und die Angela Merkel und alle möglichen Leute auf dieser Welt, die Handwerkskammer, alle haben dann gesagt: Jawohl, wir wollen jetzt diesem parteipolitischen Aufruf folgen. – Das ist doch Unsinn! Hier hat es eine überparteiliche Bürgerinitiative gegeben. Die gibt es übrigens seit den Achtzigerjahren. Diese Bürgerinitiative hat sich gebildet, Kraft gewonnen – wir haben sie von Anfang an unterstützt – und ist zu einer Volksbewegung in Berlin geworfen. Nun versuchen Sie nicht, das parteizupolitisieren! Es ist keine
parteipolitische Frage, sondern eine Frage, wo Sie als Minderheit gegen die große Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner stehen und es Ihnen nicht einmal gelungen ist, Herr Müller, Ihre eigene Partei hinter sich zu bringen. Sie sagen seit Wochen, es sei eine Überlebensfrage für mich. Passen Sie auf, dass das Ganze nicht eine Überlebensfrage für Sie wird!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegin Michels hat soeben gesagt, wir hätten einen gemeinsamen Antrag formulieren können.
Mit Verlaub: Nach den Diskussionen im Präsidium und nach der klaren Festlegung von Herrn Momper, er wolle in jedem Fall reisen, haben wir für einen solchen gemeinsamen Antrag von Anfang an keine Grundlage gesehen. Das ist der Grund, warum die Opposition hier vorangegangen ist.
Jetzt tun Sie doch bitte nicht so, als ob die Regierungsfraktionen einer Meinung seien.
Sie haben sich doch selbst gestritten. Der PDS-Vertreter, der Linken-Vertreter, hat sich doch im Präsidium enthalten.
Sie haben doch selbst Herrn Momper kritisiert, dass er, ohne eine Einladung zu haben, hinfährt. Jetzt tun Sie doch nicht so, als ob Sie alle einig wären. Es ist Ihnen doch selbst peinlich, und in Ihrem Antrag sind Sie doch jetzt von dem Vorhaben, mit einer Parlamentsdelegation nach China zu fahren, abgegangen. Das zeigt, dass die Opposition in diesem Haus Erfolg hat. Wenn sie gemeinsam arbeitet, schafft sie es auch, Rot-Rot in die Knie zu zwingen, vor allem wenn Sie so unsinnige Vorhaben planen, wie Sie das an dieser Stelle getan haben.
Frau Kollegin Michels! In manchen Fragen sind wir gar nichts so weit auseinander. Natürlich ist China ein großes Land und ein wichtiges Land. Wir brauchen China in vielfältiger Weise als internationalen Partner, und zwar unabhängig von dem politischen System. Es ist wichtig, dass man China in internationale Abkommen zu Fragen der internationalen Abrüstung, der Dritten Welt einbindet. Keiner von uns ist der Ansicht, wir sollten in Zukunft keinen politischen Dialog mehr mit China führen. Ich werde auch in Zukunft – wie viele andere Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses – den Dialog mit China fortführen. Hier geht es jedoch um etwas anderes.
Die Volksrepublik China hat die Olympischen Spiele übernommen und dabei ein Versprechen gegeben, nämlich im Vorfeld dieser Spiele für Menschenrechte zu sorgen, nicht die Minderheiten zu unterdrücken. Sie hat ge
wusst, was sie sich damit auflädt. Jetzt messen wir sie an ihrem Versprechen. Vor diesem Hintergrund sollte man nicht ausgerechnet zu einem Zeitpunkt fahren, wo die Volksrepublik China Veranstaltungen nicht zum Dialog nutzt, sondern als Aushängeschild zur Aufwertung eines politischen Regimes. Es geht um den Zeitpunkt. Während der Spiele aus Berlin dorthin zu fahren, ist ein falsches Signal angesichts der Knebelung des tibetanischen Volkes.
Das Argument, es ginge darum, dass Berlin Austragungsort der Leichtathletik-WM sei und deswegen Herr Wowereit dorthin fahren müsse: Entschuldigen Sie bitte, aber dieses Argument ist wirklich nicht schlüssig. Berlin ist nicht Ausrichter der Olympischen Spiele, und in Peking finden nicht die Leichtathletik-Weltmeisterschaften statt. Es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Veranstaltungen. Deshalb gibt es keinen sachlichen Grund, in dieser Phase nach China zu fahren.
Die Opposition hält es gemeinsam für einen Fehler, jetzt in dieser Weise in China vorstellig zu werden.
Mein letzter Satz: Unabhängig von der Reisediplomatie haben wir in dem Antrag auch etwas anderes gesagt: Warum nicht eine Tibetflagge hissen? Warum nicht das tun, was das Warschauer Stadtparlament gemacht hat, nämlich zum Beispiel den Dalai-Lama einladen? Wir könnten doch ein Zeichen setzen, indem wir diesen wirklich großartigen Mann zu uns nach Berlin einladen. Berlin sollte in dieser wichtigen, weltweit beachteten Menschenrechtsfrage nicht hintanstehen, sondern sollte mitten zwischen den anderen Ländern für die Freiheit von Tibet und für die Menschenrechte in China kämpfen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion begrüßt die neue Gesprächsrunde. Ich glaube, alle in diesem Haus hoffen im Interesse der Berlinerinnen und Berliner, dass dieser Streik, der auf der Stadt lastet, durch einen vernünftigen Kompromiss schnell beendet wird, damit diese Stadt wieder zur Normalität zurückkehren kann.
Der Streik hat unzählige Menschen in der Stadt beschwert, alte und kranke Menschen vor allem, Menschen, die über kein Auto verfügen, Kinder. Es gibt vor allen Dingen große Probleme beim Einzelhandel. Da gibt es viele kleine Unternehmen, Würstchenstände, Kioske, Buchhandlungen, Bäckereien in den U-Bahnhöfen. Viele Menschen sind an den Rand ihrer Existenz gekommen. Sie haben 90 Prozent Einbußen, sie können ihre Kredite nicht mehr bezahlen. Das alles lastet auf dieser Stadt. Dazu kommen Äußerungen wie von Herrn Nerger, der sagt, das schade dem Ansehen Berlins, durch den lang anhaltenden Streik entstehe für den Tourismus ein großer Schaden.
Dieser Streik muss schnell beendet werden. Aber es gehört auch zur Wahrheit, dass dieser Senat und Sie, Herr Wowereit, ganz persönlich eine große Mitschuld daran
tragen, dass es überhaupt zu dieser Eskalation und zu diesem Streik gekommen ist.
Der erste und wichtigste Punkt, warum das so ist: Wir haben eine Haushaltsdebatte erlebt, in der vor wenigen Monaten nur noch Erfolgsmeldungen verkündet worden sind. Da wurde gesagt: Ein Riesenerfolg für die Berliner Finanzen, wir haben unseren Haushalt ausgeglichen! Jetzt sind wir über den Berg. Wir machen es anderen Bundesländern vor. – Herr Wowereit hat im Zusammenhang mit dem Hauptstadtvertrag von einem Quantensprung für Berlins Finanzen gesprochen. Da wurde ein Überschuss von 80 Millionen € gefeiert. Wenn die Berliner Finanzen jetzt so gefeiert werden, nachdem man vor einem Jahr noch gesagt hat, wir sind in einer Haushaltsnotlage, darf man sich nicht wundern, wenn aus dieser Beweihräucherung des Senats Begehrlichkeiten der BVG und des öffentlichen Dienstes im Ganzen entstehen.
Im Übrigen führt dieses Sich-selbst-Feiern und das Ausblenden der nach wie vor dramatischen Haushaltsrisiken für Berlin – der Soli wird zurückgeführt; wir wissen nicht, wie sich die Konjunktur entwickeln wird; wir werden zusätzliche Lasten aufgrund der demografischen Situation Berlins haben –, dieses Vorspielen, wir hätten bei der Konsolidierung Riesenerfolge erreicht, nicht nur in Berlin, etwa bei der BVG, dazu, dass sie sagen: Jetzt sind wir auch einmal dran!, sondern es führt auch bei den anderen Bundesländern, im Rahmen der Föderalismuskommission II, dazu, dass sie sagen: Na, wenn es gut um die Berliner Finanzen bestellt ist, dann legen wir eben nur für Schleswig-Holstein, Bremen und das Saarland einen Altschuldentilgungsfonds auf! – Auch die anderen Länder haben die Erfolgsmeldung, die Sie selbst in die Welt gesetzt haben, so verstanden, als hätte Berlin es jetzt nicht mehr nötig. Reden Sie lieber etwas bescheidener über die eigene Finanzlage! Es würde Ihnen in Berlin selbst helfen, und es würde Ihnen auch gegenüber den anderen Bundesländern helfen!
Und dann hat es Anfang des Jahres ein Signal von Herrn Lederer, Herrn Wolf und Frau Blum gegeben.
Da wurde klar gesagt, es müsste schon im Jahr 2008 Gehaltserhöhungen geben. Wenn ich Verdi wäre oder BVGBetriebsratsvorsitzender, dann hätte ich gesagt: Ein Teil der Koalition sagt, es kann mehr Geld geben, das ist doch die Aufforderung zu einem Streik! – Und das kam aus der Koalition! Es wurde übrigens von Herrn Wowereit gerügt, aber es wurde nicht zurückgenommen. Auch Herr Müller hat sich dem angeschlossen. Das ist doch auch ein Wecken von Begehrlichkeiten, das hier stattgefunden hat!
Ja, aber auch davon geht ein Signal aus, Herr Kollege! Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, dass Sie unterschiedliche Signale ausgesandt haben!
Der Hauptvorwurf, den wir machen, ist, dass Sie kurz vor dem Streik, der sich anbahnte, und während des Streiks nicht etwa zur Deeskalation beigetragen haben, sondern die Beschäftigten in der BVG und den ganzen öffentlichen Dienst provoziert und verärgert haben. Damit haben Sie zur Eskalation und nicht zur Deeskalation in dieser Stadt beigetragen!
Muss man, selbst wenn man der Meinung von Herrn Sarrazin ist, dass Busfahrer sehr gut verdienen – und dafür gibt es für diejenigen, die schon lange Busfahrer sind, auch gute Gründe –, in Interviews erklären: Das sind Leute, die schon heute ihr Geld am Markt nicht mehr wert sind?
Wenn man solche Äußerungen macht und so mit Leuten umgeht, die Jahre und Jahrzehnte lang in dieser Stadt pünktlich und anständig ihren Dienst versehen, die in ihrem Dienst auch bespuckt und geschlagen werden, dann verschärft man eine Situation. Und das trägt nicht dazu bei, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen.
Da liegt jetzt der Busfahrer der Linie M 29, die durch Kreuzberg fährt, im Krankenhaus. Er hat versucht, einer Frau zu helfen, und wurde mit dem Messer niedergestochen. Der Mann müsste einen Orden bekommen. Er müsste belobigt werden. Stattdessen muss er sich Beschimpfungen von Herrn Sarrazin anhören. Das ist nicht anständig gegenüber den Leuten, die für unsere Stadt arbeiten und vernünftig und gut arbeiten!
Sie wissen selbst – sie brauchen gar nicht unruhig zu werden –: Es ist Herr Lederer selbst, Ihr Koalitionskollege, Herr Sarrazin, Herr Wowereit, der diese Art von Äußerungen kritisiert hat. Was sagt Herr Lederer in einem Interview vom 8. März?
Thilo Sarrazin hat zu einer Eskalation beigetragen. Es ist absolut kontraproduktiv, die Arbeitnehmer mit überspitzten Äußerungen in der Öffentlichkeit schlecht zu machen.
Das genau ist der Vorwurf. Herr Gaebler hat ihn eben wiederholt. Es reicht nicht mehr, immer nur zu sagen: Ja, das hat Herr Sarrazin ein bisschen überspitzt gesagt. So ist er eben, unser Thilo. – Ein anderes Mal heißt es dann: Na
ja, ich hätte es auch nicht so formuliert. – Herr Regierender Bürgermeister! Sie regieren die Stadt. Es ist Ihr Senator, Sie haben Richtlinienkompetenz. Hören Sie endlich auf damit, die Arbeitnehmer dieser Stadt zu beleidigen und in die Ecke zu stellen! Sie haben es nicht verdient.
Sie hätten vorher mit den Beschäftigten und den Gewerkschaften sprechen müssen,
informell, aber Sie hätten sich auch mit Ihnen treffen müssen. Wir haben es gemacht.
Wir haben es immer wieder gemacht. Das ist von den Gewerkschaften auch anerkannt worden.
Von Ihnen jedoch kommt nur das Signal, dass es keine Gesprächsbereitschaft gibt, nach dem Motto: Wir haben doch Tarifverträge. Wenn jemand in einer Stadt wie Berlin Gesprächsbedarf formuliert, sich die Konjunktur insgesamt gut entwickelt, die Mieten und Abgaben steigen und die Menschen nicht mehr wissen, wie sie ihre Mieten, Nebenkosten und Kredite bezahlen sollen, dann muss man mit ihm sprechen. Man muss die Menschen ernst nehmen, auf sie zugehen und darf sie nicht in die Ecke stellen und obendrein auch noch beschimpfen. Das ist ein Stil, der zur Ausgrenzung beiträgt und zur Spaltung führt. Das ist die Arroganz der Macht und keine verantwortliche Regierungspolitik, wie sie notwendig gewesen wäre. Wenn Sie verantwortliche Regierungspolitik betrieben hätten, hätte es diese Eskalation in den vergangenen neun Tagen nicht gegeben.
Diese Stadt hat enorme soziale Probleme. Dass die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner diese sieht, zeigt das große Verständnis, dass die Menschen trotz der öffentlichen Finanzlage, trotz der Beschwernisse durch den Streik immer wieder gezeigt haben. Der sozialen Probleme muss man sich annehmen. Herr Wowereit! Dagegen helfen keine Image- und Be-Berlin-Kampagnen, sondern dagegen hilft nur eine sozial gerechte, an den Problemen orientierte Politik. Es geht um Substanz und nicht um Verpackung,
es geht um Inhalte und Konzeptionen und nicht um eine neue Imagekampagne. Berlin hat ein gutes Image,
aber es wird schlechte Politik gemacht. Das muss geändert werden – zum Wohle der Berlinerinnen und Berliner. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, Herr Müller, ich hatte auf eine sachliche Debatte gehofft.
Wieder nur persönliche Diffamierungen! Ich glaube, das wird der Tatsache nicht gerecht, dass 205 000 Menschen in dieser Stadt dem Volksbegehren zugestimmt haben, 205 000 mündige Bürger, die Sie als nicht Informierte, Naivlinge und Ewiggestrige darstellen. Das hat dieses Volksbegehren und direkte Demokratie in Berlin nicht verdient!
205 000 Unterschriften, das ist ein großartiger Erfolg der Bürgerinitiative ICAT, der zahllosen Helfer und Unterstützer. Herzlichen Dank allen, die hier mitgemacht haben, die abgestimmt haben! Sie alle können stolz auf dieses erste gewonnene Volksbegehren in der Geschichte unserer Stadt sein.
Der Regierende Bürgermeister sagte in einer Stellungnahme, über Tempelhof dürfe man nicht emotional entscheiden. Es gehe nicht um Rückblicke, sondern um eine rational zu treffende Zukunftsentscheidung. – Was ist das für ein Demokratieverständnis? Die Befürworter des Flughafens sind alle irgendwelche Gefühlsnostalgiker, die Gegner Tempelhofs sind die Vernünftigen?
Warten Sie es nur ab! – IHK, Handwerkskammer, der Berlin-Tourismus-Chef Nerger, der Chef von Berlin Partner Gurka, Richard von Weizsäcker, die Sozialdemokraten Bölling und McCullen, der Linke Andrej Hermlin, – alles emotionalisierte Rückwärtsgewandte, die einer parteipolitischen Kampagne aufgesessen sind, ohne Sinn und ohne Kenntnis? – Nein, das ist keine parteipolitische Kampagne gewesen, das ist eine Volksbewegung gewesen, und auf die sind wir alle miteinander stolz.
Helmut Schmidt hat sich für Tempelhof ausgesprochen – die Reaktion des Senats kam umgehend: Schmidt sei nicht wirklich informiert.
Wowereit erklärt, egal, wie der Volksentscheid ausgehe, er bleibe bei der Schließung Tempelhofs.
Das hat mit Demokratie nichts zu tun, das ist Arroganz der Macht, nichts anderes!
Berlin hatte mal einen großen Sozialdemokraten – Willy Brandt. Der würde heute sagen: Mehr Demokratie wagen, Klaus! – Mehr Demokratie wagen – das war die große Losung von Willy Brandt. Was wir heute erleben, was Ihre Auffassung, Herr Wowereit, kennzeichnet, das orientiert sich mehr an Bertolt Brechts Interview vom 17. Juni 1953: „Da sich herausgestellt hat, das unser Volk eine dumme Hammelherde ist, empfehlen wir der Regierung, sich ein anderes Volk zu wählen.“ – Das ist Ihr Demokratieverständnis, die Leute zu diffamieren, in die Ecke zu stellen und nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass sich im Volk, in der Berliner Bevölkerung etwas getan hat.
In diesem Sinne hat Michael Efler von der Initiative „Mehr Demokratie“ völlig recht. Er hat Herrn Wowereit problematisches Verhalten vorgeworfen. „Zunächst lässt Wowereit ein Volksbegehren zu und erweckt den Eindruck, es ernst zu nehmen. Als er merkt, dass es anders läuft als gedacht, äußert er, das Ergebnis sei nicht von Belang.“ Der frühere Justizsenator Wieland – heute Bundestagsabgeordneter der Grünen – kritisiert Ihre TempelhofArroganz. „Man kann direkte Demokratie nicht nur dann wollen, wenn man selbst gewinnt!“
Bange machen gilt nicht. Wenn alle mitmachen und von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen – die 70 Prozent, die laut Umfragen für die Offenhaltung von Tempelhof sind –,
dann gewinnen wir auch den Volksentscheid, und wir sind entschlossen, ihn zu gewinnen, auch wenn wir in diesem Haus dafür nicht die Mehrheit haben.
Unser Hauptargument für Tempelhof ist nicht die Geschichte – so wichtig sie auch ist –, sondern es ist die Gegenwart und Zukunft unserer Stadt, sind Arbeitsplätze und Investitionen.
Warum hören Sie nicht hin, wenn der Chef des Londoner Cityflughafens sagt: Herr Regierender Bürgermeister! Wenn Sie Tempelhof schließen, machen Sie einen großen Fehler. Mit der neuen Generation sehr leichter, leiser und verbrauchsarmer Jets würde der Geschäftsfliegerverkehr stark anwachsen.
Das ist eine Riesenchance für Berlin, denn Geschäftsflieger wollen citynahe Flughäfen mit kurzen Wegen. Wenn Berlin den City-Airport schließt, werden andere Städte die Gewinner sein.
Nehmen Sie solche Argumente doch bitte mal zur Kenntnis!
Was machen Sie? – Der SPD-Landesgeschäftsführer diffamiert Tempelhof als einen Bonzenflughafen.
Herr Wowereit! Sie haben den Flughafen doch kürzlich erst noch benutzt. Nichts ist dümmer, als Geschäftsleute, Manager, Unternehmer so zu diffamieren. Unsere Stadt ist arm, sie braucht Investitionen, sie braucht Leute, die Geld und Arbeitsplätze hierher bringen. Die als Bonzen zu beleidigen, das muss selbst denjenigen, die gegen Tempelhof sind, zu viel sein. Das ist unerträglich, und damit schaden Sie unserer Stadt!
Herrn Lauder, der in Tempelhof 350 Millionen € investieren, 1 000 neue Arbeitsplätze schaffen wollte, der wurde als reicher Onkel aus Amerika beleidigt.
Er beklagt sich heute, dass das Konzept nicht wirklich geprüft wurde. Diese Art von Politik macht unsere Stadt ärmer. Wie gut, dass Herr Lauder in der letzten Woche überzeugt werden konnte, seine Investitionsbereitschaft aufrechtzuerhalten. 1 000 zusätzliche Arbeitsplätze, das ist kein Pappenstiel, die braucht unsere Stadt!
Hier zeigt sich, Herr Kollege Müller, dass es eben nicht nur um einen Flughafen geht und andere Fragen viel wichtiger sind, wie Sie es unterstellen. Es geht um zwei unterschiedliche Konzepte zur Zukunft der Stadt. Wenn wir wollen, dass die Wohlstandsschere zwischen dem Bund und Berlin weiter wächst, wenn wir uns damit zu
frieden geben, am Tropf der Republik zu hängen, arm und sexy zu sein, dann müssen wir Tempelhof schließen. Wenn wir aber unsere Kreativität, unsere Kultur, unsere Berliner Weltoffenheit mit ökonomischer Kraft, mit Wohlstand, sozialer Sicherheit verbinden wollen, dann brauchen wir Tempelhof als Luftbrücke für Ideen und Investitionen.
Tempelhof ist kein Bonzenflughafen, sondern ein Chancenflughafen.
Die kleinen Geschäftsflieger, so sagen uns die Luftexperten, stören nur in BBI. Sie belasten den Flugbetrieb, weil sie langsamer fliegen, die großen Maschinen zu Warteschleifen und riesigem CO2-Ausstoß über der Stadt zwingen und weniger Fluggäste transportieren.
Jeder landende Geschäftsflieger verdrängt zwei bis drei große Flugzeuge.
Gerade wer den Erfolg von BBI will – und wir wollen ihn, Herr Müller –, gerade der muss sagen: Tempelhof als Ergänzung ist notwendig, damit der Großflughafen wirklich erfolgreich sein kann.
Dann, Herr Müller, kommen Sie mit Herrn Diepgen und dem Konsensbeschluss. Der Konsensbeschluss ist eine interne Verabredung
der drei Eigentümer der Flughafengesellschaft, ohne rechtliche Außenwirkung. Niemand konnte vor zwölf Jahren die rasante Entwicklung des Luftverkehrs voraussagen.
Zwölf Jahre später muss man im Lichte neuer Entwicklungen auch neue Entscheidungen treffen können und den politischen Willen dazu mitbringen. Das gebietet die Zukunft unserer Stadt.
Einer der führenden Rechtswissenschaftler in Deutschland, Rupert Scholz, sieht keine Gefahr für BBI, wenn Tempelhof offen bleibt. Prof. Elmar Gimulla, Institut für Luft- und Raumfahrt der TU, einer der besten Experten in Sachen Luftverkehrsrecht in Deutschland überhaupt, sagt wörtlich: „Das Risiko einer Gefährdung von BBI durch die Offenhaltung von Tempelhof für den Geschäftsreiseverkehr ist gleich Null.“
Wenn Sie denen nicht glauben, dann fragen Sie doch einfach Thilo. Thilo Sarrazin war am 12. Dezember 2007 beim CDU-Wirtschaftsrat zu Gast.
Er hat sich dort ganz wohl gefühlt, habe ich mir sagen lassen. Er hat sich vehement für den Weiterbetrieb von Tegel ausgesprochen, man höre und staune, wie übrigens auch Herr Naumann, der SPD-Spitzenkandidat in Hamburg.
Will Sarrazin damit BBI in Frage stellen? – Ich glaube nicht. Ganz unumwunden sagte Sarrazin wörtlich: „Man sollte sich nicht hinter juristischen Erwägungen verstecken. Die Einstellung des Flugbetriebs in Tempelhof ist eine politische Frage.“
Dies ist nachzulesen in der „Berliner Zeitung“ vom 13. Dezember 2007. Was ist denn dann mit Ihren Argumenten, Herr Müller? Hat nun Herr Sarrazin recht, oder hat Herr Müller recht? – Lassen wir doch endlich mal die juristischen Auseinandersetzungen, sagen Sie doch, was Sie politisch wollen,
statt sich hinter juristischen Formeln zu verstecken! Die Schließung von Tempelhof ist nicht Teil der Zehn Gebote und nicht Teil des Grundgesetzes. Wenn wir den politischen Willen haben, dann können wir das als Berlinerinnen und Berliner auch ändern!
Wenn Sie das alles immer noch bezweifeln, dann gehen Sie doch auf folgenden Vorschlag von uns ein, den wir Ihnen heute als Antrag, sozusagen als Sofortreaktion auf das erfolgreiche Volksbegehren, vorgelegt haben: Sie, Herr Regierender Bürgermeister, lassen Tempelhof zunächst bis zur Eröffnung von BBI offen. Dazu sagen ja sogar Sie, dass das in keiner Weise juristische Probleme mit sich bringt. Dann gehen Sie auf das Angebot der Bundesregierung – Steinbrück und de Maizière – ein, die Ihnen zugesagt hat, bis dahin das Betriebsdefizit von Tempelhof zu übernehmen – die geben Berlin also in den nächsten Jahren Geld! Bis zur Eröffnung von BBI machen wir dann ohne Belastung des Steuerzahlers Folgendes: Wir bringen alle Beteiligten an einen Tisch, auch die besten Juristen. Dann diskutieren wir die Zukunft von Tempelhof.
Bis dahin haben Sie vielleicht Zeit, Herr Müller, irgendwann ein tragfähiges Nachnutzungskonzept vorzulegen. Dann diskutieren wir es erneut im Parlament und mit den Berlinerinnen und Berlinern. Warum sagen Sie jetzt nicht aus Respekt vor den 205 000 Bürgern:
Jawohl, das ist eine Kompromisslinie für die nächsten fünf Jahre. Das hat keine rechtlichen Probleme. – Das sollten Sie tun, dann in aller Ruhe und Sachlichkeit und ohne Diffamierungen über diese Dinge sprechen. Das ist unser Wunsch. Dem sollten Sie Rechnung tragen. Wenn nicht, werden die Berlinerinnen und Berliner eben im Volksentscheid sagen, was sie wollen.
Dem werden Sie sich letztlich nicht verschließen können, trotz all Ihrer Polemik heute.
Herr Regierender Bürgermeister! Wir müssen festhalten: Wir haben von Ihnen keine Antwort auf unseren Vorschlag bekommen, in Ruhe und ohne jede Form der Gefährdung von BBI zu überlegen, was wir in den nächsten fünf Jahren gemeinsam machen und den Flugbetrieb bis zur Eröffnung von BBI aufrechterhalten.
Sie haben keinerlei Reaktionen auf die 205 000 Stimmen gezeigt, die Sie selbst schon hätten nutzen müssen, um nachzudenken und noch einmal abzuwägen, ob wirklich alles gemacht worden ist, dem Willen des Volkes, der Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner, zu entsprechen.
Vielleicht lassen Sie mich ausreden und sind einmal einen Augenblick ruhig. Wenn Sie schon mir nicht glauben, hören Sie vielleicht zu, was Lorenz Marold sagt. Ich zitiere aus dem „Tagesspiegel“:
Fahrlässig wäre es, ohne Not eine Option aus der Hand zu geben durch die schnelle Schließung von Tempelhof. Niemand, auch kein Gericht, zwingt den Senat dazu.
Wenn Sie für später eine Lösung haben, lassen Sie uns in Ruhe diskutieren. Bisher haben Sie kein einziges echtes Nachnutzungskonzept gezeigt. Es ist kein einziger Satz zu einem konkreten Konzept, zu einer konkreten Investition erfolgt. Von Ihrer Seite sind lediglich irgendwelche Pläne und Vorstellungen, die man demnächst durchführen will, vorgetragen worden. Deshalb ist es töricht von Ihrer Seite, sich jetzt hinzustellen und zu sagen: Wir wollen den
Flughafen um jeden Preis am 31. Oktober schließen, aber, was wir dann mit dem Flughafen machen, werden wir dann entscheiden. Das machen die Berliner nicht mit.